Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: I-9 W 73/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 572 Abs. 3
BGB § 741
BGB § 747 Satz 2
BGB §§ 749 ff.
BGB § 749 Abs. 1
BGB § 752
BGB § 1066 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14.02.2003 wird der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach - Einzelrichter - vom 27.01.2003 aufgehoben.

Das Landgericht wird angewiesen, über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Beschwerdewert: 102.258,38 EUR

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit das Landgericht Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verweigert hat. Die Entscheidung darüber, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung vorliegen, wird dem Landgericht gem. § 572 Abs. 3 ZPO übertragen.

1)

Die beabsichtigte Klage hat Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner gem. §§ 741, 749 Abs. 1, 752 BGB Auszahlung des hälftigen Kaufpreisanteils verlangen. Das Nießbrauchrecht des Antragsgegners steht dem Anspruch nicht entgegen, da es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gem. § 1066 Abs. 3 BGB am Erlösanteil fortgesetzt hat, sondern erloschen ist.

Das Nießbrauchrecht des Antragsgegners am ideellen Anteil der Antragstellerin an dem ursprünglich den Parteien gemeinschaftlich gehörenden Grundstück E.-weg 9 in Sch. ist aufgrund der vom Antragsgegner in der notariellen Urkunde vom 03.12.2001 erteilten Löschungsbewilligung und des - wovon auszugehen ist - inzwischen erfolgten grundbuchlichen Vollzugs erloschen (§ 875 BGB). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Landgerichts hat es sich nicht gem. § 1066 Abs. 3 BGB am Erlösanteil der Antragstellerin fortgesetzt.

§ 1066 BGB regelt den Nießbrauch an dem Anteil eines Miteigentümers und bestimmt für den Fall der Aufhebung der Gemeinschaft, dass dem Nießbraucher der Nießbrauch an den Gegenständen gebührt, die an die Stelle des ursprünglichen Belastungsgegenstandes getreten sind. Dabei ist streitig, ob dem Nießbraucher im Wege der schuldrechtlichen Surrogation nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Nießbrauchbestellung zusteht ( so Palandt-Bassenge, 62. Aufl., § 1066 BGB Rz. 1) oder aber das Recht kraft dinglicher Surrogation unmittelbar entsteht (so Staudinger-Frank, Aufl. 2002, § 1066 Rz.10 unter Bezugnahme auf BGHZ 52, 99 ff). Für den vorliegenden Fall ist diese Streitfrage ohne Bedeutung; denn im Falle eines nur schuldrechtlichen Anspruchs könnte der Antragsgegner - würde § 1066 Abs. 3 BGB Anwendung finden - dem Zahlungsbegehren der Antragsstellerin den dolo-petit-Einwand (§ 242 BGB) entgegen halten.

§ 1066 Abs. 3 BGB findet hier jedoch keine Anwendung. Durch diese Vorschrift soll der Nießbraucher davor geschützt werden, aufgrund der Aufhebung der Gemeinschaft den Belastungsgegenstand und damit sein Recht ersatzlos zu verlieren. Dieser Regelung bedurfte es zum Schutz des Nießbrauchers im Hinblick auf die Vorschriften über die Teilung bei Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 742, 743 BGB). Bei einer Teilung in Natur (§ 742 BGB) tritt an die Stelle des ideellen Miteigentumsanteils ein realer Teil und damit ein anderer Gegenstand, an dem sich der Nießbrauch ohne gesetzliche Regelung nicht fortsetzen würde. Für den Fall der Teilungsversteigerung (§ 743 BGB i.V.m. §§ 180 ff ZVG) wird vertreten, dass der an einem Miteigentumsanteil bestehende Nießbrauch nicht in das geringste Gebot fällt (vgl. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 182 Anm. 2.13; Staudinger-Frank, a.a.O. Rz. 11). Der Grund für die Regelung des § 1066 Abs. 3 BGB liegt also darin, dass dem Nießbraucher nicht durch einen Eingriff von dritter Seite der Belastungsgegenstand und damit sein Recht entzogen werden soll (vgl. auch zum Begriff der Surrogation Palandt-Bassenge, a.a.O., Einf. zu § 854 BGB, Rz. 20).

Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Der Antragsgegner lief zu keiner Zeit Gefahr, gegen seinen Willen sein Recht zu verlieren.

Es fehlt aber auch schon an einer Aufhebung der Gemeinschaft i.S.d. §§ 1066 Abs. 3, 749 ff. BGB. Der Antragsgegner hat lediglich von dem ihm aufgrund seiner Miteigentümerstellung und der ihm als Testamentsvollstrecker erteilten Berechtigung (insoweit für die Antragstellerin handelnd) gem. § 747 Satz 2 BGB zustehenden Recht Gebrauch gemacht und über den gemeinschaftlichen Gegenstand verfügt mit der Folge, dass sich die Gemeinschaft am Erlös fortsetzte (vgl. Palandt-Sprau, a.a.O., § 741 BGB Rz. 3). Seine Stellung als Nießbraucher konnte hierdurch gegen seinen Willen nicht beeinträchtigt werden; denn ohne Löschung des Nießbrauchs, die wiederum nur aufgrund einer von ihm erteilten Löschungsbewilligung, zu deren Erteilung er nicht verpflichtet war, erfolgen konnte, hätten die Erwerber das Grundstück belastet mit dem Nießbrauch an einem ideellen Hälfteanteil (im Falle des Erwerbs durch nur eine Person als Quotennießbrauch) erhalten. Dass in einem solchen Fall das Grundstück kaum verkehrsfähig sein dürfte und eine Veräußerung voraussichtlich gescheitert wäre, ändert nichts daran, dass dem Antragsgegner sein Nießbrauchrecht nicht gegen seinen Willen entzogen werden konnte und es allein seiner Entscheidung unterlag, ob und zu welchen Bedingungen er sein Recht aufgab.

Begibt sich aber - wie hier - der Nießbraucher freiwillig seines Nießbrauchrechts, indem er die Löschungsbewilligung erteilt, so ist für eine Anwendung des § 1066 Abs. 3 BGB kein Raum. Im Fall der Veräußerung des Grundstücksanteils ist es allein Sache des Rechtsinhabers, seine Interessen dadurch zu wahren, dass er entweder die Löschung seines Rechts verweigert oder aber die Löschung z.B. von einer angemessenen Ausgleichszahlung abhängig macht. Da er keinem Eingriff in sein Recht ausgesetzt ist, kommt eine Surrogation, die gerade einen solchen Eingriff voraussetzt, nicht in Betracht. Die Interessenlage des Antragsgegners im Zeitpunkt der Veräußerung war hier nicht anders als die eines Nießbrauchers, dessen Recht sich auf das gesamte im Alleineigentum stehende Grundstück erstreckt. Will der Eigentümer das Grundstück veräußern, so kann er es dem Erwerber nur dann belastungsfrei übertragen, wenn der Nießbraucher die Löschungsbewilligung erteilt. Diese wird der Nießbraucher im Zweifel von einer angemessenen Ausgleichszahlung oder sonstigen Gegenleistung abhängig machen. Für eine schuldrechtliche oder dingliche Surrogation ist kein Raum.

2)

Mit ihrer beabsichtigten Klage will die Antragstellerin deshalb zu Recht ihren Aufhebungsanspruch nach § 749 Abs. 1 BGB hinsichtlich des den Parteien gemeinschaftlich zustehenden Erlöses geltend machen mit der Folge, dass sie nach § 752 BGB Zahlung des hälftigen Kaufpreises an sich verlangen kann. An der Geltendmachung dieses Anspruchs ist die Antragstellerin auch nicht durch Anordnung der Testamentsvollstreckung gehindert, weil diese nur für die Dauer des Bestehens des Nießbrauchrechts angeordnet ist, das Nießbrauchrecht aber - wie ausgeführt - erloschen ist.

Einwendungen zur Höhe hat der Antragsgegner nicht erhoben, so dass die beabsichtigte Klage in vollem Umfang Aussicht auf Erfolg hat.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück