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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.07.2008
Aktenzeichen: I-7 U 22/06 (1)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2310
BGB § 2310 S. 1
BGB § 2310 S. 2
BGB § 2350 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23. Dezember 2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass dem Kläger ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % aus eigenem Recht und ein weiterer Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % aus abgetretenem Recht des G G z S-W am Nachlass des am 29.12. 2002 verstorbenen S G S-W zusteht.

Von den Kosten des Rechtsstreits - einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens - hat der Kläger 1/4 und hat der Beklagte 3/4 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

1. Die Parteien sind Neffe (Kläger) und Onkel zweiten Grades (Beklagter). Sie streiten um die Höhe des dem Kläger nach seinem Vater zustehenden Pflichtteils. Es steht außer Streit, dass dem Kläger als Sohn des Erblassers gegen den Beklagten als testamentarischem Alleinerben ein Pflichtteilsanspruch zusteht; gestritten wird nur noch um die Feststellung, dass sich dieser Anspruch auf 1/2 - und nicht nur 1/4 - des Erbes beläuft.

Der Kläger ist der jüngere von zwei Brüdern; er war seit spätestens 1981 vom Erblasser, dem Vater des Klägers und Cousin des Beklagten, als Alleinerbe eingesetzt worden. Am 1. Dezember 1987 schlossen der Erblasser und der ältere Bruder des Klägers, G G z S-W, einen "Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag", wegen dessen Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 7 ff GA) verwiesen wird. Im September 2000 schloss der Erblasser mit dem Beklagten, einem studierten Landwirt, einen weiteren Erbvertrag, in dem der Erblasser nunmehr u.a. den Beklagten als Alleinerben einsetzte. Ende Dezember 2002 verstarb der Erblasser. Im Jahr 2004 trat der ältere Bruder des Klägers seinen ggf. - trotz des Verzichtsvertrages von 1987 - noch existenten Pflichtteilsanspruch an den Kläger ab.

Das Landgericht hat der Feststellungsklage dahin, dass dem Kläger ein Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 50 % des Nachlasses seines Vaters S G z S-W zustehe, stattgegeben. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen diese Feststellungsverurteilung richtet sich die Berufung des Beklagten, der die Auffassung vertritt, dass dem Kläger lediglich ein Pflichtteilsanspruch aus eigenem Recht in Höhe von 25 % zustehe. Der Senat hat durch Urteil vom 29. September 2006 die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Auf die Revision des Klägers ist diese Entscheidung durch Urteil vom 17. Oktober 2007 des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an den Senat zurückverwiesen worden. Wegen des Gangs der Begründung des Bundesgerichtshofs wird auf die den Parteien bekannte Entscheidung verwiesen.

Nach Zurückweisung des Verfahrens an den Senat beantragt der Kläger - als Berufungsbeklagter - nunmehr hilfsweise, festzustellen, dass dem Kläger aus eigenem Recht ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % und aufgrund der Abtretung vom 28.7. 2004 durch seinen Bruder ein weiterer Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % am Nachlass des Vaters und Erblassers zusteht. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat weisungsgemäß Beweis erhoben durch Vernehmung des Notars H P und des G G z S-W als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 13. Juni 2008 (Bl. 480 ff GA) verwiesen.

2. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache letztlich keinen Erfolg, denn dem Kläger steht nicht nur ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % aus eigenem Recht, sondern auch ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % aus abgetretenem Recht seines ältern Bruders zu, zusammen also ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 50 %. Im Einzelnen:

2.1. Der Erfolg der Feststellungsklage hängt davon ab, wie der Erbverzichtsvertrag von 1987 auszulegen ist und ob danach der ältere Bruder G des Klägers gemäß § 2310 BGB bei der Berechnung der Pflichtteils des Klägers mitgezählt wird oder nicht.

Ist der Bruder G aufgrund seines Erbverzichts - in der dem Senat durch den Bundesgerichtshof aufgegebenen Auslegung - bei der Berechnung des Pflichtteils des Klägers nicht mitzuzählen, § 2310 S. 2 BGB, steht dem Kläger aus eigenem Recht ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 50 % zu und hat die Berufung des Beklagten schon deshalb keinen Erfolg. Die Beweislast insoweit, also dafür, dass der Erblasser und der verzichtende G G am 1.12. 1987 einen Vertrag des Inhalts geschlossen haben, dass der ältere Sohn für jede Lebenslage, also insbesondere unabhängig davon, wer auch immer sonst den Vater einmal beerben würde, auf sein Erbe verzichtet hat mit der Folge, dass der Bruder G bei der Ermittlung des Erbteils des Klägers nicht mitgezählt wird (§ 2310 S. 2 BGB), dem Kläger also 50 % zustünden, trägt der Kläger.

Bestünden bzw. erwiesen sich hinsichtlich des Erbverzichts von 1987 Wirksamkeitsbedenken, könnte nach den Hinweisen des Bundesgerichthofs neben dem sich als unwirksam erweisenden Erbverzicht des Bruders G möglicherweise doch ein Pflichtteilsverzicht vereinbart worden sein (§ 2346 Abs. 2 BGB) mit der Rechtsfolge, dass der Bruder des Klägers dann nicht bereits durch seinen Erbverzicht sein Erbe verloren hätte, sondern erst durch den Erbvertrag des Vaters und Erblassers mit dem Beklagten aus dem Jahre 2000 enterbt worden wäre, also durch letztwillige Verfügung, und damit § 2310 S. 1BGB griffe: bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils des Klägers maßgebenden Erbteils wäre dann der erst durch diese letztwillige Verfügung enterbte Bruder mitzuzählen und stünde dem Kläger aus eigenem Recht deshalb nur ein Pflichtteil über 25 % zu (und käme es ggf. auf die Abtretung des weiteren Pflichtteils über 25 % an). Die Beweislast für eine Vereinbarung solchen Inhalts mit der Folge, dass dem Kläger (nur) 25 % zustünden, weil der Bruder G nicht durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge nach dem Vater ausgeschlossen ist, also auch nicht wegen Erbverzichts bei der Berechnung des Pflichtteils des Klägers nicht mitgezählt wird, sondern weil der Bruder G erst aufgrund des Erbvertrages mit dem Beklagten von 2000, also durch letztwillige Verfügung, von der Erbfolge ausgeschlossen wurde und deshalb bei der Ermittlung des Erbteils des Klägers mitgezählt wird (§ 2310 S. 1 BGB), trägt der Beklagte.

Nur dann, wenn sich weder das Eine noch das andere positiv feststellen ließe, wäre nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs in dieser Sache der Erbverzichtsvertrag vom 1. Dezember 1987 erneut eigenständig gemäß § 2350 Abs. 2 BGB durch den Senat auszulegen.

2.2.1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass der Erbverzichtsvertrag von 1987 unwirksam war und deshalb, wie vorstehend an zweiter Stelle dargelegt, § 2310 S. 1 BGB zu Gunsten des Beklagten griffe. Die Vernehmung des dazu aufgrund der Anweisungen des Bundesgerichtshofs durch den Senat vernommenen Zeugen Notar P war gänzlich unergiebig, denn der Zeuge war trotz entsprechender Hinweise in der Ladung nicht vorbereitet, war nicht im erforderlichen Umfang von der Schweigepflicht befreit (§ 18 Abs. 2 BNotO) und konnte zum Beweisthema so letztlich nichts sagen.

2.2.2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich zur Überzeugung des Senats aber ebenfalls nicht feststellen, dass der Bruder des Klägers durch den Erbverzichtsvertrag von 1987 so umfassend - und insbesondere ohne Rücksicht auf die Person des späteren Erben - auf sein Erbe verzichtet hätte, dass deshalb, wie vorstehend an erster Stelle dargelegt, § 2310 S. 2 BGB zu Gunsten des Klägers griffe. Die Vernehmung des dazu aufgrund der Anweisungen des Bundesgerichtshofs durch den Senat als Zeugen vernommenen G G z S-W hat im Gegenteil sehr deutlich ergeben, dass dessen Verzicht im Jahre 1987 zu Gunsten des jüngeren Bruders, also des Klägers, erfolgte, weil der Erblasser "den Weg komplett frei haben" wollte und sollte, "damit ich [der verzichtende ältere Bruder] mich nicht später mit meinem Bruder streite über das Erbe" bzw. "damit es später keinen Stress mit meinem Bruder wegen des Erbes gäbe", und weil durch einen Verzicht zugunsten des jüngeren Bruders (Klägers) eine spätere Betriebsspaltung [des forstwirtschaftlichen Betriebs, aus dem der Nachlass im Wesentlichen bestand,] vermieden werden sollte. Der ältere Bruder G G z S-W hat gut nachvollziehbar geschildert, dass es ihm, als er den ihm vom beurkundenden Notar, seinem Patenonkel, als zu unterschreibendes "Paket" vorgelegten Erbverzichtsvertrag unterzeichnete, zwar wesentlich darum ging, vor dem Hintergrund seinerzeit ziemlich angespannter Familienverhältnisse seine Ruhe zu haben, dass ihm das aber doch auch nicht besonders schwer fiel, eben weil es für ihn selbstverständlich war, dass der Kläger (sein Bruder) und niemand anders der Alleinerbe sein würde. "Wenn sich etwas anderes abgezeichnet hätte, hätte [er] mit Sicherheit nicht unterschrieben", zumal aus seiner Sicht zu einer Person wie dem Beklagten (also zu einem Onkel zweiten Grades) "im Grunde ja keine Verwandtschaft mehr" bestehe.

Das bedeutet rechtlich, dass der Erbverzicht des G G z S-W - ebenso wie nach der gesetzlichen Vermutung des § 2350 Abs. 2 BGB, wenn auch nicht aufgrund dieser Vermutung, - hier aufschiebend bedingt war durch die spätere Alleinerbschaft des (allein verbliebenen Abkömmlings und) Bruders, also des Klägers. Diese Bedingung ist aber nicht eingetreten, weil aufgrund des Erbvertrags von 2000 Alleinerbe der Beklagte wurde. Damit ist der bedingte Erbverzicht des G G z S-W mangels Eintritt der Bedingung unwirksam mit der - bereits dargestellten - Rechtsfolge, dass § 2310 S. 1 (und nicht S. 2) BGB greift, der Bruder G wegen der Unwirksamkeit seines Verzichts bei der Ermittlung des Erbteils des Klägers also mitgezählt wird und dem Kläger selbst aus eigenem Recht also lediglich ein Pflichtteilsanspruch über 25 % (und nicht 50 %) des Erbes zusteht.

2.2.3. Dennoch hat die Berufung des Beklagten im Ergebnis keinen Erfolg, denn unstreitig hat G G z S-W im Jahr 2004 seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25 % an den Kläger abgetreten. Da, wie dargelegt, der bedingte Erbverzicht des Bruders G mangels Bedingungseintritt unwirksam war, hat auch der Bruder und Sohn G sein Erbe allein und erst durch die letztwillige Verfügung des Erbvertrages des Vaters mit dem Beklagten von 2002 verloren und deshalb seinen Pflichtteilsanspruch als gesetzlicher Erbe (und 1987 nicht wirksam verzichtet Habender) behalten. Anhaltspunkte dafür, dass der Erbverzicht unwirksam, der Pflichtteilsverzicht aber dennoch wirksam gewesen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Bruder des Klägers war daher rechtlich nicht gehindert, seinen verbliebenen Pflichtteilsanspruch an den Kläger abzutreten. Damit kann der Kläger gegen den Beklagten als den testamentarischen Alleinerben seines Vaters diesen weiteren Pflichtteilsanpruch in Höhe von 25 % zwar nicht aus eigenem, wohl aber aus abgetretenem Recht geltend machen. Im Ergebnis steht dem Kläger also, wie vom Landgericht ausgesprochen, ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 50 % zu, wenn auch nur gestützt auf die Kombination von eigenem und abgetretenem Recht, also sozusagen in der Fassung des - in der Berufungsinstanz erstmals gestellten - Hilfsantrages. Dieser Umstand rechtfertigt es auch, dem Kläger trotz seines wirtschaftlichen Obsiegens einen Teil der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 2, § 708 Zf. 10, § 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Beklagten beträgt 440 000 € (das sind 80 % von 50 % von 1,1 Mio. €).

Es besteht kein Anlass, die Revision - erneut - zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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