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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 31.07.2003
Aktenzeichen: I-6 U 7/03
Rechtsgebiete: BGB, WpHG


Vorschriften:

BGB § 398
WpHG §§ 31 ff.
WpHG § 31 Abs. 2
WpHG § 31 Abs. 2 Nr. 2
WpHG § 35 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. Dezember 2002 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts ... abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Zum Sachverhalt wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie macht geltend, bereits nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme habe sich die Klage als unbegründet erwiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Initiative zur Kreditaufnahme oder die zum Kauf der X-Aktien von ihr, der Beklagten, ausgegangen sei. Der Zedent habe weder von dem Zeugen O noch von dem Zeugen S wissen wollen, was man von diesem Geschäft gehalten habe oder gegebenenfalls welche Informationen ihr über die X AG vorgelegen hätten. Unter diesen Umständen habe sie keine Verpflichtung gehabt, den Zedenten über die evidenten Risiken des finanzierten Aktienkaufs, die sich später realisiert hätten, aufzuklären. Ein irgendwie gearteter sonstiger Informationsvorsprung habe auf ihrer Seite nicht bestanden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und im Wege der Anschlussberufung, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, weitere 135.097,67 EUR nebst 7 % Zinsen aus 29.724,21 EUR seit dem 25. Juli 1997 zu zahlen, wobei die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten die Klage insoweit zurücknimmt, als das angefochtene Urteil und die vorstehende Klageerweiterung mehr Zinsen umfassen als den kapitalisierten Zinsbetrag in Höhe von 105.373,46 EUR sowie die gesetzlichen Zinsen aus der nunmehr mit insgesamt 249.579,72 EUR verfolgten Hauptforderung ab Rechtshängigkeit.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht mit ihrer Anschlussberufung den von der Klageschrift noch nicht erfassten Teilbetrag des von ihr mit insgesamt 488.135,50 DM (= 249.579,72 EUR) errechneten Schadensbetrages in Höhe von 29.724,21 EUR (= 58.135,50 DM = 488.135,50 DM - 430.000,00 DM) sowie weitere Zinsen geltend. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stehe keineswegs fest, dass der Zedent von sich aus an die Beklagte herangetreten sei, um einen Kredit zu erhalten und hierfür die X-Aktien zu erwerben. Mit der Wertung, der Zedent selbst habe die Initiative ergriffen, werde der Versuch unternommen, aus dem sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darstellenden non-liquet einen bestimmten Sachverhalt zu suggerieren. Jedenfalls hätte die Beklagte den Zedenten vor der erkannten unseriösen Anlageentscheidung nachdrücklich warnen müssen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachstehenden Ausführungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg, die Anschlussberufung der Klägerin dagegen nicht. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche, die ihr jedenfalls unter Berücksichtigung der salvatorischen Klausel in der Abtretungsvereinbarung vom 2. Juli 2001 von ihrem Ehemann gemäß § 398 BGB abgetreten worden sind, aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Aufklärungs- oder Beratungspflichten gegenüber dem Zedenten verletzt hat.

1.

Zutreffend gelangt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass sich das Zustandekommen eines Beratungsvertrages zwischen dem Zedenten und der Beklagten nicht feststellen lässt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zedent auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen der Beklagten in Anspruch nehmen wollte. Denn es ist nicht auszuschließen, vielmehr spricht sogar einiges dafür, dass der Zedent die X-Aktien aufgrund eigener vorangegangener Entscheidung kaufen wollte und die Beklagte nur in Anspruch nahm, um den Kauf zu tätigen.

Damit kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der Kauf der X-Aktien auf eine irgendwie geartete Empfehlung oder sonstige Initiative der Beklagten zurückzuführen ist. Auch fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, der Zeuge O habe vor dem Gespräch mit dem Zedenten, das den Kauf der X-Aktien zum Gegenstand hatte, Kenntnis von entsprechenden Kaufabsichten des Zedenten gehabt.

Die Klägerin selbst spricht in diesem Zusammenhang von einem non-liquet. Dieses geht, da sie die Beweislast trägt, zu ihren Lasten.

2.

Weder bei der Gewährung des Kredits noch bei der Vermittlung des Kaufs der X-Aktien verletzte die Beklagte ihre allein noch verbleibende allgemeine Aufklärungspflicht. Diese richtet sich nach §§ 31 ff. WpHG, hier insbesondere § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG. Unter den gegebenen Umständen brauchte der Zedent über das allgemeine Kursrisiko nicht aufgeklärt zu werden. Im Kern hat sich aber nur dieses realisiert.

a)

Über die allgemeine Möglichkeit eines Kursrückganges von Aktien brauchte der Zedent schon deswegen nicht aufgeklärt zu werden, weil dieses Kursrisiko in der Regel als bekannt vorausgesetzt werden kann. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zedent bei seiner Zeugeneinvernahme bestätigt hat, Kenntnis vom allgemeinen Kursrisiko von Aktien gehabt zu haben. Etwas anderes anzunehmen wäre unter den gegebenen Umständen auch lebensfremd. Der Zedent war seit Jahrzehnten im handelskaufmännischen Bereich tätig und hatte bereits vor dem Kauf der X-Aktien Aktiengeschäfte getätigt.

Soweit nach Nr. 3.2.2. der Richtlinien zu § 35 Abs. 2 WpHG Risikohinweise zu Aktien insbesondere Informationen über den Ertrag (Dividende), das Kursrisiko, das Bonitätsrisiko, das Liquiditätsrisiko, das Konjunkturrisiko und das Währungsrisiko enthalten sollen, führt dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Für den Inhalt der Aufklärung entscheidend bleiben letztlich die Umstände des Einzelfalles, wie der Bundesgerichtshof nicht zuletzt in der "Bond-Entscheidung" (NJW 1993, 2333 = WM 1933, 1455, 1456) herausgestellt hat und jetzt aus § 31 Abs. 2 WpHG folgt. Die Richtlinien zu § 35 Abs. 2 WpHG binden die Gerichte nicht (vgl. Assmann/Schneider/ Koller, WpHG, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 124).

b)

Es ist weder dargelegt noch sonst wie ersichtlich, dass die Umstände zum Zeitpunkt der Aktienkäufe eine besondere Aufklärung erforderten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich das ureigene Spekulationsrisiko des Zedenten realisiert hat.

aa) Die hohe Stückzahl der gekauften Aktien begründete keine besondere Aufklärungspflicht. Denn das Kursrisiko veränderte sich mit der Zahl der gekauften Aktien nicht qualitativ. Die Zahl der Aktien bewirkte lediglich einen Summierungseffekt. Dieser lag ebenso wie eine unterbliebene Risikostreuung offen zu Tage.

bb) Auch die Fremdfinanzierung des Aktienkaufs forderte keine Aufklärung durch die Beklagte heraus (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, WM 1991, 982, 983 f.). Es war evident, dass wegen der mit der Fremdfinanzierung verbundenen laufenden Kosten die Aktienkurse, um in die Gewinnzone zu gelangen, umso mehr steigen mussten, je später die erhoffte Kurssteigerung einsetzte, umgekehrt der durch eine negative Kursentwicklung entstehende Verlust sich um die laufenden Finanzierungskosten ständig erhöhen würde.

cc) Dass sich nicht ein allgemeines und nicht aufklärungsbedürftiges Kursrisiko, sondern ein im Zeitpunkt des Aktienkaufs bestehendes spezielles und aufklärungsbedürftiges Risiko der X-Aktien realisiert hat, hat die Klägerin nicht einmal dargelegt und ist auch nicht sonst wie ersichtlich.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang lediglich pauschal behauptet, die X AG sei bereits im Zeitpunkt des Aktienkaufs "in arge wirtschaftliche Bedrängnis geraten". Diese pauschale Behauptung hat die Klägerin aber auch nicht ansatzweise durch konkrete Tatsachen ausgefüllt. Hierzu bestand umso mehr Anlass, als die Beklagte vorgetragen hat, am 21. Januar 1997 sei über gute Ergebnisse der X AG berichtet worden. Am 29. April 1997 habe die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, dass diese Gesellschaft mehrere Großaufträge aus Asien im Gesamtwert von 100 Mio. DM erhalten habe, die im Laufe des zweiten Halbjahres 1997 sowie Anfang 1998 an die entsprechenden Kunden hätten ausgeliefert werden sollen. Weiter habe es in der Mitteilung geheißen, dass K im Geschäftsjahr 1996 die mehrfach angekündigte Ergebniswende habe erreichen können und das Ergebnis insgesamt um mehr als 60 Mio. DM verbessert habe. Für das Geschäftsjahr 1997 plane K eine weitere Ergebnisverbesserung. Der Umsatz sei im Geschäftsjahr 1996 um 12,7 % gestiegen. Hierauf hat die Klägerin lediglich erwidert, die Presseveröffentlichungen aus der streitgegenständlichen Zeit seien dem Zedenten nicht bekannt gewesen.

Angesichts dieses Sach- und Streitstandes kann nicht einmal ausgeschlossen werden, sondern spricht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sogar einiges dafür, dass die X-Aktien nach dem Kauf durch den Zedenten im Sog der allgemeinen negativen Kursentwicklung an den internationalen Aktienmärkten an Wert verloren. So ist an dem von der Beklagten mit Schriftsatz vom 8. Juli 2002 vorgelegten grafischen Darstellung des Kursverlaufs der X-Aktie auffallend, dass sich der Kurs nach dem Kauf zunächst einmal im zeitlichen Zusammenhang mit der sogenannten Asienkrise steil nach unten entwickelte.

dd) Unter den aufgezeigten Umständen ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass die Beklagte Kenntnis von Umständen hätte haben müssen, geschweige denn gehabt hat, die einen Kursrückgang über die allgemein bestehende Möglichkeit hinaus als wahrscheinlich erscheinen ließen. Dass die Spekulation aus damaliger Sicht fehlschlagen musste und die Beklagte den Zedenten sehenden Auges in einen Verlust laufen ließ, kann daher keineswegs festgestellt werden.

3.

Die persönliche Beziehung zwischen dem Zedenten und dem Zeugen S hat auf die rechtliche Bewertung keinen Einfluss. Sie beschränkte sich auf den privaten Bereich.

Dass der Zeuge S auf den Kauf der X-Aktie als Vorstand der Beklagten Einfluss genommen hat, kann nicht festgestellt werden. In diesem Zusammenhang hat der Zedent selbst ausgesagt, er habe mit dem Zeugen S nie über Einzelheiten oder diesen oder jenen Wert, auch nicht über die X-Aktie, gesprochen. Er, der Zedent, habe den Eindruck gehabt, dass die Erörterung von Details von Anlageentscheidungen im privaten Kreise unschicklich sei.

Soweit der Zeuge S auf die Konditionen des dem Zedenten gewährten Kredits Einfluss genommen hat, hat dies auf die Aufklärungspflicht der Beklagten keine weiteren Auswirkungen. Hierin mag ein Vorteil liegen, den sich der Zedent aus der Beziehung zu dem Zeugen S versprochen hat. Dieser Vorteil begründet aus den bereits dargelegten Erwägungen jedoch keine Haftung der Beklagten für die sich im Nachhinein als fehlerhaft erwiesene Spekulation des Zedenten.

4.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, dem Zedenten im Sommer 1998 zum Verkauf der Aktien zu raten. Eine Grundlage hierfür könnte allenfalls ein über die Depotverwaltung hinausgehendes besonderes Vertragsverhältnis bieten. Der Abschluss eines zur laufenden Beratung verpflichtenden Vertrages kann jedoch nicht festgestellt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 354.953,18 EUR. Hiervon entfallen auf die Berufung der Beklagten 219.855,51 EUR und die Anschlussberufung der Klägerin 135.097,67 EUR. § 4 Abs. 1 ZPO steht dieser Streitwertbemessung nicht entgegen. Denn den Zinsschaden in Höhe von 105.373,46 EUR verfolgt die Klägerin nicht als - auch nicht als kapitalisierte - Nebenforderung, sondern als eigenständigen Posten ihres als Hauptforderung geltend gemachten Schadensersatzanspruchs.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 354.953,18 EUR.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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