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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: I-5 Sa 38/06
Rechtsgebiete: VerkProspG, ZPO, EGZPO, BörsG


Vorschriften:

VerkProspG § 13 Abs. 2
VerkProspG § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
VerkProspG § 18 Abs. 2
ZPO § 32b
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 145 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
EGZPO § 31
BörsG § 44 Abs. 1
BörsG § 47 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Landgericht Frankfurt am Main wird als zuständiges Gericht bestimmt.

1) Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung von 36.738,61 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung seiner Beteiligung in Höhe von 100.000 € an der M... GmbH&Co Co. V...KG ("M... IV"). Er begehrt ferner die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm durch diese Beteiligung angeblich entstanden ist bzw. entstehen wird.

a) Zur Begründung beruft er sich darauf, dass auf Seite 11 eines von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Prospektes für 2003 ein steuerlicher Verlust der M... IV in Höhe von 130% der eigenfinanzierten Einlage angekündigt worden sei. Hierauf vertrauend habe er über die Treuhandkommanditistin, die Firma I... GmbH, Anteile an der M... IV in Höhe von 100.000 € erworben, die zu 63% aus eigenen Mitteln und zu 37 % € mit fremden Mitteln finanziert worden sei.

Der Kläger macht geltend, das für den Fonds zuständige Finanzamt München III habe den für 2003 prognostizierten Verlust der M... IV in Höhe von 130 % gemäß Schreiben vom 25.03.2004 und 15.04.2004 nicht anerkannt, so dass ihm ein Schaden in Höhe des eingesetzten eigenfinanzierten Anteils nebst einer angemessenen Verzinsung entstanden sei.

Der Kläger wirft den Beklagten vor, nicht hinreichend auf die steuerlichen Unsicherheiten hingewiesen zu haben. Die Beklagte zu 1) hafte für den entstandenen Schaden als Herausgeberin des unrichtigen Prospektes, die Beklagte zu 2) als "Hintermann". Sie sei zu 25,3 % an der Beklagten zu 1) beteiligt, habe die Beteiligungen aller Anleger finanziert und durch den Abschluss eines Schuldübernahmevertrages die Zahlung der fixen Lizenzgebühren und des fixen Kaufpreises für die von der M... IV zu erwerbenden Filmrechte garantiert.

b) Die am 30.03.2005 beim Landgericht Düsseldorf eingereichte Klageschrift vom 29.03.2005 ist der Beklagten zu 1) am 12.08.2005 und der Beklagten zu 2) ebenfalls am 12.08.2005 zugestellt worden.

Mit Verfügung vom 10.08.2005 hat das Landgericht Düsseldorf den Parteien Gelegenheit gegeben, zu seiner örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen.

Diese war nach Auffassung des Klägers gemäß seinen Schriftsätzen vom 26.08.2005 und vom 08.09.2005 gegeben. Hierzu hat er vorgetragen, in G... unterhalte die Beklagte zu 1) lediglich einen Scheinsitz. Tatsächlich werde ihre Verwaltung in D... geführt. Für den Fall, dass das Landgericht Düsseldorf dem nicht folge, hat der Kläger hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Frankfurt am Main, Kammer für Handelssachen, beantragt.

Die Beklagte zu 1) hat ihrerseits mit Schriftsatz vom 24.08.2005 die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gerügt und auf die am 01.07.2005 in Kraft getretene Fassung des § 13 Abs. 2 VerkProspG verwiesen. Das hat sie mit Schriftsatz vom 27.09.2005 vertieft.

Die Beklagte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 06.10.2005 erklärt, sie stelle die Frage, ob das Landgericht Frankfurt am Main ausschließlich zuständig sei, in die Beurteilung der Kammer. Sie hat allerdings geltend gemacht, sie sei nicht "Prospektverantwortliche".

c) Mit Beschluss vom 10.10.2005 hat sich das Landgericht Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen. Bei diesem sind die Akten am 19.10.2005 eingegangen.

Unter dem 21.10.2005 hat das Landgericht Frankfurt am Main (23. Zivilkammer) die Parteien darauf hingewiesen, es beabsichtige, sich funktionell für unzuständig zu erklären. Das hat es auch mit Beschluss vom 18.11.2005 getan, in dem es den Rechtsstreit an die zuständige Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen hat.

Mit Beschluss vom 12.12.2005 hat die 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt. Unter dem 23.12.2005 hat sie die Akten dem Oberlandesgericht Frankfurt gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt. Mit Beschluss vom 07.03.2006 hat das Oberlandesgericht Frankfurt die Kammer für Handelssachen für funktionell zuständig erklärt.

Mit Beschluss vom 20.3.2006 hat das Landgericht Frankfurt am Main (10. Kammer für Handelssachen) die Übernahme des Rechtsstreits gegenüber dem Landgericht Düsseldorf abgelehnt und das Verfahren dem Oberlandesgericht Düsseldorf gemäß § 36 Abs. 2 ZPO vorgelegt.

2) Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen an sich nicht vor. Lediglich das Landgericht Düsseldorf hat sich förmlich und unanfechtbar für unzuständig erklärt. Das Landgericht Frankfurt (10. Kammer für Handelssachen) hat im Gegensatz hierzu die "Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt", und zwar zunächst gegenüber der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, schließlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf.

Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung hält es der Senat indessen für geboten, entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das zuständige Landgericht zu bestimmen.

3) Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Gerichtsstandsbestimmung berufen, weil das Landgericht Düsseldorf, das in seinem Bezirk liegt, zuerst mit der Sache befasst war.

4) Das Landgericht Frankfurt am Main ist zuständig.

a) Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 10.10.2005 bindet gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. In ihm hat das Landgericht Düsseldorf seine Unzuständigkeit mit § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) jedenfalls so "erklärt", dass der Beschluss nicht als "willkürlich" angesehen werden kann.

(1) § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerkProspG war am 10.10.2005 - noch - wirksam. Die Vorschrift ist erst durch Art. 7 Nr. 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) vom 16. August 2005 (BGBl. I S. 2437 ff.) aufgehoben worden, und zwar mit Wirkung zum 1. November 2005, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.

Das harmoniert mit der durch Art. 2 a KapMuG eingeführten Überleitungsvorschrift des § 31 EGZPO. Nach ihr findet auf Verfahren, die nach dem 31. Oktober 2005 anhängig geworden sind, die - neue - Zuständigkeitsvorschrift des § 32b ZPO keine Anwendung, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits bei einem anderen Gericht mindestens zehn Verfahren anhängig sind, in denen die Voraussetzungen für ein Musterverfahren vorliegen. Selbst dann richtet sich die Zuständigkeit der Gerichte vielmehr nach den "bisher geltenden" Vorschriften, also unter Umständen nach § 13 Abs. 2 VerkProspG.

(2) Mit dieser Vorschrift hat sich das Landgericht Düsseldorf ebenso eingehend auseinander gesetzt wie mit der Überleitungsvorschrift des § 18 Abs. 2 VerkProspG. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht diese - bisweilen nicht ohne weiteres verständlichen - Vorschriften richtig ausgelegt hat. Denn selbst das Landgericht Frankfurt hat diese Auslegung nicht in Zweifel gezogen.

Selbst wenn sie aber unzutreffend wäre - der Senat sieht ausdrücklich davon ab, hierüber zu entscheiden -, entfiele die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht. Ein "Verweisungsbeschluss" braucht nur dann nicht als verbindlich hingenommen zu werden, wenn er auf Willkür beruht, weil ihm jede rechtliche Grundlage fehlt (BGH Beschluss 19.01.1993 - X ARZ 845/92; u. a. NJW 1993,1273).

Davon kann hier nicht die Rede sein.

(3) Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für den Feststellungsantrag. Denn es handelt sich hierbei im Vergleich zum primär verfolgten Übernahmeanspruch lediglich um einen "weitergehenden" Anspruch, von dem § 47 Abs. 2 BörsG sagt, er bleibe "unberührt". Das ist aber lediglich eine materiellrechtliche Bestimmung.

Solange keine Trennung der Klageansprüche gemäß § 145 Abs. 1 ZPO erfolgt ist, erfasst deshalb die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main auch die Feststellungsklage.

b) Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO entfaltet schließlich auch der Teil des Beschlusses des Landgerichts Düsseldorf vom 10.10.2005, der sich mit der Zuständigkeit hinsichtlich der Beklagten zu 2) befasst.

Es mag zwar zweifelhaft sein, ob diese zum Personenkreis des § 44 Abs. 1 BörsG zählt (hierzu Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., § 44 BörsG Rdn. 30 ff.). Das ist aber ebenfalls eine Frage des materiellen Rechts. Verfahrensrechtlich ist es jedenfalls zumindest vertretbar, der Beklagten zu 2) deshalb ihren allgemeinen Gerichtsstand bzw. den von ihr konzedierten Gerichtsstand beim Landgericht Düsseldorf zu nehmen. Denn der Kläger verfolgt auch gegen die Beklagte zu 2) primär den Übernahmeanspruch des § 44 Abs. 1 BörsG analog.

Angesichts der vom Kläger zur Haftung der Beklagten zu 1) vorgetragenen Umstände liegt eine solche Haftung auch nicht völlig fern, obschon der Begriff des "Hintermannes" wenig rechtliche Substanz hat und es letztlich auf den durch § 44 Abs. 1 BörsG bestimmten Personenkreis ankommt.

c) "Verspätete" Zustellung ist im vorliegenden Verfahren der Gerichtsbestimmung nicht zu prüfen. Abgesehen davon müssen die Gründe, aus denen eine Klageschrift nicht "demnächst" zugestellt wird, nicht "willkürlicher Natur" sein.

Den Grund hierfür zu prüfen unterfällt nicht der Zuständigkeit des Senats, da ihm keine Dienstaufsicht obliegt.

Ende der Entscheidung

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