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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.10.2007
Aktenzeichen: I-9 U 35/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 22.11.2006 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie nicht durch den Teilvergleich vom 06.09.2006 erledigt worden ist.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Gesellschafter der Beklagten, eines im Dezember 2002 gegründeten Speditionsunternehmens, und hält Geschäftsanteile von 49.000 €. Die restlichen Anteile des Stammkapitals von 100.000 € hält der Geschäftsführer der Beklagten.

Nachdem die Parteien sich im ersten Rechtszug durch Teilvergleich vom 06.09.2006 über die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses vom 15.03.2006 über die "Verabschiedung" des Jahresabschlusses 2004 geeinigt haben, begehrt der Kläger nunmehr noch, den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom selben Tage, wonach der Geschäftsführer der Beklagten, Herr E..., mit Wirkung vom 01.01.2006 ein Jahresbruttogehalt von 90.000 € und eine Jahrestantieme in Höhe von 25 % des tantiemepflichtigen Gewinns, jedoch nicht mehr als 20 % seiner Jahresfestbezüge, erhält, für nichtig zu erklären. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Mit der Berufung will die Beklagte die Abweisung dieses Klageantrages erreichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil und auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Klage ist im zweitinstanzlich noch verfolgten Umfang unbegründet. Der von dem Kläger angefochtene Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15.03.2006, wonach der Geschäftsführer der Beklagten, Herr E..., mit Wirkung vom 01.01.2006 ein Jahresbruttogehalt von 90.000 € und eine Jahrestantieme von 25 % des tantiemepflichtigen Gewinns, jedoch nicht mehr als 20 % seiner Jahresfestbezüge, erhält, ist rechtmäßig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unter den Gesichtspunkten des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der unter den Gesellschaftern bestehenden Treuepflicht unzulässig, einem Gesellschafter einen durch keine entsprechende Gegenleistung gedeckten Vermögensvorteil zuzuwenden, wenn den anderen Gesellschaftern nicht ein ebensolcher Vorteil eingeräumt wird. Die einem als Geschäftsführer tätigen Gesellschafter gezahlte Vergütung muss deshalb angemessen sein. Sie darf in keinem Missverhältnis zu der vergüteten Leistung und damit zu dem Entgelt stehen, das ein Fremdgeschäftsführer für die gleiche Tätigkeit erhalten hätte. Freilich können solche Leistungen, für die es keine taxmäßige Vergütung gibt, recht unterschiedlich bewertet werden. Den Gesellschaftern verbleibt daher ein Ermessensspielraum, innerhalb dessen ein bestimmter Vergütungsbetrag nicht deswegen als unangemessen bezeichnet werden kann, weil eine andere Bemessung sich ebenso gut oder besser vertreten ließe (vgl. BGH NJW 1990, 2625). Dabei vermögen bloße Zweifel an der Zweckmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, der sich im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren hält, die Anfechtbarkeit nicht zu begründen. Der von der Gesellschaft gefasste Beschluss ist vielmehr nur dann fehlerhaft, wenn durch ihn die Gesamtbezüge des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters eine solche Höhe erreicht haben, dass hierin ein Stimmrechtsmissbrauch zu sehen wäre (vgl. BGH WM 1976, 1226, 1227). Dabei kommt es nach Lage des Falles darauf an, in umfassender Würdigung aller Umstände wie insbesondere Art, Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes, Alter, Berufserfahrung und Fähigkeiten des Geschäftsführers sowie Umfang und Bedeutung seiner Tätigkeit zu prüfen, ob die ihm zugebilligten Bezüge einschließlich aller geldwerten Vorteile in einem deutlichen Missverhältnis zu der vergüteten Dienstleistung stehen (vgl. BGH WM 1976, 1226, 1228; BGH NJW 1990, 2625 f.). Insoweit kann nicht allein darauf abgestellt werden, ob die dem Geschäftsführer eingeräumten Bezüge noch innerhalb der Spannbreite vergleichbarer Vergütungen liegen. Was ein Geschäftsführer für ein bestimmtes Unternehmen wert ist, lässt sich vielmehr nur unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Falles beurteilen (vgl. BGH NJW 1990, 2625), insbesondere auch der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (vgl. BGH NJW 1992, 2894, 2896). Die Beweislast für die behauptete Unangemessenheit der Bezüge trägt hierbei der Kläger. Den Gegner trifft allerdings eine erhöhte Darlegungslast hinsichtlich solcher Umstände, die er im Gegensatz zum Beweispflichtigen ohne Schwierigkeiten offenlegen kann (vgl. BGH NJW 1990, 2625, 2626).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Geschäftsführer der Beklagten ist am 06.10.1952 geboren, war mithin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung 53 Jahre alt. Er ist verheiratet. Bevor er die Beklagte gründete, war er Niederlassungsleiter eines anderen Speditionsunternehmens, verfügte also über einschlägige Berufserfahrung. Bei einer 40-Stunden-Woche erhielt er ein Monatsgehalt von 4.500 €, das 13mal im Jahr gezahlt wurde, wobei zusätzlich zu dem Bruttogehalt die Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gezahlt und ein Dienstwagen gestellt wurden. Dies wird vom Kläger nicht bestritten, sondern zu Unrecht nur für unerheblich gehalten. Die Bezüge als Angestellter entsprachen somit im Gesamtvolumen etwa den Leistungen, die der Geschäftsführer der Beklagten bis Ende 2005 - unter Berücksichtigung des Verzichts auf einen Dienstwagen und der von ihm selbst zu tragenden Vorsorgeaufwendungen - als Grundvergütung erhielt.

Die Beklagte trägt weiter vor, dass ihr Geschäftsführer regelmäßig zwischen 60 und 65 Stunden pro Woche arbeite und weiterhin keinen Dienstwagen beanspruche. Das Gehalt werde lediglich 12mal im Jahr gezahlt, wobei zusätzliche Beträge für die Sozialversicherungen nicht entrichtet würden. Der Kläger bestreitet die Arbeitszeit zwar mit Nichtwissen; insoweit trifft ihn jedoch die Darlegungs- und Beweislast. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte 13 Mitarbeiter einschließlich des Geschäftsführers beschäftigt und die Umsatzerlöse von 576.128 € im Jahre 2003 auf 2.424.229 € im Jahre 2005 gesteigert worden sind (vgl. Unternehmensreport 2005 zu Ziff. 1.1.1), sind die Angaben der Beklagten zur wöchentlichen Arbeitszeit ihres Geschäftsführers als plausibel ansehen. Der Kläger, der selbst in dieser Branche tätig ist, kann sich deshalb nicht auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen, worauf im Senatstermin hingewiesen worden ist. Vielmehr hätte er darlegen müssen, mit welchem Zeitaufwand die Leitung eines solchen Unternehmens zu bewerkstelligen wäre.

Entsprechendes gilt für die Angaben der Beklagten zur durchschnittlichen Vergütung von Fremdgeschäftsführern in der Speditionsbranche unter Bezugnahme auf die zur Akte gereichten Auszüge aus dem Handelsblatt (Bl. 132) und die Vergleichszahlen der IHK S... (Bl. 137 GA). Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass das durch den angegriffenen Beschluss festgelegte Geschäftsführergehalt eher am unteren Ende der Spannbreite dessen liegt, was in der Speditionsbranche an Fremdgeschäftsführer von Unternehmen entsprechender Größe gezahlt wird. Auch insoweit hätte sich der Kläger, worauf ebenfalls im Senatstermin hingewiesen worden ist, nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken dürfen, vielmehr angesichts seiner Fachkenntnisse konkret zum angemessenen Geschäftsführergehalt vortragen müssen.

Eine Unangemessenheit der festgelegten Gesamtbezüge ergibt sich schließlich auch nicht aus der wirtschaftlichen Lage der Beklagten. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (vgl. Bl. 15 des Anlagenhefters zur Berufungsbegründung) zeigt eine stetig positive Entwicklung und lag im Jahre 2006 bei 11.891 €, obwohl in diesem Jahr bereits die erhöhte Geschäftsführervergütung anfiel. Angesichts dieser wirtschaftlichen Situation der Beklagten steht außer Frage, dass sie das erhöhte Geschäftsführergehalt aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit bezahlen kann. Dies wird seitens des Klägers auch nicht ernsthaft bestritten. Er führt lediglich an, dass das Stammkapital aufgrund der in den Vorjahren erwirtschafteten Verluste trotz der Gewinne noch nicht voll gedeckt und damit eine Gewinnausschüttung nicht möglich sei.

Diesem Gesichtspunkt kommt jedoch bei einer im Aufbau befindlichen GmbH kein ausschlaggebendes Gewicht zu (vgl. instruktiv hierzu: Peetz, GmbHR 2001, 699 ff.). Zwar führt eine Erhöhung der Geschäftsführervergütung zwangsläufig dazu, dass sich der Zeitpunkt, zu dem die Gesellschaft Gewinne auszahlen könnte, weiter hinausschiebt. Soweit jedoch die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, die noch im Aufbau ist, eine angemessene Geschäftsführervergütung zulässt, muss dieser Gesichtspunkt zurücktreten. Gerade bei einer im Aufbau befindlichen GmbH ist es wichtig, durch angemessene Vergütung einen engagierten Geschäftsführer zu gewinnen, um sicherzustellen, dass sich die Gesellschaft weiterhin positiv entwickeln kann, das Stammkapital aufgrund der erwirtschafteten Gewinne wieder gedeckt wird und damit in Zukunft Gewinne ausgeschüttet werden können. Bei einer im Aufbau befindlichen Gesellschaft ist es daher unumgänglich, das Geschäftsführergehalt im Rahmen des Möglichen innerhalb angemessener Zeit an das in der Branche übliche Niveau heranzuführen. Das Interesse eines Minderheitsgesellschafters an der Ausschüttung von Gewinnen der Gesellschaft muss hinter dem Interesse der Gesellschaft, eine angemessene Vergütung für den Gesellschafter-Geschäftsführer zahlen zu können, so lange zurücktreten, bis ein in der Vergangenheit aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft ausgeübter Vergütungsverzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers angemessen ausgeglichen ist. Es ist nicht Aufgabe des Gesellschafter-Geschäftsführers, Anlaufkosten einer GmbH durch Vergütungsverzicht wirtschaftlich dauerhaft mitzutragen oder gar auf Teile der angemessenen Vergütung zu verzichten, damit die Gesellschaft in der Lage ist, eine angemessene Kapitalverzinsung zu gewähren (so auch Peetz, GmbHR 2001, 699, 703). Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger als Minderheitsgesellschafter auch nicht darauf vertrauen, dass es mit der im Jahre 2003 durchgeführten Erhöhung des Geschäftsführergehaltes auf monatlich 5.500 € sein Bewenden hatte, solange die in der Speditionsbranche übliche Vergütung nicht erreicht war. Dies musste dem sachkundigen Kläger klar sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 98 ZPO. Der Senat hat hierbei die im Teilvergleich vom 06.09.2006 getroffene Kostenregelung für den ersten Rechtszug anteilig berücksichtigt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 9.600,00 €.

Ende der Entscheidung

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