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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: II-10 WF 16/03
Rechtsgebiete: GKG, KostO, ZPO, ZSEG


Vorschriften:

GKG § 5 Abs. 2
KostO § 137 Nr. 6
ZPO § 402
ZSEG § 1 Abs. 1
ZSEG § 3 Abs. 2
1.

Ein Kostenschuldner kann nur für die Kosten des Sachverständigen in Anspruch genommen werden, die durch einen Aufwand entstanden sind, der zu Beweiszwecken erfolgte und in diesem Rahmen erforderlich war, vgl. § 137 Nr. 6 KostO, § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG. Dies gilt unabhängig von der Reichweite des gerichtlichen Auftrages und einer aus der Beauftragung erwachsenen Verpflichtung der Staatskasse, den erhöhten Aufwand des Sachverständigen zu entschädigen.

2.

In Familiensachen kann der Aufwand für ein sog. Interventiosgutachten nur insoweit berücksichtigt werden, als er zu Beweiszwecken erforderlich war bzw. für die Anfertigung eines "klassischen" Statusgutachtens angefallen wäre. Eine interventionsdiagnostische, lösungsorientierte, letztlich auf Mediation ausgerichtete Arbeitweise dient nicht nur der Erhebung von Beweisen, sondern überschreitet den Rahmen der nach der Zielsetzung der §§ 402 ZPO zulässigen Sachverständigenarbeit.

3.

Der für ein Interventionsgutachten liquidierte Aufwand des Sachverständigen bedarf einer Überprüfung danach, inwieweit er zur Beantwortung der Beweisfrage ausgereicht hätte und inwieweit er darüber hinaus für die Erarbeitung von Einsichten und einvernehmlichen Lösungsmöglichkeiten angefallen ist.


Tenor:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Kostenschuldnerin wird der Beschluss des Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt - Familiengericht - vom 29.07.2003 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Erinnerung der Kostenschuldnerin werden die Kostenansätze des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 17.08.1998 zu den Kassenzeichen 229275 265 6 (Bl. I GA) sowie 229271 265 7 (Bl. II GA) und die zu diesen Kassenzeichen gegenüber der Kostenschuldnerin ergangenen Gerichtskostenrechnungen insoweit aufgehoben, als hierin zu Lasten der Kostenschuldnerin Kosten von mehr als insgesamt DM 6.043,76 in Ansatz gebracht wurden.

Das Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die gemäß § 5 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt - Familiengericht - vom 29.07.2003 (Bl. 242 ff GA) hat nur insoweit Erfolg, als im Rahmen der hälftig zu ihren Lasten in Ansatz gebrachten Sachverständigenkosten ein Stundenaufwand von mehr als 27 Stunden sowie Fahrtkosten von mehr als DM 260,- berücksichtigt wurden. Im übrigen ist die Beschwerde der Kostenschuldnerin unbegründet.

1.

Mit Erfolg wendet sich die Kostenschuldnerin dagegen, dass im Rahmen des Kostenansatzes zu ihren Lasten die gesamten Kosten des vom Sachverständigen erstellten Gutachtens berücksichtigt wurden. Die Kostenschuldnerin kann nur für die Kosten des Sachverständigen hälftig in Anspruch genommen werden, die durch einen Aufwand entstanden sind, der zu Beweiszwecken erfolgte und in diesem Rahmen erforderlich war, vgl. § 137 Nr. 6 KostO, § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG. Dies kann für einen Zeitaufwand von 31 Stunden und Fahrtkosten in Höhe von DM 364,- nicht festgestellt werden.

a.

Der Sachverständige wurde gemäß Beweisbeschluss des Amtsgerichts vom 14.10.1996 (Bl. 47 UG/EA) nicht nur mit der Erstellung eines Gutachtens zu der Frage beauftragt, ob und welcher Umgang mit dem Vater über die getroffene vorläufige Regelung hinaus für das Kind aus psychologischer Sicht erforderlich ist. Er wurde darüber hinaus auch beauftragt, mit den Eltern die Notwendigkeit eines engen Kontaktes mit dem Vater aus psychologischer Sicht zu erarbeiten und falls möglich eine einvernehmliche Regelung zu treffen. Der Sachverständige hat daraufhin ein sogenanntes Interventionsgutachten erstellt. Im Rahmen dieser Begutachtung sollen die Eltern durch gezielte Intervention zu autonomen Entscheidungen befähigt werden. Die Arbeit setzt bei der Familie als System an. Sie soll auf Veränderungen hinwirken und ist darauf angelegt, gemeinsam mit den Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten, um letztlich eine Befriedung der familiären Konflikte zu bewirken. Diese systemische, interventionsdiagnostische und lösungsorientierte Arbeitsweise benötigt - wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss selbst ausführt - naturgemäß einen größeren zeitlichen Umfang als ein bloßes Statusgutachten, bei welchem quasi eine Momentaufnahme der Familie erstellt wird, um die gestellte Beweisfrage zu beantworten.

Die beauftragte und geleistete interventionsdiagnostische, lösungsorientierte Arbeit diente nicht nur der Erhebung von Beweisen. Sie war letztlich auf die Erarbeitung von Einsichten und gemeinsamen Lösungsmöglichkeiten sowie auf die Vermittlung der widerstreitenden Interessen ausgerichtet. Damit überschritt sie den Rahmen der nach der Zielsetzung der §§ 402 ZPO zulässigen Sachverständigenarbeit. Inhalt eines Sachverständigengutachtens können und dürfen grundsätzlich nur die aufgrund besonderen Fachwissens des Sachverständigen getroffenen Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen sein, welche der Sachverständige auf der Grundlage ihm vorgegebener Tatsachen zu treffen hat. Ausnahmsweise kann das Gericht den Sachverständigen bereits bei der Tatsachenfeststellung in Anspruch nehmen, wenn es hierfür der besonderen Sachkunde des Sachverständigen bedarf (vgl. Zöller-Greger, § 402 Rn. 5). Diese Voraussetzung wird in Familienrechtssachen häufig gegeben sein, was den Sachverständigen jedoch nur zur Tatsachenfeststellung und deren Bewertung berechtigt, nicht aber zu einer darüberhinausgehenden interventionsdiagnostischen, letztlich auf Mediation angelegten Arbeitsweise. Dass diese Arbeitsweise in Umgangsverfahren der vorliegenden Art sinnvoll erscheint, macht sie nicht "zu Beweiszwecken erforderlich" im Sinne des § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG.

Demnach bedarf der vom Sachverständigen liquidierte Zeitaufwand im vorliegenden Fall einer Überprüfung danach, inwieweit er zur Beantwortung der Beweisfrage ausgereicht hätte und inwieweit er darüber hinaus für die Erarbeitung von Einsichten und einvernehmlichen Lösungsmöglichkeiten angefallen ist. Insoweit hält der Senat - nach nochmaliger Überprüfung - nicht mehr an der in seinem Beschluss vom 29.03.1999 (Bl. 141 ff GA) geäußerten Ansicht fest. Nach den Ausführungen des Amtsgerichts kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige hier ausschließlich zu Beweiszwecken herangezogen wurde und in diesem Rahmen lediglich eine auf eine einvernehmliche Regelung abzielende "Arbeitsanweisung" erhielt. Die Arbeitsweise des Sachverständigen basierte - wie das Amtsgericht und der Sachverständige mehrfach erläutert und betont haben - von vornherein auf einem grundlegend anderen Ansatz (angesetzt wird bei der Familie als System, nicht bei dem zu begutachtenden Individuum) und einer grundlegend anderen Vorgehensweise (Interventionsdiagnostik, nicht Statusdiagnostik); sie war auf die Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung ausgerichtet und aus eben diesen Gründen vom Gericht gewollt.

Die Frage nach der im Rahmen des § 137 Nr. 6 KostO relevanten Erstattungsfähigkeit des Aufwandes nach dem ZSEG ist unabhängig von der Reichweite des gerichtlichen Auftrages und einer aus der Beauftragung erwachsenen Verpflichtung der Staatskasse, den erhöhten Aufwand des Sachverständigen zu entschädigen. Auch steht der erwähnten Differenzierung des Aufwandes nicht die Entscheidung des OLG Hamm in FamRZ 1996, 1557, 1558 entgegen. Daraus kann nicht - wie das Amtsgericht meint - abgeleitet werden, dass der gesamte Aufwand für ein Interventionsgutachten nach dem ZSEG zu erstatten sei. In dem dort zu entscheidenden Fall wurde zwar die Kostenpflicht für die Bemühungen des Sachverständigen um eine vom Gericht beauftragte einvernehmliche Sorgerechtsentscheidung bejaht. Zugleich konnte jedoch davon ausgegangen werden, dass bei der Erstellung eines Gutachtens herkömmlicher Art aller Voraussicht nach Kosten in ähnlicher Höhe angefallen wären. Gerade dies kann jedoch im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.

b.

Eine Überprüfung des vom Sachverständigen liquidierten Zeitaufwandes anhand seiner Erläuterungen im Schreiben vom 15.06.1999 unter Ziff. 3 (Bl. 162 ff GA) ergibt, dass lediglich ein Aufwand von insgesamt 26 1/2 (27) Stunden als zu Beweiszwecken dienend im Sinne des § 1 Abs. 1 ZSEG und zur Beantwortung der gestellten Beweisfrage erforderlich im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG angesehen werden kann.

aa.

Erforderlich waren lediglich jeweils 3 Gespräche mit Frau L. und Herrn L. im Umfang von je 1 Stunde, sowie die mit dem Kind J. geführten Gespräche im Umfang von insgesamt 2 1/2 Stunden. Der darüber hinausgehende Zeitaufwand für die Einzelgespräche mit den Elternteilen im Umfang von weiteren 6 Stunden sowie der Zeitaufwand für die gemeinsamen Gespräche der beiden Elternteile sowie die gemeinsamen Gespräche der Eltern und dem Kind im Umfang von insgesamt 12 1/2 Stunden kann nicht als zu Beweiszwecken erforderlich anerkannt werden. Er diente ersichtlich der Erarbeitung von gemeinsamen Lösungsmöglichkeiten.

Nach den Angaben des Sachverständigen zu den Inhalten der geführten Gespräche in seinem eingangs genannten Schreiben ist davon auszugehen, dass nur die jeweils ersten 3 Gespräche mit Frau und Herrn L. sowie die Gespräche mit dem Kind J. erforderlich waren, um die eigentliche Beweisfrage zu beantworten. In diesen je drei Gesprächen mit den Elternteilen und vier Gesprächen mit dem Kind wurden die für die Beantwortung der Beweisfrage wesentlichen Themen, auch im Hinblick auf ein mögliches Konzept für die Zukunft, besprochen. Diese Gespräche hätten ausgereicht, die Situation der Beteiligten zu ermitteln und die eigentliche Beweisfrage nach der Frage, welche Umgangsregelung dem Wohl des Kindes entspricht, zu beantworten. Dies räumt letztlich der Sachverständige selbst ein, indem er ausführt, dass er tatsächlich sehr schnell festgestellt habe, wie die Situation der Eltern untereinander war (Ziff. 4 und 5 des genannten Schreibens).

Die nachfolgenden Gespräche dienten ersichtlich der Vermittlung der widerstreitenden Interessen, insbesondere dem Bemühen, den Elternteilen das nötige Problembewusstsein zu vermitteln und eine einvernehmliche Lösungsmöglichkeit mit allen Beteiligten zu erarbeiten. Kennzeichnenderweise bezeichnet der Sachverständige seine Arbeit in seinem genannten Schreiben unter Ziffer 4 am Ende selbst als Vermittlungstätigkeit. Dies gilt nicht nur für die gemeinsamen Gespräche zwischen den Elternteilen sowie zwischen Eltern und Kind, sondern auch für die weiteren Einzelgespräche mit Frau und Herrn L.. Die weiteren zwei Gespräche mit Frau L. dienten zum einen der Vorbereitung eines gemeinsamen Gesprächs beider Elternteile, zum anderen dem Resüme der gesammelten Erfahrungen und abschließenden Überlegungen für künftige Lösungen. Die vier folgenden Gespräche mit Herrn L. dienten dazu, ihm die Notwendigkeit einer eigenen Verhaltensänderung zu verdeutlichen, gemeinsame Gespräche beider Elternteile vorzubereiten und die erfolgten Gespräche zu resümieren.

bb.

Sind die durch die besondere Arbeitsweise des eingeschalteten Sachverständigen veranlassten Mehrkosten nicht erstattungsfähig nach dem ZSEG, so gilt dies auch für die Fahrtzeiten. Das Amtsgericht hat nach seinen eigenen Angaben den Sachverständigen im vorliegenden Fall gerade wegen seiner besonderen Arbeitsweise beauftragt; alle übrigen dem Gericht bekannten Sachverständigen seien sogenannte Statusgutachter, deren Einschaltung nicht gewünscht gewesen sei (vgl. Bl. 177 GA). Da aber nach dem oben Gesagten davon auszugehen ist, dass nur die Kosten für ein sog. Statusgutachten als erforderlich und erstattungsfähig im Sinne des ZSEG anzusehen sind, können auch nur die Fahrtkosten berücksichtigt werden, die bei Einschaltung eines der ortsnahen "Statusdiagnostiker" angefallen wären. Diese schätzt der Senat auf je 1 Stunde für erstattungsfähige 10 Einzelgespräche, mithin 10 Stunden.

cc.

Von dem liquidierten Zeitaufwand für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens können nur 5 Stunden als erforderlich anerkannt werden. Es hätte ein Aufwand von maximal 5 Stunden ausgereicht, um ein reines Statusgutachten anzufertigen.

dd.

Der Aufwand für die Telefonate mit den Beteiligten, insbesondere mit dem Gericht, in Höhe von 1 Stunde sowie die Telefongebühren sind nicht zu beanstanden. Die Kostenschuldnerin hat den vom Sachverständigen in seinem Schreiben vom 15.06.1999 unter Ziff. 10 (Bl. 166 GA) dargelegten Aufwand von: 20 Minuten mit dem Familiengericht, 10 Minuten mit dem Sozialdienst Katholischer Frauen, zwanzig Minuten mit Herrn L., 10 Minuten mit Frau L. nicht substantiiert angegriffen.

c.

Für die Fahrtkilometer ist lediglich eine einfache Entfernung von 25 km erstattungsfähig, weil - wie dargelegt - davon auszugehen ist, dass ein sogenanntes Statusgutachten zur Beantwortung der Beweisfrage ausgereicht hätte. Insoweit ist anzunehmen, dass das Gericht vor diesem Hintergrund auch einen anderen, im Umkreis von 25 km niedergelassenen Gutachter beauftragt hätte. Die Beauftragung des ausgewählten Sachverständigen erfolgte nach Angaben des Gerichts nur deswegen, weil dieser der am nächsten zum Gerichtsort ansässige Gutachter war, der Interventionsbegutachtungen vornahm.

d.

Der Aufwand für die Schreibkosten begegnet unter dem Aspekt der Erforderlichkeit keinen Bedenken, weil erfahrungsgemäß Kosten in mindestens dieser Höhe auch bei sogenannten Statusgutachten anfallen.

2.

Stundensatz und Zuschlag begegnen im vorliegenden Fall - wie der Senat bereits im Beschluss vom 29.03.1999 (Bl. 149 R GA) ausgeführt hat - keinen durchgreifenden Bedenken.

3.

Die zu Lasten der Kostenschuldnerin in Ansatz zu bringende Sachverständigenentschädigung beträgt demnach:

1. Zeitaufwand: Aktenstudium: 2 Stunden Gespräche: 8 1/2 Stunden Fahrten: 10 Stunden Telefonate 1 Stunde Gutachtenerstellung 5 Stunden gesamt: 26 1/2 Stunden 27 Stunden je DM 90,- zuzüglich 50 % DM 3.645,- 2. Fahrtkosten 10 Fahrten x 50 km x 0,52 DM DM 260,- 3. Telefonkosten DM 69,- 4. Schreibkosten DM 88,20 gesamt DM 4.062,20 Mehrwertsteuer 15 % DM 609,33 gesamt in Ansatz zu bringende Entschädigung DM 4.671,53 hiervon 1/2 zu Lasten der Kostenschuldnerin DM 2.335,76 in Ansatz gebracht wurden zu 1/2 DM 4.951,44 demnach zuviel in Ansatz gebracht DM 2.615,68 Insgesamt zu Lasten der Kostenschuldnerin berücksichtigte Kosten: DM 8.659,44 zuviel in Ansatz gebracht: DM 2.615,68 berechtigterweise zu Lasten der Kosten- schuldnerin berücksichtigte Kosten: DM 6.043,76.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 6 GKG.

Ende der Entscheidung

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