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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: I-6 W 36/04
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG


Vorschriften:

GVG § 17 Abs. 2 Satz 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24. März 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe: I. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der A GmbH & Co. KG, die wiederum aus der B GmbH hervorgegangen ist. Die B GmbH war eine Tochtergesellschaft der C GmbH & Co. KG (im Folgenden: Muttergesellschaft), die aus der D GmbH hervorgegangen ist. Seit Herbst 1998 zählen die Mutter- und die Tochtergesellschaft zur US-amerikanischen Z-Gruppe. Der Beklagte war bei der Muttergesellschaft von 1974 bis 2002 als Vertriebsmitarbeiter angestellt. Die Muttergesellschaft übernahm den Vertrieb von Finanzprodukten ihrer Tochtergesellschaft und setzte dabei u.a. den Beklagten ein. In diesem Zusammenhang erhielt der Beklagte Handlungsvollmacht der Tochtergesellschaft. Dem Beklagten von der Muttergesellschaft ausgezahlte Tantieme galt auch für seine Tätigkeit bei der Tochtergesellschaft. Mit der Behauptung, der Beklagte habe sich im Rahmen seiner Tätigkeit für die Tochtergesellschaft pflichtwidrig verhalten, indem er - was unstreitig ist - einer Leasingnehmerin in mehreren Fällen den Erwerb des jeweiligen Leasingobjektes zum kalkulatorischen Restwert statt zum Verkehrswert versprochen habe, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht der Muttergesellschaft und aus eigenem Recht in Anspruch. Ein eigenes Recht leitet sie daraus ab, dass das Innenverhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem von dieser bevollmächtigten Beklagten als Auftragsverhältnis zu qualifizieren sei, zudem der Arbeitsvertrag zwischen der Muttergesellschaft und dem Beklagten Schutzwirkung zugunsten der Tochtergesellschaft entfaltet habe, darüber hinaus das Verhalten des Beklagten als unerlaubte Handlung gegenüber der Tochtergesellschaft zu bewerten sei. Mit Beschluss vom 24. März 2004 hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin an das Arbeitsgericht ... als das insoweit von der Klägerin ausgewählte Gericht verwiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass für die geltend gemachten Ansprüche aus eigenem Recht und nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG die ordentliche Gerichtsbarkeit insgesamt zur Entscheidung dieses Rechtsstreits berufen sei. II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin an das von ihr insoweit ausgewählte Arbeitsgericht ... verwiesen (§§ 17 a Abs. 2 Sätze 1 und 2 GVG; 2 Abs. 1 Nr. 3 a und d, 3, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 13 ZPO). Ziel des Arbeitsgerichtsgesetzes ist es, eigentliche Streitigkeiten des Arbeitslebens den Arbeitsgerichten wegen ihrer auf diesem Gebiet bestehenden besonderen Sachkunde auch prozessual zuzuweisen (vgl. BGHZ 16, 339, 340; BAG AP Nr. 116 zu § 242 BGB (Ruhegehalt), NZA 2002, 230, 231). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine den Arbeitsgerichten zugewiesene eigentliche Streitigkeit des Arbeitslebens. Denn die Klägerin verfolgt Ansprüche, die sie im Kern aus dem Arbeitsvertrag zwischen der Muttergesellschaft und dem Beklagten ableitet, sowie Ansprüche aus einer mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden vermeintlichen unerlaubten Handlung des Beklagten. Sämtliche Ansprüche stehen in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis und werden überwiegend durch dieses bestimmt. 1. Soweit die Klägerin aus abgetretenem Recht der Muttergesellschaft als Arbeitgeberin gegen den Beklagten als deren Arbeitnehmer wegen einer Verletzung des Arbeitsvertrages vorgeht, folgt die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unzweifelhaft aus §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 3 ArbGG. 2. Soweit die Klägerin eigene Ansprüche gegen den Beklagten mit der Begründung verfolgt, das Verhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem von dieser bevollmächtigten Beklagten sei als Auftragsverhältnis zu qualifizieren, zudem habe der Arbeitsvertrag zwischen der Muttergesellschaft und dem Beklagten zugunsten der Tochtergesellschaft drittschützende Wirkung entfaltet, steht die Streitigkeit ebenfalls in greifbarer Beziehung zum Arbeitsverhältnis zwischen der Muttergesellschaft und dem Beklagten und wird überwiegend durch dieses bestimmt. Der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte steht dabei nicht entgegen, dass die Klägerin insoweit nicht als Rechtsnachfolgerin der Muttergesellschaft vorgeht und auch nicht kraft Gesetzes an deren Stelle getreten ist. Denn entscheidend ist, dass die Klägerin - soweit der Beklagte in einer vermeintlich einen Schadensersatzanspruch begründenden Weise für die Tochtergesellschaft tätig geworden ist - auch hier ihre Stellung (über die Tochtergesellschaft) letztlich von der Muttergesellschaft ableitet und die Tochtergesellschaft in Teilbereichen die Funktion der Muttergesellschaft als Arbeitgeberin des Beklagten lediglich ausgeübt hat; soweit der Beklagte für die Tochtergesellschaft tätig wurde, war die Funktion seiner Arbeitgeberin zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft aufgespalten. a) Ersichtlich im Rahmen seines Arbeitsvertrages mit der Muttergesellschaft war der Beklagte für die Tochtergesellschaft tätig, wie bereits dadurch deutlich wird, dass seine Tätigkeit für die Tochtergesellschaft durch die ihm von der Muttergesellschaft gezahlte Vergütung mitabgegolten wurde. Mit der Tätigkeit für die Tochtergesellschaft waren Aufgaben und Pflichten dieser gegenüber verbunden, insbesondere hatte der Beklagte Weisungen der Tochtergesellschaft zu befolgen. Insoweit nahm die Tochtergesellschaft die Stellung der Muttergesellschaft als Arbeitgeberin ähnlich dem Entleiher in einem Leiharbeitsverhältnis ein. Das Weisungsrecht der Tochtergesellschaft war gerade Ausdruck der ihr insoweit von der Muttergesellschaft vermittelten Arbeitgeberstellung. Soweit die Klägerin das Verhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem Beklagten als bloßes Auftragsverhältnis qualifiziert, löst sie es zu sehr aus dem Zusammenhang, in dem es stand. Das Verhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem Beklagten war untrennbar mit dem Arbeitsverhältnis zwischen der Muttergesellschaft und dem Beklagten verwoben, letzteres lässt sich nicht wegdenken, ohne dass ersteres entfiele. b) Die Aufspaltung der Arbeitgeberstellung auf die Mutter- und die Tochtergesellschaft hat zur Folge, dass auch die Tochtergesellschaft als Arbeitgeberin im prozessualen Sinne anzusehen ist. Rechtsnachfolge im Sinne von § 3 ArbGG ist im weitesten Sinne zu verstehen (BAG AP Nr. 5 zu § 3 ArbGG). Ebenso wie bei einem gespaltenen Ausbildungsverhältnis (vgl. hierzu Thüringer OLG, OLG-NL 2002, 68 f.) und bei einem Leiharbeitsverhältnis (vgl. hierzu LAG Hamm, NZA-RR 2004, 106 f. m.w.N.) für Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beschäftigungsunternehmen und dem Auszubildenden/Arbeitnehmer die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet ist und ebenso wie bei einem Arbeitsvertrag zugunsten Dritter für Ansprüche des Drittbegünstigten gegen den Arbeitgeber (vgl. hierzu BGH a.a.O.; BAG a.a.O.; OLG Düsseldorf, MDR 1959, 1119; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 3 Rdnr. 6) die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet ist, ist sie es für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem Beklagten. Denn allen diesen Fällen ist gemein, dass sie in greifbarer Beziehung zum Arbeitsverhältnis stehen und überwiegend durch das Arbeitsverhältnis bestimmt werden. Ähnlich wie bei einem gespaltenen Ausbildungsverhältnis und einem Leiharbeitsverhältnis war hier die Arbeitgeberstellung aufgespalten. Ähnlich wie bei einem Drittbegünstigten eines zu seinen Gunsten geschlossenen Vertrages leiten sich die Ansprüche eines Dritten, die dieser aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu seinen Gunsten geltend macht, aus dem Vertrag der Vertragsschließenden ab. Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1987 (NJW 1987, 2510) vermag - abgesehen davon, dass diese Entscheidung keinerlei Ausführungen zum eingeschlagenen Rechtsweg enthält - an allem schon deswegen nichts zu ändern, weil der dort zur Entscheidung anstehende Sachverhalt mangels Aufspaltung der Arbeitgeberstellung und des damit verbundenen Weisungsrechts mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. 3. Ist nach dem zuvor zu 2. Gesagten auch das Beschäftigungsverhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem Beklagten prozessual als Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen, sind schließlich auch die Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und dem Beklagten stehen, den Arbeitsgerichten zugewiesen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG). Auch insoweit entspricht es dem Sinn und Zweck des Arbeitsgerichtsgesetzes, die Tochtergesellschaft prozessual als Arbeitgeberin anzusehen. Denn die vermeintliche unerlaubte Handlung des Beklagten ist derart mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft, dass dieses nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die unerlaubte Handlung entfiele. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Für die Bemessung des Beschwerdewertes ist maßgeblich das Interesse der Klägerin an dem von ihr eingeschlagenen Rechtsweg. Dieses Interesse ist im Hinblick auf den nach § 12 a Abs. 1 ArbGG im erstinstanzlichen Arbeitsgerichtsverfahren fehlenden Kostenerstattungsanspruch auf die geschätzten erstinstanzlichen Anwaltskosten der Klägerin zu bemessen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 17 a Rdnr. 20). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen diese auf einer Linie mit der zitierten obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung liegende Entscheidung sind nicht erfüllt.

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