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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.09.2005
Aktenzeichen: I-6 W 47/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 333
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Rechtsmittel wird, soweit das Landgericht ihm nicht abgeholfen hat, zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe:

Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Durch den - im Beschwerdeverfahren allein noch gegenständlichen - Teilabhilfebeschluss vom 3. August 2005 sind gegen die Beklagte auf der Grundlage des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in zutreffender Umsetzung der vorhandenen Kostengrundentscheidungen und rechnerisch richtig (noch) die Kosten für erstinstanzliche Reisekosten der Klägerin zu mündlichen Terminen sowie für eine tatsächliche und eine weitere fiktive Informationsreise der Klägerin zu ihren Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz als erstattungsfähig erachtet und festgesetzt worden. Dies gibt zu Beanstandungen keinen Anlass.

1.

Reisekosten einer Partei zur Teilnahme an mündlichen Verhandlungen vor dem Prozessgericht sind in aller Regel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und damit erstattungsfähig; erst eine missbräuchliche Ausnutzung von Parteirechten führt zu einem Ausschluss der Erstattungsfähigkeit. Dies entspricht der inzwischen weitaus überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, S. 342; OLG Hamm MDR 1992, S. 196 f.; OLG Koblenz MDR 1995, S. 424; OLG Brandenburg MDR 2000, S. 1216 f.; OLG Stuttgart JurBüro 2002, S. 536; OLG München NJW-RR 2003, S. 1584; OLG Celle NJW 2003, S. 2994 f.). Das erkennende Gericht schließt sich dem an.

Jede Partei hat ein Recht darauf, an einem Verhandlungstermin teilzunehmen. Denn es handelt sich - auch soweit Anwaltszwang herrscht - immer um "ihren" Prozess, auf den sie Einfluss nehmen darf, und zu den wesentlichen Verfahrensteilen, wenn nicht gar als Mittelpunkt des Rechtsstreits, gehört die mündliche Verhandlung. Die Partei darf deshalb nicht durch Überbürdung des Kostenrisikos davon abgehalten werden, einen Verhandlungstermin einer Tatsacheninstanz wahrzunehmen und den Erörterungen zu folgen, ihren eigenen Rechtsanwalt zu unterstützen oder notfalls zu berichtigen sowie selbst dem Gericht ihren Standpunkt darzulegen. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten findet allerdings dort ihre Grenze, wo im Ausnahmefall die persönliche Anwesenheit einer anwaltlich vertretenen Partei im Verhandlungstermin als missbräuchliche Ausnutzung von Parteirechten und daher nicht als notwendig angesehen werden muss. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Die Notwendigkeit der Anwesenheit einer Partei in einem Verhandlungstermin ist aus der Sicht einer verständigen Partei vor dem jeweiligen Termin zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, ob das Prozessgericht aus seiner Sicht und zudem noch nachträglich (namentlich im Verfahren der Kostenfestsetzung) die Notwendigkeit der Parteireise bejaht. Denn jede Partei darf im Prozess ihre aus verständiger Sicht berechtigten Interessen mit gehörigem Nahdruck verfolgen, um eine bestmögliche Wahrung ihrer Belange sicherzustellen.

Danach ist es im Streitfall ohne Belang, dass die Klägerin in den Terminen vor dem Landgericht anwaltlich vertreten gewesen ist, und ebenso ist es unerheblich, ob das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers der Klägerin zum Termin angeordnet worden war. Eine besondere Sachlage, die das berechtigte Interesse der Klägerin an der Wahrnehmung der Prozesstermine durch ihren Geschäftsführer entfallen lassen könnte, ist nicht erkennbar. Weder ging es um einen Bagatell-Rechtsstreit von nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung, noch handelte es sich um eine bloße Routineangelegenheit. Dass die durch die Terminswahrnehmungen verursachten Kosten zum Streitwert nicht außer Verhältnis standen, bedarf keiner näheren Darlegung. Auch war die Rechtsverfolgung für die Klägerin nicht bereits vor dem jeweiligen landgerichtlichen Termin erkennbar aussichtslos, wie es etwa bei einer vorangegangenen Versagung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Fall gewesen wäre. Vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2001 musste die Klägerin ohnehin nicht damit rechnen, dass das Gericht den im Termin sodann vertretenen Standpunkt zur Frage der Aktivlegitimation einnehmen werde. Vor dem Termin vom 3. Dezember 2002 war für die Klägerin nicht erkennbar, dass das Prozessgericht auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlichen Vorbringens nach wie vor davon ausgehe, die Klage sei insgesamt abweisungsreif. Des weiteren war vor den Verhandlungsterminen nicht absehbar - die nach dem Inhalt der Sitzungsniederschriften zur Sprache gekommenen tatsächlichen Umstände legen vielmehr das Gegenteil nahe -, dass die Klägerin weder im Hinblick auf eine Informationserteilung noch auf eine gütliche Einigung etwas zur Prozessförderung würde beitragen können, insbesondere weil es aller Wahrscheinlichkeit nach ausschließlich um die Erörterung von Rechtsfragen gehen würde. Schließlich ist es aufgrund der oben dargestellten, gebotenen Betrachtung ex ante nicht maßgeblich, dass der Termin im Jahre 2001 mit einem Versäumnisurteil - wegen Nichtverhandelns im Sinne des § 333 ZPO nach rechtlicher Erörterung, nicht etwa wegen Nichterscheinens der Klägerin - geendet hat; wie schon vom Landgericht zutreffend bemerkt, hätte die Erstattungsfähigkeit der der Klägerin insofern entstandenen Reisekosten nur ausgeschlossen werden können, wenn diese Kosten in der Kostengrundentscheidung gesondert behandelt worden wären.

2.

Im Falle der fehlenden Erstattungsfähigkeit von Korrespondenzanwaltsgebühren, von der der allein noch angegriffene Nichtabhilfebeschluss hinsichtlich des Berufungsverfahrens ausgeht, ist zu prüfen, ob diese Gebühren insoweit erstattungsfähig sind, als die Partei durch die Inanspruchnahme des Korrespondenzanwaltes eigene Reisekosten erspart hat. Grundsätzlich sind die Reisekosten der Partei zur einmaligen, ersten Information ihres nicht an ihrem Wohnort befindlichen Prozessbevollmächtigten zu ersetzen. Jedoch kann nicht schematisch entschieden werden, wieviele Reisen zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren; vielmehr kommt es auch insofern auf die Umstände des Einzelfalles, vor allem auf den Verlauf des Rechtsstreits an. Danach ist, sofern nicht ausnahmsweise - was hier fernliegt - eine schriftliche oder fernmündliche Information der Prozessbevollmächtigten genügte, als Minimum eine Reise für jede Tatsacheninstanz als notwendig anzusehen (OLG Bamberg JurBüro 1993, S. 98; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, S. 128).

Nach diesen Grundsätzen sind die vom Landgericht für die zweite Instanz als erstattungsfähig angesehenen Reisekosten dem Umfang nach nicht zu beanstanden. Die Reise des Geschäftsführers der Klägerin zu seinen Prozessbevollmächtigten beim Oberlandesgericht vom 29. und 30. April 2003 fand tatsächlich statt; gegen den hierfür angesetzten Betrag hat die Beklagte ausdrücklich keine Einwände erhoben. Bei dieser Besprechung konnte die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten beim Oberlandesgericht die für die zweite Instanz erforderlichen ergänzenden Informationen erteilen. Angesichts der Komplexität und Außergewöhnlichkeit des Sachverhaltes für die deutsche Rechtsordnung (die, wie im Senatstermin hervorgehoben, nicht zuletzt bestimmend für den Vergleichsvorschlag des Senats waren) ist es angemessen, der Klägerin darüber hinaus - in Ermangelung der Liquidationsfähigkeit von Korrespondenzanwaltsgebühren - fiktiv die Möglichkeit zuzubilligen, sich durch ihren Geschäftsführer persönlich mit ihren Prozessbevollmächtigten beim Oberlandesgericht über den durch den Senat am 20. November 2003 mit einer Erklärungsfrist bis zum 22. Dezember 2003 vorgesehenen Vergleich zu besprechen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, KV Nr. 1811.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.953,55 € (2.154,98 € abzüglich 201,43 € gemäß Rechtsmittelschrift der Beklagten am Ende).

Ende der Entscheidung

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