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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: I-8 U 119/06
Rechtsgebiete: VVG, BPflV, BGB, GOÄ, VGG, MB/KK, RBerG, 5. AVO zum RBerG


Vorschriften:

VVG § 67
VVG § 68 a
BPflV § 22
BPflV § 22 Abs. 1 Satz 1
BPflV § 22 Abs. 1 Satz 2
BPflV § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1
BPflV § 22 Abs. 3
BPflV § 22 Abs. 3 Satz 1
BGB § 139
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 267
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 2
BGB § 612 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
BGB § 814
GOÄ § 6 a
VGG § 67 Abs. 1 Satz 1
MB/KK § 1 Abs. 1 Satz 2 a
RBerG § 1
RBerG § 1 Abs. 1
5. AVO zum RBerG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.07.2006 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 41.663,39 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.05.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Beklagte ist Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Ev. Krankenhauses M. Er war in der Zeit von Herbst 2002 bis Frühjahr 2003 durchgängig erkrankt. In diesem Zeitraum wurden die Patienten R. E., H. F., B. S.-A., R. H., E. R., M. P., M. F., I. S., E. G., H. G., W. G., I. K. und H. G. in der vorgenannten Klinik behandelt. Alle hatten eine Wahlleistungsvereinbarung (wie Anl. K 1) unterschrieben, die u.a. als zusätzliche wahlärztliche Leistung die "privatärztliche Behandlung" durch den "leitenden Arzt der Fachabteilung (Chefarzt) ... oder unter Aufsicht des leitenden Arztes" durch einen nachgeordneten Arzt der Abteilung vorsah. Zumindest in elf Fällen unterschrieben die Patienten ferner eine "Zusatzvereinbarung bei vorhersehbarer Verhinderung" (wie Anl. K 2), in der sie sich im Hinblick auf die Abwesenheit des Beklagten damit einverstanden erklärten, dass der Eingriff durch den Oberarzt Dr. K. (bzw. bei der Patientin F. durch den Oberarzt Dr. F.) als Vertreter des Beklagten durchgeführt wird. Die erbrachten wahlärztlichen Leistungen wurden den Patienten anschließend vom Beklagten persönlich in Rechnung gestellt. Die Rechnungen wurden teils unmittelbar von der Klägerin, einem privaten Krankenversicherer, teils von den Patienten bezahlt, denen die Klägerin die gezahlten Beträge im Rahmen des jeweiligen Versicherungsverhältnisses erstattet hat. Wegen der einzelnen Beträge wird auf die Aufstellung in der Anlage K 71 verwiesen. Die Klägerin hat sich von den Patienten etwaige Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten abtreten lassen.

Die Klägerin hat mit der Behauptung, die Patienten seien ihre Versicherungsnehmer bzw. mitversicherte Personen, die Rückzahlung von insgesamt € 41.663,39 privatärztlicher Honorare aus den vorgenannten Behandlungen begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Wahlleistungsvereinbarungen seien aus verschiedenen Gründen unwirksam, insbesondere verstoße es gegen die guten Sitten, den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung anzubieten, obwohl von vorneherein festgestanden habe, dass der Beklagte die Patienten nicht selbst habe operieren können. Da der Beklagte auf unabsehbare Zeit erkrankt gewesen sei, habe für die Patienten auch keine echte Wahlmöglichkeit bestanden, den jeweils vorgesehenen Eingriff zu verschieben. Im Umfang der erbrachten Zahlungen bestehe daher ein Rückforderungsanspruch der Versicherungsnehmer, der gemäß § 67 VVG oder jedenfalls aufgrund der erfolgten Abtretungen auf sie - die Klägerin - übergegangen sei. Darüber hinaus bestünden in Höhe von € 8.198,89 auch gebührenrechtliche Einwendungen gegen die Liquidationen, worauf der Anspruch hilfsweise gestützt werde.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat gemeint, das Vorgehen der Klägerin verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz. Die abgeschlossenen Vereinbarungen seien wirksam; die Patienten seien jeweils rechtzeitig darüber aufgeklärt worden, dass er, der Beklagte, nicht anwesend sei, dass es ihnen freistehe, sich ohne zusätzliche Kosten von dem jeweiligen diensthabenden Arzt operieren zu lassen, dass ggfls. die Möglichkeit bestehe, den Eingriff aufzuschieben oder dass sie sich - unter Beibehaltung des Liquidationsrechts des Beklagten - von dessen Vertreter, einem erfahrenen Oberarzt, operieren lassen könnten, womit alle einverstanden gewesen seien. Eine Rückforderung sei jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin bzw. die Patienten in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hätten; auch verstoße die Rückforderung gegen Treu und Glauben. Etwaige Ansprüche seien im Übrigen verwirkt bzw. verjährt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Klägerin Rückzahlungsansprüche nicht zustünden. Die Abtretungen seien wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig, da die Rückforderung etwaiger unberechtigter Honorare allein Sache der Patienten sei. Da die Klägerin ihre Leistungspflicht zu prüfen habe, bestehe kein anzuerkennendes eigenes Interesse an einer Rückforderung, wenn sie Leistungen gegen Abtretung etwaiger Rückforderungsansprüche erbringe, zu denen sie nicht verpflichtet sei. Ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 67 VVG scheide nach Sinn und Zweck der Vorschrift aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die meint, das Landgericht habe einen Übergang der Rückforderungsansprüche zu Unrecht verneint.

D beantrag,

unter Abänderung des am 06.07.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg den Beklagten zu verurteilen, an sie € 41.663,39 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.05.2005 zu zahlen.

D beantrag,

die Berufung zurückzuweisen.

verteidig das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen Ansprüche auf Rückzahlung des an den Beklagten gezahlten Honorars für wahlärztliche Leistungen aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB) zu.

1.

Die streitgegenständlichen Honorare sind ohne Rechtsgrund gezahlt worden, weil die von den Patienten abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarungen unwirksam waren.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V. mit Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) (i.d.F. ab 01.01.2000) dürfen diagnostische und therapeutische Leistungen als Wahlleistungen gesondert berechnet werden, wenn dies vor der Erbringung schriftlich vereinbart worden ist. Fehlt es an einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung, so steht dem behandelnden liquidationsberechtigten Krankenhausarzt wegen § 139 BGB auch dann kein (besonderer) Vergütungsanspruch aus § 612 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Gebührenordnung für Ärzte zu, wenn zwischen ihm und dem Patienten mündlich ein Arztzusatzvertrag geschlossen worden sein sollte. Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht nicht. Die erbrachten ärztlichen Leistungen sind in einem solchen Falle nur als Leistung des Krankenhauses im Rahmen des - wirksamen - Krankenhausbehandlungsvertrags zwischen dem Träger des Krankenhauses und dem Patienten anzusehen (vgl. BGH, NJW 2002, 3772; NJW 1998, 1778).

a)

Zwar haben sämtliche Patienten, um die es hier geht, schriftliche Wahlleistungsvereinbarungen geschlossen. Bei der Patientin I. S. ist diese jedoch schon deshalb nicht geeignet, einen gesonderten Honoraranspruch des Beklagten zu begründen, weil die vorgelegte Wahlleistungsvereinbarung (Anl. K 38) vom 26.11.2002, also aus einer Zeit nach der streitgegenständlichen Behandlung (01. - 11.10.02), stammt. Dies ist grundsätzlich nicht ausreichend, da die schriftliche Wahlleistungsvereinbarung vor der Leistungserbringung erfolgen muss. Eine rückwirkende Heilung ist angesichts der Schutz- und Warnfunktion der BPflV nicht möglich (vgl. Büsken, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., nach § 1 MB/KK Rdnr. 115).

b)

Auch bezüglich der übrigen Patienten sind die Wahlleistungsvereinbarungen nicht wirksam, wobei es keiner grundsätzlichen Stellungnahme des Senats zu den aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der systematischen Stellvertretung des Beklagten wegen dessen vorhersehbarer Abwesenheit im Behandlungszeitraum bedarf. Denn die Unwirksamkeit ergibt sich bereits daraus, dass die in § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV vorgesehene Unterrichtung der Patienten über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt nicht in dem erforderlichen Umfang erfolgt ist. Der BGH hat in den Jahren 2003 und 2004 in mehreren Entscheidungen (NJW-RR 2005, 419 ff.; NJW-RR 2004, 1428 f.; NJW 2004, 684 f. u. 686 f.) Grundsätze für die Wirksamkeit von Wahlleistungsvereinbarungen im Hinblick auf die Unterrichtungspflicht aufgestellt. Danach ist erforderlich, aber auch ausreichend:

- eine kurze Charakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen, wobei zum Ausdruck kommt, dass hierdurch ohne Rücksicht auf Art und Schwere der Erkrankung die persönliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass der Patient auch ohne Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält;

- eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte bzw. für Zahnärzte (Leistungsbeschreibung anhand der Nummern des Gebührenverzeichnisses; Bedeutung von Punktzahl und Punktwert; Möglichkeit, den Gebührensatz je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand zu erhöhen); Hinweis auf Gebührenminderung nach § 6 a der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ);

- ein Hinweis darauf, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann;

- ein Hinweis darauf, dass sich bei der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen die Vereinbarung zwingend auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV);

- und ein Hinweis darauf, dass die Gebührenordnung für Ärzte/Gebührenordnung für Zahnärzte auf Wunsch eingesehen werden kann.

aa)

In den vorliegenden - gleichlautenden - Wahlleistungsvereinbarungen fehlt jedenfalls die Charakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen. Der Hinweis unter Ziff. II. 1 genügt entgegen der Auffassung des Beklagten insoweit nicht, weil der Hinweis auf die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte auch ohne Wahlleistungsvereinbarung fehlt. Der Beklagte hat zwar bei allen Patienten vorgetragen, diese seien jeweils bei Abschluss der "Zusatzvereinbarung bei vorhersehbarer Verhinderung" darüber aufgeklärt worden, dass sie das Recht hätten, sich auch ohne gesondertes Entgelt von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen und dass ihnen dabei alle medizinisch erforderlichen Leistungen zu Teil würden. Damit wäre dem Unterrichtungserfordernis in Bezug auf den Inhalt der Leistung zwar grundsätzlich Rechnung getragen, sofern die Zusatzvereinbarung gleichzeitig mit der Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen wurde. Denn die notwendige Unterrichtung muss nicht schriftlich erfolgen (BGH, NJW-RR 2004, 1427, 1428).

Bei dem überwiegenden Teil der Patienten ist diese mündliche Unterrichtung aber schon nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten nicht rechtzeitig erfolgt, weil das Gespräch über die Zusatzvereinbarung erst nach Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung stattgefunden hat. Dies betrifft nicht nur die Patienten E. R. (Anl. K 24, K 25) und H. G. (Anl. K 65, K 66), bei denen die Zusatzvereinbarung erst jeweils einen Tag nach der stationären Aufnahme geschlossen wurde. Auch bei den Patienten, bei denen die Zusatzvereinbarung am Tag der stationären Aufnahme abgeschlossen worden ist (dies betrifft die Patientinnen R. E., B. S.-A., M. P., M. F., E. G., H. G. und I. K.), lag eine rechtzeitige Unterrichtung nicht vor, denn der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Stellvertretervereinbarung "später auf der Station ... isoliert von der zuvor abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung getroffen wurde". Die notwendige Unterrichtung hat aber nach § 22 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbs. BPflV zwingend vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung zu erfolgen. Die ohne entsprechende Unterrichtung unterzeichnete Wahlleistungsvereinbarung ist unwirksam. Allein aufgrund der Zusatzvereinbarung wird ein Liquidationsrecht des Beklagten schon deshalb nicht begründet, weil diese die (unwirksame) Wahlleistungsvereinbarung nur ergänzen soll und daher gemäß § 139 BGB unwirksam ist (vgl. Senat, NJW-RR 1998, 1348, 1350).

Eine rechtzeitige Unterrichtung kommt danach überhaupt nur bei den Patienten H. F., R. H., I. S. und W. G., bei denen die - von der Klägerin bestrittene - Aufklärung zeitlich vor Beginn des stationären Aufenthaltes erfolgt sein soll, in Betracht. Auf die hierzu angebotenen Beweise kommt es jedoch nicht an, weil die Vereinbarungen auch noch aus einem weiteren Grund unwirksam sind.

bb)

In den abgeschlossenen Vereinbarungen fehlt der vorgeschriebene Hinweis, dass sich die Wahlleistungsvereinbarung auf alle liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt (§ 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV). Vielmehr heißt es unter Ziff. II. 3, bei der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen könne die Wahl nicht auf einzelne liquidationsberechtigte Ärzte beschränkt werden; eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstrecke sich vielmehr auf alle an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses (...). Dabei handelt es sich nicht etwa um eine sinngemäße Wiedergabe des § 22 Abs. 3 BPflV, vielmehr wird nach dem Wortlaut der Klausel das Recht des Patienten beschränkt, ärztlichen Leistungen nur von bestimmten (liquidationsberechtigten) Ärzten seines Vertrauens erbringen zu lassen. Das ist etwas ganz anderes, als der Sinn der in § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV enthaltenen Wahlarztkette. Eine solche Klausel ist deshalb wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB (§ 9 AGBG a.F.) unwirksam (vgl. OLG Stuttgart, NJOZ 2002, 2781, 2784). Zwar führt die Unwirksamkeit einer einzelnen Klausel nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung. Durch den dem § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV widersprechenden Inhalt der Klausel fehlt es aber zugleich an der erforderlichen Unterrichtung, was zur Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarungen führt.

2.

Aufgrund der Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung stand dem Beklagten gegen die Patienten ein Anspruch auf gesonderte Vergütung wahlärztlicher Leistungen nicht zu, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, weil dieses dem Schutzzweck des § 22 BPflV zuwider liefe (vgl. BGH, NJW 1998, 1778, 1780; NJW 1996, 781, 782). Vielmehr ist dem Patienten, der das vermeintlich geschuldete Honorar gezahlt hat (u.U. auch der Klägerin, soweit sie selbst geleistet hat), ist ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB - Leistungskondiktion - eröffnet. Die Höhe der geleisteten Zahlungen ist unstreitig und entspricht der Klageforderung.

a)

Die Klägerin ist entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung zur Geltendmachung der Bereicherungsansprüche aktiv legitimiert. Dass es sich bei den fraglichen Patienten um Versicherungsnehmer der Klägerin bzw. mitversicherte Personen handelt, kann der Beklagte nicht mit Nichtwissen bestreiten. In sämtlichen Wahlleistungsvereinbarungen ist nämlich angegeben, dass die Patienten eine Versicherung bei der DKV unterhalten.

aa)

Zutreffend ist allerdings, dass ein gesetzlicher Übergang der Ansprüche ihrer Versicherungsnehmer nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VGG, wie ihn die Klägerin in erster Linie geltend macht, nicht stattgefunden hat. Zwar hat der BGH in einer grundsätzlichen Entscheidung aus dem Jahre 1969 (VersR 1969, 1036) entschieden, dass die Krankenversicherung, soweit sie ihrem Versicherungsnehmer die entstandenen "Krankheitskosten" (Aufwendungen für Heilbehandlung) ganz oder teilweise ersetzt, eine Schadenversicherung ist und damit auch den Vorschriften der §§ 67, 68 a VVG unterliegt. Ein Ersatzanspruch, der dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zusteht, geht daher kraft Gesetzes auf den Versicherer über; einer Abtretung bedarf es nicht (BGH, a.a.O.). Voraussetzung ist jedoch, dass der Versicherungsnehmer einen "Anspruch auf Ersatz des Schadens" gegen einen Dritten hat. Dabei kommt es für den Anspruchsübergang aus § 67 VVG nicht auf den Schuldgrund, sondern auf die wirtschaftliche Funktion des Ersatzanspruchs an. Soweit der Anspruch den durch den Versicherungsfall eingetretenen wirtschaftlichen Schaden ersetzen soll, greift die in § 67 VVG angeordnete Vorteilsausgleichung Platz (BGH, VersR 1972, 194).

Entscheidend ist danach, ob hier die notwendige Kongruenz besteht, ob also der Anspruch sich auf den Schaden bezieht, der in den Schutzbereich der Krankenversicherung fällt (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67 Rdnr. 8). Das ist zu verneinen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 a MB/KK gewährt der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung Ersatz der Aufwendungen für Heilbehandlung (und sonst vereinbarte Leistungen). Aufwendungen entstehen durch das Eingehen von Verbindlichkeiten. Der Rechtsnatur der Krankheitskostenversicherung als Passivenversicherung entspricht es, dass der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet ist, die in Bezug auf das versicherte Risiko zur Ablösung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen eines Dritten erwachsen sind. Die Leistungspflicht des Versicherers setzt also immer einen entsprechenden wirksamen und fälligen Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes (oder des Krankenhauses) voraus. Daran fehlt es, wenn die Liquidation gegen gebührenrechtliche Bestimmungen wie die GOÄ, GOZ oder BPflV verstößt (vgl. Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., § 1 MB/KK Rdnr. 3, 4; BGH, NJW 1998, 1790). Da in den Schutzbereich der Krankenversicherung nur berechtigte Ansprüche Dritter aus Heilbehandlung fallen, scheidet eine Kongruenz mit dem Rückforderungsanspruch wegen unberechtigter Ansprüche aus. Letztlich betrifft § 67 VVG immer den Fall, dass der Dritte dieselbe Leistung hätte erbringen können (und müssen); Ansprüche auf Rückzahlung der Leistung durch den Leistungsempfänger sind vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erfasst.

bb)

Bereicherungsansprüche der Patienten sind aber aufgrund der mit ihren Versicherungsnehmern vereinbarten Abtretungen auf die Klägerin übergegangen.

(1)

Die Abtretungen etwaiger Rückforderungsansprüche durch die Versicherungsnehmer sind entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig (§ 134 BGB).

Gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG bedarf die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, einer Erlaubnis. Der Forderungserwerb durch eine Abtretung, die - wie hier - ersichtlich nicht zu Einziehungszwecken bzw. erfüllungshalber erfolgt, fällt nicht unmittelbar unter diese Vorschrift, denn eine Rechtsbesorgung erfordert eine Tätigkeit, die auf die unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten gerichtet ist. Die Wirksamkeit der Abtretungen vorausgesetzt, gehen etwaige Ansprüche endgültig auf die Klägerin über, die ausschließlich auf eigene Rechnung tätig wird. Vorliegend erfolgen die Abtretungen erklärtermaßen, um die Versicherungsnehmer aus der Auseinandersetzung um die Berechtigung der Honorarforderungen (im Verhältnis Arzt - Versicherungsnehmer) und damit indirekt zugleich um die Leistungspflicht der Klägerin (gegenüber ihren Versicherungsnehmern) herauszuhalten. Die Versicherungsnehmer sind wirtschaftlich an dem Ausgang der Auseinandersetzung nicht beteiligt, sie brauchen insbesondere nicht zu befürchten, von der Klägerin auf Rückzahlung in Anspruch genommen zu werden, falls diese die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten nicht realisieren kann.

Die Abtretungen verstoßen auch nicht (mehr) gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO zum RBerG. Danach bedarf zwar auch der geschäftsmäßige Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Die Bestimmung will vermeiden, dass durch den Erwerb von Forderungen das Tatbestandsmerkmal der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen beseitigt und damit der Zweck des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG vereitelt wird (BGH, NJW 1972, 1715, 1716). Dementsprechend hat der BGH die Abtretung von Schadensersatzansprüchen eines Geschädigten gegen einen Vermieter von Mietwagen wegen unterlassener Aufklärung über den erhöhten Unfallersatztarif an den Versicherer, der den vollen Betrag der Mietwagenkosten erstattet hatte, als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz angesehen, weil der Versicherer insoweit nicht zur Leistung verpflichtet war und deshalb die Abtretung der fremden Rechtsbesorgung diente (BGH, NJW 1996, 1965).

Nach einer Entscheidung des BVerwG aus dem Jahre 2003 ist § 1 der 5. AVO zum RBerG jedoch ungültig und nicht mehr anzuwenden, weil die Ermächtigungsgrundlage des Art. 5 RBerG für die Erweiterung der Erlaubnispflicht nach dem RBerG seit langem erloschen ist und es angesichts der verstrichenen Zeit, in der der Gesetzgeber eine Entscheidung unterlassen hat, ob der Forderungserwerb zum Zwecke der Einziehung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung noch dem Regime des Rechtsberatungsgesetzes unterworfen sein soll, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr zu vereinbaren ist, erhebliche zusätzliche Grundrechtseinschränkungen auf der Grundlage dieser Verordnung vorzunehmen (BVerwG, NJW 2003, 2767, 2768). Diese inzidenter getroffene Entscheidung beansprucht zwar keine Allgemeingültigkeit; die grundsätzlichen Erwägungen in der Entscheidung des BVerwG (die der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 [NJW 2004, 2516, 2517] in einem Nebensatz bestätigt hat) sind aber bei der Frage der Wirksamkeit der Abtretungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass auch zweifelhaft ist, ob die Schutzzwecke des RBerG überhaupt berührt werden, wenn die Klägerin die Auseinandersetzung um die Berechtigung der Honorare zu ihrer eigenen Angelegenheit macht. In einem solchen Fall ist jedenfalls eine einschränkende Auslegung der Vorschriften angezeigt (vgl. BVerfG, NJW 2004, 2662).

(2)

Da in allen Fällen unstreitig Abtretungen erfolgt sind, kann offen bleiben, ob der Klägerin, soweit sie selbst gezahlt hat, ungeachtet dessen, dass mit der Zahlung (auch) eine (vermeintliche) Verbindlichkeit des Patienten gegenüber dem behandelnden Arzt aus § 612 Abs. 2 BGB getilgt werden sollte, ein Kondiktionsanspruch nicht aus fremdem, sondern aus eigenem Recht zusteht, sei es, weil für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von einer Drittzahlung des Krankenversicherers nach § 267 BGB auszugehen ist (wie die Rechtsprechung für den Fall der Zahlung des Haftpflichtversicherers an den Gläubiger des bei ihm versicherten Haftpflichtschuldners annimmt), sei es, weil unter dem Gesichtspunkt des "Doppelmangels in der Bereicherungskette" ausnahmsweise ein Durchgriff der Klägerin gegen den Beklagten zulässig ist (vgl. BGH, NJW 2002, 3772, 3773 m.w.N.).

(3)

Der Beklagte kann nicht mit Erfolg bestreiten, dass bei dem Patienten G. eine über den Betrag von € 2.402,03 hinausgehende Abtretung erfolgt ist. Im Hinblick darauf, dass der Patient unstreitig - und belegt durch die Kopie des Kontoauszuges (Anl. K 70) - den vollen Rechnungsbetrag überwiesen hat, liegt schon nahe, dass es sich bei dem in der Abtretungserklärung (Anl. K 69) genannten Betrag lediglich um einen Schreibfehler handelt. Jedenfalls hinaus betrifft die Abtretung "alle aus dieser Liquidation etwaig entstandenen Rückforderungsansprüche in Höhe der aus dem Versicherungsvertrag resultierenden tariflichen Leistungen". Dass die Klägerin dem Patienten den vollen Rechnungsbetrag erstattet hat, hat der Beklagte nicht bestritten.

b)

Die Rückforderung ist nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Das Bestreiten des Beklagten mit Nichtwissen, dass die Zahlungen in Unkenntnis der Rechtslage erfolgten, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis der Nichtschuld beim Leistungsempfänger liegt (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 814 Rdnr. 11). Dass den Patienten, soweit diese selbst gezahlt haben, die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung bekannt war, hat der Beklagte nicht dargelegt. Erforderlich ist in jedem Fall positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung; die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen der rechtlichen Verpflichtung ergibt, reicht nicht aus. Auch Kennen müssen genügt zum Ausschluss des Rückforderungsrechts nicht, selbst wenn - wofür hier aber auch nichts ersichtlich ist - die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht (Palandt/Sprau, a.a.O., Rdnr. 3). Auch hinsichtlich der Klägerin, auf deren Kenntnis es u.U. ankommt, soweit sie selbst gezahlt hat (offen gelassen in BGH, NJW 2002, 3772, 3773), hat der Beklagte keine konkreten Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ihre Kenntnis der Rechtslage ergibt. Selbst wenn dem zuständigen Sachbearbeiter der Klägerin im Rahmen der Prüfung der Einstandspflicht die Wahlleistungsvereinbarungen vorgelegen haben, ergibt sich daraus nicht, dass er hieraus bereits die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat (vgl. auch BGH, a.a.O.), zumal die Anforderungen an die erforderliche Unterrichtung des Patienten zeitlich erst nach den streitgegenständlichen Zahlungsvorgängen höchstrichterlich geklärt worden sind, während sie vorher durchaus umstritten waren (vgl. BGH, NJW 2004, 684). Aus den von der Klägerin vorgelegten Abtretungserklärungen, die sie sich vor der Zahlung von den Versicherungsnehmern hat unterzeichnen lassen, ergeben sich allenfalls Zweifel an der Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarungen. Bloße Zweifel an der Nichtschuld stehen aber in der Regel der positiven Kenntnis nicht gleich. Sie genügen allerdings zum Ausschluss der Rückforderung, wenn die Leistung in der erkennbaren Absicht erfolgt ist, sie auch für den Fall der Nichtschuld zu bewirken, wenn also in der Zahlung erkennbar die Übernahme des Risikos liegt. Auch hierfür hat der Beklagte jedoch keine Tatsachen vorgetragen.

c)

Umstände, die die Rückforderung der Klägerin als Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erscheinen ließen, hat der Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen. Die von ihm zitierte Entscheidung des LG Berlin überzeugt nicht. Hier wird entgegen § 814 BGB bereits an das Kennenmüssen die Rechtsfolge des Rückforderungsausschlusses geknüpft. Für die unmittelbar von den Patienten geleisteten Zahlungen trifft dieser Aspekt ohnehin nicht zu. Dass eine zusprechende Entscheidung für den Beklagten zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde, ist nicht zu erkennen. Ein schützenswertes Vertrauen des Beklagten darauf, er könne die empfangenen Zahlungen auch für den Fall behalten, dass im Nachhinein die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung entdeckt wird, ist nicht anzuerkennen (vgl. BGH, NJW 2002, 3772).

d)

Eine Verjährung des Rückforderungsanspruchs ist nicht eingetreten. Gemäß § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger die in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorausgesetzte Kenntnis hatte. Selbst Ansprüche aus dem Jahre 2002 waren daher bei Klageeinreichung am 28.12.2005 noch nicht verjährt. Da die Zustellung demnächst erfolgt ist, wurde die Verjährung noch vor Ablauf des Jahres 2005 gehemmt (§§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO).

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286 Abs. 1, Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § Abs. ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, ZPO.

Die streitentscheidenden Fragen zur Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarungen und einer Abtretung der Rückforderungsansprüche der Patienten an den Krankenversicherer sind bereits höchstrichterlich entschieden.

Die Beschwer liegt € 20.000.

Ende der Entscheidung

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