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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.09.2008
Aktenzeichen: I-5 U 9/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB, AGBG


Vorschriften:

BGB § 204 Abs. 1 S. 1
BGB § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 204 Abs. 2 S. 1
BGB § 204 Abs. 2 S. 2
BGB § 214 Abs. 1
BGB § 225 a. F.
BGB §§ 346ff. a. F.
BGB § 465
BGB § 467
BGB § 651 Abs. 1 S. 2 a. F.
BGB § 651 Abs. 1 S. 2
BGB § 633 Abs. 1
BGB § 634 Abs. 1 S. 3
BGB § 635 a. F.
BGB § 638 Abs. 1 S. 1
BGB § 638 Abs. 2
BGB § 638 S. 2 a. F.
ZPO § 167
ZPO § 204 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 411 Abs. 4 S. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1
AGBG § 1
AGBG § 9
AGBG § 24 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 25.10.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin bestellte für den Betrieb der seinerzeit bis zum neu eröffneten "C..." verlängerten Straßenbahnlinie ... zwischen M... und O... im Jahre 1994 bei der zwischenzeitlich in der Beklagten als Rechtsnachfolgerin aufgegangen ... AG (im Folgenden: Beklagte) sechs Niederflur-Stadtbahnwagen zum Preis von insgesamt 12.876.886,02 EUR. Über die hier interessierenden Bestimmungen des zugrunde liegenden Erwerbsvertrages verhält sich ein Memorandum vom 22.09.1994 (Anlage K 1, Anlagenhefter). Ziffer 10 des Memorandums regelt die Gewährleistung wie folgt:

"Für die von der D... gelieferten Fahrzeuge wird eine Gewährleistungszeit von 12 Monaten nach Inbetriebsetzung vereinbart, längstens jedoch für die Dauer von 15 Monaten nach Lieferung der Fahrzeuge frei abgeladen Betriebshof.

In dieser Zeit werden alle von der D... zu vertretenden Mängel nach der D... entweder durch Nachbesserung und Neulieferung beseitigt.

Im Wege der Kulanz akzeptiert D..., dass sich nach Ablauf der 12-monatigen Gewährleistungszeit ein weiterer 12-Monats-Zeitraum anschließt, in dem gleichartige Leistungen gewährt werden.

Für nachgebesserte oder neu gelieferte Teile beträgt die Gewährleistungsfrist 6 Monate, sie läuft jedoch mindestens bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Gewährleistungszeit.

Das Recht der S... auf Wandlung oder Minderung bleibt unberührt, sofern D... eine einvernehmlich vereinbarte angemessene Frist verstreichen lässt, ohne die Behebung des Mangels zu betreiben und dieser Mangel die betriebsübliche Nutzung der betroffenen Ausrüstung wesentlich erschwert oder unmöglich macht."

Die 6 Niederflur-Gelenkwagen wurden im Januar und März 1996 an die Klägerin ausgeliefert und alsbald in Betrieb genommen. Im Jahr 1998 stellte die Klägerin einen unverhältnismäßig starken Abrieb der Schienen und Schienenköpfe auf der neuen Fahrstrecke zwischen den Haltestellen L... und O... fest. Sie führt diesen Umstand nach zahlreichen Untersuchungen bis heute auf einen Mangel der von der Beklagten gelieferten Stadtbahnwagen zurück, die auf dieser Strecke eingesetzt waren. Demgegenüber meint die Beklagte, der übermäßige Schienenabrieb sei nicht auf Mängel der Fahrwerke der Gelenktriebwaren, sondern auf eine unzureichende Feinabstimmung des Radprofils der Straßenbahnwagen auf das vorhandene Schienennetz zurückzuführen. Für diese Abstimmung sei die Klägerin verantwortlich gewesen.

In einem Gespräch am 18.03.1998 sicherte die Beklagte der Klägerin zu, sich wegen der ungeklärten Ursachen für den übermäßigen Schienenabrieb nicht auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüche berufen zu wollen. Mit der Klärung der vorerwähnten Mängelproblematik hatten die Parteien eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Sachverständigen M... beauftragt. Dieserhalb vereinbarten die Parteien in einem weiteren Gespräch am 22.06.1998, zunächst die Feststellungen der Arbeitsgruppe abzuwarten. Zugleich verlängerten sie die Gewährleistungsfrist bis zum 45. Tag nach dem noch anzusetzenden Gespräch über das Ergebnis der Arbeitsgruppe. Dieses Gespräch fand am 06.05.2002 statt, ohne dass die Parteien zu einer Einigung gelangten. Daraufhin leitete die Klägerin mit einer am 20.06.2002 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte ein, das unter dem Az.: 22 OH 5/02 bei dem Landgericht Duisburg geführt wurde. In diesem Verfahren erstattete der Sachverständige L... ein schriftliches Gutachten, welches er auf Anordnung des Gerichts in einem Anhörungstermin am 27.06.2006 mündlich erläuterte. Nach Protokollierung der Ausführungen des Sachverständigen verzichteten die Parteien einvernehmlich auf ein Abspielen des Protokolls und genehmigten das Diktat ohne Vorbehalte. Allerdings kündigte die Klägerin an, weitere Untersuchungen durch den Sachverständigen beantragen zu wollen. Dazu kam es nicht. Nach Zugang des Protokolls am 21.07.2006 erhob die Klägerin vielmehr mit einem am 19.01.2007 bei Gericht eingegangen Schriftsatz die vorliegende Klage, mit der sie die Wandlung des Erwerbsvertrages betreibt und folgende Ansprüche verfolgt:

- Zahlung eines Betrages von 9.013.820,21 EUR nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung der 6 Niederflur-Gelenktriebwagen (Klageantrag zu 1);

- Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der 6 Niederflur-Gelenktriebwagen in Annahmeverzug befinde (Klageantrag zu 2);

- Ausbau und Herausgabe von der Klägerin beigestellter Ausstattungsgegenstände (Klageantrag zu 3);

- Zahlung weiterer 1.082.694,31 EUR nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit als Schadensersatz für unnütze Aufwendungen und mangelbedingten Mehraufwand sowie als Ersatz für die Instandsetzung des Schienennetzes (Klageantrag zu 4);

- Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen hat, der zukünftig durch die Mangelhaftigkeit der Niederflur-Gelenktriebwagen, insbesondere durch den erhöhten Schienenabrieb entsteht (Klageantrag zu 5).

Die Beklagte hat auf Klageabweisung angetragen und die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten. Darüber hinaus hat sie sich auf Verjährung berufen.

Das Landgericht ist dem Verjährungseinwand der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die von den Parteien kraft rechtsgeschäftlicher Vereinbarung bis zur Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens prolongierte Gewährleistungsfrist sei 6 Monate nach der Beendigung jenes Verfahrens durch Verlesung des Sitzungsprotokolls über die Anhörung des Sachverständigen L... vom 27.06.2006 am 27.12.2006 abgelaufen (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Klageanliegen aufrechterhält und hilfsweise auf Zurückweisung der Sache an das Landgericht anträgt. Sie ist unter Bezugnahme auf ein Rechtsgutachten des Direktors des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln, Prof. Dr. M..., der Ansicht, das selbständige Beweisverfahren sei mit Rücksicht auf den bei der Sachverständigenanhörung offenkundig gewordenen Aufklärungsbedarf dadurch in Stillstand geraten, dass es von den Parteien trotz der ungeklärt gebliebenen Fragen nicht weiter betrieben worden sei. Maßgebend für die Beendigung der Hemmung nach § 204 Abs. 1 S. 1 BGB sei deshalb gemäß § 204 Abs. 2 S. 2 BGB der Zeitpunkt der letzten feststellbaren Verfahrenshandlung, hier die vom Landgericht veranlasste Zustellung der Sitzungsniederschrift vom 27.06.2006 am 21.07.2006. Die Hemmung habe mithin bis zum 21.07.2006 gedauert. Rechtszeitig vor diesem Zeitpunkt sei mit Eingang der Klage beim Landgericht die Verjährung erneut gehemmt worden - § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB iVm § 167 ZPO. Die Beklagte trägt auf Zurückweisung der Berufung an. Sie hält die Entscheidung des Landgerichts für richtig und verweist zur Begründung im Wesentlichen ebenfalls auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des im Berufungsverfahren im Wesentlichen unveränderten Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit den sich aus den folgenden Ausführungen ergebenden Änderungen und Ergänzungen Bezug genommen - § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche in der Sache zustehen. Sie sind jedenfalls verjährt, so dass der Klage schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein kann - § 214 Abs. 1 BGB.

a)

Die Klägerin nimmt die Beklagte mit den Klageanträgen zu 1.) - 3.) auf Wandlung des Erwerbsvertrages in Anspruch, bei dem es sich um einen Werklieferungsvertrag über von der Beklagten herzustellende, unvertretbare Sachen iSd § 651 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. handelte, die nach den Bedürfnissen und individuellen Vorgaben der Klägerin zusammenzubauen und auszustatten waren. Die Anspruchsgrundlage für die mit den Klageanträgen zu 1) - 3) geltend gemachten Wandlungsansprüche ergibt sich demnach aus §§ 651 Abs. 1 S. 2, 633 Abs. 1, 634 Abs. 1 S. 3, 465, 467, 346ff. BGB a. F. Mit den Klageanträgen zu 4) und 5) beansprucht die Klägerin Schadensersatz nach §§ 651 Abs. 1 S. 2, 633 Abs. 1, 635 BGB a. F. Das gilt auch, soweit sie Aufwendungen von 500.000,00 EUR für die durch erhöhten Abrieb erforderlich gewordene Instandsetzung der betroffenen Schienenstränge ersetzt verlangt. Zwischen den beanstandeten Mängeln der Fahrzeuge und dem hierdurch bedingten erhöhten Schienenabrieb besteht ein derart enger funktionaler und räumlicher Zusammenhang, dass es sich bei den in Rede stehenden Schäden an den Schienen um enge Mangelfolgeschäden handelt, die gemäß § 635 BGB a. F. zu ersetzen sind (vgl. hierzu zuletzt: BGH, Urt. v. 20.04.2004 - X ZR 141/02, BauR 2004, 1776 mwN; OLG Köln, Urt. v. 17.08.2001 - 19 U 116/00, BauR 2002, 991).

b)

aa)

Die mit der Klage geltend gemachten Gewährleistungsansprüche unterliegen einer gesetzlichen Gewährleistungsfrist von 6 Monaten - § 638 Abs. 1 S. 1 BGB, die durch Vertrag verlängert werden kann - § 638 Abs. 2 BGB. Vorliegend haben die Parteien die unter Ziffer 10 des Memorandums vom 22.09.1994 wiedergegebene Vertragsregelung getroffen. Danach betrug die Gewährleistungsfrist für die der Klägerin primär zugebilligten Nachbesserungs- bzw. Neulieferungsansprüche 24 Monate ab Inbetriebsetzung, längstens 27 Monate ab Lieferung der Fahrzeuge. Die Fahrzeuge wurden im Januar und März 1996 an die Klägerin ausgeliefert. Die Gewährleistungszeit lief mithin spätestens Ende Juni 1998 ab. Sie ist zunächst durch die Vereinbarung vom 18.03.1998, sodann abschließend durch die Vereinbarung vom 22.06.1998 verlängert worden und endete demnach 45 Tage nach dem Abschlussgespräch der Arbeitsgruppe M... vom 06.05.2002 am 20.06.2002. An diesem Tag ging der Antrag der Klägerin auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens bei dem Landgericht Duisburg ein, wodurch gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7, § 167 ZPO iVm Art. 229, § 6 Abs. 1 EGBGB die Gewährleistungsfrist rechtzeitig vor ihrem Ablauf gehemmt wurde. Für die Entscheidung des Rechtsstreit kommt es darauf an, wann das selbständige Beweisverfahren und damit die Hemmung endete und ob die Klägerin rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist Klage erhoben bzw. eingereicht hat (dazu unten c).

bb)

Die Parteien und das Landgericht gehen von der Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen zur Gewährleistung aus. Diese Auffassung teilt der Senat im Ergebnis. Wäre sie nicht richtig und die Regelung betreffend die Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist unwirksam, wären die Klageforderungen in jeden Fall verjährt und der Berufung wäre gleichfalls kein Erfolg beschieden. Letztlich kommt es deshalb darauf nicht an, weil Verjährung mit nämlichem Ergebnis auch dann eingetreten ist, wenn die Gewährleistungsregelungen wirksam vereinbart wurden. Gleichwohl sieht sich der Senat zu Klarstellung zu folgenden Ausführungen veranlasst.

aaa)

Die in der Regelung gemäß Ziffer 10 des Memorandums repräsentierte Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfirst (6 Monate gemäß § 638 Abs. 1 BGB a. F.) war abweichend von § 225 BGB a. F. gemäß § 638 S. 2 BGB a. F. grundsätzlich zulässig. Die Frage der AGB-Inhaltskontrolle stellt sich hier nicht, weil die Parteien die in Rede stehenden Fristenregelungen individuell ausgehandelt haben, wie sich aus dem im Angebot der Beklagten vom 11.04.1994 (dort S. 4 - "Gewährleistung", Anlage K 2, Anlagenhefter), ihrem Schreiben vom 13.06.1994 (dort S. 3 - "Gewährleistung", Anlage K3, Anlagenhefter) sowie dem Schreiben der Beklagten vom 20.06.1994 (dort S. 2 Pos. 4. - "Gewährleistung", Anlage K 3, Anlagenhefter) ergibt. Im Übrigen dürfte auch eine formularmäßige Verlängerung der Gewährleistungszeit mit Rücksicht auf die naturgemäß technisch sehr komplexe Funktionsweise des Liefergegenstandes hier zulässig gewesen sein; verboten war gemäß § 11 Nr. 10 lit. f) AGBG nur eine formularmäßige Verkürzung der Verjährungsfristen.

bbb)

Daran anknüpfend erhebt sich allerdings die weitergehende Frage, ob die o. g. (verlängerte) Gewährleistungszeit auch für die hier in Rede stehenden Rechte auf Wandlung und Schadensersatz gelten sollte. Das stellt die Beklagte ausdrücklich in Abrede. Der Senat bejaht die obige Frage.

Die gebotene Auslegung der Klausel ergibt auf der Grundlage des Wortlauts der Regelung in Abs. 2, 3 gemäß Ziffer 10 des Memorandums, dass die Gewährleistungsrechte der Klägerin für die Dauer der Gewährleistungszeit zunächst auf Nachbesserung bzw. Neulieferung beschränkt sein sollten. Die Rechte der Wandlung und Minderung sollten ihr nur unter den in Abs. 5 der Regelung niedergelegten Voraussetzungen zustehen, also erst nach (erfolglosem) Ablauf einer einvernehmlich vereinbarten angemessenen (Nachbesserungs-) Frist und nur für Mängel, durch die die betriebsübliche Nutzung der Straßenbahnen wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht wurde. Daraus ergibt sich bei vernünftiger Betrachtungsweise ohne weiteres, dass für die Mängelrechte der Wandlung und Minderung ebenfalls die o. g. Gewährleistungsfristen gelten sollten, weil der Besteller sonst trotz fehlgeschlagener Nachbesserung und laufender Gewährleistungsfrist nach Ablauf von 6 Monaten die Beklagte nicht mehr auf Wandlung oder Minderung hätte in Anspruch nehmen können. Das war erkennbar nicht gewollt. Dementsprechend ist weitergehend davon auszugehen, dass auch für eventuelle mangelbedingte Schadensersatzansprüche, die in der o. g. Vertragsklausel nicht genannt sind, die verlängerten Gewährleistungsfristen gelten sollten.

ccc)

Die in der vertraglichen Gewährleistungsregelung manifestierte Beschränkung der Sachmängelhaftung auf Nachbesserung und Neulieferung führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Klausel.

Die Parteien tragen nichts dazu vor, wer die Gewährleistungsregelungen in den Vertrag eingeführt hat und somit als Verwender iSd § 1 AGBG anzusehen ist. Darauf kommt es freilich letztlich nicht an.

Inhaltlich wäre die Klausel unbedenklich, wenn sie von der Klägerin in den Vertrag eingeführt worden wäre. Anders liegen die Dinge, wenn die Beklagte Verwender der Klausel sein sollte, weil die darin repräsentierte Beschränkung der Gewährleistung auf Nachbesserung und Neulieferung nur dann zulässig ist, wenn sie entsprechend § 11 Nr. 10 lit. b) dem Besteller die Rechte auf Wandlung und Minderung für den Fall des Fehlschlagens der Nachbesserung ausdrücklich vorbehält. Das Klauselverbot gilt über § 24 S. 2, 9 AGBG auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern (BGH NJW 1993, 2438; NJW 1994, 1005, WM 1995, 1456). Fraglich ist hier, ob die Bedingungen, unter denen der Besteller auf Wandlung und Minderung zurückgreifen können soll, nicht unangemessen scharf sind. Nach dem Gesetz kommt es für die Geltendmachung von Wandlung und Minderung gerade nicht darauf an, ob eine angemessene Nachbesserungsfrist einvernehmlich vereinbart wurde; sie muss wirksam gesetzt worden sein (§ 634 Abs. 1 BGB a. F.). Darüber hinaus kann es nicht angehen, dass der Besteller Wandlung und Minderung nur dann verlangen können soll, wenn der Lieferant die geschuldete Nachbesserung nicht innerhalb angemessener Frist betreibt. Ihm müssen diese Rechte vielmehr ausdrücklich auch für den Fall vorbehalten werden, dass die Nachbesserung fehlschlägt. Das sieht die in Rede stehende Klausel gerade nicht vor. Und schließlich entspricht es nicht dem Gesetz in seiner damaligen Fassung, dass der Besteller/Erwerber Wandlung oder Minderung nur dann verlangen kann, wenn die betriebsübliche Nutzung durch einen Mangel wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht wird. Diese Anforderungen gehen über die durch § 633 Abs. 1 BGB a. F. vorausgesetzte Minderung der Gebrauchstauglichkeit hinaus.

In Erwägung all dessen dürfte die unter Ziffer 10 des Memorandums wiedergegebene Vertragsklausel unwirksam sein, wenn sie von der Beklagten gestellt wurde. Das betrifft mit Rücksicht auf die vorstehenden Erwägungen allerdings nur die vorerörterte inhaltliche Beschränkung der Gewährleistungsrechte, nicht die Verlängerung der Gewährleistungsfrist, die demnach einheitlich für alle Sachmängelrechte gilt. Insoweit ist die Gewährleistungsklausel teilbar (vgl. hierzu: Palandt/Heinrichs, Vorb. v. § 307, Rn 11f. mwN), wobei der Senat in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgeht, dass die Parteien die Gewährleistungsfristen auch ohne die inhaltliche Beschränkung der Mängelrechte wie geschehen bestimmt hätten.

c)

Nach alledem geht der Senat deshalb zugunsten der Klägerin davon aus, dass die Gewährleistungsfrist bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens nicht abgelaufen war. Streitentscheidend ist folglich die Beantwortung der Frage, in welchem Zeitpunkt das selbständige Beweisverfahren beendet war. Weil der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens am letzten Tag der Gewährleistungsfrist bei Gericht einging, fällt der Zeitpunkt für den Eintritt der Verjährung eventueller Gewährleistungsrechte hier mit dem Ablauf der gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 BGB n. F. iVm Art. 229, § 6 Abs. 1 EGBGB für das Ende der Hemmung maßgeblichen 6-Monatsfrist zusammen.

Nach der Auffassung des Landgerichts war das selbständige Beweisverfahren mit der Verlesung und Genehmigung des Sitzungsprotokolls über die Anhörung des Sachverständigen L... im Termin am 27.06.2006 beendet. Diese Sichtweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1973, 698; NJW 1979, 645; NJW 1993, 851; ebenso: OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1527) und der ganz h. M. in der Literatur (vgl. statt vieler: Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 492 Rn 4; Musielak/Huber; ZPO, 6. Aufl., § 492, Rn 3; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12 . Aufl., Rn 111). Sie trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Also lief die 6-Monatsfrist des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB und damit auch die Gewährleistungsfrist (s. o.) am 27.12.2006 ab. Bei Eingang der Klageschrift am 19.01.2007 bei Gericht waren die geltend gemachten Ansprüche mithin bereits verjährt.

Die dem entgegenstehende Auffassung der Klägerin knüpft an die Annahme an, das Verfahren sei mit der Anhörung des Sachverständigen nicht beendet gewesen, sondern anschließend durch Nichtbetreiben der Parteien in Stillstand geraten. Deshalb sei § 204 Abs. 2 S. 2 BGB n. F. mit dem Ergebnis anzuwenden, dass die 6-Monatsfrist erst mit der letzten Verfahrenshandlung des Gerichts, nämlich der Zustellung der Sitzungsniederschrift am 21.07.2006, abgelaufen sei. Diese Erwägungen gehen fehl. Sie beruhen auf der Auswertung der protokollierten Erklärungen des Sachverständigen, wonach allen Beteiligten klar gewesen sei, dass die dem Sachverständigen gestellten Beweisfragen auf unzureichender Tatsachengrundlage und damit nicht belastbar beantwortet worden seien. Das mag - gegen den anderslautenden Vortrag der Beklagten - sein, ändert allerdings nichts an der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens nach obigen Grundsätzen. Der Sachverständige hat die Beweisfragen beantwortet. Gegenteiliges zeigt auch die Berufung nicht auf. Ob seine Feststellungen richtig oder falsch waren und ob er selbst die tatsächliche Grundlagen für seine im schriftlichen Gutachten niedergelegten Erkenntnisse bei seiner Anhörung in Zweifel gezogen hat, ist für die anhand formaler Kriterien zu beantwortende Frage nach der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens ohne Belang. Die Klägerin meint indes, das Beweisverfahren sei nach der ratio der hierzu ergangenen BGH-Rechtsprechung solange nicht beendet, wie das Gutachten in der Form, in der es den Parteien zugestellt worden ist, nicht alle beweiserheblichen Tatsachenfragen der Parteien ausreichend klären kann. Diese "ratio" gibt es nicht. Im Gegenteil: Der BGH gibt einer streng formalen Sichtweise den Vorzug, wonach das selbständige Beweisverfahren mit der Übersendung des schriftlichen Gutachtens an die Parteien beendet ist, wenn weder das Gericht eine Frist nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO setzt, noch eine mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen stattfindet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien bei rückschauender Betrachtung innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Erhalt des schriftlichen Gutachtens tatsächlich Einwendungen hiergegen erhoben, das Gutachten betreffende Anträge gestellt oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben (BGH Urt. v. 20.02.2002 - VIII ZR 228/00, NJW 2002, 1640, 1641). Anders ausgedrückt: Nach der Auffassung des BGH kommt es im Interesse klarer Verjährungsregeln für die Beendigung des Beweisverfahrens nicht darauf an, wann eine angemessene Frist für Einwendungen und Anträge der Parteien nach Zugang des schriftlichen Gutachtens verstrichen ist, wenn tatsächlich keine solchen Einwendungen erhoben oder Anträge gestellt werden (BGH a.a.O.; BGH, Urt. v. 03.12.1992 - VII ZR 86/92, NJW 1993, 851, 852). Für den hier vorliegenden Fall einer abgeschlossenen mündlichen Anhörung des Sachverständigen gelten diese Grundsätze erst recht (BFG, a.a.O.). Dass die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift (dort S. 20) pauschal angekündigt hat, weitere Untersuchungen durch den Sachverständigen beantragen zu wollen, ändert hieran nichts.

Aus alledem folgt, dass es auf den Inhalt des Gutachtens und die Qualität der sachverständigen Feststellungen für die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens nicht ankommt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Sachverständige die Beweisfragen (teilweise) überhaupt nicht beantwortet hätte und das Gericht die Beweisaufnahme deshalb in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von Amts wegen hätte fortsetzen müssen. Für eine dahin gehende Annahme reichen die von der Klägerin mit der Berufungsbegründung offen gelegten Unsicherheiten in den Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen nicht aus. Sie lassen allenfalls erkennen, dass der Sachverständige weitere Erkenntnismöglichkeiten hätte ausschöpfen können. Die darin möglicherweise zu Tage getretene Unvollkommenheit der sachverständigen Feststellungen steht einer Nichtbearbeitung der zu diesem Zeitpunkt bereits schriftlich beantworteten und nun mündlich erläuterten Beweisfragen nicht gleich. Andernfalls läge im Übrigen erst recht kein Fall des Verfahrensstillstandes durch Nichtbetreiben der Parteien vor, so dass § 204 Abs. 2 S. 2 BGB unanwendbar wäre (BGH NJW 2000, 132) und das selbständige Beweisverfahren weiter unbeendet wäre.

Der Klägerin erwachsen aus dieser Handhabung der verjährungsrelevanten Verfahrensvorschriften des selbständigen Beweisverfahrens keine ungerechtfertigten Nachteile. Ihr hätte es auch nach der Anhörung des Sachverständigen frei gestanden, innerhalb angemessener Frist Einwendungen gegen das in ihren Augen unzulängliche Gutachten zu erheben, wodurch nach obigen Grundsätzen eine Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens verhindert worden wäre. Davon hat sie eigenem Vorbringen zufolge bewusst Abstand genommen, um sogleich das Hauptsacheverfahren mit ggfls. ergänzenden Fragen an den Sachverständigen betreiben zu können. Gerade dieser Umstand zeigt, dass sie selbst das selbständige Beweisverfahren als beendet betrachtete und gar nicht weiter betreiben wollte, ohne dass es hierauf allerdings entscheidend ankommt. Im Übrigen kann von einem Stillstand des Verfahrens durch Nichtbetreiben ohnehin nur dann ausgegangen werden, wenn eine Partei notwenige Verfahrenshandlungen unterlässt und das Verfahren dadurch nicht fortgesetzt werden kann (BGH NJW 1968, 694; BAG NJW 1972, 1247). Von einem Unterlassen idS notwendiger Verfahrenshandlungen einer Partei kann hier keine Rede sein.

In Erwägung all dessen erweist sich die Entscheidung des Landgerichts jedenfalls im Ergebnis als richtig und der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil ist kein Erfolg beschieden.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichtes auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist - § 543 Abs. 2 ZPO. Die Erwägungen des Senats zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens folgen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen vorliegend kein Anlass besteht.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 10.426.514,52 EUR

Ende der Entscheidung

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