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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: I-8 U 76/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1 a.F.
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.05.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe: I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus einer orthopädischen Behandlung im Jahre 2000 in Anspruch. Er suchte den Beklagten am 18.04.2000 mit bereits mehrere Wochen bestehenden Beschwerden in der Schulter auf. Dieser verordnete nach einer klinischen und radiologischen Untersuchung Reizstromanwendungen sowie krankengymnastische Übungsbehandlungen. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe infolge unzureichender diagnostischer Maßnahmen verkannt, dass er, der Kläger, sich bei einer körperlichen Auseinandersetzung am 19.03.2000 eine Schultereckgelenkssprengung zugezogen habe. Die Verordnung von Krankengymnastik sei - zumal nach einer Zunahme der Schmerzen - kontraindiziert gewesen und habe zu Ablagerungen im Knochenbereich geführt. Er, der Kläger, leide deshalb nach wie vor unter einer erheblich eingeschränkten Belastungsmöglichkeit des rechten Schultergelenks. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, selbst wenn der Kläger am 19.03.2000 eine Schultereckgelenkssprengung erlitten habe, sei diese "alte" Verletzung bei der Erstvorstellung am 18.04. weder durch Immobilisation noch operativ zu behandeln gewesen, sondern wäre zunächst durch eine funktionelle Therapie mit physikalischen und krankengymnastischen Maßnahmen behandelt worden. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, weil sich ein Behandlungsfehler nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. nicht feststellen lasse. Hiergegen richtet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er geltend macht, der Sachverständige Dr. K. sei als Unfallchirurg nicht ausreichend qualifiziert, um die entscheidungserheblichen orthopädischen Fragestellungen zu beantworten. Auch sei die Fehlerfrage nicht zu beantworten, ohne ihn, den Kläger, zu untersuchen. Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass selbst unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. die Behandlung durch den Beklagten nicht dem ärztlichen Standard entsprochen habe. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 26.05.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Kleve

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Senats gestellt werde, den Betrag von EUR 20.000 jedoch nicht unterschreiten solle, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 10.03.2001,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm, dem Kläger, allen materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, der aus der Behandlung in der Zeit ab dem 18.04.2000 entstehe, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergingen oder übergegangen seien.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten wegen der streitgegenständlichen Behandlung im Jahre 2000 weder vertragliche Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, noch deliktische Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gemäß den §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB (a.F.) zu. Nach allgemeinen Grundsätzen hat ein Patient im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses darzulegen und zu beweisen, dass dem in Anspruch genommenen Arzt ein zumindest fahrlässiger Behandlungsfehler zur Last zu legen ist, der eine bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat. Diese tatsächlichen Voraussetzungen für eine Haftung hat das Landgericht nicht festgestellt. Hieran ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten: Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, eine beim Kläger vorliegende Schultereckgelenkssprengung nicht erkannt zu haben. Nach dem Gutachten des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen Dr. K. zeigen weder die vom Beklagten angefertigten Röntgenaufnahmen, noch die später angefertigten Röntgen- und MRT-Aufnahmen eine Verletzung, die als Schultereckgelenkssprengung gewertet werden darf. Vielmehr beweist die im Februar 2001 in der RWTH Aachen angefertigte Röntgenaufnahme unter Belastung, dass zu diesem Zeitpunkt keine Instabilität im Bereich des rechten Schultereckgelenkes als Ausdruck für eine nicht adäquat behandelte Kapselbandverletzung bestand. Auch das MRT vom 30.11.2000 zeigt keine Verletzung der Kapselbandstrukturen, wie sie bei einer Schultereckgelenkssprengung zu erwarten wäre. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Sachverständige Dr. K. als Unfallchirurg kompetent, die vorliegenden Röntgen- und MRT-Aufnahmen im Hinblick auf die behauptete Schultereckgelenkssprengung zu beurteilen, denn (unfallbedingte) Schulterverletzungen fallen - jedenfalls auch - in sein Fachgebiet. Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht drauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Aufnahmen durch den Sachverständigen mit derjenigen der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler übereinstimmt, die ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass eine Schultereckgelenkssprengung weder klinisch noch radiologisch festgestellt worden ist und die Veränderungen im MRT eher zur Diagnose einer isolierten seronegativen Arthritis des Acromio-Clavicular-(AC-)Gelenks passen. Insoweit liegt auch keine widersprüchliche Beurteilung der Röntgenaufnahmen durch den Sachverständigen einerseits und die Gutachterkommission andererseits vor. Der Sachverständige Dr. K. hat vielmehr aufgrund der - bestrittenen - Schilderung des Klägers lediglich unterstellt, dass dieser bei einer Auseinandersetzung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine Schulterverletzung erlitten hat, die allenfalls als TOSSY I-Verletzung (also lediglich eine Überdehnung der Gelenkkapsel des AC-Gelenks, ohne nennenswerte Verletzung der Bänder) zu beurteilen ist. Letztlich kann dahin stehen, ob eine TOSSY I-Verletzung vorlag oder nicht; insbesondere bedurfte es keiner Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen, weil hieraus keine Erkenntnisse für die zu beurteilende Frage eines etwaigen Behandlungsfehlers des Beklagten und auch nicht weiterer Aufschluss in Bezug auf die zum Zeitpunkt der Behandlung durch den Beklagten zu stellende Diagnose zu erwarten waren. Der Sachverständige Dr. K. hat nämlich ausgeführt, dass auch die TOSSY I-Verletzung ausschließlich konservativ behandelt wird, so dass die vom Beklagten verordnete Therapie einer physikalischen Behandlung mit krankengymnastischer Übungsbehandlung auch bei unterstellter TOSSY I-Verletzung nicht kontraindiziert war, sondern in gleicher Weise hätte verordnet werden können. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dies keine Frage, die allein ein Orthopäde beantworten kann. Vielmehr gehört die Kenntnis sowohl operativer als auch nicht-operativer Behandlung von Verletzungen zum Fachwissen eines Arztes mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, das Schultergelenk habe nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einer TOSSY I-Verletzung zunächst einige Tage ruhiggestellt werden müssen, denn das war annähernd vier Wochen nach dem behaupteten Schadensereignis obsolet. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Nachteile dem Kläger aus der unterbliebenen Ruhigstellung erwachsen sein sollen. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, sind Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenks - Ablagerungen im Knochenbereich - nicht therapieinduziert, sondern Folge der Verletzung und im Übrigen nicht behandlungsbedürftig. Dass der Beklagte keine Röntgenaufnahme unter Belastung angefertigt oder ein MRT veranlasst hat, ist unschädlich, weil jedenfalls die später durchgeführte Röntgenaufnahme unter Belastung und das MRT keinen Befund ergeben haben, der eine andere Behandlung gerechtfertigt hätte. Aus dem gleichen Grunde kann auch dahin stehen, ob der Kläger dem Beklagten von dem angeblichen Arbeitsunfall am 19.03.2000 berichtet hat, oder ob der Beklagte zumindest verpflichtet gewesen wäre, den Ursachen der geklagten Schulterbeschwerden durch weitere Befragung des Klägers nachzugehen. Dies hätte - wie Dr. K. ausgeführt hat - lediglich zu einer Erweiterung der Diagnostik geführt, aber angesichts der später erhobenen Befunde nicht zu einer Änderung des therapeutischen Konzepts. Schließlich kann dahin stehen, ob der Beklagte bei der zweiten Vorstellung des Klägers - unabhängig davon, ob diese am 30.05. oder am 03.07.2000 erfolgte - verpflichtet war, seine Diagnose zu überprüfen, denn nach dem vorstehend Gesagten hätte sich daraus keine Änderung des Behandlungskonzepts ergeben. Dafür, dass der Kläger dem Beklagten bei dieser Gelegenheit angegeben hat, die Beschwerden hätten sich durch die Krankengymnastik verschlimmert, ergibt sich aus den Behandlungsunterlagen des Beklagten kein Anhaltspunkt. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst. Die Beschwer des Klägers liegt über EUR 20.000.

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