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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: I-4 U 237/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 745
ZPO § 62
1.

Werden Miteigentümer eines Grundstücks auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit oder einer Baulast verklagt, so sind alle Miteigentümer notwendige Streitgenossen, so dass eine Klage nur gegen einen Teil der Miteigentümer unzulässig ist, wenn nicht die anderen Miteigentümer mit dem Kläger eine Musterprozessvereinbarung geschlossen oder erklärt haben, zu der begehrten Leistung verpflichtet und bereit zu sein.

2.

Ein Miteigentümer einer 3 m breiten Wegeparzelle, die der Erschließung der im Bereich eines Vorhaben- und Erschließungsplans erbauten Reiheneigenheime der Miteigentümer dient und nach der im Grundbuch eingetragenen Regelung von jedem Miteigentümer zum Gehen und Fahren benutzt werden darf, hat keinen Anspruch auf Eintragung einer Baulast, die die anderen Miteigentümer verpflichtet, die Erschließung einer Reihe weiterer durch den klagenden Miteigentümers erworbener Grundstücke und damit eine erhebliche Ausweitung des Verkehrs zu dulden.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 237/02

Verkündet am 15. Juli 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. R... und der Richterin am Landgericht B....

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. August 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die auf einer noch zu vermessenden Teilfläche der Grundstücke K..., Flur ..., Flurstücke 145, 458 und 769 neun Wohnhäuser und Garagen errichten will, nimmt die Beklagten aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht der P... B... GmbH, K...-L... (im Folgenden: P...), sowie von P... H... und F... P... L... auf Übernahme einer Baulast in Anspruch.

Die P... hat im Gebiet des Vorhaben- und Erschließungsplanes Nr. ... - D...-D... - auf den Flurstücken 453, 150, 679, 645 und 649 70 Wohneinheiten und zahlreiche Garagen errichtet. Die Beklagten zu 1) bis 9) haben je eines dieser Hausgrundstücke entweder zu Eigentum oder im Wege eines Erbbaurechts erworben. Das Baugebiet wird durch eine öffentliche und mehrere private Straßen, darunter den am östlichen Rand des Gebiets auf dem Flurstück 845 verlaufende Privatweg, erschlossen. An diesem Privatweg, der an die außerhalb des Plangebiets gelegenen Flurstücke 145, 458 und 769 grenzt, besteht Miteigentum nach Bruchteilen, wovon die Beklagten zu 1) bis 4) und zu 6) bis 9) je 1/85 inne haben. Die Beklagten zu 5) haben inzwischen ihr Eigenheim ebenso wie ihren Miteigentumsanteil weiterveräußert. Nach der noch aufgrund einer Bewilligung der P... im Grundbuch eingetragenen Regelung gilt für die Benutzung der Privatwege:

"Jeder Miteigentümer (ist) berechtigt ...., den Grundbesitz als Weg zum Gehen und Fahren, nicht jedoch zum Abstellen von Kraftfahrzeugen, sowie zur Verlegung, zum Betrieb und zur Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsleistungen mitzubenutzen oder mitbenutzen zu lassen. Jeder Miteigentümer ist verpflichtet, die entsprechende Mitbenutzung durch die übrigen Miteigentümer zu dulden."

Zur Verwirklichung ihres Bauvorhabens kaufte die Klägerin von P... H... und F... P... L... die zu bebauende Teilfläche des Flurstücks 769 sowie 4/85 Miteigentumsanteile an dem Flurstück 845, von M... L... zu bebauende Teilfläche der Flurstücke 145 und 458 sowie von der P... weitere 5/85 Anteile an dem Flurstück 845. Der Anspruch auf Übereignung der Teilflächen der Flurstücke 145, 458 und 769 ist durch Erwerbsvormerkungen gesichert. Außerdem besteht eine Vormerkung für den Erwerb von (zumindest) 2/85 Miteigentumsanteilen an dem Flurstück 845.

Die Stadt D... erteilte der Klägerin unter dem 19. Juni 2001 einen Vorbescheid dahin, dass das geplante Bauvorhaben planungsrechtlich zulässig sei, es zur Sicherung der Erschließung aber noch einer Baulast bedürfe. Deren - von der Stadt D... vorgegebener - Inhalt ist Gegenstand des Klageantrags.

Die Klägerin hat geltend gemacht: Schon vor der Bebauung der im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. ... gelegenen Grundstücke sei von der P... als damaliger Alleineigentümerin des Flurstücks 845 mit den Eigentümern der Flurstücke 145, 458 und 769 vereinbart worden, dass die jetzt zu bebauenden Teilflächen ebenfalls über die Wegeparzelle 845 erschlossen werden sollten. Deshalb sei der Privatweg unmittelbar an der Grenze des Plangebietes angelegt worden.

Die Klägerin hat die Klage gegen die Beklagte zu 3) zurückgenommen und den Rechtsstreit gegenüber den Beklagten zu 2) und 6) für erledigt erklärt, weil diese zwischenzeitlich die Baulast bewilligt bzw. mit ihr eine Musterprozessvereinbarung getroffen haben. Die Beklagten zu 6) haben sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen. Im Übrigen hat die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, zu Lasten ihrer Miteigentumsanteile an dem Wegegrundstück A... K..., Gemarkung K..., Flur ..., Flurstück 845, zugunsten der Grundstücke A... K..., Gemarkung K..., Flur ..., Flurstücke aus 769, 145 und 458, und zwar für die in der Anlage K 12 b) rot umrandete Teilfläche, zum Zwecke der Bebauung gem. Vorbescheid der Stadt D... vom 19. Juni 2001 (63-25/sch-A-2001-0054) eine Baulast mit folgendem Inhalt zu bewilligen:

"Verpflichtung der jeweiligen Eigentümer des o. g. belasteten Grundstücks, zugunsten der noch zu bildenden begünstigten Grundstücke zu dulden, dass eine Fläche als Zufahrt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW vom 7. März 1995 in der zur Zeit gültigen Fassung, von den begünstigten Grundstücken bis zur öffentlichen Verkehrsfläche angelegt, unterhalten und benutzt wird."

Die Beklagten zu 1), 4), 7), 8) und 9) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie und die Beklagten zu 6) haben geltend gemacht: Dem Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. ... sei zu entnehmen, dass der Privatweg auf dem Flurstück 845 ebenso wie die übrigen privaten Stichstraßen nur zur inneren Erschließung des Plangebiets bestimmt seien. Außerdem sei der höchstens 3 m breite Weg auf dem Flurstück 845, der bisher nur den Verkehr von und zu acht Hausgrundstücken aufnehmen müsse, nicht dazu geeignet, weitere neun Hausgrundstücke zu erschließen.

Durch Urteil vom 21. August 2002 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Wegen der dafür maßgebenden Gründe und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2003 hat die Klägerin die Klage gegen den beklagten Ehemann zu 5) zurückgenommen. Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1.

die Beklagten zu 1), 4), 5), 7), 8) und 9) zur Bewilligung der im Klageantrag erster Instanz näher bezeichneten Baulast zu verurteilen,

2.

im Verhältnis zur Beklagten zu 2) die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen und

3.

den Beklagten zu 6) die anteiligen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Die Beklagten zu 1), 4), 6), 7), 8) und 9) bitten, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Wenn auf der Beklagtenseite notwendige Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen besteht, ist die Klage grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie sich gegen alle Streitgenossen richtet. Daran fehlt es hier.

1.

Auf der Beklagtenseite besteht notwendige Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen ("sonstigen") Gründen i. S. v. § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO. Das ist bei Klagen gegen Mitberechtigte zwar nur ausnahmsweise der Fall, notwendige Streitgenossenschaft ist jedoch anzunehmen, wenn Miteigentümer auf Einräumung eines Notweges, einer Grunddienstbarkeit oder - wie im Streitfall - einer Baulast in Anspruch genommen werden, weil es dazu einer Verfügung über das Grundstück im Ganzen (§ 747 S. 2 BGB) bedarf (zum Notwegerecht: BGHZ 36, 187 unter 2. = NJW 1962, 613; BGH NJW 1984, 2210; zur Grunddienstbarkeit: BGH NJW 1992, 1101 unter I. 2. a; zur Baulast: BGH NJW-RR 1991, 333 unter II. 1. b).

2.

Bei notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen ist es mit einer (unter Umständen in verschiedenen Prozessen ergehenden) einheitlichen Entscheidung nicht getan. In diesem Fall ist für eine Klage gegen einzelne Streitgenossen kein Raum; eine solche muss ohne weitere Sachprüfung als unzulässig abgewiesen werden (BGHZ 36, 187 unter 2. und 4.; BGH NJW 1984, 2210; NJW-RR 1991, 333 unter II. 1. b). Aus prozessökonomischen Gründen bleibt eine Klage gegen einzelne Streitgenossen nur möglich, wenn die übrigen zuvor erklärt haben, zu der mit der Klage begehrten Leistung verpflichtet und bereit zu sein (BGH NJW 1984, 2210; NJW-RR 1991, 333 unter II. 2.; NJW 1992, 1101 unter I. 2. a); enger MK-Schilken, § 62 ZPO Rn 33). Die Voraussetzungen dafür liegen im Streitfall jedoch nicht vor, weil weder die beklagten Eheleute zu 5) noch ihre Rechtsnachfolger der beklagten Eheleute zu 5), die Eheleute K..., ihre Zustimmung zur Eintragung der Baulast erteilt und auch keine Musterprozessvereinbarung mit der Klägerin abgeschlossen haben. Zwar haben die Beklagten zu 1), 4), 6), 7), 8) und 9) mit Schriftsatz vom 28. Mai 2003 einen (allein) von den Eheleute K... unterzeichneten Musterprozessvertrag vorgelegt, der inhaltlich mit denen übereinstimmt, die die Klägerin mit einer Vielzahl weiterer Miteigentümer geschlossen hat. Das damit unterbreitete Angebot, auf Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung hat die Klägerin aber nicht angenommen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die im übrigen nachgewiesenen Baulasterklärungen und Musterprozessvereinbarungen wirksam sind, obwohl ein nicht unerheblicher Teil der Verträge nur jeweils von einem Ehepartner unterschrieben worden ist (GA 358, 361, 363, 365, 369, 371, 377, 385, 389, 395 und 399), ist damit indes nicht gewährleistet, dass ein Sachurteil gegen alle Streitgenossen wirkt, da die Eheleute K... an das von der Klägerin abgelehnte Vertragsangebot nicht gebunden sind und die Klägerin nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehalten ist, auch ihnen gegenüber vertragliche Verpflichtungen einzugehen. Eine solche Verpflichtung wäre mit dem Abschluss des Vertrages aber für die Klägerin verbundenen, weil sich die Vertragsparteien nach dem Vertragstext wechselseitig versprechen, ein in diesem Rechtsstreit ergehendes Sachurteil anzuerkennen. Eine Musterprozessvereinbarung mit den Rechtsnachfolgern der Beklagten zu 5) erübrigt sich auch nicht, weil diese den Rechtsstreit nach § 265 ZPO als Prozessstandschafter für die Erwerber fortführen können (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 265 Rn. 6). Abgesehen davon, dass die Klägerin ihre Klage gegen den beklagten Ehemann zu 5) inzwischen zurückgenommen hat, ist Voraussetzung dafür, dass der Rechtsstreit vor Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Eheleute K... gegenüber den Beklagten zu 5) rechtshängig geworden ist. Das ist jedoch nicht der Fall, da zwischen den Parteien außer Streit steht, dass der beklagte Ehemann zu 5) schon nicht mehr im Haus A... K... 55 in D... wohnhaft war, als dort die Klageschrift durch Niederlegung zugestellt wurde (GA 166).

3.

Davon abgesehen hätte das Rechtsmittel aber auch keinen Erfolg gehabt, wenn die Klage zulässig gewesen wäre. Aus der im Grundbuch eingetragenen Gebrauchsregelung lässt sich ein Anspruch auf Baulastübernahme nicht herleiten, da nach Wortlaut und -sinn der Übereinkunft offenbleibt, dass und wenn ja, welche Nachbargrundstücke über das Flurstück 845 erschlossen werden sollen. Das wird indiziell auch durch die Vereinbarung bestätigt, die im Kaufvertrag zwischen der P... und den Beklagten zu 1) unter I.10) getroffen worden ist. Denn daraus geht klar hervor, dass der Zugang von den Hausgrundstücken zu den Wegeparzellen durch eine - letztlich nicht zur Eintragung im Grundbuch gelangte - Grunddienstbarkeit gesichert werden sollte.

Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf die Baulastbewilligung aus §§ 743 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB, weil sich das Flurstück 845 nicht zu einem störungsfreien Mitgebrauch durch sie eignet und die gemeinschaftliche Sache dadurch wesentlich verändert würde (vgl. BGH NVWZ-RR 1992, 290). Nachvollziehbar haben die Beklagten dazu dargelegt, dass es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen kommen würde, wenn die Wegeparzelle, die eine Breite von nur 3 m aufweise, zusätzlich noch den Verkehr von und zu den auf den Parzellen 145, 458 und 769 neu zu errichtenden Häusern aufnehmen müsse. Selbst die Klägerin räumt eine Mehrung des Wohnungsbestandes um rd. 13 % und die damit verbundene Zunahme der Fahrzeugbewegungen ein. Diese Berechnung ist jedoch verfehlt, da die Bewohner der Häuser im westlichen Bereich des überplanten Gebiets kaum die an dessen östlichem Rand befindliche private Stichstraße auf der Parzelle 845 benutzen werden, um Zugang zu den öffentlichen Straßen "A... K..." und "D..." zu erhalten, sondern in der Regel nur dann, wenn sie die Besitzer der Häuser an jener Stichstraße aufsuchen wollen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Wegeparzelle regelmäßig nur von den Bewohnern der 16 Einfamilienhäuser auf den Flurstücken ... sowie deren Gästen und Lieferanten begangen oder befahren wird. Legt man das zugrunde, so steht im Falle der Öffnung der Privatstraße zu den Flurstücken 145, 458 und 769 aber eine Zunahme des Verkehrs von mehr als 50 % zu erwarten. Damit würde jedoch die für den schmalen Privatweg bestehende Kapazitätsgrenze ersichtlich überschritten.

4.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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