Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: I-9 U 196/03
Rechtsgebiete: BGB, BauGB


Vorschriften:

BGB § 104
BGB § 104 Nr. 2
BGB § 105 Abs. 1
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB §§ 158 ff.
BGB § 242
BGB § 284 a.F.
BGB § 284 Abs. 1 a.F.
BGB § 285 a.F.
BGB § 320 a.F.
BGB § 326 a.F.
BGB § 326 Abs. 1 a.F.
BGB §§ 346 ff. a.F.
BGB § 419
BGB § 433
BGB § 440
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 894
BGB § 1922
BGB § 1931
BauGB § 194
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Oktober 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal (2 O 120/98) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 14.02.1939 geborene, an einer paranoiden Psychose leidende Klägerin ist die Ehefrau und Alleinerbin des um den 20.06.1996 im Alter von 64 Jahren verstorbenen ... U.... Seit Ende 1995 ist für sie eine Betreuung eingerichtet.

Die Klägerin begehrt die Rückübertragung zweier Grundstücke, die die Beklagte, durch notariellen Kaufvertrag vom 01.09.1995 (UR.-Nr. 1131/95 Notar Dr. B...) von Herrn U... erworben hat. Die Klägerin meint, der Vertrag sei gemäß § 138 BGB nichtig. Hilfsweise hat sie sich auf den von ihr wegen teilweiser Nichterfüllung erklärten Rücktritt berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zunächst auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass die Klägerin vom 23.05.1995 bis 16.10.1995 in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht war. Zuvor hatte sie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verbüßt, weil die Eheleute U... finanziell nicht in der Lage waren, die Geldstrafe in Höhe von 1.000 DM zu begleichen. Infolge der Erkrankung der Klägerin waren für den Gewerbebetrieb des Herrn U... ab 1992 keine Steuererklärung mehr vorgelegt und keine Steuern mehr gezahlt worden war. Das Finanzamt S... ordnete daher am 26.05.1995 für den 26.06.1995 eine Betriebsprüfung an. Dabei wurden ausweislich eines Aktenvermerkes der Finanzverwaltung vom 26.06.1995 katastrophale Zustände der Buchführung aufgedeckt und Berge ungeöffneter Post vorgefunden. Nach diesem Termin führten der Ehemann der Beklagten, R... S..., der Herrn U... zumindest seit Februar 1995 bei der Ordnung seiner Geschäfte behilflich war, und Herr U... Verhandlungen zwecks Übernahme der im vorliegenden Verfahren streitigen Immobilien. Am 20.07.1995 führte die von den Eheleuten S... beauftragte Architektin N... eine Objektbestandsaufnahme durch. Schließlich suchten Herr U... und Herr S... am 28.07.1995 erstmals den Zeugen Notar Dr. B... auf und legten diesem einen ersten Vertragsentwurf vor, der noch Herrn S... als Vertragspartner vorsah. In der Folgezeit schrieb der Notar die Gläubiger zur Ermittlung des Schuldenstands an.

Am 12.06.1996 erließ das Finanzamt S... einen Steuerbescheid für das Jahr 1994 (Bl. 173 GA), der mit Rücksicht auf den zum 31.12.1994 eingestellten Gewerbebetrieb Veräußerungsgewinne von über 500.000 DM berücksichtigte und deshalb eine Einkommenssteuersumme nebst Kirchensteuer von 124.993,73 DM festsetzte.

Nach dem Tod des Ehemanns forderte die Klägerin durch Ihren Betreuer und jetzigen Prozessbevollmächtigen (nachfolgend Prozessbevollmächtigter) von der Beklagten zunächst Auskünfte über die erbrachten vertraglichen Leistungen. Mit Schreiben vom 31.07.1996 teilte die Stadt S... dem Prozessbevollmächtigen mit, dass Abgaben und Anliegerbeiträge für 1994 und 1995, die Gegenstand der Forderungsaufstellung 2 des Kaufvertrages sind, noch nicht ausgeglichen wären und die Beklagte die Schuldübernahme nur telefonisch in Aussicht gestellt hätte. Mit Schreiben vom 30.08.1996 forderte der Prozessbevollmächtigte die Beklagten unter Fristsetzung bis 06.09.1996 auf, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und den Gläubigern die Schuldübernahme anzuzeigen und die übernommenen Schulden unverzüglich zu tilgen. Mit Schreiben vom 01.10.1996 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schließlich mit, er gehe von der Sittenwidrigkeit des Vertrages aus und fordere sie deshalb auf, die Immobilien zurückzuübertragen. Dem widersprach die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 10.10.1996. Sie forderte ihrerseits bis spätestens 27.10.1996 zur Vermeidung einer negativen Feststellungsklage von Klägerseite die Bestätigung, dass die Wirksamkeit des Kaufvertrages nicht in Abrede gestellt werde. Mit Schreiben vom 28.10.1996 (Bl. 969 GA) teilte der Prozessbevollmächtigte schließlich mit, die Prüfung der beklagtenseits erhobenen Einwendungen sei noch nicht abgeschlossen sei. Wörtlich heißt es dort dann:

"Die Tatsache, daß ihre Mandanten die Leistungen aus dem Vertrag unter den jetzigen Umständen zurückhalten, ist sicherlich folgerichtig. Selbstverständlich werde ich für den Fall, daß ich bei dem Rückforderungsverlangen bleibe, keine Erfüllungsleistung aus dem Vertrag von ihrer Mandantschaft mehr fordern".

Mit Schreiben vom 06.03.1997 forderte das Finanzamt die Klägerin erneut zur Zahlung der Steuerschuld - angewachsen auf 128.568,73 DM (Bl. 174 GA) - auf. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14.03.1997 (Bl. 180 GA) der Beklagten persönlich mit, dass an der Ansicht festgehalten werde, der Vertrag sei nichtig.

Sodann heißt es in dem Schreiben:

"Rein vorsorglich für den Fall, dass durch die Gerichte wider Erwarten Wirksamkeit des notariellen Vertrages bestätigt werden sollte, mahne ich als gesetzlicher Vertreter und Bevollmächtigter für Frau ... U... aufgrund der von Ihnen erklärten Schuldübernahme die Zahlung der Steuerschuld in Höhe von 127.008,73 sowie sämtliche weiteren noch nicht von Ihnen bezahlten übernommenen Schulden des Herrn U... hiermit hilfsweise, im Anschluss an meine 1. Mahnung in dem Schreiben vom 30.08.1996 an Herrn Rechtsanwalt W... an und fordere sie zur Freistellung und Zahlung an die Gläubiger auf bis spätestens zum 21. März 1997."

Gleichzeitig drohte er an, nach Ablauf der Frist, die Erfüllung des Vertrages abzulehnen und Schadensersatz zu verlangen oder von dem Vertrag zurückzutreten. Da Zahlungen nicht eingingen, hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.04.1997 (Bl. 171 GA) "hilfsweise den Rücktritt vom gesamten notariellen Vertrag des Notars Dr. B... für den Fall, dass seitens der Gerichte der o.g. Vertrag nicht für wirksam erklärt werden sollte" erklärt.

Die Steuerschuld wurde später von der Klägerin getilgt.

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht durch Urteil vom 13.10.2003 die Klage abgewiesen, weil der Kaufvertrag nicht nichtig sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt zunächst, dass das Landgericht kein psychiatrisches Obergutachten eingeholt habe, obwohl sie dies mit Schriftsatz vom 02.11.2001 beantragt habe. Dies sei notwendig gewesen, weil das Gutachten Dr. L... nicht ergiebig sei. Es bleibe unklar, was der Sachverständige untersucht habe. Auf die Aussagen der Zeugen Dr. Z... und H... sei er nicht weiter eingegangen.

Ferner habe das Landgericht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 138 BGB verkannt und rechtsfehlerhaft angewandt. So sei zumindest eine Zwangslage im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB bei Herrn U... im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhanden gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, dass Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet gewesen seien. Der Ehemann sei nicht in der Lage gewesen, den Grundbesitz anderweitig zu veräußern. Infolge der Lebensumstände hätte der Ehemann die Fähigkeit verloren gehabt, sich interessengerecht zu verhalten. Dies hätten die Beklagte und ihr Ehemann erkannt.

Es liege ferner ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor. Bereits nach den Werten des Sachverständigen R... (Verkehrswertgutachten) im Verhältnis zu der von ihr angenommenen Gegenleistung von ca. 1 Mio. DM sei ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen. Bei Beträgen dieser Größenordnung müsse der Unterschied nicht 100 % betragen. Abgesehen davon sei die Feststellung der Verkehrswerte im übrigen falsch. Man müsse von einem Verkehrswert von 2.286.760 DM, aber zumindest von 2.080.760 DM (bei Berücksichtigung der Abbruchkosten für das Fabrikobjekt) ausgehen (Bl. 925, 758 ff GA). Darüber hinaus habe sie jetzt in Erfahrung gebracht, dass die Bewertung der Parzelle 171 (N... "Waldgrundstück") durch den Sachverständigen unzutreffend sei. Die Beklagte habe durchgesetzt, dass die Landesforstverwaltung die Einstufung der Parzelle als Waldfläche zurückgenommen habe und nunmehr keine Einwendungen mehr gegen die Gewerbenutzung erhebe. Ihr Wissen über die richtige Einordnung habe sie dem Sachverständigen R... vorenthalten und statt dessen diesen zur Einordnung der Fläche als Waldfläche gedrängt. Der Wert der Grundstücke sei deshalb wesentlich höher anzusetzen.

Das Landgericht habe es ferner unterlassen, die Gegenleistung näher zu bestimmen. Ihre Erklärungen zu der Gegenleistung, insbesondere in der Klageschrift, seien nur vorläufiger Natur gewesen und hätten auf Unterstellungen basiert. Schließlich gehe das Landgericht zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 419 BGB vorgelegen hätten und die Beklagte entsprechende Risiken übernommen hätte.

Schließlich habe das Landgericht ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 24.07.1998 (Bl. 140 GA) zum hilfsweise erklärten Rücktritt übergangen. Trotz ihrer Forderung auf Rückübertragung wegen Sittenwidrigkeit des Vertrags habe sie die Beklagte für den Fall in Anspruch nehmen dürfen, dass die Sittenwidrigkeit nicht festgestellt würde. Mit dem Schreiben vom 28.10.1996 habe sie auch keinesfalls darauf verzichtet, ihre Rechte aus dem Kaufvertrag geltend zu machen. Nachdem sich herausgestellt habe, dass sich die Beklagte weigere, ihre Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag gegenüber dem Finanzamt zu erfüllen, habe sie von ihrem Gefälligkeitsverhalten im Schreiben vom 28.10.1996 Abstand genommen. Der Beklagten sei zuvor Gelegenheit gegeben worden, ihre Bedenken gegen die Steuerfestsetzung vorzutragen; sie habe sich jedoch zu den Bedenken nicht erklärt. Im übrigen habe keine Veranlassung bestanden, dem Ehemann der Beklagten Vollmacht zu erteilen, damit dieser mit den Finanzbehörden verhandele.

Letztendlich müssten die Aufwendungen, die die Beklagte zugunsten der Objekte behaupte, bestritten werden. Die Immobilie sei nicht in dem schlechten Zustand gewesen, den die Beklagte behaupte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 13.10.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Wuppertal - 2 O 120/98 - die Beklagte zu verurteilen, die Grundstücke

1. Grundbuch des Amtsgerichts S... von G..., Blatt 0513, Flur 32, Flurstück 280, F... Straße 44, Flurstück 294, N..., Flur 31, Flurstück 171, N... und

2. Grundbuch des Amtsgerichts S... von W..., Blatt 3227, Flur 70, Flurstück 252, F... Straße 4, Flurstück 304, F... Straße 4 a, 4 b, an sie rückaufzulassen, die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen und die Grundstücke an sie zu übergeben,

sowie folgende, in den vorstehenden Grundbuchblättern in Abteilung III, eingetragene Grundpfandrechte löschen zu lassen:

unter lfd. Nr. 7 zugunsten der Stadtsparkasse S... eingetragene Grundschuld in Höhe von 970.000 DM nebst 18 % Jahreszinsen,

unter lfd. Nr. 9 zugunsten der Stadtsparkasse S... eingetragene Grundschuld in Höhe von 199.000 DM nebst Zinsen sowie

unter lfd. Nr. 10 zugunsten der Volksbank O... eG eingetragene Grundschuld mit Brief in Höhe von 100.000 DM nebst 18 % Zinsen und einer einmaligen Nebenleistung von 5 % des Grundschuldbetrages und den Grundschuldbrief herauszugeben,

Zug um Zug gegen Zahlung von 176.601,23 DM und Einräumung des Mitbesitzes an der von der Beklagten bewohnten Wohnung im 1. Stock des Hauses F... Straße 44, ... S....

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts sei zutreffend. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensverstöße lägen nicht vor. Das Gericht habe kein

Obergutachten einholen müssen. Es sei auch Sache der Klägerin gewesen, die Einwendungen gegen das Gutachten Dr. L... bereits in erster Instanz vorzubringen. Aufgrund der angeordneten Zwangsversteigerung habe für den Erblasser keine Zwangslage bestanden, da er noch die Möglichkeit gehabt hätte, die Zwangsversteigerung abzuwenden. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass der Verstorbene kurz vor Abschluss des Vertrags die eidesstattliche Versicherung abgegeben hätte. Abgesehen davon würde die Bejahung der Zwangslage nicht ausreichen, um einen Anspruch gemäß § 138 Abs. 2 BGB zu gewähren. Das Landgericht habe zutreffend die Rechtsprechung des BGH vom auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angewandt. Mit Schriftsatz vom 02.04.2003 habe die Klägerin schließlich ausdrücklich erklärt, dass der Rechtsstreit ausgeschrieben und die Beweisfragen vom Sachverständigen R... erschöpfend erörtert seien. Schließlich habe das Gericht erster Instanz zu Recht den Aspekt des § 419 BGB a.F. zu ihren Gunsten berücksichtigt.

Zum in der zweiten Instanz wieder aufgegriffenen Vortrag zum Rücktritt meint die Beklagte, die Klägerin habe dies im gesamten Verfahren erster Instanz nicht mehr wiederholt, weshalb sich das Gericht nicht hätte damit befassen müssen. Sie habe sich mit ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht in Verzug befunden, weil die Klägerin Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Sittenwidrigkeit verlangt und sie deshalb nicht habe davon ausgehen können, dass sie weiter die vertraglichen Pflichten erfülle. Das Verhalten der Klägerin verstoße letztendlich gegen § 242 BGB. Die Klägerin habe überdies mit Schreiben vom 28.10.1996 (Bl. 969 GA) auf die Durchsetzung von Erfüllungsansprüchen verzichtet. Auch sei der Rücktritt unter einer Bedingung erfolgt.

Im übrigen beruft sie sich darauf, dass sämtliche von ihr getätigten Investitionen in das Gebäude notwendig gewesen seien, was aus den umfangreichen Zusammenstellungen der Architektin N... zu ersehen sei, die ihr im Falle der Rückübertragung zu erstatten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gegenseitigen Schriftsätze, die zur Akte gereichten Urkunden und Lichtbilder, die eingeholten Gutachten nebst Ergänzungen sowie die protokollierten Zeugenaussagen verwiesen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist unter keinem Gesichtspunkt begründet.

1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gemäß den §§ 894, 1922, 1931 BGB zu. Das Grundbuch ist richtig, da die Auflassung der Immobilien F... Straße 44 bzw. F... Straße 4 bis 4 b am 01.09.1995 seitens des Erblassers wirksam zugunsten der Beklagten erklärt wurde.

a) Die Erklärung ist nicht wegen Geschäftsunfähigkeit des Erblassers gemäß §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB nichtig.

Eine dauerhafte Störung der Geistestätigkeit, die nach den genannten Vorschriften zur Nichtigkeit führen würde, wäre nur dann anzunehmen, wenn sich feststellen ließe, dass der Erblasser nicht imstande war, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (vgl. BGH NJW 1996, 918, 919). Weder das bloße Unvermögen, die Tragweite der Erklärung zu erfassen, noch eine bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit reichen demnach zum Ausschluss der freien Willensbestimmung aus. Geschäftsfähigkeit ist daher die Regel, ihr Fehlen die Ausnahme (vgl. dazu noch Palandt-Heinrichs, § 104 BGB, Rdnr. 5, 8; Erman/Palm, § 104 BGB, Rdnr. 6, 8).

Daran gemessen ist der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Beklagten als geschäftsfähig anzusehen. Die Zeugen Notar Dr. B... und dessen Vertreterin, die Zeugin S..., sind Herrn U... unmittelbar im Zusammenhang mit dem zu beurkundenden Vertrag gegenüber getreten. Sie haben eindeutig geschildert, dass eine Verständigung mit diesem möglich war. Es hat mehrere eingehende Gesprächstermine im Notariat gegeben. Nach den Angaben dieser Zeugen wusste der Erblasser, dass er sein Vermögen auf die Beklagte übertragen würde und hat dies auch so gewollt. Selbst die Zeugen Dres. Z... und H..., auf die sich die Klägerin beruft, beschreiben nur eine Beeinflussbarkeit des Herrn U... und eine Verlangsamung der Gedankengänge, aber nicht, dass der Erblasser generell nicht mehr in der Lage gewesen sei, willensgesteuert zu handeln und entsprechende Erklärungen abzugeben.

Die Klägerin führt des weiteren ständigen Alkoholabusus und Medikamentenmissbrauch durch ihren Ehemann an. Es mag dahinstehen, ob dieser übermäßige Konsum überhaupt zur Annahme einer dauerhaften Geschäftsunfähigkeit, wie sie § 104 BGB fordert, ausreicht (vgl. dazu noch BayObLG, FamRZ 1991, 608, 609). Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass der Ehemann bei Abschluss des notariellen Vertrages so stark unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss stand, dass ihm der Blick dafür, dass er mit der Beklagten ein Rechtsgeschäft abschließen würde, versperrt gewesen wäre. Einzig die Zeugin Dr. S... hat den Erblasser, allerdings Monate nach Vertragsschluss im Februar 1996 in einem Erkrankungszustand erlebt und behandelt, der wohl unmittelbar auf übermäßigem Alkoholkonsum beruhte. Aber selbst in diesem Zeitpunkt war der Erblasser zeitlich, räumlich und zur eigenen Person ausreichend orientiert. Die den Vertrag beurkundenden bzw. vorbereitenden Personen Dr. B... und S... haben eindeutig und bestimmt ausgeschlossen, dass Herr U... bei den Gesprächsterminen bzw. dem abschließenden Beurkundungstermin unter solchem toxischen Einfluss gestanden habe. Selbst die gegenüber dem Verhalten der Eheleute S... sehr kritischen Zeugen Dres. Z... und H... konnten anlässlich der Besuche im Krankenhaus keine akute Alkoholisierung oder Entzugserscheinungen von Herrn U... bestätigen. Soweit der Zeuge Dr. Z... bei seiner Vernehmung davon sprach, bei Herrn U... hätten eine chronifizierte fortgeschrittene Alkoholkrankheit und ein Hirnorganischer Abbauprozess vorgelegen, musste er zugleich einräumen, dass seiner persönlichen Einschätzung keine Untersuchung zugrunde lag. Zwar wurde sein Verdacht, durch die Obduktion des Verstorbenen im Juni 1996 in gewissem Umfang bestätigt. Dass daraus im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber bereits eine dauerhafte geistige Beeinträchtigung resultierte, die gar die Annahme der Geschäftsunfähigkeit rechtfertigen würde, kann mangels Quantifizierung des Obduktionsergebnisses nicht angenommen werden.

Soweit der Zeuge Dr. Z... des Weiteren Herrn U... mangelnde Kritikfähigkeit und Beurteilungsfähigkeit sowie leichte Beeinflussbarkeit in einem Schreiben aus November 1996 attestiert, ist dies nicht verallgemeinerungsfähig. Die Beurteilung des Zeugen geht auf Beobachtungen des Herrn U... im Jahre 1995 zurück, während jener die Klägerin in der Psychiatrie besuchte. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die damaligen Reaktionen des Herrn U... nachhaltig durch die Gesprächsituationen über den Krankheitsverlauf der Klägerin geprägt waren, weshalb die Feststellungen des Zeugen Dr. Z... nicht geeignet sind , die Schilderungen der Zeugen Dr. B... und S... über das Verhalten des Erblassers im Rahmen der Kaufvertragssituation zu widerlegen. Dass ihn die Krankheit seiner Ehefrau bedrückt hat und er sich in diesem Zusammenhang nicht ordnungsgemäß artikulieren konnte und hilflos war, hat im übrigen auch die Zeugin D... bestätigt, gleichzeitig hat sie aber geschildert, Herr U... habe über den Vertragsabschluß mit der Beklagten berichtet und sei insoweit erleichtert erschienen.

Es besteht auch kein Anlass, ein weiteres Gutachten zum Geisteszustand des Verstorbenen einzuholen. Es mag dahinstehen, ob das Gutachten die in der Berufungsschrift gerügten Mängel aufweist. Jedenfalls hat die Klägerin keine tatsächlichen Umstände aufgezeigt, die eine differenziertere Begutachtung des Geisteszustandes des Herrn U... am 01.09.1995 ermöglichen würden.

b) Die Nichtigkeit der Auflassungserklärung ergibt sich auch nicht aus § 138 Abs. 2 BGB.

Bei Vorliegen eines Wuchergeschäftes im Sinne dieser Vorschrift erstreckt sich die Nichtigkeit auch auf das Verfügungsgeschäft des Bewucherten (vgl. BGH NJW 1994, 1275; Palandt/Heinrichs, § 138 BGB, Rdnr. 20). Vorliegend ist jedoch der objektive Tatbestand, nämlich das auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht erfüllt.

Auffällig ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eines Kaufvertrages in der Regel, wenn der Wert der einen Leistung ungefähr doppelt so hoch ist wie der Wert der anderen, wobei die für die einzelnen Leistungen ermittelten objektiven Werte miteinander zu vergleichen sind (vgl. dazu BGH NJW 1982, 2767; NJW 1994, 1275; Pal.-Heinrichs § 138 BGB, Rdnr. 61; MüKo-Mayer-Maly/Armbrüster, § 138 Rdnr. 144; Soergel/Hefermehl § 138 BGB Rdnr. 75; Staudinger/Sack § 138 BGB Rdnr.179). Soweit etwa im Bereich des Wohnungsmietrechtes eine Grenze von 50 % ausreichen soll (vgl. BGH NJW 1997, 1845, 1847), handelt es sich um eine Sonderregelung, die sich auf kaufvertragsrechtliche Fälle nicht übertragen lässt. An der Heranziehung des allgemeinen Grundsatzes ("knapp 100 %") ändert auch nichts der Umstand, dass es in absoluten Zahlen gesehen um ein Kaufgeschäft über ein Objekt geht, dass weit mehr als 1 Mio. DM wert war.

Der objektive Wert einer Leistung bestimmt sich bei dem vorzunehmenden Vergleich nach dem Preis, welcher der zu bewertenden Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt (= marktüblicher Preis, vgl. BGH NJW 1994, 1475). Für die Beurteilung, ob ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Nachträgliche Wertveränderungen sind grundsätzlich bedeutungslos (vgl. BGH WM 1996, 261; NJW 2002, 429, 431; Pal.-Heinrichs § 138 BGB Rdnr. 60; Staudinger/Sack § 138 BGB Rdnr.180; Medicus, NJW 1995, 2577, 2578 m.w.N.), ebenso der Umstand, dass später Teile der geschuldeten Leistungen nicht erbracht werden (vgl. Soergel/Hefermehl § 138 BGB Rdnr. 75).

Daran gemessen lässt sich ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung des Vertrages vom 01.09.1995 nicht feststellen. Der Leistung der Klägerseite in Höhe von 1.266.000 DM sind Gegenleistungen der Beklagten mit einem Wert von 812.377 DM gegenüberzustellen. Damit liegt der Wert der Leistung des Erblassers um ca. 56 % über derjenigen, die von der Beklagten zu erbringen war.

aa) Der Sachverständige R... hat den Wert der übertragenen Immobilien mit 1.449.000 DM errechnet. Im Rahmen der Prüfung des § 138 Abs. 2 BGB ist dieser Betrag um den Wert des Wohnrechts zugunsten von Herrn U... zu bereinigen, da der Grundbesitz damit belastet übertragen wurde.

Der Sachverständige hat den Wert der Immobilien nachvollziehbar und entsprechend den Vorgaben der Wertermittlungsverordnung berechnet, wobei er der Ertragswertmethode grundsätzlich den Vorrang eingeräumt hat, weil es sich bei den zu beurteilenden Objekten um solche handelt, die vorrangig der Mieterzielung dienen, was nicht zu beanstanden ist. Demgegenüber ist der Wert der Immobilien nicht, wie die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung vorgetragen hat, mit 2.286.760 DM bzw. 2.080.760 DM anzusetzen. Mit diesen in der Berufungsbegründungsschrift erwähnten Werten greift die Klägerin zu Unrecht auf die mit Schriftsatz vom 21.10.2002 in der ersten Instanz errechneten Werte zurück. Mit diesen Werten hat sich der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 17.02.2003 bereits auseinander gesetzt, weshalb die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.04.2003 erklärt hat, dass Sachverhaltsfehler derzeit nicht erkennbar seien und die dem Gutachter gestellten Beweisfragen damit offenbar erschöpfend beantwortet seien. Mit ihrer Berufungsbegründungsschrift hat sie aber nicht dargelegt, inwieweit nunmehr Sachverhaltsfehler entdeckt wurden, die eine andere Bewertung, insbesondere nach dem Sachwertverfahren erfordern würde. Es ist aber auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass vorliegend zwingend das Sachwertverfahren anzuwenden wäre und dieses der vom Sachverständigen preferierten Ertragswertsmethode vorliegend überlegen wäre. Die in der Wertermittlungsverordnung vorgeschriebenen Ermittlungsmethoden sind grundsätzlich gleichwertig und sämtlich darauf angelegt, sich möglichst dem in § 194 BauGB umrissenen Verkehrswert anzunähern. Dementsprechend kann auch dem vom Sachverständigen ermittelten Wert nicht allein deshalb die Eignung abgesprochen werden, weil ein nach anderer Methode ermittelter Wert im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB eventuell zu einem hier für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen würde (vgl. dazu auch BGH NJW 2004, 2671, 2672 f.).

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.05.2005 anführt, sie habe nunmehr erfahren, dass die Beklagte durchgesetzt habe, dass die seitens der Unteren Forstbehörde vorgenommene Einstufung der Parzelle 171 als Waldfläche aufgegeben worden sei und somit keine Einwendungen mehr gegen die Gewerbenutzung nach den Festsetzungen des 1995 geltenden Bebauungsplans G 135 erhoben werden, bedarf es nicht der Einholung eines ergänzenden Gutachtens. Der Sachverständige R... hat die streitigen Flächen grundsätzlich als Gewerbefläche behandelt, den Wert aber einerseits wegen der fehlenden Erschließung und andererseits wegen des notwendig werdenden Waldumwandlungsverfahrens reduziert, wobei er sich wegen dieser Notwendigkeit maßgeblich auf die Einordnung, die Untere Forstbehörde im Jahre 2001 abgegeben hat, stützte. Nach den Ausführungen der Behörde vom 08.01.2001, die der Sachverständige in seinem Gutachten wiedergegeben hat, muss geschlossen werden, dass diese Bewertung, wäre sie im Jahr 1995 abgefragt worden, nicht anders ausgefallen wäre, zumal die entscheidende Parzelle 171 im Grundbuch schon als Walfläche angeführt ist. Auf dem Industriemarkt wäre dieser Umstand daher auch seinerzeit preisreduzierend berücksichtigt worden. Eine Sittenwidrigkeit käme aufgrund dieses Umstandes daher nur dann in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die erhebliche Wertsteigerung, durch die Aufgabe der Einordnung als Waldgrundstück zweifellos erfahren, bereits seinerzeit sicher war und der Käufer dies erkennen musste (vgl. dazu :BGH WM 1996, 262, 264; RGZ 128, 251, 259; Soergel/Hefermehl § 138 BGB Rdnr. 75). Dazu lässt sich dem Vortrag Klägerin nichts Ausreichendes entnehmen; insbesondere kann sie nicht behaupten, dass bereits 1995 die Einstufung als Waldfläche durch die Untere Forstbehörde bekanntermaßen unzutreffend war. Immerhin musste die Beklagte wegen der Ansicht der Forstbehörde erst einen verwaltungsgerichtlichen Prozess führen. Schließlich ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Dr. B... vom 14.09.2000, dass seinerzeit nicht geklärt werden konnte, wie wertvoll diese Flächen waren, d.h. ob daraus möglicherweise Bauland oder Bauerwartungsland werden könnte. Nach der Erinnerung des Zeugen war diese Frage auch durch Rückfrage beim Bauamt nicht zu klären. Der Erblasser soll nach der Aussage des Zeugen deshalb sogar gewusst haben, dass er im Hinblick auf die offene bauplanungsrechtliche Situation der Beklagten und ihrem Ehemann möglicherweise eine Zuwendung mache.

Die ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 16.06.2005 rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Zwar trägt sie darin eine Reihe weiterer Umstände vor, die es auch schon 1995 hätten rechtfertigen können, die hier streitigen Flächen als Gewerbegebiet ohne Waldumwandlungsverfahren zu nutzen. Die Klägerin hat aber auch in diesem Schriftsatz nichts dazu vorgetragen, dass objektiv am 01.09.1995 festgestanden habe, dass die entsprechenden u.a. auch im Kaufvertrag als landwirtschaftliche Fläche bzw. Waldfläche bezeichneten Grundstücke ohne weiteres als bebaubare Gewerbefläche ohne zusätzliche Auflagen der Forstbehörde genutzt werden konnten und die Beklagte dies erkennen musste. Zwar ist die Beklagte nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung und entgegen dem von ihr schriftsätzlich entworfenen Bild keineswegs eine unbedarfte Hausfrau, die sich mit dem Erwerb auf ein kaum überschaubares Risikogeschäft eingelassen hat. Sie ist vielmehr ausgesprochen geschäftstüchtig und hat auch die Gebäude vor dem Kauf einer Bestandsaufnahme durch eine Architektin unterzogen. Dies allein lässt aber nicht den Rückschluss zu, sie habe 1995 etwa durch Einsehen der Bauakten insbesondere des Gutachtens des Sachverständigen B... aus dem Jahr 1971 erkennen können, dass eine Einstufung als Waldfläche unter keinen Umständen in Betracht komme und sie nach dem Kauf einen verwaltungsgerichtlichen Prozess deshalb sicher gewinnen werde. Dass die Einsicht in die Bauakte eine solche Kenntnis über die unzutreffende Einschätzung der Forstbehörde nicht ohne Weiteres verschaffte, ergibt sich überdies daraus, dass der Sachverständige R... die Bauakte anlässlich seiner Begutachtung tatsächlich hat einsehen lassen und er daraus keineswegs den Schluss gezogen hat, entgegen der Auskunft der Unteren Forstbehörde sei die Fläche nicht als Wald anzusehen.

Für die Berechnung der Leistung ist daher im Ergebnis von einem Betrag von 1.449.000 DM auszugehen, der um den Wert des Herrn U... eingeräumten und im Grundbuch eingetragenen Wohnrechts von 183.000 DM zu reduzieren ist. Diesen Betrag hat der Sachverständige für den Wert des Wohnrechts an der Wohnung im Erdgeschoß des Hauses F... Strasse 44 unter Berücksichtigung der statistisch anzusetzenden Lebenserwartung eines 62-Jährigen errechnet. Gegen diese Berechnung haben die Parteien keine grundsätzlichen Bedenken erhoben. Der Wert des Wohnrechtes ist nicht, wie vom Landgericht angenommen, auf einen Betrag bei einer entsprechenden Lebenserfahrung von fünf Jahren zu reduzieren. Zwar hat der Sachverständige Dr. L... sich dahingehend eingelassen, bei dem angegriffenen Gesundheitszustand des Herrn U... sei nur eine geringe Lebenserwartung realistisch gewesen. Davon sind die Parteien aber offensichtlich selbst nicht ausgegangen. Vielmehr haben sie unter Abs. 2.6 Unterabsatz 2 Satz 2 des Vertrages ausdrücklich vorgesehen, dass nach Ablauf von 14 Jahren die Alters- und Hinterbliebenenrentenansprüche in voller Höhe anzurechnen seien und damit annähernd auf die statistisch vorgesehene Lebenserwartung eines 63-Jährigen zurückgegriffen.

Dass der Klägerin im Falle des Ablebens ihres Ehemanns vertraglich eingeräumte zweijährige schuldrechtliche Wohnrecht ohne Zahlungspflicht ist hingegen nicht vom Wert der Immobilie abzuziehen, da die Immobilie insofern nicht dinglich belastet wurde.

bb) Dem stehen als Gegenleistung der Beklagte folgende Beträge gegenüber:

 Forderungsaufstellung 1 inklusive Zinsen 292.000,00 DM
Forderungsaufstellung 3 304.000,00 DM
Rentenrecht für die Eheleute U... 184.377,00 DM
schuldrechtliches Wohnrecht ohne Gegenleistung der Klägerin nach Ableben des Ehemannes 31.000,00 DM
 812.977,00 DM.

Gegen diese Ansätze hat die Klägerin nichts Wesentliches vorgebracht. Sie wendet sich zwar mit ihrer Berufung dagegen, dass das Landgericht pauschal ca. 1 Mio. DM als Gegenleistung der Beklagten angenommen und sich dabei auf die eigene überschlägige Berechnung der Klägerin insbesondere des Rentenrechts gestützt hat. Dessen Berechnung war aber in erster Instanz unstreitig, so dass es insoweit keiner Begutachtung bedurfte.

Die Differenz zwischen dem Wert von ca. 1 Mio. DM und dem jetzt angenommenen Wert ergibt sich im übrigen daraus, dass das dingliche Wohnrecht des Herrn U... nicht als Gegenleistung sondern als Minderungsbetrag der Leistung zu berücksichtigen ist.

Zwar erscheint es, angesichts der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.11.2004 erstmals ohne nähere Erläuterung vorgelegten Belege zur Forderungsaufstellung 1 und 2 des Kaufvertrages zweifelhaft, ob die insbesondere in der zweiten Forderungsaufstellung enthaltenen Beträge sämtlich Verbindlichkeiten darstellten, mit denen Herr U... im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses tatsächlich noch belastet war, d.h. ob die Gläubigerliste bzw. die Höhe der Verbindlichkeiten zugunsten der Beklagten nicht künstlich "aufgebläht" war, so dass die Beklagten den nominell zu erbringen Wert wirtschaftlich von vornherein nicht erbringen musste. Dies gilt insbesondere für die Position 11, 29, 39, 41, 42, 44, 48 und 50. So ist in die Liste ein Betrag für die Krankenkasse in Höhe von 8.100 DM als Verbindlichkeit aufgenommen (Pos. 29), der keine Rechnung zugrunde liegt und die sich dadurch erledigt haben soll, dass der Erblasser "bei der A... bis zum Lebensende versichert gewesen sei". Positionen 39 und 42 sehen jeweils einen Betrag von 1.000 DM vor, der zum einen den identischen Posten wegen Wohnraumleerstand betrifft und auf den überhaupt keine Zahlungen mehr zu erbringen waren. Ferner ist unter Pos. 48 ein Betrag von 13.000 DM für den Unterstützungsverein aufgeführt. Während mit Schriftsatz vom 08.12.1998 von der Beklagten dazu noch lapidar behauptet wurde, dass diese Zahlung durch entsprechende Regelungen innerhalb des Vereins bereinigt worden sei, wird in der Aufstellung vom 15.11.2004 ohne jeglichen Beleg eine Zahlung an den Geschäftsführer U... behauptet.

Schließlich wird zur Forderung von 6.983,16 DM (Position 50) der V... Versicherung, die nach der Liste vom 13.01.1994 herrühren soll, eine Beitragsrechnung vom 04.09.1991 vorgelegt, die aber bereits einen Verrechnungsvermerk aus 10/91 trägt und im übrigen von der Beklagten auch nicht bedient wurde. Ferner ist als Pos. 11 - P... Gebäudeversicherung Anteil 8 Monate - ein Betrag von 3.830,47 DM vorgesehen. Tatsächlich machte diese Position bezogen auf das ganze Jahr nur 2.223,40 DM aus, wovon auf den Erblasser einen Anteil von 8 Monaten entfiel, so dass tatsächlich nur ein Betrag von 1.482,67 DM zu berücksichtigen gewesen wäre. Auch die unter Pos. 41 und 44 aufgeführten Abgaben gegenüber der Stadt S... - insgesamt 17.383,94 DM - schlugen tatsächlich nur mit 13.161,36 DM zu Buche, so dass die Schuld um 4.222,58 DM zu hoch eingestellt war.

Aber selbst wenn diese Beträge aus der Gegenleistung der Beklagten herausgerechnet werden (insgesamt : 36.653.54 DM) und zu ihren Gunsten deshalb nur ein Betrag von 776.323,46 DM angesetzt wird, lässt sich nur ein Missverhältnis von ca. 63 % zur Leistung von 1.266.000 DM errechnen, was nach der Rechtsprechung nicht ausreicht, um als auffällig bezeichnet zu werden.

cc) Bei der Bestimmung des auffälligen Missverhältnisses können auch Risiken, die eine Partei übernommen hat, von Bedeutung sein (vgl. Staudinger/Sack § 138 BGB Rdnr.177). Insofern ist noch nicht berücksichtigt worden, dass zu Lasten der Beklagten ein gewisses Restrisiko gemäß § 419 BGB (i. d. bis 1998 gelt. Fass.) bestand, für bisher nicht bekannte Verbindlichkeiten zu haften. Zwar kann diesem Aspekt nicht diejenige Bedeutung beigemessen werden, die die Beklagte vorgibt. Denn die Beklagte und ihr Ehemann hatten seit Februar 1995 Einblicke in die finanziellen Verhältnisse des Herrn U... und es wurden rechtzeitig vor Vertragabschluss über den Notar Auskünfte bei den Gläubigerin eingeholt; zudem erfolgte die Forderungszusammenstellung durch den Zeugen ... S.... Der Aspekt kann aber nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus ist der Klägerin vertraglich ein (schuldrechtliches) Wohnrecht für eine Wohnung im Objekt F... Strasse eingeräumt. Dafür muss die Klägerin zwar nach dem Vertrag nach einiger Zeit ein Entgelt entsprechend einer Miete zahlen, dies beseitigte aber das Wohnrecht nicht vollständig, weshalb die Beklagten die Klägerin in ihrer Nähe dulden muss, was ihr, wie sich auch aus der Aussage der Zeugin S... entnehmen lässt, offensichtlich schon 1995 schwer gefallen ist.

Ausgeglichen werden diese zusätzlichen Belastungen der Beklagten andererseits wiederum durch die "schwache" dingliche Absicherung der Rechte des Herrn U... (vgl. dazu noch BGH NJW 1982, 2767). Zwar wurden entsprechende Belastungen (beschränkt persönliche Dienstbarkeit, Reallasten und Grundschuld), wie vertraglich vorgesehen, im Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig war aber zugunsten der Beklagten vereinbart, dass die eingeräumten Rechte unter mehrfach ausübbarem Vorrangsvorbehalt für Grundpfandrechte bis zum Gesamtbetrag von 970.000 DM nebst 20 % Jahreszinsen standen. Damit war der bankenübliche Beleihungswert der Immobilien (60 %) aber mehr als erschöpft. Es war auch von Anfang an klar, dass die Beklagte die entsprechenden Kredite aufnehmen würde.

Im Ergebnis bestehen daher keine zusätzlichen Aspekte, die das errechnete Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gravierend verändern könnten. Insgesamt lässt sich daher kein auffälliges Missverhältnis i.S. von § 138 Abs. 2 BGB feststellen.

Da es bereits am objektiven Tatbestandsmerkmal fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB in subjektiver Hinsicht erfüllt sind, so dass es auch unter diesem Aspekt keines ergänzenden Gutachtens zum Geisteszustand des Herrn U... wegen Unzulänglichkeiten des Gutachtens Dr. L... bedarf.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1922, 1931 BGB auf Rückübertragung der Immobilien zu. Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB liegen ebenfalls nicht vor.

Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt; dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder er sich zumindest leichtfertig der Kenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat (vgl. dazu BGH NJW 2001, 1127, NJW 2002, 429, 430). Vorliegend liegt es zwar nahe davon auszugehen, dass die Beklagte bewusst die schwächere Position des Erblassers ausgenutzt hat. Dieser befand sich trotz der vorhandenen Immobilien in einer wirtschaftlich katastrophalen Lage. Er hatte den Überblick über seine Finanzen verloren und war im Frühjahr 1995 schon nicht mehr in der Lage einen Betrag von 1.000 DM aufzubringen, um so seiner damals schon kranken Ehefrau die Verbüßung einer Haftstrafe von 30 Tagen zu ersparen. Gleichzeitig hat sich die Beklagte bzw. deren Ehemann systematisch seit Februar 1995 Einblick in die Verhältnisse des Erblassers verschafft, z.B. durch Abfragen der Verbindlichkeiten bei den Gläubigern oder durch Begutachtung der Bausubstanz durch die Architektin N... vor Vertragsabschluss. Dies alles reicht jedoch nicht aus, um den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB zu bejahen, da die subjektive Seite die fehlende objektive Seite, nämlich ein auffälliges Missverhältnis von Leistungen und Gegenleistung nicht vollständig ersetzen kann. Letzteres lässt sich aber nicht feststellen, wie bereits im Rahmen der Erörterung zu § 138 Abs. 2 BGB dargelegt wurde.

3. Der Klägerin steht auch kein Rückübertragungsanspruch gemäß den §§ 440, 433, 326, 346 ff. BGB a.F., 1922, 1931 BGB zu.

Der Rücktritt vom Vertrag wurde nicht wirksam erklärt, da es zumindest an einer wirksamen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung im Schreiben vom 14.03.1997 fehlte.

a. Es kann allerdings keinen Zweifeln unterliegen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Einkommensteuerschuld des Herrn U..., die das Finanzamt S... mit Steuerbescheid vom 12.06.1996 für das Jahr 1994 festgesetzt hat, aufgrund der Vorgaben des Vertrages vom 01.09.1995 zu übernehmen, damit die Klägerin von den Finanzbehörden nicht, wie tatsächlich geschehen, in Anspruch genommen wurde. Die Übernahme dieser Verbindlichkeit war eine Hauptleistungspflicht der Beklagten, denn es ist unstreitig, dass sich diese Steuerschuld hinter der Bezeichnung "Finanzamt Steuerlast auf Betriebsausgabe" in der zweiten Forderungsaufstellung zum Kaufvertrag verbirgt.

Die Beklagte irrt, wenn sie - wie auch im Termin vom 06.06.2005 erneut zum Ausdruck gebracht - meint, die Klägerin hätte ihr unbedingt noch die Möglichkeit einräumen müssen, mit den Finanzbehörden über die Herabsetzung der Steuerschuld zu verhandeln. Nach dem Vertrag sollte sie die Verbindlichkeiten des Herrn U... endgültig übernehmen, ohne dass diesen oder seine Rechtsnachfolgerin noch eine Verpflichtung zur Mitwirkung und Abwicklung der Schulden als Nebenvertragspflicht traf. Die Beklagte hat selbst in ihrer Klageerwiderung vom 22.05.1998 - allerdings im Rahmen ihrer Argumentation zum Fehlen der Sittenwidrigkeit - hervorgehoben, dass eines der Motive des Erblassers die Sicherstellung der Schuldentilgung und zwar "mit der Maßgabe, dass er mit deren Feststellungen und Abwicklung nichts mehr zu tun haben würde" gewesen. Dieses Motiv, das auch in der Aussage des Zeugen Dr. B... zum Ausdruck kommt, erklärt auch, weshalb Herr U... nach den Vertragsbestimmungen nicht mehr davon profitieren sollte, wenn die Verbindlichkeit geringer oder die Gläubiger auf Teilbeträge verzichten würden. Mit dieser Absicht wäre eine vertragliche Pflicht des Herrn U..., der Beklagten bei der Senkung der Steuerschuld behilflich sein zu müssen, mit der Konsequenz, dass die fehlende Mithilfe auf seiten der Beklagten zur Zahlungsverweigerung berechtigen würde, nicht vereinbar.

Etwas anderes ergibt sich nicht, wie die Beklagte meint, aus der Anlage K4 zur Klageschrift. Es handelt sich um einen internen Vermerk der Steuerbehörde; daraus kann die Beklagte nicht im Verhältnis zur Klägerin zu ihren Gunsten herleiten, ein Gutachten hätte auf jeden Fall eingeholt werden müssen.

Ferner standen noch weitere Schuldübernahmen der Beklagten im Jahre 1996 aus. So waren die Erschließungskosten, die schon 1994 festgesetzt waren, in Höhe von rund 98.000 DM noch nicht ausgeglichen, dies geschah erst am 06.11.1996, wobei in diesem Zeitpunkt Säumniskosten in Höhe von fast 10.000 DM aufgelaufen waren. Auch die noch offenen Grundabgaben für 1995 wurden erst am 20.10.1997 getilgt. Schließlich stehen ausweislich eines Schreibens Stadtwerken S... vom 03.11.1995 noch 11.221,86 DM offen; aus der Aufstellung der Beklagten zum Schriftsatz vom 05.11.2004 ergibt sich nicht, dass dieser Betrag bis heute gezahlt worden ist.

Die Klägerin hätte daher nach dem Tod ihres Ehemannes hinreichenden Grund gehabt, die Beklagte hinsichtlich der bis dahin nicht erbrachten Leistungen in Verzug zu setzen und deren Leistungen nach Fristsetzung abzulehnen.

b) Die Schreiben vom 30.08.1986 und 14.03.1997 haben jedoch diese Rechtsfolgen nicht herbeizuführen vermocht, da die Klägerin dem Gesichtspunkt der verbindlichen Klärung der Sittenwidrigkeit Vorrang eingeräumt hat.

aa.) Es ist schon fraglich, ob die Beklagte gemäß § 284 BGB a.F. ordnungsgemäß in Verzug gesetzt wurde.

(1) Das Schreiben vom 30.08.1996 stellt keine ausreichende Mahnung im Sinne von § 284 BGB a.F. dar. Dem Schreiben fehlt es insoweit an der Bestimmtheit. Die Beklagte wurde darin nur pauschal aufgefordert, Gläubigern die Schuldübernahme anzuzeigen und die übernommenen Schulden unverzüglich zu tilgen. Da die Beklagte unstreitig einen Teil der Verbindlichkeiten zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeglichen hatte, hätte es einer konkreten Aufforderung zur Übernahme bestimmter Schulden bedurft.

(2) Das Schreiben vom 14.03.1997 kann zwar grundsätzlich als ein Mahnschreiben angesehen werden; insofern erfolgte konkret die Aufforderung zur Tilgung der bestandskräftigen Steuerschuld. Ein Mahnschreiben kann auch mit dem Schreiben zur Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung verbunden werden.

(3) Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines im Oktober 1996 konkludent geschlossenen Stillhalteabkommens allerdings gehindert, die Beklagte mahnend zur Leistung aufzufordern.

Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 01.10.1996 erstmals die Sittenwidrigkeit des Übertragungsvertrages geltend gemacht, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 10.10.1996 mit der Erhebung einer negativen Feststellungsklage drohte, falls die Klägerin nicht die Wirksamkeit des Vertrages bestätigen würde. Daraufhin hat die Klägerin zur Vermeidung einer solchen Klage der Beklagten mit Schreiben vom 28.10.1996 konzediert, für den Fall, dass sie bei ihrem Rückforderungsverlangen bleibe, keine Erfüllungsleistungen aus dem Vertrag zu verlangen. Diese Zusage in der Art eines pactum de non petendo (vgl. dazu BGH NJW 2000, 2661, 2662) hat die Klägerin auch im März 1997 noch gebunden, denn ihre Lage hatte sich seit Oktober 1996 nicht erheblich geändert. Wie sich aus dem Schreiben vom 14.03.1997 eindeutig ergibt, hielt die Klägerin an ihrer Auffassung zur Sittenwidrigkeit ausdrücklich fest. Darüber hinaus war der Klägerin bereits im Jahre 1996 bekannt, dass der Durchsetzung der Steuerforderung durch die Finanzbehörden nichts entgegenstand, da der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hatte und sie im Übrigen auch im Oktober 1996 von der Beklagten noch keine Information darüber erhalten hatte, wie der Widerspruch begründet werden könnte. Zwar lässt sich der Annahme eines gegenseitigen Stillhalteabkommens entgegenhalten, dass die Erklärung der Klägerin im Schriftstück vom 28.10.1996 die Beklagte nicht gehindert hätte, eine negative Feststellungsklage zu erheben. Die Beklagte hat sich daran aber gehalten, was nur dahin verstanden werden kann, dass sie damit einverstanden war. Ferner hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2005 klar zu erkennen gegeben, dass sie mit der damaligen Erklärung ernsthaft beabsichtigt hatte, die Beklagte an einer eigenen Klage zu hindern. Sie wollte also nicht nur eine unverbindliche Erklärung abgeben, von der sie jederzeit wieder abrücken konnte.

(4) Darüber hinaus erfolgte die Mahnung am 14.03.1997 nur "hilfsweise" und reichte für eine Inverzugsetzung im konkreten Fall nicht aus.

Richtig ist zwar, dass nach der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16.06.2005 zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes (NJW 1981, 1732) auch ein hilfsweise gestellter Klageantrag gemäß § 284 Abs. 1 BGB a.F. den Verzug herbeiführen kann und kein Grund bestehen soll, die Anmahnung eines hilfsweise geltend gemachten Zahlungsanspruchs nur deshalb anders zu behandeln, weil dies vorprozessual geschehen ist. Dieser Grundsatz ist aber auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da er von dem entschiedenen erheblich differiert. Der dortigen Klägerin stand gegen die Beklagte entweder ein Anspruch als Erbin, oder falls dies verneint würde, zumindest ein Pflichtteilsanspruch zu, der vorprozessual "hilfsweise" angemahnt worden war. Auch wenn sich Miterbenstellung und Pflichtteilsrecht grundsätzlich ausschließen, war deshalb klar, dass die dortige Beklagte der Klägerin auf jeden Fall etwas aufgrund des Erbfalles schulden würde. Der Bundesgerichtshof hat es damals für gerechtfertigt angesehen, die Voraussetzungen der §§ 284,285 BGB a.F. zu bejahen, weil ein späterer Ausgleich dadurch möglich sei, dass die auf den Pflichtteil erbrachten Leistungen auf einen später festgestellten Miterbenanteil angerechnet würden. Vorliegend geht es aber nicht um unterschiedliche Leistungen der Beklagten, die einander ausschließen, sondern um die Frage, ob überhaupt eine Leistungspflicht besteht.

Hinzu kommt folgende Überlegung, die im konkreten Fall ebenfalls eine Inverzugsetzung ausschließt: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof setzt ein Anspruch des § 326 BGB a.F. die eigene Vertragstreue des Gläubigers voraus. Ist diese zu verneinen, so können die Rechte des Gläubigers aus § 326 BGB a.F. ausgeschlossen seien, wenn und solange er selbst vertragsuntreu ist und dieses Verhalten nach Art und Tragweite geeignet ist, den Vertragszweck zu gefährden (vgl. etwa BGH NJW-RR 1994, 372 m.w.N.). Dieser Grundsatz greift bereits im Vorstadium des Schuldnerverzugs ein, so dass bereits mit Rücksicht auf § 320 BGB a.F. kein Verzug eintreten kann (vgl. BGH NJW 1987, 251, 253; NJW 1971, 1747).

Objektiv war das Verhalten der Klägerin, die Rückübertragung der Immobilien zu verlangen aber vertragswidrig und gefährdete den Vertragszweck. Richtig ist allerdings, dass der Erblasser selbst bereits 1995 alles getan hatte, um den Vertrag seinerseits zu erfüllen, so dass insofern keine "Vertragsuntreue" vorliegt.

Der Bundesgerichtshof hat in der unter NJW 1999, 352 abgedruckten Entscheidung den Einwand der eigenen Vertragsuntreue des zusätzlich wegen der fehlenden Gegenleistung des Vertragspartners Zurücktretenden auch nicht auf die zuvor erklärte Anfechtungshandlung wegen arglistiger Täuschung gestützt, die im Verfahren allerdings nicht bewiesen werden konnte, sondern auf die vom klagenden Käufer darüber hinaus nicht erbrachte Kaufpreiszahlung.

Nach Auffassung des Senates setzt die eigene Vertragstreue - gerade auch nachdem die eigene Leistung zunächst erbracht wurde - weiterhin ein "zu dem Vertrag stehen" voraus. Beruft sich deshalb der Verkäufer nachträglich auf die Nichtigkeit des Vertrages und fordert deshalb seine eigene Leistungen zurück, leugnet er seine eigene Leistungspflicht, um deretwillen der Vertragspartner die Gegenleistung schuldet. Er ist damit objektiv nicht mehr "vertragstreu", mag er auch gute Gründe für diesen Schritt haben. Das gleichzeitige Berufen auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages und die Forderung der noch nicht erbrachten Gegenleistung schließen sich ab diesem Zeitpunkt aber aus, da die Gegenleistung nicht mehr angenommen werden darf, weil aus Sicht des Fordernden ja kein Rechtsgrund mehr besteht. Dieser Konflikt kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass die Forderung nach der Gegenleistung nur "hilfsweise" erhoben wird, d.h. nur für den Fall angenommen werden soll, dass die Nichtigkeit später nicht bewiesen wird. Dies muß jedenfalls dann gelten, wenn wie im vorliegenden Fall innerhalb der gesetzten Frist eine Klärung der Rechtsfrage, die über Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung entscheidet, offensichtlich nicht herbeigeführt werden kann.

Gegen die Annahme einer dem Verzug der Beklagten entgegenstehenden Vertragsuntreue der Klägerin könnte allerdings sprechen, dass die Beklagte selbst für den Fall, dass die Klägerin von der Geltendmachung der Sittenwidrigkeit des Vertrags Abstand nehmen würde, darauf beharrte - und ausweislich des Verhandlungstermins vom 06.Juni 2005 immer noch beharrt -, dass sie die Schuld gegenüber dem Finanzamt nicht hätte begleichen müssen, weil die Klägerin ihr insoweit keine Chance zur Nachverhandlung mit diesem gegeben habe (vgl. zu diesem Aspekt BGH NJW 1977, 580, 581).

bb) Letztendlich kann die Frage, ob die Klägerin infolge des Schreibens vom 28.10.1996 schon an der Mahnung gehindert war oder der Inverzugsetzung der Beklagten eine eigene objektive Vertragsuntreue entgegen stand, aber offen bleiben, weil die Erklärung vom 14.03.1997 hinsichtlich der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung im Sinne von § 326 Abs. 1 BGB a.F. unzulässig an eine aufschiebende Bedingung geknüpft wurde, dass nämlich eine gerichtliche Entscheidung ergeht, die die Verbindlichkeit des Vertrags feststellt. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gemäß § 326 BGB a.F. ist jedoch bedingungsfeindlich.

Bei der Nachfristsetzung, die wie im vorliegenden Fall mit der Erklärung verbunden ist, dass der Gläubiger die Annahme der Leistung nach Ablauf der Frist ablehne, handelt es sich um eine Willenserklärung, der jedenfalls nach fruchtlosem Fristablauf Gestaltungswirkung zukommt, weil dann die beiderseitigen Erfüllungsansprüche erlöschen (vgl. BGHZ 114, 360, 366; Münchener Kommentar-Emmerich, 4. Aufl., § 326 BGB a.F., Rdnrn. 41, 93; Soergel/Wiedemann, 12. Aufl., § 326 BGB a.F. Rdnr. 27, 48). Für sie kann nichts anderes gelten, als bei einseitigen Gestaltungserklärungen im engeren Sinne, wie etwa der Kündigung oder dem Rücktritt (vgl. BGH a.a.O.; vgl. auch Staudinger/Borg, Vorbem. zu §§ 158 ff. BGB, Rdnr. 38). Gestaltungsrechte vertragen grundsätzlich keine Bedingung, weil sie die Rechtslage eindeutig klären müssen. Die Erklärungsempfänger sollen nicht im Ungewissen über den durch die Willenserklärung des Berechtigten neu zu schaffenden Rechtszustandes sein. Die Bedingungsfeindlichkeit dient also dem Schutz des Erklärungsempfänger vor Ungewissheit. Daraus folgt, dass die Beifügung einer Bedingung nur dann zuzulassen ist, wenn sie für den Erklärungsgegner keine untragbare Ungewissheit über den neuen Rechtszustand schafft. Letzteres gilt z.B. bei Rechtsbedingungen, aber auch für Bedingungen, deren Eintritt allein vom Willen des Erklärungsempfängers abhängt (vgl. BGHZ 97, 264, 267).

Um solche Ausnahmebedingungen handelt es sich bei der Erklärung der Klägerin vom 14.03.1996, "rein vorsorglich für den Fall, dass durch die Gerichte wider erwarten die Wirksamkeit des notariellen Vertrags bestätigt werden sollte," nicht. Unabhängig davon, dass es sich um ein "Hilfsvorbringen" in der Art eines prozessualen Eventualvorbringens handelt, was an den Worten "rein vorsorglich" zum Ausdruck kommt, wird die Wirkung der Erklärung vom Eintritt eines ungewissen zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht, nämlich einer verbindlichen Entscheidung der Gerichte über die fehlende Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages von 1995. Darin liegt keine Rechtsbedingung. Rechtsbedingungen sind Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäftes (vgl. Soergel/Wolf, 13. Aufl., vor § 158, Rdnr. 8). Die Wirksamkeit des Kaufvertragsgeschäftes der Beklagten mit dem Erblasser hängt aber nicht von der Gerichtsentscheidung selbst ab. Wenn die Voraussetzungen des § 138 BGB gegeben sind, ist das Rechtsgeschäft vielmehr von Anfang an nichtig. Davon zu trennen ist die Frage, ob sich die entsprechende Nichtigkeit gerichtlich nachweisen lässt. Genau darum geht es aber in der von der Klägerin genannten Kondition. Der Eintritt der gesetzten Bedingung hängt damit von einer der Beklagten nicht bekannten und von ihr nicht zu beeinflussenden Entscheidung der Gerichte ab, weshalb es sich um eine echte Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB handelt. Die von der Klägerin gesetzte Bedingung ist insofern mit derjenigen, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofes abgedruckt in BGHZ 97, 264 ff. zugrunde lag, vergleichbar. Dort hatte eine Klägerin erklärt, für den Fall, dass der Zuschlag einem Dritten erteilt würde, erkläre sie den Rücktritt vom Übertragungsvertrag. Der Bundesgerichtshof hielt in der angeführten Entscheidung wegen der Bedingungsfeindlichkeit des Rücktritts eine solche Verknüpfung mit einem unbekannten Versteigerungsverhalten eines Dritten für nicht zulässig, weshalb es an einer wirksamen Rücktrittserklärung fehlte (vgl. BGHZ 97, 264, 268). Dies hat auch vorliegend für die Gestaltungserklärung der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu gelten.

Mithin hat sich das Vertragsverhältnis nicht in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt, weshalb die 1995 übertragenen Immobilien von der Klägerin nicht zurückverlangt werden können.

Der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des Schriftsatz der Klägerin vom 16.06.2005 kommt nicht in Betracht. Wie die obigen Ausführungen zeigen, rechtfertigt das dortige Vorbringen keine abweichende Entscheidung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 ZPO zuzulassen liegen nicht vor.

Streitwert: 647.295,52 € (1.266.000 DM).

Ende der Entscheidung

Zurück