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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: I-5 U 21/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
BGB § 833 S. 1
BGB § 833 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.01.2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Az: 8 O 261/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Auf eine Darstellung des Tatbestandes wird verzichtet, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Keine der beiden Alternativen für eine begründete Berufung ist im vorliegenden Fall gegeben.

Die Beklagte haftet der Klägerin wegen der ihr von dem Pferd "Hyperion" zugefügten Verletzungen grundsätzlich aus § 833 S. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift haftet derjenige, welcher ein Tier hält, für den Schaden, der dadurch entsteht, dass der Körper oder die Gesundheit eines Menschen durch das Tier verletzt wird. Die Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte ist unstreitig Halterin des Pferdes, das der Klägerin am 23.02.2004 die Verletzungen im oberen Bauch und Brustbereich zufügte.

Der Beklagten steht die Entlastungsmöglichkeit des § 833 S. 2 BGB nicht zur Seite. Dafür wäre Voraussetzung, dass ihr Pferd ihrem Beruf, ihrer Erwerbstätigkeit oder ihrem Unterhalt zu dienen bestimmt gewesen ist. Unstreitig diente das Pferd der Klägerin lediglich zur Freizeitgestaltung.

Der Klägerin trifft - und hierin stimmt der Senat mit dem entsprechenden Ansatz der Kammer überein - ein so überwiegendes Mitverschulden an dem Schaden, dass die Haftung der Beklagten vollständig zurücktritt (§ 254 BGB).

Der Mitverschuldenseinwand ist dann begründet, wenn der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren (BGH, NJW 2001, 149, 150; Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, Rz. 31 zu § 254). Für die Frage, ob ein Mitverschulden des Geschädigten anzunehmen ist, kommt es auf die Erkennbarkeit der konkreten Gefährlichkeit des Verhaltens sowie auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit ihrer Vermeidung an (vgl. OLG Hamm Urteil vom 16.04.2002, 9 U 185/01, OLGR Hamm 2002, 375f). Im Bereich der Tierhalterhaftung liegt ein relevanter Beitrag des Anspruchstellers zur Entstehung des Schadens vor, wenn er eine Situation erhöhter Verletzungsgefahr herbeigeführt hat, obwohl er diese Gefahr erkennen und vermeiden konnte. Im Rahmen der Abwägung gegenüber der Gefahrenverantwortung des Tierhalters bemisst sich das Gewicht des Beitrages des Verletzten nach seinem objektiven Anteil an der Verletzung und dem Grad des Sorgfaltsverstoßes gegen das eigene Sicherheitsinteresse (OLG Hamm, a.a.O.). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin um eine Reiterin mit einer Reitpraxis von über 8 Jahren handelt, die sich selbst als geübte und erfahrene Reiterin bezeichnet hat.

Bereits nach der Sachdarstellung der Klägerin vom Geschehen am 23.02.2004 hat die Klägerin durch ihr Verhalten die erforderliche Sorgfalt im eigenen Interesse in einem solchen Ausmaße außer Acht gelassen, dass hierdurch bei der erforderlichen Abwägung die Tierhalterhaftung der Beklagten in vollem Umfang zurücktritt.

Die Klägerin hat sich in einer Situation, in der sich zumindest für eine mit den pferdetypischen Verhaltensweisen vertraute Person, wie es die Klägerin ist, die besondere Gefahr einer unkontrollierten und spontanen Reaktion des Pferdes aufdrängte, in dem Bereich aufgehalten, der durch die Hinterläufe des Pferdes getroffen werden konnte. Die Klägerin wollte mit Hyperion das Verladen in einen Pferdeanhänger üben. Anlass hierfür war die Erfahrung, die die Klägerin gemacht hatte, als sie zum ersten Mal in weiterer Entfernung von dem Hof, in dem Hyperion eingestallt war, einen Ausritt machen wollte, und zu diesem Zwecke das Pferd in einen Anhänger verladen werden musste. Bei dieser Gelegenheit bockte Hyperion und wollte nicht in den Hänger gehen; es konnte nach dem klägerischen Sachvortrag in der Klagebegründung nur nach erheblichen Mühen und nach einigem Zeitaufwand und guten Zureden auf den Anhänger verladen werde. Bereits diese Erfahrung hätte der Klägerin Anlass sein müssen, bei weiteren Verladeversuchen mit Hyperion nur mit großer Vorsicht und Sorgfalt vorzugehen.

Ob nach diesen ersten Verladeerfahrungen - wie von der Klägerin behauptet - eine Absprache mit der Beklagten getroffen wurde, wonach die Klägerin mit dem Pferd bei jeder sich bietender Gelegenheit das Verladen üben solle - oder ob die Beklagte - so deren Vortrag - auf eine vorherige Abstimmung bestanden hatte, ist letztlich ohne Belang und brauchte deshalb vom Senat auch nicht aufgeklärt werden.

Das erste Verladen von Hyperion am Unfalltage war ebenfalls nicht unproblematisch. Nach dem Sachvortrag der Klägerin in der Klageschrift habe erst nach intensiven Zureden und langer Geduld erreicht werden könne, dass das Pferd auf den Anhänger habe verladen werden können. Auch dieses Verhalten machte es für die Klägerin deutlich, dass für Hyperion der Verladevorgang eine schwierige Aktion darstellt, so dass mit entsprechenden Angst- oder Panikreaktionen des Pferdes zumindest gerechnet werden musste, sie mithin äußerste Vorsicht walten lassen musste.

Hierbei ist zu bedenken, dass nach der konkreten Schilderung des Verladens von Hyperion in den Anhänger in dem klägerischen Schreiben an die Tierhaftpflichtversicherung der Beklagten vom 08.03.2004 abwechselnd verschiedene Personen sich bemühten, das Pferd auf den Hänger zu verbringen und dies angesichts des völlig "lustlosen" Verhaltens des Pferdes einem anderen Freizeitreiter erst unter energischen Zureden gelang (GA 10). Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner endgültigen Klärung, ob bei dem ersten Verladeversuch am Unfalltag sogar von einer dritten Person ein Besen benutzte wurde, um das Pferd dazu zu bewegen, in den Anhänger zu gehen. Denn selbst wenn bei dem ersten Verladen in den Anhänger nicht zu derartigen Mitteln, wie einem Besen, gegriffen werden musste, um Hyperion in den Anhänger zu verbringen, musste es sich für die Klägerin unschwer erschließen, dass für das Pferd eine äußerst stressbelastete Situation bestand, die ein hohes Maß an Vorsicht und Umsicht erforderlich machen würde.

Wenn die Klägerin trotz dieser Warnsignale sich bei dem zweiten Verladeversuch in dem Gefahrenbereich ein Meter hinter oder seitlich hinter dem Pferd aufhielt, dann hat sie in besonders eklatanter Weise trotz Erkennbarkeit der Gefährlichkeit ihres Aufenthaltsortes gegen die Obliegenheit zur Sicherung des eigenen Interesses gehandelt, mit der Folge, dass hierdurch die Haftung für die lediglich auf Seiten der Beklagten in Betracht kommende Tiergefahr in vollem Umfang zurücktritt.

Ohne rechtliche Bedeutung ist die Behauptung der Klägerin, dass das Pferd unmittelbar vor dem Auskeilen keinerlei Anzeichen von Aggressivität oder Nervosität gezeigt habe. Die Vorgänge beim ersten Verladeversuch in der Vergangenheit und unmittelbar vor dem Unfallgeschehen hätten für die nach eigenem Bekunden im Umgang mit Pferden erfahrene Klägerin Veranlassung genug sein müssen, den gesamten Bereich, der von dem auskeilenden Pferd getroffen werden könnte, zu meiden und sich demnach nicht hinten/seitlich aufzustellen. Dass der Klägerin die von dem Pferd ausgehenden Gefahren, die bei dem Verladeversuch in besonderem Maße vorhanden waren, bewusst waren, wird belegt durch den von ihr selber an eine Freundin gerichteten Warnhinweis, der in dem außergerichtlichen Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten an die Tierhaftpflichtversicherung der Beklagten erwähnt ist.

Soweit die Klägerin in ihrer Berufung sich zum Beleg gegen die Auffassung des Landgerichts, es bestünde ein überwiegendes, eine Haftung der Beklagten ausschließendes Mitverschulden der Klägerin, auf das Urteil des OLG Koblenz vom 31.01.2002 - 5 U 465/01 -, NJW-RR 2002, 1106, 1107 stützt, geht dieser Hinweis fehl. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Fallkonstellation unterscheidet sich in wesentlichen Merkmalen von dem zu entscheidenden Fall. Während hier die von dem Pferd verletzte Person über eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit Pferden verfügte und sich der hierbei von den Pferden im allgemeinen und bei Verladeversuchen im speziellen ausgehenden Gefahren bewusst sein musste, war die Geschädigte dort lediglich eine noch unerfahrene Reitschülerin. Auch kam es zu dem Austreten des Pferdes der Beklagten in dem der Entscheidung des OLG Koblenz zugrunde liegenden Fall, als die dortige Klägerin mit dem von ihr geführten Pferd in einer engen Gasse zwischen Reitstall und Boxen-Gebäude hindurchging, einer zwar im Grundsatz ebenfalls gefährlichen Konstellation, die jedoch nicht mit der im Streitfall gegebenen vergleichbar ist, da hier die Klägerin - zwar aus nachvollziehbaren Gründen - das Pferd in eine besondere Stresssituation gebracht hat, in der die Gefahrenlage deutlich größer ist.

Schließlich führt die Klägerin in ihrer Berufung ohne Erfolg an, dass sie bei dem Verladeversuch ausschließlich im Interesse der Beklagten gehandelt habe. Tatsächlich ist auf der Grundlage des unstrittig gebliebenen Sachvortrags der Beklagten davon auszugehen, dass die Verladeversuche der Klägerin mit Hyperion jedenfalls auch durch deren Wunsch motiviert war, mit dem Pferd Ausritte außerhalb des näheren Umfeldes des Hofes, in dem es eingestallt war, unternehmen zu können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus der Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen besteht nicht, da ein Zulassungstatbestand des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: € 8.500

Ende der Entscheidung

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