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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: I-9 U 29/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 416
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. August 2006 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war gemäß Anstellungsvertrag vom 30.12.1998 Geschäftsführer im Unternehmen der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Zuvor war er seit dem 1. September Arbeitnehmer der M...-M... AG, die später umfirmierte in M... D... AG. In Vertretung der M...-M... AG hat die M... AG den Kläger im September 1971 zum E... V... angemeldet. Er war zuletzt als Direktor mit einem Monatsgehalt von 17.000,- DM in die zweithöchste Stufe "0" des E... V... eingestuft. Dieser Geschäftsbereich wurde durch Vertrag vom 31.12.1998 an die Rechtsvorgängerin der Beklagten veräußert.

Zum 1.1.1999 hat die Beklagte (unter damals anderer Firmenbezeichnung) einen Betriebsteil der M... AG gekauft, dem auch der Kläger angehörte. Außerdem hat sie mit dem Kläger per 1.1.1999 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen.

Das Anstellungsverhältnis des Klägers wurde mit Schreiben 01.06.2001 zum 31.12.2001 gekündigt. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt monatlich 28.800,- DM.

Am 15.10.2004 hat der Kläger das Pensionsalter erreicht. Mit einer Klage vor dem Landgericht Mönchengladbach - 7 O 227/02 - hat er zunächst vergeblich die Zahlung eines Übergangsgeldes bis zur Erreichung der Altersgrenze verlangt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Nachzahlung der Differenz zwischen der Gruppe "O" und der Gruppe "R", der höchsten Stufe des E... V..., für die Zeit vom 01.11.2004 bis einschließlich 01.05.2005. Dies sind monatlich 3.080,40 €, insgesamt somit 21.562,80 €.

Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, er wäre, wenn er bei seinem früheren Arbeitgeber, der M... D... AG, verblieben wäre, aufgrund der der Pensionszusage innewohnenden Dynamik in die Gruppe "R" eingestuft worden. In § 7 Abs. 4 des Anstellungsvertrages vom 30. Dezember 1998 habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten sich verpflichtet, ihn so zu behandeln, als ob er Mitarbeiter bei der M... D... AG geblieben wäre.

Hingegen hat die Beklagte die Forderung des Klägers nach Grund und Höhe bestritten und dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei zwar in die Leistungsgruppe "0" übernommen worden, allerdings nur im Sinne einer Besitzstandswahrung. Auch sei nicht zu erwarten gewesen, dass der Kläger bei einem Verbleib bei der M... D... AG in die Gruppe "R" des E... V... hochgestuft worden wäre.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (Bl. 168 ff. GA).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist unter Verwertung der Zeugenaussagen im Rechtsstreit 7 0 227/02, insoweit weitgehend mit Zustimmung der Parteien (vgl. dazu Bl. 168 GA) und eigener ergänzender Beweiserhebung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage nach § 7 Abs. 4 des Anstellungsvertrages vom 30. Dezember 1998 begründet ist. Denn die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe gegenüber dem Kläger auch die den Regelungen des E... V... innewohnende Dynamik übernommen. Auch sei es "höchstwahrscheinlich", dass der Kläger bei der Firma M... in die Gruppe "R" des E... V... eingestuft worden wäre. Dies ergebe sich als Ergebnis der Beweisaufnahme und werde bestätigt durch die hohe berufliche Qualifikation des Klägers und die Tatsache, dass er einer hochprofitablen Abteilung vorgestanden habe.

Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen (Bl. 168 ff. GA).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung.

Sie macht im Wesentlichen geltend, die Vollständigkeitsvermutung des § 416 ZPO schließe aus, dass die Beklagte versprochen habe, den Kläger mit Ruhestandsbezügen in der verlangten Höhe "zu bedienen".

Dem Kläger stehe auch keine Anspruchsgrundlage für eine Höherstufung in die Gruppe "R" zur Seite. Schließlich sei dem Kläger am 1. Juni gekündigt worden. Er hätte folglich auch im Konzernbereich der Firma M... nicht Hauptabteilungsleiter oder Betriebschef werden können.

Auch habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die seinerzeitige Pensionslage und Zusage von M... zwar weiter gelten sollte; dies habe aber die Gruppe "0" betroffen. Auch nach dem Vorbringen des Klägers sei zu keiner Zeit die Rede davon gewesen, dass sie sich verpflichtet habe, Ruhestandsbezüge nach Maßgabe einer fiktiven Karriere und rein spekulativen Beschlusslage der Firma M... D... AG zu zahlen.

Die Beklagte beantragt demgemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Landgerichts

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Sie ist auch nach Auffassung des Senats gemäß § 7 Abs. 4 des Anstellungsvertrages vom 30. Dezember 1998 verpflichtet, an den Kläger eine um monatlich 3.080,40 € erhöhte Altersversorgung zu zahlen.

Anders als das Landgericht meint, kommt es hier allerdings nicht darauf an, ob der Kläger bei einem Verbleib bei der Firma M... D... AG weiter zum Hauptabteilungsleiter oder Betriebchef befördert worden wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger bei der Beklagten ein deutlich höheres Gehalt bezogen hat, als es vor dem Betriebsübergang der Fall war.

Das Gehalt des Klägers betrug bei der Firma M... D... zuletzt 17.000,- DM pro Monat (204.000,- DM p.a.). Bei der Beklagten erhielt er hingegen zunächst ein um 47 % höheres Gehalt von 25.000,- DM (300.000,- DM p.a.), das sich noch auf 28.800,- DM (345.600,- DM p.a.) gesteigert hat und damit um 69 % höher lag, als das zuletzt bei der Firma M... D... gezahlte Gehalt.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger angesichts dieser erheblichen Steigerung bei der Firma M... mit diesem Gehalt in die Gruppe "R" des E... V... hochgestuft worden wäre.

Der Zeuge S... hat im Rechtsstreit 7 0 227/02 LG Mönchengladbach (Bl. 260 ff. BA) ausgesagt, dass bei der Firma M... die Gehälter jedes Jahr angepasst wurden und daraufhin auch eine Überprüfung der Einstufung nach der Leistungsordnung im E... V... erfolgte. Die Einstufung sei nicht abhängig von der Funktion, sondern vom Gehalt gewesen. Es habe eine Abhängigkeit bei der Einstufung im E... V... zwischen Gehalt und Gruppenzugehörigkeit bestanden, auch wenn von einem Automatismus nicht gesprochen werden könne. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, er sei davon überzeugt, dass auch der Kläger von der Gruppe "O" in die Gruppe "R" hochgestuft worden wäre, wenn er ein entsprechendes Gehalt und die Stellung bekommen hätte. Dies wäre bei einem Monatsgehalt von 28.800,- DM der Fall gewesen.

Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Er war als Leiter der Abteilung bei der Firma M..., die sich mit der betrieblichen Altersversorgung befasste, mit den dortigen Gepflogenheiten bestens vertraut. Im vorliegenden Rechtsstreit hat er zudem ein Schreiben der Firma A... M... AG an den Kläger vom 27.04.2001 vorgelegt, das bestätigt, dass ein Monatsgehalt von 28.800,- DM die Voraussetzung für eine Einstufung in die Gruppe "R" des E... V... erfüllte.

Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass ein einklagbarer Anspruch auf eine Höherstufung im E... V... auch bei Bezug eines entsprechenden Gehalts nicht bestand. Auch hat der Zeuge S... insoweit einen Automatismus verneint und ausgesagt, die Direktion habe eine Höherstufung auch ablehnen können. Gleichwohl war die Höherstufung bei Erfüllung der Voraussetzungen bei der Firma M... die Regel. Gründe, warum davon beim Kläger abgesehen worden wäre, hat die Beklagte aber nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Der Senat ist des Weiteren davon überzeugt, dass die Beklagte dem Kläger in § 7 Abs. 4 des Geschäftsführeranstellungsvertrages übernommen nicht nur die Beibehaltung des Status Quo der Altersversorgung, sondern darüber hinaus auch die Anpassung an das gestiegene Einkommen durch eine entsprechende Höherstufung zugesagt hat.

Zwar sagt der Wortlaut des Vertrages das nicht ausdrücklich. Es heißt dort lediglich, dass die Beklagte für die erforderlichen Beitragszahlungen zur "Pensionskasse E... V..." in der gleichen Weise sorge, wie es der frühere Arbeitgeber getan hat. Nach dem Ergebnis der im Vorprozess 7 0 227/02 des LG Mönchengladbach durchgeführten Beweisaufnahme hat der Senat aber keine Zweifel, dass damit bei Erfüllung der Voraussetzungen auch eine Höherstufung im E... V... zugesagt worden ist.

Der Zeuge F... (Bl. 254 ff. BA) hat von der Muttergesellschaft der Beklagten den Auftrag gehabt, den Unternehmenskaufvertrag zu entwerfen und auch die gesamten Nebenvereinbarungen mit dem Kläger auszuhandeln. Nach seinen Worten waren die Regelungen des E... V... auf Beklagtenseite nicht ganz klar. Man hatte sie "nicht ganz so verstanden". Es seien Details auch insoweit gar nicht verhandelt worden. Es sei aber schon klar gewesen, dass auch die Pensionszusage für den Kläger noch ca. 2 bis 3 Jahre weiter gegebenenfalls steigen könne. Es sollte der Status fortgeführt werden, wie er bei M... war. Eine Änderung sollte insoweit nicht erfolgen. Die Klausel in § 7 Abs. 4 des Anstellungsvertrages sei schon als "Besitzstand" zu verstehen gewesen, d.h., dass der Kläger die Rechte erhalten sollte, die er erhalten hätte, wenn er bei M... geblieben wäre.

Der Zeuge K... (Bl. 262 ff. BA) hat unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 15.09.2003 (Bl. 236 GA) ausgesagt, dass das, was er damals geschrieben habe, so richtig sei; nach den ihm bekannten Unterlagen - an den Verhandlungen über den Verkauf und die Anstellung des Klägers hatte der Zeuge nicht teilgenommen - seien die Rechte des Klägers beim E... V... ohne Einschränkungen übernommen worden und sollten auch nicht eingeschränkt werden.

Der Zeuge H... (Bl. 264 ff. BA), Verhandlungsführer für M... bei der Veräußerung des hier in Rede stehenden Produktbereichs hat erklärt, vor Eintreten in die Endverhandlungen habe der Kläger eine Bestätigung darüber verlangt, dass seine Versorgung nach dem E... V... gesichert sei, und zwar zu dem Zustand und den Bedingungen, wie sie damals bestanden. Alles was damals vorgesehen war, habe der Kläger gesichert haben wollen. Es sei immer die Rede von den Regelungen des E... V... "als Ganzes" gewesen. Der Verhandlungsführer auf der Käuferseite, Herr B..., sei ein "relativ lockerer amerikanischer Typ" gewesen. Es habe außer Frage gestanden, dass die damals noch als E... firmierende Beklagte die Regelungen des E... V... so, wie sie sind, übernimmt, und zwar ohne Wenn und Aber. Herr B... habe zwar insofern "keine Ahnung" gehabt, aber er habe seine anwaltlichen Berater gehabt, die ihm erklärt hätten, auf was er sich da einlasse.

Unter Berücksichtigung des sonstigen Akteninhalts stellt sich danach die damalige Situation aus der Sicht des Senats wie folgt dar: Die Beklagte war sehr an einer Übernahme der hochprofitablen Abteilung der M... D... AG und des Klägers an ihrer Spitze interessiert. Man stand unter erheblichem Zeitdruck, weil der Kaufvertrag noch im alten Jahr geschlossen werden sollte. Es kam aber darauf an, die Bereitschaft des Klägers zum Wechsel umgehend sicherzustellen, der jedoch klare Bedingungen stellte. Dem Verhandlungsführer der Beklagten, dem Zeugen B..., blieb nur die Möglichkeit, diese uneingeschränkt zu akzeptieren, oder auf den Kläger zu verzichten, wobei er nach den Angaben des Zeugen H... von seinen anwaltlichen Beratern darüber aufgeklärt worden war, auf was er sich einließ.

Die Höhe der Forderung des Klägers hat die Beklagte in zweiter Instanz nicht mehr explizit infrage gestellt. Sie ist im Übrigen aber auch aufgrund der Angaben des Zeugen S... und der von ihm vorgelegten Unterlagen gerechtfertigt (Bl. 101 ff., 139/140 GA).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 21.562,80 €.

Ende der Entscheidung

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