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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.10.2008
Aktenzeichen: I-5 W 41/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 360 Abs. 1
ZPO § 404 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 5
ZPO § 407a Abs. 2 Satz 1
ZPO § 407a Abs. 2 Satz 2
ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 05.08.2008 gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Duisburg vom 25.07.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Gründe:

Der minderjährige Kläger macht einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gegen den ebenfalls minderjährigen Beklagten wegen Verletzungen geltend, die er am 16.05.2006 in Zusammenhang mit einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Beklagten erlitt, die während einer Schulpause auf dem Gelände des Gymnasiums B... in M... stattfand. Gleichzeitig begehrt der Kläger gerichtliche Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht des Beklagten.

Mit Beschluss vom 01.10.2007 ordnete die Kammer die Beweisaufnahme zu folgenden Beweisfragen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an:

Durch welche Handlung des Beklagten wurden die Verletzungen des Klägers verursacht? Wurden sie durch den Stoß mit dem Kopf des Beklagten gegen den Kopf des Klägers verursacht oder durch die nachfolgenden Faustschläge.

Mit deren Beantwortung beauftragte sie mit Beschluss vom 23.03.2008 Prof. Dr. Dr. Z... von der Universitätsklinik K.... Im Juni 2008 ging ein unter dem 27.05.2008 verfasstes Gutachten bei Gericht ein. Dieses Gutachten ist unterschrieben von dem Assistenzarzt Dr. Dr. S... und dem Oberarzt Priv.-Doz. Dr. Dr. M.... Verfasser des Gutachtens war Dr. Dr. S.... Der bestellte Sachverständige Prof. Dr. Dr. Z... hat unter dem Vermerk "Einverstanden aufgrund eigener Prüfung und eigener persönlicher Urteilsbildung" ebenfalls seine Unterschrift gesetzt. Nach Beanstandungen gegen den Inhalt des Urteils durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 19.06.2008 hat die Kammer mit Beschluss vom 07.07.2008 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, den Gutachtenverfasser Dr. Dr. S... gemäß §§ 404 Abs. 1 Satz 3, 360 Abs. 1 ZPO nachträglich zu benennen. Dem widersprach der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.07.2008 unter Hinweis darauf, dass Dr. Dr. S... die erforderliche Sachkenntnis nicht besitze. Für den Fall, dass das Gericht Dr. Dr. S... zum Sachverständigen ernenne, hat der Beklagte in selben Schriftsatz den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25.007.2008 das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 31.07.2008 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.08.2008, am selben Tag eingegangen bei Gericht, sofortige Beschwerde eingelegt, die er am 09.08.2008 begründet hat. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.

II.

1. Die gemäß § 406 Abs. 5 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht im Sinne des § 569 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegt worden. Zur Entscheidung ist der Senat gemäß § 568 Satz 1 ZPO durch den Einzelrichter berufen.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

a)

Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters gemäß § 42 ZPO berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss v. 13.1.1987 - X ZR 29/96, GRUR 1987, 350;.Beschluss v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung I; Beschluss v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869). Eine solche Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen in einer Weise gestaltet, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können (BGH, Beschluss vom 15.03.2005, Az: VI ZB 74/04 = EBE/BGH 2005, BGH-Ls 397/05).

b)

Hiernach ausreichende Gründe für ein berechtigtes Ablehnungsgesuch hat der Beklagte nicht vorgetragen.

aa)

Der Beklagte meint, ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit läge darin, dass sich der nunmehr zum Sachverständigen bestellte Dr. Dr. S... als Gutachtenerstatter nicht unter Anleitung des vom Gerichts zunächst bestellten Sachverständigen, sondern das Gutachten an dessen Stelle erstattet habe. Hiermit habe er sich eine richterliche Funktion angemaßt. Dieser gegen den neuen Sachverständigen gerichtete Vorwurf ist nicht tragfähig, kann jedenfalls nicht die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit begründen.

Es ist bereits nach Auffassung des Senat nicht feststellbar, dass der jetzige Sachverständige, um dessen von dem Beklagten gerügte Befangenheit es geht, nicht unter Anleitung des vom Gericht ursprünglich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Z... gearbeitet, sondern an dessen Stelle das Gutachten erstattet hat.

Dem Sachverständigen ist es zwar nach § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erlaubt, den Auftrag auf einen andere als die vom Gericht bestellte Person zu übertragen. Er darf jedoch auf der Grundlage des § 407 a Abs. 2 Satz 2 ZPO die Befunderhebung an Hilfskräfte delegieren, ebenso die Zusammenstellung der für die Begutachtung erheblichen Informationen aus der Akte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2004, 7 U 175/02, NJOZ 2004, 1192, 1194 m.w.N.). Zu den ureigensten und damit im Grunde den Kernbereich der Sachverständigentätigkeit darstellenden Aufgabe des Gutachters gehört die wissenschaftliche Auswertung der Arbeitsergebnisse im Hinblick auf die konkreten zu beantwortenden Beweisfragen. Diese Aufgabe kann grundsätzlich nicht vom Sachverständigen auf dritte Personen übertragen werden. Zulässig ist indes, dass der Sachverständige sich die wissenschaftliche Auswertung von einem Dritten vorbereiten lässt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2004, 7 U 175/02, NJOZ 2004, 1192, 1194 m.w.N.). In diesem Zusammenhang reicht es für die Feststellung einer eigenen kognitiven Leistung des Sachverständigen aus, bei der noch kein Verstoß gegen § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO gegeben wäre, dass der Sachverständige erklärt, er habe die Auswertung nachvollzogen und sich zu eigen gemacht, bzw. er sei mit der Befunderhebung und Beurteilung einverstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 09-03-1984 - 8 C 97/83, NJW 1984, 2645, 2649; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2004, 7 U 175/02, NJOZ 2004, 1192, 1194 m.w.N.). Da jedoch - wie gesagt - dem Sachverständigen eine vollständige Übertragung der Begutachtung auf einen Mitarbeiter nicht gestattet ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 08.01.1985, VI ZR 15/83, NJW 1985, 1399, 1400), muss auch bei der Delegation von Sachverständigentätigkeiten auf Hilfskräfte stets sichergestellt sein, dass der beauftragte Sachverständige, die volle fachliche, zivil- und strafrechtliche Verantwortung für das Gutachten übernimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09-03-1984 - 8 C 97/83, NJW 1984, 2645, 2646; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2004, 7 U 175/02, NJOZ 2004, 1192, 1194 m.w.N.). Von einer solchen Verantwortungsübernahme kann nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgegangen werden, wenn der Sachverständige das von einer dritten Person verfasste Gutachten lediglich unterzeichnet oder seine Unterschrift allein mit dem Zusatz "Einverstanden" versieht. Die nötige eindeutige Erklärung, die die Übernahme der Verantwortung gewährleistet, ist in Formulierungen wie "Einverstanden auf Grund eigener Untersuchung und Beurteilung" oder "mit Befund oder Beurteilung einverstanden" enthalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 09-03-1984 - 8 C 97/83, NJW 1984, 2645, 2646).

Der ursprünglich beauftragte Sachverständige Prof. Dr. Dr. Z... hat das von dem jetzigen Sachverständigen verfasste Gutachten mit dem Vermerk "Einverstanden aufgrund eigener Prüfung und eigener persönlicher Urteilsbildung". Diese Formulierung ist mit den oben wiedergegebenen Erklärungen sinn- und inhaltsgleich. Damit hatte der Professor Dr. Dr. Z... die volle Verantwortung für das in wesentlichen Teilen von dem jetzigen Sachverständigen vorbereitete Gutachten übernommen und klargestellt, dass er die wesentliche Sachverständigentätigkeit nicht den Verfasser des Gutachtens übertragen hat.

Damit ist dem Vorwurf des Beklagten, der jetzige Sachverständige hätte sich eigenständig und entgegen der ursprünglichen Bestellung durch das Landgericht die Sachverständigenstellung angemaßt und damit richterliche Aufgaben übernommen, der Boden entzogen, da der jetzige Sachverständige in ausreichend deutlicher Form lediglich als umfassend hinzugezogene Hilfskraft tätig geworden ist.

Selbst wenn man im übrigen der Auffassung wäre, der jetzige Sachverständige hätte im Gutachten auf deutlichere Weise seine Stellung lediglich als Hilfskraft zum Ausdruck bringen müssen, sähen sich alle Beteiligten einer solchen missverständlichen Darstellung durch den Sachverständigen ausgesetzt. Der Vorwurf kann daher ebenfalls nicht das subjektive Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen (vgl. hierzu. OLG Jena, Beschluss vom 14.12.2005, 4 W 399/05, BauR 2006, 1177f = MDR 2006, 1011, juris Rz. 13).

2.

Soweit der Beklagte zur Begründung seines Ablehnungsgesuches vorgebracht hatte, der Sachverständige habe bei der Gutachtenerstellung Tatsachen unterstellt, die das Gericht ihm nicht als feststehend oder festgestellt für seine Untersuchungen an die Hand gegeben habe, kann er hiermit ebenfalls nicht durchdringen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Von diesen rechtlich abzuweichen, bieten die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Rügen keinen Anlass. Der vom Gericht formulierte Beweisbeschluss gibt dem Sachverständigen in der Beweisfrage die Annahme von als feststehend anzusehenden Tatsachen vor, nämlich der Verursachung der Verletzungen des Kläger durch den Beklagten und das Beibringens eines Stoßes mit dem Kopf durch den Beklagten gegen den Kopf des Klägers, was landläufig als Kopfnuss bezeichnet wird, sowie gegen den Kläger gerichtete Faustschläge des Beklagten. Hieran hatte sich der Sachverständige zu halten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 574 Abs. 2 ZPO.

Den Streitwert setzt der Senat in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung auf 1/3 des Hauptsachestreitwert, also auf 2.200 € fest (vgl. Beschlusse vom 11.12.2003 I - 5 W 48/03, OLGR 2004, 372, sowie vom 08.09.2004, I - 5 W 36/04, OLGR 2005, 64).

Ende der Entscheidung

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