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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: I-5 U 49/04
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 5
ZPO § 272 Abs. 1
ZPO § 272 Abs. 3
ZPO § 273
ZPO § 275 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 342
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
ZPO § 538 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Februar 2004 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Duisburg - 10 O 90/03 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld, Feststellung der Schadenersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Kosten wegen einer Schlägerei am 19. Sept. 2000. Er hatte die Beklagten wegen angeblich zu schnellen Fahrens in der verkehrsberuhigten Straße vor seinem Hause zur Rede gestellt, weil am Fahrbahnrand seine damals 6-jährige Tochter spielte. Dabei kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung, über deren Hergang die Parteien streiten. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hatte zunächst Versäumnisurteil erlassen und dies durch das angefochtene Urteil bestätigt. Bei seiner Entscheidung hat das Landgericht die Angaben des Klägers aus der Klageschrift zugrunde gelegt und das Vorbringen der Beklagten als verspätet zurückgewiesen. Es hat gemeint, auch nach dem Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil bleibe die Verspätung bestehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie halten es für verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht ihren Vortrag nicht berücksichtigt hat und bitten, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, ggf. es aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung. II. Die Berufung hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Landgericht führt. Das Berufungsverfahren richtet sich nach den vom 01. Jan. 2002 an geltenden Vorschriften der ZPO, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, nach dem 31. Dez. 2001 geschlossen worden ist, § 26 Nr. 5 EGZPO. Danach kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Die Beklagten beanstanden zu Recht, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft auf einer falschen Tatsachengrundlage - nämlich ausschließlich gestützt auf den Vortrag des Klägers - entschieden hat. Es kann dahin stehen, ob das Landgericht den Vortrag des Beklagten zu 2) gem. §§ 296 Abs. 1, 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO als verspätet zurückweisen durfte oder ob das Landgericht vorbereitende Maßnahmen nach § 273 ZPO noch hätte treffen können und müssen. Insoweit geht die Ermessensentscheidung voll auf das Berufungsgericht über (Zöller/Gummer, § 531, 9). Entgegen der Auffassung des Landgerichtes war es allerdings nicht zwingend, vor solchen Maßnahmen noch eine Stellungnahme des Klägers abzuwarten, denn der Kläger hatte den Hergang der Schlägerei in der Klageschrift aus seiner Sicht beschrieben und auch bereits Beweis angetreten. Jedenfalls war es verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht das nach seiner Ansicht versäumte Vorbringen der Beklagten trotz deren Einspruches nicht berücksichtigt hat. Gem. § 342 ZPO wird zwar grundsätzlich der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Auch wenn aber das Säumnisverfahren die vorausgegangene Versäumung von Erklärungsfristen nicht aufhebt und bereits eingetretene Versäumungsfolgen grundsätzlich nicht behebt (Zöller/Herget, § 340, 7 m.N.), ist es der säumig gewordenen Partei gleichwohl nicht verwehrt, das versäumte Vorbringen nachzuholen, damit es im Einspruchstermin noch berücksichtigt wird (Zöller/Greger § 296, 17 m.N.). Dabei hat das Gericht im Rahmen der Vorbereitung des Einspruchstermines (§§ 273, 341 a ZPO) alles Zumutbare zu unternehmen, um eine verzögerungsfreie Berücksichtigung des versäumten Vorbringens zu ermöglichen; unterlässt es dies, scheidet eine Präklusion aus (Zöller/Greger § 296, 40 m.N.). So war es hier. Das Landgericht hätte den Vortrag der Beklagten nach deren Einspruch berücksichtigen können und müssen. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht, nachdem der Einspruch vom 05. Jan. 2004 bei Gericht am 07. Jan. 2004 eingegangen war, als - nächsten freien, den Umständen nach in Betracht kommenden - Termin bereits den 21. Jan. 2004 bestimmt hat. Es mag zwar grundsätzlich richtig sein, dass die Verhandlung so früh wie möglich stattfinden soll, § 272 Abs. 3 ZPO. Es ist jedoch - mehr als - befremdlich, wenn das Landgericht nach Eingang der Klage mit Verfügung vom 30. März 2003 frühen ersten Termin - erst - auf den 03. September 2003 anberaumt und auch bei der Verlegung dieses Termins mit Verfügung vom 15. Aug. 2003 den neuen Termin - erst - auf den 17. Dez. 2003 bestimmt, nach der Einlegung des Einspruches aber mit Verfügung vom 07. Jan. 2004 - unter "Eilt!" - Termin zur Verhandlung hierüber - schon - auf den 21. Jan. 2004 bestimmen kann (GA 71). Dabei hat es vorbereitende Maßnahmen - die ohne weiteres hätten getroffen werden können - gerade nicht angeordnet. Dies erweckt den Eindruck, das Landgericht habe ganz bewusst kurzfristig terminieren wollen, um vorbereitende Maßnahmen nicht treffen zu müssen. Es hätte aber den Einspruchstermin sachgerecht vorzubereiten und zeitlich so anzusetzen gehabt, dass er im Sinne des § 272 Abs. 1 ZPO umfassend vorbereitet war; für eine willkürliche Abkürzung der "Gnadenfrist" durch kurzfristige Terminierung gibt das Gesetz keinen Raum (Zöller/Herget § 340, 8 m.N.). Gem. § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht grundsätzlich die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Etwas anderes gilt - auf Antrag einer der Parteien, der hier vorliegt § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - soweit das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzung sind hier zu bejahen. Es müsste zunächst der Hergang der Schlägerei aufgeklärt werden. Dazu hat der Kläger als Zeugen benannt D... M..., W... M... und M... M.... Auch die Beklagten stützen sich auf die Aussage des Zeugen M.... Hinzu kommt, dass wegen der Höhe des Schmerzensgeldes und der Behauptung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Streckdefizit wegen des Strecksehnenabrisses am rechten Kleinfingers weiter steigen werde, das Einholen von Sachverständigengutachten erforderlich sein dürfte. Die Kostenentscheidung war dem Landgericht vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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