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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: I-5 U 134/05
Rechtsgebiete: HpflG, ZPO, BGB, AVBWasserV


Vorschriften:

HpflG § 2
HpflG § 2 Abs. 1 S. 1
ZPO § 540 Abs. 1
BGB §§ 741 ff.
BGB § 744
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 836
BGB § 906 Abs. 2 S. 2
AVBWasserV § 10 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 02.11.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines vermieteten Reihenhauses in Duisburg, ...; die Beklagte ist Eigentümerin des Nachbarhauses .... Die Dachentwässerung der Reihenhauszeile erfolgt über an beiden Gebäudefronten im Bereich der Dachtraufe angebrachte durchgehende Rinnen, die über Fallrohre in die unterirdisch verlegten Grundleitungen/Sammelleitungen und von dort in den Anschlusskanal entwässert werden. An die Grundleitungen sind auch die Schmutzwasserfallleitungen der einzelnen Häuser angeschlossen. Das im Eigentum des Klägers stehende Haus verfügt nicht über eigene Fallrohre. Vielmehr wird das Oberflachenwasser vom Dach über die Dachrinne auf beiden Seiten des Gebäudes in Fallrohre abgeleitet, die an dem Haus der Beklagten angebracht sind.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz für die Folgen eines Wasserschadens, der durch eine Verstopfung in der zu Gartenseite der Reihenhäuser gelegenen Sammelleitung (Hauptentwässerungsleitung) entstanden ist, indem das sich rückstauende (Ab-) Wasser über eine weitere, auf dem Grundstück der Beklagten verlaufende, unstreitig nicht angeschlossene Grundleitung austrat und durch eine Dehnungsfuge im Bereich der Haustrennwand zwischen den Gebäuden ... und in den Kellerbereich des Hauses der Beklagten gelangen konnte, von wo es sich über die mit einem Gefälle in Richtung des Hauses des Klägers verlegte Bodenplatte bis dorthin verteilte. Der Kläger beziffert den durch Reparaturaufwand, Gutachterkosten, Trocknungsmaßnahmen und Mietausfall entstandenen Schaden auf insgesamt 16.030,90 EUR. Das ist, nebst Zinsen, die Klageforderung.

In der Sache haben die Parteien im Wesentlichen darum gestritten, ob die Beklagte als (Mit-) Inhaberin der schadensstiftenden Rohrleitungsanlage verschuldensunabhängig gemäß § 2 HpflG haftet. Darüber hinaus hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe auch schuldhaft zum Zustandekommen des Schadens beigetragen, weil sie sich geweigert habe, rechtzeitig ausreichende Trocknungsmaßnahmen im Kellerbereich ihres Hauses zu veranlassen, wodurch der Kläger seinerseits erst am 14.10.2003 und damit ca. 2 Monate später als anderenfalls möglich mit Trocknungsmaßnahmen in seinem Haus habe beginnen können.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil ein der Beklagten zurechenbares Verschulden nicht dargetan sei und sich für eine verschuldensunabhängige Haftung keine rechtlichen Anknüpfungspunkte finden ließen. § 2 HpflG scheide schon deshalb als Anspruchsgrundlage aus, weil auch der Kläger Inhaber der schadensstiftenden Rohleitungsanlage und der bei ihm entstandene Schaden deshalb nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens an seinem Klageanliegen festhält. Die Beklagte will die Berufung zurückgewiesen wissen. Hilfsweise trägt sie darauf an, die erstinstanzliche Entscheidung nebst dem ihr zugrunde liegenden Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des im Berufungsverfahren im Wesentlichen unveränderten Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit den sich aus den folgenden Ausführungen ergebenden Änderungen und Ergänzungen verwiesen - § 540 Abs. 1 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt für gerechtfertigt erachtet. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Einwendungen, die sich weitgehend in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers erschöpfen, führen zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und geben lediglich zu folgenden, ergänzenden Ausführungen Anlass.

1.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch des Klägers aus § 2 HpflG sind nicht erfüllt, weil der Kläger als Mitinhaber der Rohrleitungsanlage zu gelten hat und der bei ihm eingetretene Schaden deshalb nicht dem Schutzzeck des § 2 Abs. 1 S. 1 HpflG zugeordnet werden kann (Filthaut, Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., 1999, § 2, Rdn. 53).

Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Parteien ist davon auszugehen, dass der in Rede stehende Wasserschaden ursächlich auf den verstopfungsbedingten Rückstau in dem für die Dachentwässerung und Abwasserableitung der Reihenhäuser gemeinsam bereitgehaltenen Rohrleitungssystem zurückzuführen ist. Die das Haus des Klägers betreffende Dachentwässerung erfolgt nämlich über eine Dachrinne, von der das Oberflächenwasser über ein an dem Haus der Beklagten angebrachtes Fallrohr in die gemeinsame Grundleitung und von dort in die Kanalisation abgeleitet wird. Daraus folgt zunächst, dass die für die Dachentwässerung der Reihenhäuser vorgehaltene durchgehende Dachrinne eine funktionale Einheit mit dem für die Entwässerung der angeschlossenen Reihenhäuser bestimmten Rohrleitungssystem bildet. Sie ist als solche jedenfalls als eine ihr zugeordnete Nebeneinrichtung Bestandteil der Anlage (vgl.: Filthaut, a. a. O., Rn 14).

Diese funktionale Zusammengehörigkeit des Rohleitungssystems mit der zum Haus des Klägers gehörenden Traufrinne führt in rechtlicher Konsequenz dazu, dass zwischen den angeschlossenen Hauseigentümern eine Gemeinschaft im Sinne der §§ 741ff. BGB besteht, welche ihre Mitglieder in gleicher Weise zum Besitz und zur Nutzung der Entwässerungsleitungen berechtigt (vgl.: OLG Hamm, OLGR Hamm 1994, 251f.; OLG Hamm, OLGR Hamm 1994, 35f.). Der hiergegen von dem Kläger vorgebrachte Einwand, damit sei den Gemeinschaftsmitgliedern faktisch die Möglichkeit eröffnet, nach Belieben Zugriff auf die im Eigentum anderer Gemeinschaftsmitglieder stehender Grundstücke zu nehmen, geht fehl. Diese aus gemeinschaftlichen Bindung ergebende gemeinsame Verwaltungszuständigkeit der Gemeinschaftsmitglieder (§ 744 BGB) betrifft die Nutzung und Instandhaltung der Rohrleitungen und berechtigt diese nicht, eigenmächtig Zugriff auf das (Grundstücks-) Eigentum anderer zu nehmen, wobei die Grundstückseigentümer allerdings ohnehin nicht ohne weiteres als Eigentümer der in ihrem Grund und Boden verlaufenden Rohrleitungen anzusehen sind, die vielmehr grundsätzlich über § 10 Abs. 3 AVBWasserV dem Eigentum des jeweiligen Versorgungsunternehmens zugeordnet sind (vgl. iE hierzu: Filthaut, a.a.O. Rdn. 45 mwN).

Auch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 27.03.2006 rechtfertigen weder eine andere Beurteilung noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Ergibt sich aus dem Vorgesagten demnach, dass die Gemeinschaftsmitglieder gemäß § 744 BGB gemeinsam über die Nutzung und Instandhaltung des funktional zusammengehörenden Rohrleitungssystems zu befinden haben, so folgt daraus für § 2 HpflG, dass ein jeder von ihnen als Mitinhaber der gesamten Rohrleitungsanlage anzusehen ist. Denn insoweit kommt es nicht auf die Eigentumsverhältnisse an; entscheidend ist vielmehr, wem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Betrieb der Anlage zusteht. Soweit diese nicht aus obigen Erwägungen bei dem zuständigen Versorgungsunternehmen liegt (wodurch eine Haftung der Beklagten nach § 2 HpflG ohne weiteres ausgeschlossen wäre), kommt die Verfügungsbefugnis jedenfalls den Eigentümern der an das Rohrleitungssystem angeschlossenen Grundstücke gemeinschaftlich zu. Das führt dazu, dass vorliegend auch der Kläger als Mitinhaber zu gelten hat; als solchem steht ihm ein Ersatzanspruch aus § 2 HpflG gegen die Beklagte als weitere Mitinhaberin nicht zu.

In Erwägung all dessen kann dahinstehen, ob der hier zu beklagende Rückstau im Rohrleitungssystem überhaupt zu einem Schadensersatzanspruch führen kann. Das hat die Rechtsprechung mit Blick auf den Schutzzweck der Norm für die Fälle verneint, in denen sich der Rückstau im Rohrleitungssystem fortsetzt und durch die Anlage im Gebäude des Angeschlossenen austritt (vgl Filthaut, a.a.O., Rdn. 27 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Hier dürften die Dinge allerdings anders liegen, weil ausweislich der von den Parteien im Wesentlichen übernommenen Feststellungen des Privatgutachters R... in seiner 2. gutachterlichen Stellungnahme vom 05.09.2003 (dort S. 2, Bl. 59 GA) der Wasseraustritt außerhalb des Gebäudes im Bereich der Trennfuge zwischen dem Haus der Beklagten und Haus Nr. ... durch eine funktionslose Grundleitung erfolgt ist. Vorliegend handelt es sich demnach um einen Funktionsmangel der Anlage; für die hieraus resultierenden Schäden sollen die o. g. Einschränkungen nach h. M. nicht gelten (Filthaut, a.a.O., Rdn. 28 mwN).

Schließlich trägt auch der Vorwurf nicht, die Beklagte habe durch eine schuldhafte Pflichtverletzung zum Zustandekommen zumindest des Mietausfallschadens beigetragen, indem sie es versäumt habe, rechtzeitig Maßnahmen für die Trockenlegung ihres Gebäudes einzuleiten. Ein dahingehender Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. aus dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Sorgfalts- und Fürsorgepflichten im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses setzt unabhängig von der Beantwortung der im Übrigen zwischen den Parteien streitigen Kausalität zwischen der Einleitung von Trocknungsmaßnahmen durch die Beklagte und dem Trocknungsverlauf im Gebäude des Klägers und den sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen für die Weitervermietung des Hauses in jedem Fall einen schuldhaften Pflichtverstoß der Beklagten voraus. Diese war indes grundsätzlich nicht verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Trocknungsmaßnahmen in ihrem Haus zu beginnen, erst recht nicht, weil nach dem eigenen Vorbringen des Klägers das von dem Eigentümer des Hauses Nr. ... zwecks Klärung der Schadensursache eingeleitende selbstständige Beweisverfahren (s 4 des SS. v. 11.04.2005, Bl. 86 GA) erst im April/Mai 2004 (SS. v. 19.09.2005, dort S. 1, Bl. 96 GA) und damit lange nach dem Zeitpunkt beendet war, in dem der Kläger unstreitig mit eigenen Trocknungsmaßnahmen begonnen hatte (14.10.2003). Bei dieser Sachlage hätte für die Beklagte allenfalls dann ein Verpflichtung zur alsbaldigen Aufnahme von Trocknungsmaßnahmen bestanden, wenn und soweit sie selbst nach den Umständen keinen Anlass für die Besorgnis haben musste, mit erneuten Wassereintritten in ihr Haus oder Feuchtigkeitszuzug vom Nachbarhaus 77 konfrontiert zu werden. Schon dafür ist nichts vorgetragen. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass ein schuldhafter Verstoß gegen eine entsprechende Wahrnehmung von nachbarschaftlichen "Sachwalterpflichten" nur dann vorliegen könnte, wenn die Beklagte positive Kenntnis von den dahingehenden Bedürfnissen des Klägers gehabt hätte, die zu erfüllen sie im Übrigen nur gegen Kostenbeteiligung durch den Kläger verpflichtet gewesen wäre. Dass sie von dem Kläger über die hierfür maßgeblichen Umstände, insbesondere die Gefährdung einer alsbaldigen Weitervermietung in Kenntnis gesetzt worden wäre, ist indes nicht konkret dargetan, schon gar nicht, dass der Kläger angeboten habe, die Kosten der ausschließlich in seinem Interesse liegenden Trocknungsmaßnahmen ganz oder teilweise zu übernehmen. Bei verständiger Würdigung der Interessenlage wäre die Beklagte indes nur unter diesen Voraussetzungen verpflichtet gewesen, über ihre eigenen Bedürfnisse hinaus frühzeitig mit der Austrocknung ihres Hauses zu beginnen. Solche Umstände lassen sich auf der Grundlage des Tatsachenvortages des Klägers in diesem Punkt nicht feststellen.

Andere Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und § 836 BGB, greifen schon deshalb nicht, weil ihre tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist - § 543 Abs. 2 ZPO.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 16.030,90 EUR

Ende der Entscheidung

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