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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: I-4 U 226/07
Rechtsgebiete: AKB, VVG, StGB


Vorschriften:

AKB § 7 Abs. 1 (2) S. 3
AKB § 7 Abs. 5 S. 4
AKB § 12 Nr. 1 II e
VVG § 6 Abs. 3
StGB § 142
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf vom 24.09.2007 - 11 O 145/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Der Kläger macht Ansprüche aus der bei der Beklagten unterhaltenen Vollkaskoversicherung für seinen PKW M., amtl. Kennzeichen ... wegen eines angeblich am 23.06.2006 im europäischen Teil Istanbuls erlittenen Verkehrsunfalls geltend.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei wegen Verstoßes des Klägers gegen die ihn gem. § 7 Abs. 1 (2) S. 3 AKB treffenden Aufklärungsobliegenheiten gem. § 7 Abs. 5 S. 4 AKB, § 6 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden.

Die hiergegen gerichtete zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Allerdings ist die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten des Klägers von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden.

Nach § 7 Abs. 1 (2) S. 3 der hier in den Vertrag einbezogenen AKB hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Das Landgericht hat insoweit zunächst zutreffend ausgeführt, dass eine Leistungsbefreiung hier nicht wegen unerlaubten Entfernens des Klägers vom Unfallort eingetreten ist. Das Verlassen der Unfallstelle stellt nur dann eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (BGH r+s 2000, 94, 95). Dies ist hier nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nicht einmal konkret dargelegt, dass in der T. eine dem § 142 StGB vergleichbare Vorschrift existiert und wie diese konkret ausgestaltet ist. Selbst wenn man unterstellt, dass es eine vergleichbare Vorschrift gibt, kann nicht festgestellt werden, dass der Tatbestand des § 142 StGB erfüllt ist, da die Beklagte nicht konkret vorgetragen hat und auch nicht ersichtlich ist, dass bei dem angeblichen Unfallereignis ein Fremdschaden entstanden ist, der eine Warte- und Feststellungspflicht des Klägers ausgelöst hätte. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen die Pflichten des § 142 StGB nicht zugunsten der Kaskoversicherung, wenn an dem Unfall kein Dritter beteiligt oder hierdurch geschädigt ist. Feststellungsinteressen der eigenen Versicherung sind im Rahmen des § 142 StGB belanglos, da der Unfall nicht unmittelbar in deren Rechtsbereich eingreift (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., § 142, Rdnr. 26 m.w.N.).

Die Beklagte dürfte auch nicht deshalb von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden sein, weil der Kläger in der Schadensanzeige vom 17.08.2006 falsche Angaben zur Schadenszeit gemacht hat. Die Schadenanzeige ist unstreitig von einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Beklagten ausgefüllt worden. Dies ist erkennbar flüchtig und unvollständig geschehen. Mehrere Rubriken sind gar nicht oder widersprüchlich ausgefüllt worden. So ist unter der Überschrift "Fahrzeuglenker" der Name des Klägers und Versicherungsnehmers angegeben, gleichzeitig ist aber die Frage, ob der Fahrzeuglenker der Ehegatte/Partner des Versicherungsnehmers sei, bejaht worden. Die Schilderung des Unfallhergangs ist denkbar knapp, die zweite Seite des Fragebogens ist bis auf die Frage, ob Personen verletzt wurden, gar nicht ausgefüllt worden. Die Beklagte konnte aufgrund der ihr vorliegenden Dokumente der türkischen Polizeibehörden, auf die der Kläger in der Schadensanzeige durch Angabe der seinen Unfallbericht aufnehmenden Dienststelle Bezug genommen hat, unschwer erkennen, dass der Kläger bei seiner polizeilichen Vernehmung eine andere Schadenszeit als in der Schadensanzeige genannt hatte. Der Beklagten dürfte die Berufung auf Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 3 VVG hier deshalb verwehrt sein, weil sie dem Kläger den für sie offenkundigen Widerspruch zu den türkischen Unterlagen betreffend die Schadenszeit nicht vorgehalten und nicht auf diese Weise auf eine sachgerechte Klärung der Formularfrage des auch im übrigen offensichtlich flüchtig ausgefüllten Vordrucks hingewirkt hat. Die für die Beklagte erkennbare unvollständige und in sich widersprüchliche Ausfüllung der Schadensanzeige hätte sie von sich aus veranlassen müssen, auf eine Vervollständigung hinzuwirken und bei Widersprüchen mit den ihr vorliegenden Unterlagen aus der T. diese dem Kläger vorzuhalten. Denn angesichts des von ihrem Mitarbeiter erkennbar unzureichend ausgefüllten Formulars konnte sie nicht ausschließen, dass Abweichungen gegenüber den Angaben bei der türkischen Polizei auf einem Missverständnis beruhten. Ein Versicherungsverhältnis steht in besonderem Maße unter dem Schutz des Grundsatzes von Treu und Glauben, der für den Versicherer ggf. auch Hinweis- und Fürsorgepflichten beinhalten kann. Dies gilt auch für die Schadensaufnahme und die ergänzende Befragung des Versicherungsnehmers. Auch hierbei darf der Versicherer nicht einseitig seine Interessen in den Vordergrund stellen, sondern hat auch die berechtigten Belange seines Versicherungsnehmers zu wahren. Deshalb kann er sich nicht ohne weiteres auf Leistungsfreiheit nach § 6 Abs. 3 VVG berufen, wenn sich bereits aus dem ausgefüllten Schadenanzeigeformular ergibt, dass die darin vermerkten Angaben widersprüchlich oder sonst wie unklar sind (BGH NJW-RR 1997, 277). Wenn ein Irrtum oder Missverständnis des Versicherungsnehmers, von dessen Redlichkeit zunächst auszugehen ist, nicht fern liegt, jedenfalls aber möglich ist, ist der Versicherer nach Treu und Glauben verpflichtet, auf seine anderweitige Kenntnis hinzuweisen, um so den Versicherungsnehmer zu einer Überprüfung und Korrektur seiner Falschangaben zu veranlassen. Es widerspricht Treu und Glauben, den Versicherungsnehmer sehenden Auges ohne jede Warnung mit seinem Begehren auf Versicherungsschutz scheitern zu lassen (OLG Hamm, NJW-RR 2000, 1122, 1123).

Dies kann im Ergebnis aber dahinstehen. Denn die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat unabhängig von einer Verletzung der Obliegenheiten des Klägers unbegründet. Aufgrund der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Schäden an dem Fahrzeug des Klägers durch ein versichertes Ereignis, und zwar einen Unfall i.S. des § 12 Nr. 1 II e) AKB verursacht worden sind.

Es ist Sache des Versicherungsnehmers, den äußeren Tatbestand eines Unfallereignisses, also die Verursachung der Sachschäden an einem Fahrzeug durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis darzutun und zu beweisen. Aufgrund der informatorischen Anhörung des Klägers und der Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin vermag sich der Senat nicht die Überzeugung zu bilden, dass das von dem Kläger behauptete Unfallereignis stattgefunden hat. Zahlreiche Widersprüche zwischen dem Parteivortrag, den vom Kläger vorgelegten Unterlagen der türkischen Behörden, seinen Angaben bei der informatorischen Anhörung und den Bekundungen seiner Ehefrau als Zeugin sowie seinen Erklärungen gegenüber dem Versicherungsagenten führen dazu, dass die Darstellung des Klägers betreffend das Unfallereignis nicht glaubhaft ist. Der polizeilichen Anzeigenaufnahme ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger, wie er in der Klageschrift behauptet hat, die zuständige Polizei bereits um 9 Uhr morgens aufgesucht habe. Im Protokoll wird als Zeitpunkt der Vernehmung 13.50 Uhr angegeben. In der Zusammenfassung des "Gesprächs mit dem Staatsanwalt" heißt es, der Kläger sei am 23.06.2006 um 13 Uhr zur Polizeiwache gekommen und habe von dem Unfall berichtet. Er habe sich von der Unfallstelle entfernt, um seine Kinder unterzubringen, habe später die Verkehrspolizei gerufen, diese habe ihm gesagt, dass er zur Polizeiwache müsse. Angesichts dieser eingehenden Schilderung des Ablaufs der Ereignisse wäre zu erwarten gewesen, dass die t. Polizei dort erwähnt hätte, wenn der Kläger das erste Mal bereits um 9 Uhr zur Polizeidienststelle gekommen wäre. Auch in seiner Vernehmung vor der t. Polizei hat der Kläger ausweislich des Protokolls nichts davon erwähnt, dass er bereits um 9 Uhr das erste Mal die Polizeidienststelle aufgesucht hat. Vielmehr hat er dort geschildert, er sei nach dem Wegbringen der Kinder erneut zur Unfallstelle gekommen, wo ihm durch die Verkehrspolizei mitgeteilt worden sei, dass er zur Polizeiwache fahren solle. Auffällig ist auch, dass der Kläger gegenüber der t. Polizei nicht erwähnt hat, dass sich auch seine Ehefrau im Zeitpunkt des Unfalls in dem Auto befand. Er hat dort nur angegeben, dass sich seine Kinder im Auto befunden hätten, um zu erklären, dass er die Unfallstelle verlassen habe.

Widersprüche gibt es auch zwischen den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung und der Aussage seiner Ehefrau als Zeugin. Während die Ehefrau geschildert hat, dass sich der Unfall auf dem Weg von ihrer Cousine in I. zu ihrer Heimatstadt in der T. ereignet habe, hat der Kläger erklärt, sie seien auf dem Weg zu einem Besuch bei dieser Verwandten gewesen, zu der sie nach dem Unfall auch die Kinder gebracht hätten.

Auch hat der Kläger widersprüchliche Angaben dazu gemacht, wann und von welchem Ort sein Fahrzeug abgeschleppt worden sei. Gegenüber dem Zeugen S..., dem Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Beklagten, mit dem der Kläger am 18.10.2006 wegen der Ablehnung des Versicherungsschutzes durch die Beklagte gesprochen hat, hat er angegeben, er habe sein Fahrzeug gleich nach dem Unfall durch einen Abschleppdienst abschleppen lassen und sei deshalb etwa gegen 9 Uhr bei der Polizei gewesen, um den Unfall aufnehmen zu lassen. Dies hat der Zeuge B. der Beklagten unmittelbar nach dem Gespräch mit Schreiben vom 18.10.2006 mitgeteilt und bei seiner Vernehmung durch den Senat nochmals im einzelnen geschildert. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat hat der Kläger hingegen angegeben, er habe das Fahrzeug erst am Nachmittag des angeblichen Unfalltages abschleppen lassen, nachdem er bei der Polizei vernommen worden sei. Er habe überprüfen lassen wollen, ob er noch längere Strecken mit dem Fahrzeug fahren könne. Da der Kläger - nach seiner Behauptung - unmittelbar nach dem Unfall zunächst seine Kinder zu seiner Cousine gebracht, dann mit dem Fahrzeug zur Unfallstelle zurückgefahren und schließlich zur Polizeidienststelle gefahren ist, ist es nicht plausibel, dass er das Fahrzeug nicht noch in die Werkstatt gefahren hat, sondern es angeblich von der Polizei aus hat abschleppen lassen. Diese zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten führen dazu, dass das von dem Kläger behauptete Unfallereignis nicht als bewiesen angesehen werden kann. Vielmehr besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Schäden an dem Fahrzeug des Klägers nicht durch ein versichertes Ereignis entstanden sind. Hierfür spricht auch, dass der Kläger bereits wegen Versicherungsbetrugs vorbestraft ist. Das Amtsgericht Erkelenz hat mit Strafbefehl vom 14.12.2005, gegen den der Kläger keinen Einspruch eingelegt hat, in dem Verfahren 100 Js 1038/05 gegen den Kläger eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt, weil er der Gothaer Versicherung Schäden als angeblich durch Vandalismus entstanden gemeldet hat. Aufgrund eines Sachverständigengutachtens wurde jedoch festgestellt, dass die gemeldeten Schäden, für die der Kläger die Gothaer Versicherung in Anspruch nahm, tatsächlich durch ein anderes, nicht versichertes Ereignis entstanden waren. Die nämlichen Schäden meldete der Kläger nicht nur der G. Versicherung, sondern auch der W. Versicherung, rechnete diese also zwei Mal ab. Im Rahmen der Geltendmachung dieser Schäden in einem selbständigen Beweisverfahren gab er eine wahrheitswidrige eidesstattliche Versicherung ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 5.228,47 €.

Für die Zulassung der Revision besteht kein begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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