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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: I-4 U 225/05
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 3 S. 2
ZPO § 167
ZPO § 691 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26. Oktober 2005 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger, der bei der Beklagten für den T...hof, L...straße ..., N..., eine landwirtschaftliche Sachversicherung auf der Basis der ABL 02 (GA 35) unterhält, nimmt diese wegen eines Brandes, der sich am 3. März 2004 ereignet hat, in Anspruch. Die Beklagte hat die Schadensregulierung mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 (GA 6), zugegangen am 27. Oktober 2004 (GA 3), wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit abgelehnt und dem Kläger eine Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VVG gesetzt. Die von ihm erhobene Klage ging am 26. April 2005 beim Landgericht ein. Am 6. Mai 2006 erhielt seine erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte die Gerichtskostenanforderung über 6.168 € (GA 112). Diese bewirkte am 3. Juni 2005 die Einzahlung.

Den Brandschaden beziffert der Kläger mit (netto) 269.765,17 €. Nachdem er zunächst auch auf Zahlung von Mehrwertsteuer (43.162,43 €) geklagt hatte, hat er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 269.765,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt eingenommen, die Klagefrist sei nicht gewahrt, da die Klageschrift nicht mehr "demnächst" zugestellt worden sei. Außerdem hat sie sich darauf berufen, der Kläger habe die Aufklärungsobliegenheit verletzt und den Brandschaden grob fahrlässig herbeigeführt.

Das Landgericht hat die Klage wegen Versäumung der Klagefrist abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er macht geltend: Eine Verzögerung, die die Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung ausschließe, liege nach der Rechtsprechung zu § 691 Abs. 2 ZPO nur vor, wenn diese mehr als einen Monat andauere. In seinem Fall liege zwischen der Kenntnis von der Höhe des Gerichtskostenvorschusses und der Einzahlung aber nur ein Zeitraum von 25 Tagen. Im übrigen gehe nur eine schuldhafte Verzögerung zu seinen Lasten. Er habe jedoch alles ihm Zumutbare und Mögliche getan, um den Vorschuss so schnell wie möglich aufzubringen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 269.765,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für richtig hält, bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil und den Akteninhalt Bezug genommen. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf 10 Js 295/04 und 111 Js 321/99 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II. Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte leistungsfrei ist, weil der Kläger die Klagefrist (§ 12 Abs. 3 VVG) versäumt hat.

1. Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 eine Klagefrist gesetzt und ihm eine den Anforderungen des § 12 Abs. 3 S. 2 VVG genügende Rechtsbelehrung erteilt. Das Schreiben ist ihm unstreitig am 27. Oktober 2004 zugegangen. Innerhalb der am 27. April 2005 endenden Frist ist die Klageschrift auch bei Gericht eingegangen. Dadurch wurde die Frist jedoch nicht gewahrt, da die Zustellung, die erst am 23. Juni 2005 (GA 15) stattfand, nicht mehr "demnächst" i.S. von § 167 ZPO erfolgt ist.

Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung soll die Partei vor Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden, weil diese außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Zuzurechnen sind ihr jedoch Verzögerungen, die sie und ihr Prozessbevollmächtigter, für den sie einzustehen hat (§ 85 Abs. 2 ZPO), bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine Klage noch "demnächst" zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter alles ihnen Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn sie oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges, zumindest leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht mehr geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Zu einer solchen zur Leistungsfreiheit der Beklagten führenden Zustellungsverzögerung ist es im Streitfall gekommen.

2. Ein nachlässiges Verhalten liegt nicht darin, dass der Gerichtskostenvorschuss nicht schon bei Einreichung der Klage gezahlt worden ist, denn nach gefestigter Rechtsprechung darf eine Partei die Vorschussanforderung der Justizkasse abwarten. Darüber hinaus ist ihr eine Erledigungsfrist zuzubilligen, binnen der sie die Einzahlung bewirken kann (OLG Hamm r+s 2004, 136, 137; OLG Köln VersR 2000, 1485; ebenso BGH NJW 1994, 1073, 1074 für die Beantwortung einer Anfrage zum Streitwert; zweifelnd Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 Rn. 60). Diese Bearbeitungszeit bemisst das OLG Köln (a.a.O.) mit einer Woche und das OLG Hamm (a.a.O.) mit vier Werktagen. Selbst wenn hier zugunsten des Klägers eine Wochenfrist angesetzt wird, die mit Zugang der Gebührenanforderung bei seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten (6. Mai 2005) begann, lief diese aber bereits am 13. Mai 2005 ab, ohne dass die Vorschusszahlung bis dahin veranlasst worden wäre.

3. Ebenso wenig kann eine "demnächstige" Zustellung mit der Begründung angenommen werden, dass die schuldhafte Zustellungsverzögerung nur geringfügig gewesen sei. Geringfügig sind nach ständiger Rechtsprechung nur - die Erledigungsfrist überschreitende - Verzögerungen von bis zu 14 Tagen (BGH VersR 1995, 368; Senat VersR 2006, 349). Auch diese Zeitspanne ist aber am 27. Mai 2005 fruchtlos verstrichen. Zur großzügigeren Bemessung der (weiteren) Frist einer unschädlichen schuldhaften Verzögerung, die eine Rückwirkung der Zustellung nicht hindern würde, bietet die Rechtsprechung zu § 691 Abs. 2 ZPO (BGH NJW 2002, 2794, 2795) keine Veranlassung. Durch diese Bestimmung soll sichergestellt werden, dass den Parteien durch die Wahl des Mahnverfahrens kein verjährungs- oder fristenrechtlicher Nachteil entsteht. Eine entsprechende Anwendung der Monatsfrist auf alle Fälle behebbarer fehlerhafter Mahnbescheidsanträge lässt sich mit der Überlegung rechtfertigen, dass anderenfalls derjenige Antragsteller, der Antragsmängel behebt, schlechter stünde als derjenige, der stattdessen zum Klageverfahren übergeht. Diese Konsequenz würde der Funktion des Mahnverfahrens widersprechen, dem Gläubiger einen einfacheren Weg zur Titulierung seines Anspruchs zu ermöglichen. Für Fälle schuldhafter Verzögerungen der Zustellung außerhalb des Mahnverfahrens gilt diese Überlegung jedoch nicht. Hier hat es bei dem Grundsatz zu bleiben, dass der Partei diejenigen Verzögerungen zugerechnet werden, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können (BGH FamRZ 2004, 21, zitiert nach Juris Nr.: KORE 531752004; BGH GuT 2005, 180 = Grundeigentum 2005, 1420, zitiert nach Juris Nr.: KORE 515992005; OLG Hamm r+s 2004, 136; KG r+s 2004, 446; OLG Karlsruhe MDR 2004, 581; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 65. Aufl., § 167 Rn. 24; Prölss/Martin, a.a.O., § 12 Rn. 60; Römer/ Langheid, VVG, 2. Aufl., § 12 Rn. 61; Musielak/Wolst ZPO, 4. Aufl. 2005, § 167 Rn. 10; a.A. OLGR München 2006, 207; Zöller/Greger ZPO, 25. Aufl., § 167 Rn. 11). Dem schließt sich der Senat an. Danach erfolgte die Einzahlung am 3. Juni 2005 verspätet.

4. Zu einer abweichenden Beurteilung geben die Umstände, die nach Darstellung des Klägers zur Verzögerung der Vorschussleistung geführt haben, keine Veranlassung. Auch wenn er nicht gehalten war, die Höhe des Vorschusses selbst zu berechnen und den so ermittelten Betrag unaufgefordert einzuzahlen, muss ihm aufgrund anwaltlicher Beratung schon bei Klageeinreichung klar gewesen sein, dass auf ihn eine nicht unerhebliche Gebührenforderung zukommt. Er musste sich somit darauf einstellen, diese Mittel aufzubringen, oder, falls ihm das nicht möglich sein sollte, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dass sich die Zahlung des Kaufpreises für seinen Grundbesitz verzögert hatte und die für sein Bauvorhaben aufgenommenen Kredite zweckgebunden waren, war ihm schon bei Klageeinreichung bekannt. Er konnte daher nicht annehmen, dass ihm diese Gelder zur Finanzierung des Vorschusses zur Verfügung stehen würden. Dass ihm die Kaufpreiszahlung für die Zeit unmittelbar nach Klageeinreichung definitiv angekündigt worden war, hat er auch nicht dargetan. Ebenso wenig hat er geltend gemacht, dass er sich vergeblich um einen Überziehungskredit oder ein weiteres Bankdarlehen bemüht hat. Schließlich ist auch nicht feststellbar, dass er nicht imstande gewesen wäre, seine Schwägerinnen früher als geschehen um einen Privatkredit zu ersuchen. Dazu hat er nur vorgetragen, dass diese "im Mai 05 verreist" gewesen seien und er "vorsichtige An- und Nachfragen" für angezeigt gehalten habe (GA 159). Von wann bis wann genau die in Aussicht genommenen Kreditgeberinnen in Urlaub waren, geht daraus jedoch nicht hervor. Überdies ist auch nicht erkennbar, was der Kläger unter vorsichtigen An- und Nachfragen versteht, deshalb bleibt zumindest offen, ob er nur taktvoll oder schuldhaft zögerlich an seine Schwägerinnen herangetreten ist.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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