Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: I-8 U 184/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 278
BGB §§ 280 ff
BGB § 281
BGB § 284
BGB § 439
BGB § 439 Abs. 1
BGB § 439 Abs. 2
ZPO § 531
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. November 2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger erwarb in dem von der Beklagten in H. betriebenen Fliesenhandel "Fliesen M." Ende des Jahres 2002 Bodenfliesen für seine etwa 80 qm große Wohnung. Die Fliesen des Herstellers "B. W. GmbH" waren aufgrund eines Hinweis eines Mitarbeiters der Beklagten, dass bei verschiedenen Teillieferungen bzw. -abholungen Unterschiede im Aussehen auftreten könnten, als einheitliche Charge vom Kläger bestellt und in zwei Teillieferungen am 30.11.2002 und 07.12.2002 von ihm abgeholt und bezahlt worden. In der Folge verlegte der Kläger die Fliesen in seiner gesamten Wohnung. Danach rügte er gegenüber der "Fa. F. M." eine unterschiedliche Glasur und bemängelte, dass die Fliesen teils eine glänzende, teils eine matte Oberfläche aufwiesen. Ein Mitarbeiter der Beklagten nahm die verlegten Fliesen in Augenschein und äußerte gegenüber dem Kläger, dass sich die Herstellerfirma mit ihm in Verbindung setzen werde. Nachdem weitere Reaktionen seitens der Beklagten nicht erfolgten, leitete der Kläger gegen einen der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten, der ihm von einer Mitarbeiterin in den Geschäftsräumen des "F. M." als Inhaber benannt worden war, vor dem Amtsgericht Erkelenz unter dem Aktenzeichen 14 H 12/03 ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dessen Verlauf der Sachverständige F. ein Gutachten erstattete und die Kosten für die Erneuerung des Fliesenbodens (Ausbau der alten und Verlegung neuer Fliesen) auf 11.861,13 € ohne Mehrwertsteuer errechnete.

Der Kläger hat von der Beklagten Ersatz dieses Betrages begehrt sowie die Feststellung ihrer Ersatzpflicht hinsichtlich der mit dem Ausräumen der Wohnung verbundenen Kosten verlangt und vorgetragen, die Fliesen seien wegen einer unterschiedlichen Oberflächenstruktur mangelhaft. Die Abweichungen in der Glasur seien für ihn nicht erkennbar gewesen. Einer Nachfristsetzung habe es mangels einer Bereitschaft der Beklagten zur Nachlieferung nicht bedurft.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe, sobald sie erstmals vom Mangel erfahren habe, sofort ihre Bereitschaft zur Nachlieferung erklärt. Der Kläger müsse sich ein zum Ausschluss seiner Ansprüche führendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil er die Fliesen vor der Verlegung nicht auf Glasur- bzw. Farbabweichungen untersucht und die Platten beim Verlegen nicht - wie es der Herstellerhinweis auf der Packung verlange - aus verschiedenen Paketen gemischt habe.

Das Landgericht hat durch Inaugenscheinnahme der verlegten Fliesen, Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und mündliche Anhörung des Sachverständigen K. Beweis erhoben und die Beklagte unter Annahme einer Verweigerung der Nacherfüllung zur Zahlung von 3.125 € verurteilt (Kosten für die Beseitigung der verlegten sowie die Anschaffung neuer Fliesen). Im Übrigen hat der Einzelrichter die Klage abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, Ersatz der Kosten für die Neuverlegung könne der Kläger nicht verlangen. Ein Anspruch nach §§ 280, 281 BGB entfalle mangels eines Verschuldens der Beklagten; eine Ersatzpflicht wegen verweigerter Nacherfüllung scheide ebenfalls aus, weil die Nacherfüllung die Einbaukosten nicht umfasse.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren auf Zahlung der Verlegungskosten weiterverfolgt und die Auffassung vertritt, diese Aufwendungen gehörten zu den in § 439 Abs. 2 BGB aufgeführten Kosten der Nacherfüllung. Des weiteren behauptet der Kläger, die Beklagte habe die Ware vor dem Verkauf einer Kontrolle unterziehen müssen, weil sie bewusst Fliesen zweiter und dritter Wahl eingekauft habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den ausgeurteilten Betrag von 3.125 € hinaus weitere 3.544, 96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und trägt vor, bei den streitbefangenen Fliesen habe es sich um Ware erster Wahl gehandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist zulässig; sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1.

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren in erster Linie darum, ob die Kosten der Verlegung zu den Kosten der Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB n.F. gehören; dies hat das Landgericht zu Recht verneint:

In der Rechtsprechung ist die Frage, welche Aufwendungen § 439 Abs. 2 BGB erfasst, umstritten. Während das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Verfahren, in dem auf Nacherfüllung geklagt wurde, eine Anwendung dieser Vorschrift auf die Kosten der Neuverlegung bejaht hat (MDR 2005, 135), hat das Oberlandesgericht Köln den Aufwand für einen Wiedereinbau nicht als zur Nacherfüllung gehörende und damit verschuldensunabhängig vom Verkäufer zu tragende Kosten erachtet ( NJW-RR 2006, 677). Der Senat schließt sich dieser letztgenannten Auffassung an:

Im Rahmen der Nacherfüllung gemäß § 439 BGB kann der Käufer nur die Leistung verlangen, die Inhalt des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs ist, denn der Nacherfüllungsanspruch stellt einen modifizierten Erfüllungsanspruch dar, der sich bereits nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 BGB auf die Beseitigung des Mangels der Kaufsache oder Lieferung einer mangelfreien Ware beschränkt (vgl. Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2060, 2062 f.; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895 f.) Die in § 439 Abs. 2 BGB genannten Aufwendungen "zum Zwecke der Nacherfüllung" betreffen dem gemäß - nur - die Kosten, die erforderlich sind, um die ursprüngliche Leistungspflicht zu erfüllen, also dem Käufer eine mangelfreie Kaufsache zu verschaffen; soweit in der Vorschrift von Arbeitskosten die Rede ist, werden die Aufwendungen erfasst, die notwendig sind, um den Mangel des verkauften Gutes im Wege der Nachbesserung zu beseitigen.

Die Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe, dass der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung den Zustand herzustellen habe, in dem die Kaufsache sich befände, wenn sie mangelfrei gewesen wäre, und er deswegen auch die Einbaukosten zu tragen habe, trennt nicht zwischen dem Zustand der Kaufsache selbst, für deren Mangelfreiheit der Verkäufer einzustehen hat, und den sonstigen durch den Einbau einer mangelhaften Sache entstandenen Schäden. Bei den letztgenannten Schäden - im Streitfall die Verlegungskosten - ,die wegen des Einbaus der mangelhaften Fliesen "doppelt" anfallen, handelt es sich um solche, die nach altem Recht unter die typischen Mangelfolgeschäden subsumiert wurden. Diese Schäden werden aber von § 439 BGB n.F. nicht erfasst; nach der Begründung des Regierungsentwurfes des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind Mangelfolgeschäden, die nach altem Recht unter die positive Vertragsverletzung fielen, nach den §§ 280 ff BGB - und damit verschuldensabhängig - zu ersetzen (vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 224, 225).

Eine Einbeziehung aller Kosten für sämtliche Arbeiten, die zur Herstellung eines mangelfreien Zustandes nicht nur der Kaufsache selbst, sondern dazu erforderlich sind, diese Sache dem vom Käufer intendierten Zweck zuzuführen, in die - verschuldensunabhängige - Nacherfüllungspflicht würde überdies zu einer nicht gerechtfertigten Belastung des Verkäufers mit Prüfungspflichten der Ware führen. Um nicht erheblichen Kosten ausgesetzt zu sein, müsste der Händler, der an den Endverbraucher liefert, Untersuchungen der Ware vornehmen. Eine solche generelle Untersuchungspflicht trifft den Zwischenhändler, der an den Endverbraucher liefert, nach gefestigter Rechtsprechung nicht (vgl. BGH NJW 1981, 1269).

2.

Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 oder 284 BGB steht dem Kläger nicht zu, weil die Beklagte die Mangelhaftigkeit der Fliesen nicht zu vertreten hat:

Ein Verschulden der Herstellerin - B. W. GmbH - braucht sie sich nicht zurechnen zu lassen; der Hersteller ist im Verhältnis zum Käufer grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Sinne des § 278 BGB, weil sich die Pflichten des Verkäufers nicht auf die Herstellung der Sache erstrecken (Palandt- Heinrichs, 66. Aufl. § 278 Rdn. 13 m.w.N.).

Eine generelle Untersuchungspflicht der Ware durch den Verkäufer besteht - wie erörtert - nicht, weil der Verkäufer in der Regel bei neuen Sachen davon ausgehen darf, dass sie nicht mit Mängeln behaftet sind.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren in seinem letzten Schriftsatz geltend gemacht hat, die Beklagte habe mit Mängeln rechnen müssen, weil sie bewusst Ware zweiter und dritter Wahl eingekauft habe, kann sein Vorbringen nicht zugelassen werden, weil die Voraussetzungen des § 531 ZPO nicht vorliegen. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, weshalb dieser Vortrag nicht bereits in erster Instanz erfolgt ist.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 BGB; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer des Klägers liegt unter 20.000 €.

Die Revision war zuzulassen. Die Beantwortung der Frage, ob nach mangelhafter Lieferung zu den vom Verkäufer zu tragenden Aufwendungen gemäß § 439 Abs. 2 BGB auch die Kosten des Einbaus der mangelfreien Kaufsache gehören, hat grundsätzliche Bedeutung und ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden.

Ende der Entscheidung

Zurück