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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.12.2005
Aktenzeichen: I-9 U 169/03
Rechtsgebiete: 16. BImSchV, BGB, ZPO, AEG, LuftVG, GewO


Vorschriften:

16. BImSchV § 1 Abs. 1
16. BImSchV § 2
BGB § 862 Abs. 1 Satz 2
BGB § 906
BGB § 906 Abs. 1
BGB § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB § 906 Abs. 2
BGB § 906 Abs. 2 Satz 1
BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1004
ZPO § 529
ZPO § 531 Nr. 2
ZPO § 533
ZPO § 543
AEG § 18
LuftVG § 71 Abs. 2
GewO § 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts vom 14.08.2003 wird hinsichtlich des in der Berufungsinstanz gestellten Hauptantrags zurückgewiesen.

2. Auf die weitergehende Berufung wird festgestellt, dass der Hilfsantrag zu 1) (SS v. 15.04.2004) , die Beklagte zur Zahlung der Kosten für den passiven Schallschutz in der Wohnung des ersten Obergeschosses ...straße ... zu verurteilen, dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

3. Die weitergehenden Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der zunächst vorgetragen hat, er sei Eigentümer bzw. Miteigentümer einer Eigentumswohnung in Objekt ...straße ... in O..., bewohnt in diesem Haus mit seiner Ehefrau die Wohnung im 1. OG. In ungefähr 30 bis 40 m Entfernung vom Balkon dieser Wohnung ist eine zweigleisige Stahleisenbahnbrücke mit einem Unterbau aus Steinquadern über die R...-/S... Strasse errichtet, die Teil der Strecke O...-D... ist. Das Brückenbauwerk steht im Eigentum der Beklagten. Die Beklagte hat an dieser Brücke zwischen Mai 1998 und September 1998 Arbeiten durchführen lassen. Dabei wurden sog. Windverbände sowie Knotenbleche ausgetauscht und einige Brückenbalken erneuert. Darüber hinaus wurde die bis dahin vorhandene Öffnung zwischen den beiden Schienenstränge mit einer Absturzsicherung geschlossen.

Nach Abschluss dieser Arbeiten war der Kläger der Auffassung, die vorbeifahrenden Züge würden einen wesentlich erhöhten und unerträglichen Lärm beim "Vorbeidonnern" über die Brücke verursachen, was er der Beklagten mit Schreiben vom 27.07.2000 mitteilte. Mit Schreiben vom 20.10.2000 antwortete die Beklagte, die angesprochene Steigerung des Lärmpegels würde nur auf seiner subjektiven Einschätzung beruhen, weil während der Bauarbeiten ein eingleisiger Betrieb eingerichtet und die Zugzahlen um ca. 25 % reduziert gewesen wären.

Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben, die zunächst darauf abzielte, den Zustand vor Durchführung der Bauarbeiten wieder herbei zuführen. Schließlich hat er aber beantragt, die Beklagte zu Maßnahmen zu verurteilen, durch die der Bahnbetrieb bei der Benutzung der Brücke die Immissionsschutzwerte nach der TA (Lärm) einhalten würden. Die Beklagte hat dem Begehren entgegengehalten, konstruktive und bauliche Änderungen des Stahlüberbaus der Brücke seien nicht durchgeführt sondern lediglich die Zugfrequenz und die Geschwindigkeit der Züge während der Bauzeit gesenkt worden. Die Bahnstrecke sei im übrigen 1850 errichtet worden. Nach ihren Brückenbüchern sei das ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Brückenbauwerk 1905 mit einem Stahlüberbau versehen worden. Die Geräuschimmissionen der Brücke würden das klägerische Grundstück nur unwesentlich belasten. Der Kläger habe schließlich gewusst, dass das Gebäude in der Nähe einer Bahnstrecke errichtet sei. Hinzu komme, dass eine ortsübliche Benutzung ihres Grundstückes vorgenommen werde und die Geräuschemmissionnen nicht durch Maßnahmen verhindert werden könnten, die ihr wirtschaftlich zumutbar seien. Würde sie auf allen Bahnstrecken vergleichbare Brückenbauwerke mit Schallschutzmaßnahmen versehen müssen, so würde dies bundesweit nach der insoweit wohl zutreffenden Kostenschätzung des Klägers von 300.000 DM pro Bauwerk zur Belastungen in Milliardenhöhe führen. Abgesehen davon müsste der Kläger die Geräuschimmissionen jedenfalls dulden, denn der Bahnverkehr diene dem Allgemeinwohl.

Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen B..., der darauf hinwies, dass nicht die vom Kläger favorisierte TA-Lärm, sondern die 16. BImSchV einschlägig sein dürfte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil es der Auffassung war, die Voraussetzungen von 16. BImSchV, § 1 Abs. 2 Nr. 2 seien nicht erfüllt. Infolge der Bauarbeiten an der Brücke sei keine Erhöhung der Lärmbelästigung eingetreten. Im Gegenteil seien nach den Feststellungen des Sachverständigen durch die Maßnahmen die Werte um 0 bis 4 dB (A) reduziert worden.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er vorträgt, das betroffene Grundstück liege in einem reinen Wohngebiet. Die Beklagte habe 1998 an der Untertunnelung lärmerhöhende Baumaßnahmen durchführen lassen. Die Lärmwerte überschritten die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV. Zu Unrecht habe das Landgericht nur auf § 1 Abs. 1 der 16. BImSchV abgestellt, weil keine wesentliche Veränderung vorliege. Das eingeholte Sachverständigengutachten sei lückenhaft und widersprüchlich, so seien etwa Werte für die Nacht nicht ermittelt und sich kreuzende Züge nicht in die Betrachtung mit einbezogen worden; ebenso bleibe unklar, wie der Sachverständige den Beurteilungspegel von 65 bis 70 dB (A) ermittelt habe. Das Landgericht habe den Sachverständigen wegen der Unklarheiten von Amts wegen anhören müssen. Aber auch nach diesem Gutachten ergebe sich zumindest, dass die Immissionsschutzgrenzwerte von 59 dB (A) nach § 2 der 16. BImSchV am Tag überschritten worden seien. Diese Lärmbelästigung könne nicht hingenommen werden. Bei Errichtung der Gebäude in den 1975 bzw. 1981 sei es hingegen nicht zu einer Lärmbelästigung gekommen. Es müsse bestritten werden, dass die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen die Beklagte in erheblichem Maße belasten würden. Da der Bahnhof sich nur in 1 km Entfernung befinde, müsste die Geschwindigkeit sowieso verringert werden, so dass die Geschwindigkeitsreduzierung an der Brücke zu keiner relevanten Verspätung führen würde. Zumindest müsse ihm aber eine Geldentschädigung für passiven Schallschutz zugebilligt werden. Neue Lärmschutzfenster würden Kosten in Höhe von 8.195,40 EUR verursachen; es handele sich dabei um Fenster für Wohn- Ess- Arbeits- und Schlafzimmer und Bad und Toilette. Die Eigentümergemeinschaft habe ihn ermächtigt, diese Geldentschädigung in eigenem Namen geltend zu machen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 14.08.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Maßnahmen zu treffen, so dass die durch den Bahnbetrieb bei der Benutzung der Brücke am R.../S... Straße in O...-A... verursache Lärmbelästigung Immissionsschutzwerte von 59 dB (A) am Tage und 49 dB (A) in der Nacht nicht übersteigt,

hilfsweise, nachdem er zunächst nur Feststellung einer Zahlungspflicht für passiven Schallschutz beantragt hat,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 14.08.2003 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.195,40 EUR zu zahlen,

sowie äußerst hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 14.08.2003 die Beklagte zu verurteilen, an die Wohnungseigentümergemeinschaft ...straße ..., 46049 O..., bestehend aus Herrn W... E..., Frau M... E..., Frau H... N..., Herrn E... N... jun. und Frau I... N..., 8.195,40 EUR zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers und erstmals mit Schriftsatz vom 02.08.2005, dass die Wohnung des Klägers in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet liege. Das erstinstanzliche Gutachten, dem der Kläger trotz Fristsetzung nicht entgegen getreten sei, sei nicht widersprüchlich und unvollständig. Die Kernaussage des Gutachters, dass nämlich durch die Umbaumaßnahmen keine erhebliche Erhöhung des Verkehrslärms eingetreten sei, sondern vielmehr eine Reduzierung stattfinde, sei zutreffend. Arbeiten an der Untertunnelung seien nicht vorgenommen worden. Im Übrigen habe der Kläger die Geräuschimmissionen zu dulden. Sie sei nicht in der Lage, eine Beeinträchtigungen unterstellt, diese durch Maßnahmen zu verhindern, die ihr wirtschaftlich zumutbar seien. Alle Züge, die die Strecke beführen, seien in einen integralen Taktfahrplan eingebunden. Bei einer Geschwindigkeitsreduzierung führe dies zu Verspätungen im gesamten Bahnnetz.

Die 16. BImschV könne auch nicht als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, aber auch des Bundesgerichtshofes. Maßgeblich seien deshalb die Zumutbarkeitswerte, die in Wohngebieten bei 60 bis 65 dB (A) nachts und 70 bis 75 dB (A) tagsüber lägen. Der Kläger habe sehenden Auges in den Lärm hineingebaut. Schließlich gewähre die 24.BImschV nur für ganz bestimmte Räume passiven Schallschutz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gegenseitigen Schriftstücke und die zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen. Ferner wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr.- Ing. B... und die Sitzungsniederschrift vom 24.10.2005 verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers hat in Folge der in zweiten Instanz vorgenommenen zulässigen Klageänderung hinsichtlich des Hilfsantrages zu 1) gestützt auf die Rechte der Eigentümergemeinschaft Erfolg. Allerdings bedarf es zur Klagehöhe noch weiterer Ermittlungen, so dass diesbezüglich derzeit nur ein Grundurteil ergehen kann. Hinsichtlich des Hauptantrags hat die Berufung indes keinen Erfolg, weshalb sie im Wege des Teilurteils insoweit bereits zurückzuweisen ist.

1. Dem Kläger steht der mit dem Hauptantrag geltend gemachte aktive Schallschutz gemäß den §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004, 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu.

Ein Besitzer einer Eigentumswohnung - und mehr ist der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht - kann einen Unterlassungsanspruch wegen Lärmbelästigung gegenüber dem Störer geltend machen, wobei § 906 BGB der Maßstab für die abzuwährende Lärmbelästigung ist, denn die Abwehrbefugnis des Besitzers reicht nicht weiter als diejenige des Eigentümers (vgl. BGH NJW 1995, 132; BGHZ 147, 45, 50). Trotz des Vorliegens einer nach dem in der Berufungsinstanz eingeholten Schallgutachtens des Sachverständigen Dr.- Ing. B... wesentlichen und damit grundsätzlich unzumutbaren Geräuscheinwirkung auf das Grundstück ...straße ... und insbesondere auf die vom Kläger bewohnte Wohnung im ersten Obergeschoss muß der Kläger diese Beeinträchtigung dulden, weil die Beklagte jedenfalls den Schutz des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB in Anspruch nehmen kann, worauf sie sich ausdrücklich berufen hat. Nach dieser Vorschrift sind wesentliche Beeinträchtigungen hinzunehmen, wenn die Geräusche durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt werden und nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die wirtschaftlich zumutbar sind.

Davon ist vorliegend zugunsten der Beklagten auszugehen. Das Grundstück der Beklagten, insbesondere auch der Bereich der Brücke über die S... Straße, deren Benutzung durch Züge dem Kläger besonders laut erscheint, wird ortsüblich benutzt. Einzelne überwiegende große Anlagen oder Betriebe können unter dem Gesichtspunkt der mit ihnen verbundenen Immissionen den Charakter eines Gebietes so prägen, dass sich die Beeinträchtigung als ortsüblich darstellt (vgl. etwa BGH NJW 1990, 2465, 2467; siehe auch BGHZ 59, 378, 381 f.), wobei bei Verkehrsanlagen gewisse Besonderheiten geltend, weil der durchlaufende Verkehr seiner Natur nach notwendig mehr oder weniger weit entfernte Gebiete zusammenfasst (vgl. BGHZ NJW 1971, 94, 95).

Die bei Benutzung dieses Grundstückes von Zügen ausgehende Lärmbeeinträchtigungen sind nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen einzuschränken. Insbesondere ist die Lärmbelästigung nicht durch Eingriff in den Betriebsablauf ohne weitere Kosten zu erreichen. Insofern ist auch die Auffassung des Klägers unzutreffend, eine Lärmreduzierung können bereits leicht durch Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit vorgenommen werden. Dabei wird übersehen, dass die Beklagte zunächst nur ein Infrastrukturunternehmen und nicht Betreiberin des eigentlichen Zugverkehrs ist. Zwar ist der mittelbare Handlungsstörer verpflichtet, den unmittelbaren Störer, der sein Eigentum nutzt, davon abzuhalten, in unerlaubter Weise von dort aus auf fremdes Eigentum einzuwirken (vgl. dazu BGH NJW 2000, 2901, 2902). Ein solches Tätigwerden kann der Beklagten aber nicht aufgegeben werden. Denn es handelt sich bei den Gesellschaften, die den Schienenverkehr durchführen, um sog. lebens- oder gemeingewichtige Betriebe, selbst wenn diese mittlerweile in privatrechtlicher Form betrieben werden. Der Schienenverkehr soll auf schadstoffarme und für die Allgemeinheit verfügbaren Art und Weise eine umfassende Mobilität schaffen und gerade innerstädtisch gut zu erreichen sein. Der Eingriff in den Betriebsablauf solcher Unternehmern, der nicht mit geringfügigen Mittel durchführbar ist, kann nicht eingefordert werden (vgl. dazu BGH NJW 2000, 2901, 2902; MüKo/ Säcker, § 906 BGB, Rdnr. 126; Staudinger-Roth, § 906 BGB Rdnr. 29; Anwaltskommentar/Ring § 906 BGB, Rdnr. 296; siehe auch Bayrisches VGH, Urteil vom 5. März 1996, Az: 20 B 29.1055, Juris - Umdruck Rdnr. 59).

Die vom Kläger angesprochene Möglichkeit der Reduzierung der Lärmbelastung durch Verminderung der Zugverbindungen bzw. Verminderung der Geschwindigkeit würde zu einer klaren Betriebseinschränkung der Betreiberfirmen führen. Bereits die vom Sachverständigen Dr. Ing. B... aufgelisteten Zugverbindungen auf der streitigen Strecke zeigen, dass ein ganz enges Zeitkorsett für eine viel befahrende Strecke besteht, das bei Geschwindigkeitsreduzierungen nicht mehr einzuhalten ist. Das wirkt sich wiederum auf das gesamte Fahrplannetz aus, was schon oft bei der Verspätung einzelner Zugverbindungen auch vom Laien beobachtet werden kann. Systematische Geschwindigkeitsreduzierungen würden daher Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich machen. Dies kann von einem gemeingewichtigen Betrieb nicht verlangt werden.

Auch andere aktive Lärmschutzmaßnahmen, etwa eine Lärmschutzwand, sind der Beklagten nicht zumutbar.

Der Kläger selbst hat die Kosten für solche Lärmschutzmaßnahmen nur bezogen auf das Brückenbauwerk über die S... Straße auf 300.000 DM bis 400.000 DM beziffert, was die Beklagte bestätigt hat. Solche Maßnahmen sind der Beklagten wirtschaftlich nicht zumutbar. Die Lärmbeeinträchtigung der Wohnung des Klägers ist nämlich keineswegs allein durch Maßnahmen an der Brücke über die S... Straße gebannt, was die vom Sachverständigen seinem Gutachten beigefügten Rasterlärmkarten (Bl. 21 und 23 des Gutachtens) plastisch belegen. Der Stahlaufbau der Brücke S... Straße erzeugt zwar - ebenso wie der Übergangsbereich zur Ruhrbrücke - eine geringfügig höhere Geräuschimmission als die in den Karten dargestellte restliche Bahnanlage, was sich aber unmittelbar im Messbereich vor der Wohnung des Klägers nicht mehr auswirkt. Ein wirksamer Schallschutz könnte die Beklagte allenfalls erreichen, wenn sie die Strecke insgesamt mit Schallschutzwänden oder ähnlichen Lärmschutzmaßnahmen versehen würde. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass solche Lärmschutzwände lärmphysikalisch nur bedingt Abhilfe für die betroffenen Anwohner schaffen. Nach den Ausführungen etwa im Urteil des OVG Bremen vom 19.01.1993 (Az.: OVG 1 BA 11/92, Bl. 25 des Umdrucks), das die Beklagte zur Akte gereicht hat (Bl. 377 ff GA), konnte dort eine Lärmschutzwand von 3 m je nach Immissionsort lediglich eine Reduzierung zwischen 3,3 dB (A) und 5 dB (A) herbeiführen ( vgl. zur Reduzierung der Lärmwirkung durch Schallschutzwände auch noch BVerwG NVwZ 2004, 986). Eine solche Lärmreduzierung würde für den Fall der hier streitigen Wohnung nicht einmal ausreichen, um die Einhaltung der Nachtwerte (vom Sachverständigen Dr. Ing. B... bisher mit 66,9 dB (A) ermittelt) nach dem enteignungsrechtlichen Schwellenwert von 60 dB (A) herbeizuführen. Dem gegenüber geht der Kläger selbst davon aus, durch ein Aufwand von rund 8.200 € im Wege des passiven Schallschutzes eine solche Lärmreduzierung herbeizuführen, dass die weitergehende Lärmbeeinträchtigung zumutbar ist.

2. Der erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Hilfsantrag zu 1) ist gemäß den §§ 533, 529, 531 Nr. 2 ZPO zulässig. Der Zahlungsantrag hat auch Erfolg soweit damit Eigentumsrechte der Wohnungseigentumsgemeinschaft verfolgt werden.

a) In der Berufungsinstanz geklärt wurde, dass der Kläger selbst nicht Eigentümer der Wohnung im 1. OG ist, sondern er diese nur zusammen mit seiner Ehefrau, die Miteigentümerin der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, bewohnt. Dem Kläger steht daher aus eigenem Recht kein Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu, der die Kosten für passiven Schallschutz in Form von Lärmschutzfenstern umfasst. Zwar kann einen Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich auch der Besitzer als Kompensation für den Ausschluss des primären Abwehranspruchs geltend machen, um sich einen den Rechten des Eigentümers ähnlichen Schutz gegen Störungen zu verschaffen (vgl. BGHZ 147, 45, 50). Gegenstand des Ausgleichs der Besitzstörung in Geld ist aber nur der Vermögenswert, der auf dem Recht, den Besitz inne zu haben, beruht. Ausgleichspflichtig sind nur die Vermögensschäden, die dessen Störung nach sich ziehen. Solche Einbußen des Besitzrechts macht der Kläger hingegen nicht geltend. Er begehrt vielmehr Ausgleich derjenigen Kosten, die durch den Einbau von Lärmschutzfenstern anstelle der vorhandenen Fenster entstehen. Der Austausch von Fenstern betrifft aber das Eigentum und da es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, die Rechtsposition der Wohnungseigentümergemeinschaft ...straße .... Dem Nichteigentümer, der nur Besitzer ist, können aber keine Entschädigungen für solche beim Grundstückseigentümer eintretende Substanzverluste zugesprochen werden (vgl. BGHZ 147, 45, 54 f.).

b) Der Hilfsantrag hat aber dem Grunde nach insoweit Erfolg als der Kläger ihn zugleich darauf stützt, den Anspruch der Eigentümergemeinschaft gemäß § 906 Abs. 2 BGB im Wege der Prozessstandschaft geltend machen zu können. Die Eigentümergemeinschaft hat den Kläger am 25./26.04.2004 (Bl. 289 GA) nicht nur dazu ermächtigt, den Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend zu machen, sondern auch dazu ermächtigt, diesen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen. Er kann daher Auszahlung des Betrages an sich verlangen (vgl. BGH NJW-RR 1986, 158). Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse daran, diesen Anspruch geltend zu machen. Er bewohnt die betroffene Wohnung im ersten Obergeschoss ...straße .... Die Maßnahme am Gemeinschaftseigentum werden sich unmittelbar auf die Benutzung der Wohnung im Inneren auswirken. Hinsichtlich dieser Besitzerstellung des Klägers ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten in der Berufungsinstanz nichts anderes aus dem vom Kläger vorgelegten Grundbuchauszug. Die Wohnung im zweiten Obergeschoss ist dem Sohn des Klägers, E... N... jun. zuzuordnen. Soweit auch die Ehefrau des Klägers unmittelbar von der Maßnahme betroffen ist, hat diese sich mit einer weiteren Erklärung (auf Bl. 263 GA) zusätzlich damit einverstanden erklärt, dass der Kläger diese Rechte auch in ihrem Namen geltend macht.

c) Die Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB liegen vor. Die Eigentümer des Objekts ...straße ... müssen eine wesentliche Beeinträchtigung hinnehmen, die sie nicht gemäß § 1004 BGB untersagen können. Insoweit gilt das unter 1. Ausgeführte auch für diesen Anspruch.

aa) Dieser Entschädigungsanspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Betroffenen zunächst innerhalb eines Planfeststellungsverfahrens Abhilfe suchen müssten (vgl. dazu BGH MDR 2005, 623 f.). Es handelt sich vorliegend um eine alte Eisenbahnstrecke, die, auch wenn der Kläger die konkreten Angaben der Beklagten zum Errichtungszeitpunkt mit Nichtwissen bestreitet, jedenfalls lange Zeit vor der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage erbaut wurde. Dass seither an den Gleissträngen gemäß § 18 AEG planfeststellungspflichtige Arbeiten durchgeführt worden sind, ist nicht ersichtlich. Bei den Arbeiten von 1998 handelte es sich jedenfalls nicht um solche. Der Kläger spricht zwar von Arbeiten an der "Untertunnelung". Welche in die Substanz gravierend eingreifende Maßnahmen aber durchgeführt worden sein könnten, kann er nicht benennen und sind auch nicht ersichtlich. Die auf den Lichtbildern des Sachverständigen wieder gegebene Brücke ist nach wie vor eine alte Eisenbahnbrücke. Aufgrund des Alters der Anlage ist auch auszuschließen, dass im Rahmen der Errichtung der Bahnstrecke eine Auseinandersetzung mit der Frage des aktiven und passiven Schallschutzes bezogen auf das benachbarte Eigentum in einem der Planfeststellung vergleichbaren Verfahren stattgefunden hätte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Wohnbebauung noch nicht vorhersehbar war. Eine fiktive Planfeststellung, wie etwa in § 71 Abs. 2 LuftVG bei alten Flughäfen, die vor 1959 errichtet wurden, vorgesehen, ist in Bezug auf Gleisanlagen vom Gesetzgeber nicht angeordnet worden. Gründe für eine Analogie zu dieser Ausnahmevorschrift sind nicht gegeben.

bb) Die bei Benutzung der Bahnlinie O.../D... entstehende Lärmbelästigung beeinträchtigt das Grundstück zumindest bezogen auf die Wohnung im erste Obergeschoss wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Der Maßstab der Wesentlichkeit ist nicht das subjektive Empfinden des Gestörten, sondern das Empfinden des verständigen Durchschnittsmenschen und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (vgl. BGHZ 148, 261, 264). Diesen Beurteilungsmaßstab hat der Bundesgerichtshof 1992 (vgl. BGHZ 120, 239, 255) gerade mit der Begründung eingeführt, im Interesse der Harmonisierung von öffentlichen und privaten Nachbarrecht sei die Wesentlichkeit von Lärm "im Sinne einer wertendenden Abgrenzung durch eine situationsbezogene Abwägung zu bestimmen". Der verständige Durchschnittsmensch habe - anders als der frühere Maßstab des normalen Durchschnittsmenschen - auch Allgemeininteressen und gesetzliche Wertungen zu berücksichtigen (vgl. dazu Hagen, ZfIR 1999, 413, 416).

Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB ist allerdings in der Regel davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung unwesentlich ist, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte nicht überschritten werden. Für den vorliegenden Fall gibt es kein unmittelbar anwendbares Regelwerk. Die Verkehrslärmschutzverordnung von 1990 (16. BImSchV) basiert auf dem Bundesimmissionsschutzgesetz von 1974 und erfasst originär nur den Neubau oder die wesentliche Veränderung öffentlicher Straßen oder Schienenwege und betrifft damit Fragen der Lärmvorsorge auf der fachplanerischen Ebene. Das hindert den Senat aber nicht daran, zur Beurteilung der Wesentlichkeit die in § 2 der 16. BImSchV zusammengefassten Werte heranzuziehen, auch wenn es sich vorliegend um die Beurteilung des Lärms von Altschienenwegen handelt, die Verordnung über § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB also nicht unmittelbar Anwendung findet (vgl. BGH MDR 2005, 623, 625).

Die Werte der 16. BImSchV als maßgebliches Kriterium im vorliegenden Verfahren heranzuziehen, liegt schon deshalb nahe, weil diese Verordnung sich ganz besonders mit Schienenlärm beschäftigt und deren Anlage 2 genau bestimmt, wie der Beurteilungspegel für Schienenlärm zu errechnen ist. Auch die neuste Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zu Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahn des Bundes vom 07.03.2005 verweist deshalb in deren § 4 Abs. 4 zur Berechnung des Beurteilungspegels bei Lärmsanierung ausdrücklich auf die Vorgaben der 16. BImSchV.

Die Geeignetheit der konkreten Werte der Verordnung ergibt sich ferner daraus, dass sie keine Idealwerte aufstellt, sondern gerade darauf abhebt, dass die Nachbarschaft "vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrslärm" geschützt werden soll. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass die dort für vier Gebiete genannten Schwellenwerte nicht vorbeugend oder bei einer gewissen "Lästigkeit" des Schienenlärms eingreifen, sondern auf der Annahme basieren, dass Lärm schädigende Auswirkungen auf die Gesundheit hat.

Wesentliche Geräuschimmissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB sieht der Bundesgerichtshof aber als identisch mit den erheblichen Geräuschbelästigungen und damit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes an (vgl. dazu BGH NJW 1990, 2465, 2466; NJW 1993, 1700, 1701). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof sogar im Rahmen von Entscheidung zur enteignungsrechtlichen Entschädigung betont (vgl. etwas BGHZ 64, 220, 226), dass sich die Wertentscheidung des Bundesimmissionsschutzgesetzes für die Gewährleistung gesunder Wohnverhältnisse auf die Würdigung derjenigen Verkehrsimmissionen auswirke, die zwar von "alten" Verkehrswegen ausgehen, jedoch das nachbarrechtliche Eigentum über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesimmissionsschutzgesetzes (01.04.1974) hinaus beeinträchtigen.

cc) Die in der Verordnung § 2 Nr. 2 aufgestellten Werte für allgemeine oder reine Wohngebiete werden bezogen auf die Wohnungen im ersten Obergeschoss des Hauses ...straße ... erheblich überschritten. Die Überschreitung ist so erheblich, dass nach Auffassung des Senats gar keine Zweifel am Erreichen der Wesentlichkeitsgrenze bestehen kann. Der Sachverständige Dr. Ing. B... hat für den Tag (06.00 Uhr bis 22.00 Uhr) ein Beurteilungspegel von 67,4 dB (A) und die Nacht (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) einen solchen von 66,9 dB (A) ermittelt. Dem stehen für Wohngebiete (§ 2 Nr. 2 der 16. BImSchV) Werte von 59 dB (A) (tags) und 49 dB (A) (nachts) gegenüber. Damit werden sowohl tagsüber erheblich wie nachts gravierende Überschreitungen der Durchschnittswerte der Verordnung belegt. Insbesondere hinsichtlich des Nachtwertes ist die Überschreitung offensichtlich. Der ermittelte Nachtwert hält noch nicht einmal den im Rahmen der enteignungsrechtlichen Zulässigkeitsschwelle genannten Wert von 60 dB (A) für Wohngebiete ein (vgl. dazu BGH NJW 1993, 1700, 1701). Unterstrichen wird die Wesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung auch durch im Rahmen des ersten Schallgutachtens des Sachverständigen ermittelten Einzelereignispegel (tags) von bis zu 98,3 dB (A) bzw. einem Ermittlungspegel von 84 dB (A).

Gegen die schalltechnischen Berechnungen des Sachverständigen bestehen keine Bedenken. Die Fragen, die die Beklagte insbesondere mit Schriftsatz vom 02.08.2005 aufgeworfen hat, wurden durch den Sachverständigen im Termin vom 24.10.2005 sämtlich beantwortet. Eine relevante Änderung der errechneten Werte hat sich dadurch nicht ergeben. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige eine Pessimalbetrachtung angestellt und dafür einen Werktag mit den rechnerisch höchsten Belastungen gewählt hat. Die Wesentlichkeitsgrenze wird schon dann überschritten, wenn regelmäßig an einem Tag der Woche die betreffenden Maximalwerte errechnet werden, zumal nicht ersichtlich ist, dass sich an den insoweit etwas weniger belastendenden Tagen gravierend abweichende Werte ergeben würden. Schließlich sind die Werte für reine und allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete nach der 16. BImSchV zu berücksichtigen und keine andere Kategorie als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Der Kläger hat ausdrücklich in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass das Gebiet im Bebauungsplan als Wohngebiet ausgewiesen sei. Auch bereits im ersten messtechnischen Gutachten wurde, ohne dass die Beklagte dies je beanstandet hatte, die Wohnung als dem allgemeinen Wohngebiet zugehörig festgelegt. Mit Schriftsatz vom 10.08.2001 (Bl. 18 GA) hatte der Kläger darüber hinaus angegeben, das sich sowohl nach dem Flächennutzungsplan als auch nach dem Bebauungsplan das Gebiet als Wohngebiet darstelle. Erstmals nach Vorlage des zweiten, in der Berufungsinstanz eingeholten schalltechnischen Gutachtens will die Beklagte diese Einordnung beanstanden und hebt dabei lediglich darauf ab, dass in dem kurz gefassten Urteil des Landgerichts die Einordnung als Wohngebiet nach dem Flächennutzungsplan und nicht nach dem Bebauungsplan erwähnt ist. Dies ist nicht ausreichend, um das Grundstück ...straße ... einem anderen Gebiet zuzuordnen. Die Beklagte bestreitet weder, dass es einen Bebauungsplan gibt, noch trägt sie vor, welche Gebietseinteilung dann in Betracht kommen sollte.

dd) Der aus der 16. BImSchV abgeleitete Maßstab ist nicht nach oben anzuheben. Es ist zwar richtig, dass hier zwei unterschiedliche Grundstücksnutzungen aufeinander stoßen, nämlich die Wohnnutzung einerseits und der Eisenbahnverkehr andererseits. Treffen Gebiete von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammen, so ist die Grundstücksnutzung mit einer speziellen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, die u.a. dazu führt, das der Belästigte Nachteile hinnehmen muss, die er außerhalb des Konfliktbereiches nicht hinnehmen müsste. Hier muss im Einzelfall eine Art Mittelwert gefunden werden, um das Zusammentreffen zweier Gebiete auszugleichen (vgl. dazu BGH NJW 1995, 132, 133; BGHZ 148, 261, 267). Gegen eine solche Mittelung spricht im vorliegenden Fall bereits, dass die 16. BImSchV gerade von dem Zusammentreffen verschiedener Nachbarschaftsgebiete mit Verkehrswegen ausgeht. Den daraus resultierenden widerstreitenden Interessen trägt die Verordnung dadurch Rechnung, dass sie die Immissionswerte hoch ansetzten, jedenfalls wenn man sie etwa mit den in der TA Lärm, die für Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung gilt, vergleicht. Dort wird für Gebiete mit ausschließlicher Wohnbenutzung Immissionsrichtwerte von tagsüber 50 dB (A) und nachts 35 dB (A), bei vorwiegender Wohnbenutzung von 55 dB (A) tags und nachts 40 dB (A) sowie bei einer Durchmischung des Gebietes mit Anlagen und Wohnbebauung immerhin noch Werte von 60 dB (A) tags und 45 dB (A) nachts angenommen. Eine Angleichung der Nachtwerte wird erst mit der nächsten Stufe, nämlich vorwiegend gewerblichen Anlagen erreicht (tags 65 dB (A) und nachts 50 dB (A)). Dieser Vergleich zeigt deutlich, dass der Errichtung von Verkehrswegen erhebliche Bedeutung beigemessen wird und daher die "Schädlichkeitsschwelle" von vorneherein hoch angesetzt wird. Beim Schienenverkehr ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass er grundsätzlich als geringer störend angesehen wird und die berechneten Werte daher generell um 5 dB (A) nach unten hin korrigiert werden.

Damit trägt der verständige Durchschnittsmensch, auf den es für die Beurteilung der Wesentlichkeit ankommt, bereits in mehrfacher Hinsicht öffentlichen Belangen Rechnung, wenn er die Einhaltung der fachplanerischen Wertungen im Rahmen der 16. BImSchV einfordert. Denn sie berücksichtigt grundsätzlich die Bedeutung des Verkehrs für die Allgemeinheit und trägt den Besonderheiten des Schienverkehrs zusätzlich dadurch Rechnung, dass von einer geringeren Beeinträchtigung des Durchschnittsmenschen ausgeht.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass nicht jede geringfügige Überschreitung der in der 16. BImSchV vorgesehenen fachplanerischen Werte durch Altschienenlärm automatisch zur Bejahung der Überschreitung Wesentlichkeitsgrenze führt. Darum geht es vorliegend aber nicht. Die Werte für den Bereich der Wohnung ...straße ..., 1.OG, sind in ganz gravierender Art und Weise überschritten.

ee) Der Maßstab für die Bestimmung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht auf die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle anzuheben. Es geht vorliegend nicht um hoheitliches Handeln, das einzig und allein am Maßstab des Art. 14 GG zu beurteilen ist. Maßstab ist § 906 BGB. Dabei beantwortet sich die Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung mit deren Zumutbarkeit für den verständigen Durchschnittsmenschen. Dafür, dass § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB einen anderen Zumutbarkeitsbegriff verwendet als in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nicht ersichtlich. Im Gesetz findet sich kein Hinweis darauf, dass die Zumutbarkeitsschwelle in Absatz 2 in besonders gravierender Weise überschritten sein müsste. Der Grundstückseigentümer kann vielmehr bei Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, und nicht erst dann, wenn die Unzumutbarkeit dazu führt, dass der betroffene Grundstückseigentümer sein Eigentum wegen der drohenden Gefahren nicht mehr benutzen kann. Dazu würde aber die Anwendung der enteignungsrechtlichen Grenzwerte führen.

Bei den Werten der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts (vgl. BGH NJW 1993, 1700, 1701) handelt es sich bereits um Werte, bei denen der Lärm eine solche Intensität erreicht, dass die Gesundheit geschädigt wird und deshalb die betroffenen Räume dem Grunde nach nicht mehr benutzt werden können. Besonders gravierend wirkt sich der Lärm auch hinsichtlich des Schlafverhaltens aus. Ein Außenpegel von 60 dB (A) nachts korrespondiert bei geschlossenen Normalfenstern mit einem Innenwert von 36 dB (A) und erreicht damit die Aufweckgrenze. Eine solche dauerhafte nächtliche Lärmbelästigung ist daher schädlich (vgl. dazu VGH München, Urteil vom 05.03.1996, Az: 20 B 92.1055; Juris Umdruck Rdnr. 52). Die Zumutbarkeitsgrenze wird aber nach Auffassung des Senats nicht erst dann überschritten, wenn eine konkrete Gesundheitsgefährdung bei Weiternutzung der Räume eintritt. Die 16. BImSchV geht jedenfalls schon bei Erreichen der dort genannten fachplanerischen Werte davon aus, dass deren Überschreitung "schädlich" ist. Warum die Hinnahme bis zum Erreichen der enteignungsrechtlichen Grenzwerte dann noch zumutbar sein soll, ist außer mit fiskalischen Interessen des Lärmverursachers, die schon dazu führten, dass aktiver Lärmschutz versagt wird, nicht mehr zu erklären. Dies rechtfertigt aber nicht das automatische Anheben der Zumutbarkeitsschwelle im Rahmen des Anspruches gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf eine bloß enteignungsrechtlich relevante Schwelle (vgl. dazu noch Roth NVwZ 2001, 34, 38; anderer Auffassung wohl Soergel J.F. Baur, § 906 BGB, Rdnr. 83 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VGH München a.a.O.).

Abgesehen davon, wäre im vorliegenden Fall aber für die Nachtzeit auch der enteignungsrechtliche Zumutbarkeitswert erheblich überschritten, so dass auch insoweit ein Entschädigungsanspruch gegeben wäre. Dieser wäre nicht alleine auf das Fenster des Schlafzimmers in der klägerischen Wohnung zu beschränken. Auch aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen ist einem Bewohner nicht zumutbar, nach 22.00 Uhr die Benutzung sämtlicher anderer Räume einzustellen und den Aufenthalt nur noch im Schlafzimmer zu nehmen. Die bloße Unterscheidungen in Tages- und Nachtwerte in den einschlägigen Regelwerken wäre auch nicht nachvollziehbar, wenn sich die Nachtwerte lediglich auf Schlafräume erstrecken sollten. Allerdings müssen die Räume, in die Schallschutzfenster eingebaut werden sollen, auch der Gleisanlage zugewandt sein. Aus der Rasterlärmkarte, Bl. 23 des Gutachtens, ergibt sich insoweit, dass auf der Rückseite des Gebäudes ...straße ... teilweise nur von 47,5 dB(A) auszugehen ist. Dies bedeutet aber keine Funktionseinschränkung, sondern eine Lageeinschränkung.

ff) Die Anwendbarkeit der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle rechtfertigt sich im vorliegenden Fall auch nicht deshalb, weil die streitige Bahnlinie bereits längere Zeit vor Errichtung des Hauses ...straße ... bestand. Richtig ist zwar, dass der Bundesgerichtshof dem Umstand der zeitlichen Priorität beim sekundären Rechtsschutz nach § 906 Satz 2 BGB Bedeutung beimisst (vgl. BGHZ 148, 261, 267; 59, 378, 384 f.).

Im Zeitpunkt der Errichtung des Komplexes ...straße ... zwischen den Jahren 1975 und 1981 war die Bahnlinie schon lange Jahre vorhanden und bei verständiger Würdigung wäre auch damals objektiv voraussehbar gewesen, dass der Schienenverkehr nicht ab- sondern zunehmen wird und die Züge in Folge der fortschreitenden Elektrifizierung und der technischen Entwicklung immer schneller würden und damit möglicherweise eine erhebliche Lärmbelästigung einhergehen würde. Das Intercitynetz etwa hat die D... B... um 1971 gestartet.

Damit haben die Errichter des Hauses ...straße ... den nachbarlichen Konflikt zwar objektiv veranlasst. Den Eigentümern ist aber zugute zu halten, dass das Gebiet im Bebauungsplan ausgewiesen wurde und es ist nichts dafür ersichtlich, dass im Rahmen der Baugenehmigung Schallschutzauflagen erteilt wurden, die bei der Errichtung nicht eingehalten wurden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass von den Eigentümern selbst bei Einbau der Schallschutzfenster nach wie vor hinzunehmen ist, dass eine Nutzung der Räume nur in geschlossenen Zustand ohne Beeinträchtigung möglich ist und der Balkon etwa nur mit der erheblichen Lärmbelästigung nutzbar ist. Mithin nehmen die Eigentümer bereits Folgen aus der unmittelbaren Nachbarschaft zur Eisenbahnlinie der Beklagten hin.

d) Den Eigentümer des Objektes ...straße ... steht daher grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu

Zur Höhe bedarf es allerdings noch weitere Ermittlungen, weil die Kosten des passiven Schallschutzes durch Einbau von Fenstern, den der Kläger im eigenen Namen geltend macht, streitig sind. Gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hat der Eigentümer grundsätzlich auch nur Anspruch auf Entschädigung derjenigen Kosten, die die Wesentlichkeitsschwelle überschreiten, d.h., der Eigentümer hat diejenigen Kosten selbst zu tragen, die ihm auch entstanden wären, wenn die entsprechenden Werte gemäß § 2 der 16.BImSchV eingehalten würden. Im konkreten Falle könnte der Kläger daher nur die Aufrüstung der vorhandenen Fenster verlangen, um die über die Werte der 16.BImschV hinausgehenden Beeinträchtigungen abzuhalten. Soweit dies nicht möglich ist, weil die vorhandenen Fenster schon nicht den Vorgaben der 16. BImSchV entsprechen, oder die Fenster bereits so alt sind, dass auch ohne die jetzt festgestellten Geräuschbeeinträchtigung ein Austausch in absehbarer Zeit erforderlich wäre, müsste der Eigentümer einen entsprechenden Anteil der Kosten für die noch einzubauenden Fenster tragen. Möglicherweise ist hier aber eine Orientierung an der Förderrichtlinie von Maßnahmen zur Lärmsanierung (Erstattung von 75 %) der geeignete Maßstab. Schließlich kommt eine Ersatzpflicht grundsätzlich auch nur für solche Fenster in Betracht, die auf der dem Gleiskörper zugewandten Hausseite eingebaut sind. Darüber ist jedoch erst nach weiteren Ermittlungen abschließend im Schlussurteil zu entscheiden.

3.Die Revision wird gemäß § 543 ZPO zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung hat, ob im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die fachplanungsrechtliche oder die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle zu berücksichtigen ist.

Streitwert: 23.195,40 €

Ende der Entscheidung

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