Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.08.2003
Aktenzeichen: I-6 U 36/99
Rechtsgebiete: GmbHG, GesO, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 32 Abs. 1
GmbHG § 32 a
GmbHG § 64 Abs. 2
GesO § 14 Abs. 1
GesO § 10 Abs. 2
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.12.1998 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 515.000,00 DM abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer in Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 01.10.1996 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der X. GmbH. Er nimmt den Beklagten auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch, die dieser als Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft nach Eintritt der "Insolvenzreife" geleistet haben soll. Der Beklagte ist Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der Y. GmbH, die wiederum Alleingesellschafterin sowohl der Z. GmbH als auch der auf dem selben Betriebsgelände residierenden X. GmbH, der Gesamtvollstreckungsschuldnerin ist. Die Y. GmbH kaufte durch notarielle Verträge vom 12.11.1993 und 12.12.1995 Betriebsteile und bebaute Grundstücke der P. GmbH i.L., die zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Treuhandanstalt bedurften. Ihre Tochtergesellschaft, die Z. GmbH, nahm am 01.05.1995 in den bereits vor Genehmigung zur Nutzung überlassenen Betriebsräumen die Fertigung von plastischen Erzeugnissen auf, welche ihre Schwestergesellschaft - die Gesamtvollstreckungsschuldnerin - vertrieb.

Deren Alleingeschäftsführer war bis zu seiner Abberufung am 27.06.1996 Herr G.. Die Abberufung erfolgte durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 27.06.1996, nämlich durch Beschluß der Alleingesellschafterin Y. GmbH, diese vertreten durch den Beklagten als Alleingeschäftsführer (Anlage K 3 = 45 GA).

In der Folgezeit fungierte der Beklagte als Geschäftsführer der späteren Gesamtvollstreckungsschuldnerin. Er wurde durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 28.06.1996 zum Alleingeschäftsführer bestellt (45 b GA). Weder die Abberufung des Geschäftsführers G. noch die Berufung des Beklagten zum neuen Geschäftsführer wurden in das Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom 12.07.1996 teilte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als Rechtsnachfolgerin der Treuhandanstalt mit, daß die mit der Y. GmbH geschlossenen Verträge nicht genehmigt würden. In der nachfolgenden Besprechung vom 31.07.1996 bestätigte die BvS, der Vertrag werde nicht genehmigt und müsse rückabgewickelt werden.

Sodann beantragte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Alleingeschäftsführer mit Schreiben seiner Anwälte vom 07.08.1996, über das Vermögen der X. GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren zu eröffnen. Zur Begründung verwies er darauf, als Folge der verweigerten Genehmigung müsse die Y. GmbH das ihrer Tochtergesellschaft, der Z. GmbH, zur Verfügung gestellte Gelände herausgeben. Deshalb sei die Produktion wegen des Wegfalls der Produktionsanlage nicht mehr möglich, so daß auch der Vertriebsgesellschaft eine weitere Tätigkeit unmöglich geworden sei. Mangels Fortführung ihres Gewerbebetriebes sei sie daher nicht mehr in der Lage, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen (Anlage K 4 = 46 bis 49 GA).

Gleichzeitig wurde Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Z. GmbH gestellt. Beide Verfahren wurden am 01.10.1996 eröffnet (Anlage K 1 = 76 GA). Zuvor hatte das Amtsgericht mit Beschluß vom 27.08.1996 die Sequestration angeordnet und ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet (19 GA).

Kurz vor und nach Antragstellung erfolgten insgesamt 11 Zahlungen von Konten der späteren Gesamtvollstreckungsschuldnerin an mit ihr verbundene, zur B.-Gruppe gehörende Gesellschaften in Höhe von insgesamt 440.001,61 DM.

Sieben Zahlungen erfolgten vom Konto der Gesamtvollstreckungsschuldnerin bei der H.-Bank wie folgt:

Am 02.08.1996 an Z. GmbH 15.000,00 DM am 14.08.1996 an B. OHG 58.275,12 DM am 20.08.1996 an Y. GmbH 42.815,97 DM am 22.08.1996 an Y. GmbH 6.860,93 DM am 23.08.1996 an Y. GmbH 2.863,34 DM am 26.08.1996 an Y. GmbH 10.407,42 DM am 27.08.1996 an Y. GmbH 8.872,94 DM 145.095,72 DM.

Weitere vier Zahlungen erfolgten vom Konto der Gesamtvollstreckungsschuldnerin bei der D. Bank wie folgt:

Am 05.08.1996 an Y. GmbH 25.000,00 DM am 07.08.1996 an Y. GmbH 156.975,00 DM am 08.08.1996 an K. GmbH 50.403,41 DM am 13.08.1996 an K. GmbH 62.527,48 DM 294.905,89 DM.

In Höhe dieser Zahlungen von insgesamt 440.001,61 DM nimmt der Kläger den Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz auf Ersatz in Anspruch.

Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht:

Die streitgegenständlichen Zahlungen seien jedenfalls auf Veranlassung des Beklagten erfolgt, so daß er sich nicht auf fehlende Kontovollmacht berufen könne. Sämtliche Zahlungen seien auch im Stadium der Insolvenzreife erfolgt. Die Gesamtvollstreckungsschuldnerin sei nach ihrer eigenen Darstellung in ihrem Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 07.08.1996 zahlungsunfähig gewesen. Zudem sei sie mit mehr als 1,3 Mio DM überschuldet gewesen. Ihren Geschäftsbetrieb habe sie bereits zum 01.07.1996 eingestellt gehabt. Zuvor habe sie mit Vertrag vom 29.06.1996 ihren gesamten Warenbestand zum Bruttokaufpreis von rund 1.380.000,00 DM an die Z. GmbH veräußert, die jedoch ebenfalls bereits mit über 3 Mio DM überschuldet gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 440.001,61 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (28.07.1998) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht:

Er habe keine Vollmacht für die Konten der Gesamtvollstreckungsschuldnerin gehabt. Insoweit seien nur die früheren Mitarbeiter zeichnungsberechtigt gewesen. Grund für den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens sei nicht die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der X. GmbH, sondern die Tatsache gewesen, daß das Produktionsgrundstück nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Sämtliche Zahlungen seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar gewesen. Dies gelte insbesondere für die Zahlungen vom 08.08. und 13.08.1996 an die K. GmbH, weil diese zum Ausgleich von Rechnungen betreffend unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Waren erfolgt seien. Die Umbuchung vom Konto der Gesamtvollstreckungsschuldnerin bei der H.-Bank vom 14.08.1996 auf ein Konto der B. OHG sei nicht auf seine Veranlassung erfolgt. Diese Umbuchung habe die Bank ohne ausdrückliche Anweisung vorgenommen. Sie sei von den beteiligten Firmen auch ohne ausdrückliche Anweisung ermächtigt gewesen, Kontenausgleiche vorzunehmen.

Durch Urteil vom 30.12.1998 hat das Landgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Der Beklagte hafte gemäß § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz als vormaliger Geschäftsführer der Gesamtvollstreckungsschuldnerin. Falls er einzelne Zahlungen nicht selbst veranlaßt habe, hätte er jedenfalls die Zahlungen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschuldnerin verhindern müssen. Spätestens nach dem Gespräch vom 31.07.1996 mit der BvS sei dem Beklagten bewußt gewesen, daß die für die wirtschaftliche Existenz entscheidende Genehmigung der notariellen Verträge nicht erteilt werde. Sämtliche Zahlungen seien nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Nach dem Inhalt des Antragsschreibens vom 07.08.1996 sei die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Zahlungen nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Verbindlichkeiten mangels Fortführung des Gewerbebetriebes zu erfüllen. Unerheblich sei, daß die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Antragstellung noch Forderungen in Höhe von über 1,8 Mio DM besessen habe, weil sie bereits vorher überschuldet gewesen sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er ergänzend geltend:

Ihn treffe kein Verschuldensvorwurf. Unmittelbar nach Antragstellung habe er Herrn Schuster, den führenden Mitarbeiter der Alleingesellschafterin der Gesamtvollstreckungsschuldnerin angewiesen, die kontozeichnungsberechtigten Mitarbeiter der Gesamtvollstreckungsschuldnerin anzuweisen, keine weiteren Verfügungen über das Konto mehr vorzunehmen. Gleichzeitig habe er die H.-Bank entsprechend informiert. Diese habe dennoch weiterhin Umbuchungen vorgenommen. Zumindest die Zahlungen an die Y. GmbH vom 05./07./20./22./23./26/ und 27.08.1996 über insgesamt 253.795,60 DM seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar gewesen. Insoweit seien Rechnungen der Muttergesellschaft der Gesamtvollstreckungsschuldnerin bezahlt worden. Diese habe die von der Gesamtvollstreckungsschuldnerin und der Z. GmbH benutzte zentrale Computeranlage sowie Fahrzeuge und Gabelstapler geleast. Sie habe ferner den bezogenen Strom bezahlt. Darüber hinaus habe sie drei Mitarbeiter für die Buchhaltung, Lohnabrechnung etc. für die Gesamtvollstreckungsschuldnerin und deren Schwestergesellschaft zur Verfügung gestellt. Alle diese Leistungen habe sie der Gesamtvollstreckungsschuldnerin bzw. ihrer Schwestergesellschaft in Rechnung gestellt. Wenn die Rechnungen der Muttergesellschaft nicht bezahlt worden wären, wäre diese nicht in der Lage gewesen, den Strom und die Leasingraten zu bezahlen. Tatsächlich habe auch der Kläger von diesen Zahlungen profitiert, indem er nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens insbesondere den Computer und die drei Mitarbeiter in Anspruch genommen habe. Soweit Abbuchungen auf Scheckausstellungen vom 05., 07. und 08.08.1996 beruhten, trage der Kläger nicht vor, wann und von wem diese Schecks ausgestellt worden seien. Zumindest sei der Anspruch des Klägers um die auf die befriedigten Gläubiger entfallende fiktive Konkursquote zu kürzen. Darüber hinaus müsse sich der Kläger schadensmindernd entgegenhalten lassen, daß er nicht zumindest die Zahlungen an die B. OHG vom 14.08.1996 sowie an die K. GmbH vom 08. und 13.08.1996 nach dem Anfechtungsrecht zurückgefordert habe. Diese Firmen existierten - anders als die Firmen Y. GmbH und Z. GmbH - nach wie vor.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung im einzelnen entgegen. Er legt Kopien der Schecks vom 01.08., 02.08. und 05.08.1996 vor und behauptet, diese habe der Beklagte als Aussteller mitunterschrieben (123, 133 bis 135 GA). Ferner legt er eine zum 31.07.1996 erstellte Zwischen-Bilanz und eine gesonderte Überschuldungs-Bilanz betreffend die Gesamtvollstreckungsschuldnerin vor. Er leitet daraus her, daß diese bereits zum 31.07.1996 überschuldet gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt nebst den überreichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 440.001,61 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.07.1998 (Rechtshängigkeit) zu zahlen. Gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG ist der Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer der Gesamtvollstreckungsschuldnerin der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet worden sind. Die in der Zeit vom 02.08.1996 bis zum 27.08.1996 an die im Tatbestand aufgeführten, unmittelbar oder mittelbar mit der Gesamtvollstreckungsschuldnerin verbundenen Gesellschaften geleisteten Zahlungen über insgesamt 440.001,61 DM sind nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft geleistet worden und haben zur Masseschmälerung geführt.

§ 64 Abs. 2 GmbHG begründet einen Ersatzanspruch eigener Art der GmbH gegen den Geschäftsführer, der keinen Schaden der Gesellschaft voraussetzt, sondern die Gläubigergemeinschaft vor Schmälerungen der Konkursmasse schützt, die durch Zahlungen nach Konkursreife bewirkt werden. Dies gilt nur nicht für solche Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Insoweit wird das Verschulden des Geschäftsführers vermutet. Der Kläger braucht also nur darzulegen, daß die nach Konkursreife gezahlten Beträge in der Konkursmasse fehlen. Es ist dann Sache des Geschäftsführers - also des Beklagten - zu seiner Entlastung nachzuweisen, daß ihn an der dadurch bewirkten Schmälerung der zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehenden Masse kein Verschulden trifft. Der Sache nach handelt es sich um eine Haftung gegenüber der Gläubigergesamtheit; denn der Ersatzanspruch soll nicht einen Schaden der GmbH, sondern einen solchen der Gläubiger ausgleichen, den diese durch Leistungen in der Zeit zwischen Konkursreife und Konkursantrag erlitten haben. Die Besonderheit des Anspruchs liegt darin, daß der Schaden der Gläubiger durch Zahlung in das Gesellschaftsvermögen auszugleichen und der Anspruch durch den Konkursverwalter geltend zu machen ist (vgl. Lutter-Hommelhoff GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 30).

Wie inzwischen unstreitig ist, war der Beklagte seit dem 28.06.1996 Alleingeschäftsführer der Gesamtvollstreckungsschuldnerin. Er wurde nach seinem eigenen Vorbringen durch Gesellschafterbeschluß vom 28.06.1996 zum Alleingeschäftsführer bestellt, nachdem am Tage zuvor der bisherige Alleingeschäftsführer G. durch Gesellschafterbeschluß vom 27.06.1996 abberufen worden war. Unerheblich ist, daß weder die Abberufung noch die Neubestellung des Geschäftsführers in das Handelsregister eingetragen worden ist. Die Eintragung in das Handelsregister hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BGH NJW-RR 94, 2027; Baumbach/Hueck 16. Aufl. § 37 GmbHG Rdnr. 15). Unabhängig davon war der Beklagte jedenfalls bis zur Stellung des Konkursantrages und auch bis zur Bestellung des Sequesters alleiniger faktischer Geschäftsführer der Gesamtvollstreckungsschuldnerin. Er übte nach Abberufung des Geschäftsführers G. faktisch die alleinige Geschäftsführung aus, wie sich insbesondere daraus ergibt, daß er sich in dem Insolvenzantrag selbst als den alleinigen Geschäftsführer bezeichnet hat. Auch der faktische Geschäftsführer haftet nach § 64 Abs. 2 GmbHG.

Sämtliche streitgegenständlichen Zahlungen sind nach Eintritt der Insolvenzreife bewirkt worden, waren nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar und haben auch zur Masseschmälerung geführt.

Ob die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig im Rechtssinne war, als die streitgegenständlichen Zahlungen geleistet wurden, ist zweifelhaft, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn jedenfalls war die Gesellschaft bereits zum 31.07.1996, also unmittelbar bevor die streitbefangenen Zahlungen erfolgten, überschuldet im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG. Eine Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Dies ist nach der jedenfalls bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung geltenden herrschenden Meinung dann anzunehmen, wenn sich bei einer Gegenüberstellung des Aktivvermögens und der Verbindlichkeiten ergibt, daß die Schulden das Vermögen der Gesellschaft übersteigen (rechnerische Überschuldung) und eine zusätzlich anzustellende Fortbestehensprognose zu dem Schluß kommt, daß die Gesellschaft in absehbarer Zeit zahlungsunfähig wird (vgl. BGH NJW 1995, 457 bis 459).

Beide Voraussetzungen waren am 31.07.1996 erfüllt, wie sich aus der vom Kläger mit Schriftsatz vom 03.12.1999 in zweiter Instanz überreichten Überschuldungs-Bilanz zum 31.07.1996 ergibt. Diese hat der Steuerberater Sauer unter Liquidationsgesichtspunkten erstellt, indem er von einer negativen Fortführungsprognose ausgegangen ist. Dieser Ausgangspunkt ist gerechtfertigt, weil der Beklagte bzw. die ihn vertretenden Anwälte zur Begründung des Insolvenzantrages vom 07.08.1996 ausgeführt haben, daß die Produktion und der Vertrieb von Plastikerzeugnissen eingestellt werden müsse, weil das genutzte Betriebsgrundstück und die darauf befindlichen Produktionsanlagen an die BvS zurückgegeben werden müßten, nachdem diese mit Schreiben vom 12.07.1996 die Genehmigung der notariell beurkundeten Kaufverträge betreffend den Erwerb des Betriebsgrundstückes verweigert und diese Weigerung in der Besprechung vom 31.07.1996 nochmals bekräftigt hatte. Nach dem weiteren Inhalt des Antragsschreibens mußte deshalb die Produktionsgesellschaft Z. GmbH ihren Gewerbebetrieb aufgeben und wurde dadurch auch die Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit der Vertriebsgesellschaft, also der Gesamtvollstreckungsschuldnerin, erzwungen (Anlage K 4 = 46 bis 49 GA). Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers stellte die Produktionsgesellschaft Z. GmbH ihre Produktion auch bereits am 08.08.1996 ein. Diese wurde dann bereits am 15.08.1996 von der Firma K. aufgenommen, die auch den Vertrieb ihrer Erzeugnisse übernahm. Mehrheitsgesellschafter dieser GmbH war ebenfalls der Beklagte. Unter diesen Umständen liegt auf der Hand, daß der Beklagte weder die Produktionsgesellschaft noch die Vertriebsgesellschaft - also die Gesamtvollstreckungsschuldnerin - verlagern und weiterführen wollte, nachdem die Genehmigung des Kaufvertrages über den Erwerb des Betriebsgrundstücks von der BvS endgültig verweigert worden war. Deshalb ist nicht zu beanstanden, daß die Überschuldungs-Bilanz von Liquidationswerten ausgeht.

Dies beanstandet der Beklagte auch nicht. Er ist jedoch der Auffassung, daß die Bilanz die Überschuldung in Höhe von 877.771,32 DM zum 31.07.1996 unrichtig ermittelt hat, weil auch Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber verbundenen Unternehmen in Höhe von 1.041.010,66 DM passiviert worden seien, obwohl es sich insoweit um eigenkapitalersetzende Darlehen gehandelt habe. Der Senat vertritt jedoch in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß bei der Erstellung einer Überschuldungs-Bilanz für eine GmbH auch eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen grundsätzlich zu passivieren sind.

Aufgrund des vom Beklagten nicht bestrittenen Zahlenwerks werden in der Überschuldungs-Bilanz per 31.07.1996 Aktiva in Höhe von 545.473,08 DM ausgewiesen, denen Passiva in Höhe von 1.423.244,44 DM gegenüberstanden, so daß sich eine Überschuldung der Gesamtvollstreckungsschuldnerin in Höhe von 877.771,32 DM ergab. Dabei sind bereinigte Verbindlichkeiten der Vollstreckungsschuldnerin gegen verbundene Unternehmen in Höhe von 1.041.010,66 DM berücksichtigt worden, obwohl es sich insoweit möglicherweise um kapitalersetzende Darlehen gehandelt hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, folgt daraus zwar, daß diese Verbindlichkeiten im Konkurs wie Eigenkapital zu behandeln sind und deshalb Rückzahlungsansprüche gemäß § 32 Abs. 1 GmbHG im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden können. Gleichwohl sind - anders als das Stammkapital - eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen bei der Erstellung einer Überschuldungs-Bilanz nach herrschender Meinung, der der Senat folgt, zu passivieren. Denn die Feststellung, ob ein Darlehen oder eine andere Gesellschafterleistung kapitalersetzend ist, kann und darf im Hinblick auf den maßgeblich zu beachtenden Gläubigerschutz nicht dem Geschäftsführer einer GmbH überlassen werden (vgl. Senat Urteil vom 19.01.1995 6 U 272/93 OLG Düsseldorf in GmbH-Rundschau 1996 619 f.; ferner Urteil des Senats vom 17.12.1998 = 6 U 187/97 OLG Düsseldorf).

In den zitierten Entscheidungen hat sich der Senat ferner der herrschenden Auffassung angeschlossen und hält daran auch weiterhin fest, daß eine Passivierungspflicht bei kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen erst dann entfällt, wenn die Gesellschaft und die Gesellschafter bezüglich der Gesellschafterforderung einen sogenannten Rangrücktritt mit der Wirkung vereinbart haben, daß die Forderung nur aus Jahresüberschüssen, aus Liquiditätsüberschüssen oder aus sonstigem Aktivvermögen der Gesellschaft beglichen werden soll (vgl. BGH WM 1987, 1697, 1698). Daß die mit der Vollstreckungsschuldnerin verbundenen Unternehmen mit dieser einen derartigen Rangrücktritt vereinbart haben, ist nicht ersichtlich und wird von dem Beklagten auch nicht behauptet.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte ferner darauf, im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens seien alle Forderungen gegen verbundene Unternehmen in Höhe von 1.041.010,66 DM auch deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie als eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen nach § 32 a GmbHG im Gesamtvollsteckungsverfahren nicht geltend gemacht werden könnten, so daß auf sie auch keine Quote entfalle, und ferner diese bisher auch nicht angemeldeten Forderungen wegen Ablaufs der Anmeldefrist nach § 14 Abs. 1 Gesamtvollstreckungsordnung vom Verwalter auch nicht mehr anerkannt und nicht mehr in das Vermögensverzeichnis aufgenommen werden dürften. Mit dieser Argumentation verkennt der Beklagte, daß § 64 Abs. 2 GmbHG die gleichmäßige Befriedigung aller anspruchsberechtigten Konkursgläubiger sicherstellen soll und es deshalb nur darauf ankommt, ob die nach Konkursreife geleisteten Zahlungen in der Masse fehlen und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes unvereinbar waren. Ob die Gläubiger, die durch die nach Konkursreife erfolgten Zahlungen begünstigt worden sind, im Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahren Ansprüche geltend machen können, ist zunächst unerheblich. Erst wenn sich nach Beendigung des Konkursverfahrens herausstellt, daß die Beträge, die der in Anspruch genommene Geschäftsführer gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG zur Konkursmasse erstattet hat, nicht oder nur teilweise zur Befriedigung der anspruchsberechtigten Konkursgläubiger benötigt worden waren, ist der Verwalter insoweit zur Rückerstattung an den in Anspruch genommenen Geschäftsführer verpflichtet. Der Argumentation des Beklagten, im Gesamtvollstreckungsverfahren seien somit von den Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 1.423.244,44 DM nach Abzug der Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen von 1.041.010,66 DM nur die verbleibenden 382.233,76 DM zu berücksichtigen, vermag der Senat deshalb nicht zu folgen. Entsprechendes gilt für die daran anknüpfenden weiteren Rechenoperationen des Beklagten. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand läßt sich somit auch nicht feststellen, daß auf die Gläubiger, die durch die Zahlungen nach Konkursreife begünstigt worden sind, eine Konkursquote von 46,33 % oder in Höhe eines anderen Prozentsatzes entfallen wäre. Ob und gegebenenfalls welche Konkursquote auf die begünstigten Gläubiger entfallen wäre, läßt sich erst nach Beendigung des Konkursverfahrens feststellen.

Ohne Erfolg wendet der Beklagte auf Seite 2 der Berufungsbegründung ein, den von der Gesamtvollstreckungsschuldnerin im Jahre 1996 an ihre Schwestergesellschaft, die Y.- GmbH, veräußerten Warenbestand habe sie zuvor von dieser erworben, jedoch noch nicht bezahlt gehabt, weil sie ihn nicht habe verkaufen können. Die Gesamtvollstreckungsschuldnerin sei somit von einer Verbindlichkeit befreit worden, so daß ihr Forderungsbestand nicht einseitig wertberichtigt werden dürfe (110 GA). Auch wenn dieses - vom Kläger bestrittene - Vorbringen als richtig unterstellt wird, stand der Gesamtvollstreckungsschuldnerin gegen ihre Schwestergesellschaft im Ergebnis keine Forderung aus Warenverkauf zu, da dieser die Gegenforderung aus dem ursprünglichen Ankauf gegenüberstand. Auch in diesem Fall ist die Forderung aus Warenverkauf an ihre Schwestergesellschaft mit null zu bewerten und konnte die Überschuldung nicht positiv beeinflussen.

Zu Unrecht meint der Beklagte, ihn treffe kein Verschuldensvorwurf, weil er selbst keine Kontovollmacht gehabt, jedoch seinen Mitarbeiter Schuster angewiesen habe, die mit Kontovollmacht ausgestatteten Mitarbeiter der Gesamtvollstreckungsschuldnerin anzuweisen, keine Verfügungen über das Konto mehr vorzunehmen. Als Alleingeschäftsführer der Gesamtvollstreckungsschuldnerin hatte er die Rechtsmacht, die Banken unmittelbar anzuweisen, mit Rücksicht auf den gestellten Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens keine Verfügungen über die Konten der Gesamtvollstreckungsschuldnerin mehr zuzulassen. Er war verpflichtet, Verfügungen nach Konkursreife zu verhindern, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen. Dieser Verpflichtung hat er nicht schon dadurch genügt, daß er einen Mitarbeiter angewiesen hat, dieser möge seinerseits die mit Kontovollmacht ausgestatteten Mitarbeiter entsprechend anweisen. Unzureichend war auch, daß der Beklagte nach seiner Darstellung die H.- Bank davon informiert hat, daß der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt worden war. Er mußte damit eine entsprechende Weisung verbinden, daß eine Verfügung über das Konto bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens nicht mehr erfolgen durfte.

Auch die vom Beklagten auf Seite 3 seiner Berufungsbegründung im einzelnen aufgeführten Zahlungen an die Muttergesellschaft der Gesamtvollstreckungsschuldnerin über insgesamt 253.795,60 DM waren nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar. Dies ist in der Regel nur bei solchen Zahlungen der Fall, die erforderlich sind, um den Geschäftsbetrieb - zur Vermeidung größeren Schadens - zeitweise aufrechterhalten zu können. Um derartige Zahlungen handelte es sich ersichtlich nicht. Soweit der Muttergesellschaft Kosten erstattet worden sind, ist nicht ersichtlich, daß dies erforderlich war, um den Geschäftsbetrieb noch für eine Übergangszeit aufrechtzuerhalten, damit weiterer Schaden vermieden werden konnte. Hierzu trägt der insoweit darlegungspflichtige Beklagte nichts vor.

Er kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, die Abbuchungen vom 05., 07. und 08.08.1996 beruhten auf Schecks, die er - der Beklagte - nicht ausgestellt habe. Nach Eintritt der Insolvenzreife mußte der Beklagte in geeigneter Weise dafür Sorge tragen, daß auch seine Mitarbeiter keine weiteren Zahlungen mehr veranlassen konnten.

Schließlich kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger müsse sich unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens entgegenhalten lassen, daß er die Zahlungen an die B. OHG vom 14.08.1996 sowie an die K. GmbH vom 08. und 13.08.1996 nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 10 Abs. 2 Gesamtvollstreckungsordnung zurückgefordert habe. Nach der Rechtsprechung des BGH, welcher der Senat folgt, ist der aus § 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz in Anspruch genommene Geschäftsführer nicht berechtigt, die Erfüllung dieser Verpflichtung gegenüber der Masse mit der Begründung zu verweigern, der Konkursverwalter der Gesellschaft habe es unterlassen, fristgerecht aussichtsreiche Konkursanfechtungsrechte gegen die Zahlungsempfänger geltend zu machen (vgl. BGH NJW 1996, 850 f).

Die zuerkannten Zinsen sind als Prozeßzinsen gemäß § 291 BGB ab Rechtshängigkeit begründet.

Somit war der Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistungen beruhen auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Beklagten beträgt 440.001,61 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück