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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: II-10 WF 35/07
Rechtsgebiete: RVG, BGB


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3 Satz 2
RVG § 56 Abs. 2
RVG § 56 Abs. 2 Satz 3
BGB § 1587 a Abs. 1
BGB § 1587 o
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Landeskasse vom 10.10.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Emmerich - Familiengericht - vom 04.10.2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beschwerdegegner war der Antragstellerin in einem Scheidungsverfahren nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet. Im Verhandlungstermin vom 13.06.2007 wurde die Sach- und Rechtslage auch zur Durchführung des Versorgungsausgleichs erörtert. Ausweislich der unstreitigen Ausführungen im angefochtenen Beschluss gaben beide Parteien Erklärungen zu ihrer versicherungspflichtigen Tätigkeit und zu früher bestehenden Versicherungen ab: Die Antragstellerin war während der Ehezeit in den Niederlanden versicherungspflichtig tätig, während der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hatte, jedoch als Selbständiger der Altersversorgung dienende Versicherungen abgeschlossen hatte, die aufgrund finanzieller Schwierigkeiten während der Ehe aufgelöst worden waren. Es bestanden mithin Unsicherheiten, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin in den Niederlanden Anwartschaften erworben hatte und ob diese als ausländische Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzustellen waren, ferner über die rechtliche Qualität, die Dauer und die Höhe der eventuell einzustellenden Anwartschaften des Antragsgegners. Wegen dieser Umstände und der relativ kurzen Ehedauer (25.10.2003 bis 13.06.2007) kamen die Parteien überein, einen "Vergleich" zu schließen, nach dessen Inhalt sie sich darüber einig waren, dass im Rahmen des Scheidungsverfahrens "von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen" werde.

Im Rahmen der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren hat der Beschwerdegegner auch die Festsetzung einer Vergleichsgebühr beantragt. Diese hat der Rechtspfleger zunächst abgelehnt. Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners ist die Vergleichsgebühr nebst Mehrwertsteuer durch den angefochtenen Beschluss nachträglich festgesetzt und die Beschwerde ausdrücklich zugelassen worden. Die Landeskasse begehrt nunmehr im Wege der Beschwerde die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Absetzung der Einigungsgebühr.

II.

Die Beschwerde der Landeskasse vom 10.10.2007 (Bl. 43f PKH-Heft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Emmerich - Familiengericht - vom 04.10.2007 (Bl. 33ff PKH-Heft) ist gemäß § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kraft Zulassung zulässig, jedoch unbegründet. Erfolglos wendet sich die Beschwerde gegen die auf die Erinnerung des Beschwerdegegners erfolgte weitere Festsetzung einer Einigungsgebühr in Höhe von EUR 85,- nebst Mehrwertsteuer.

Durch den protokollierten "Vergleich" ist zugunsten des Beschwerdegegners eine Einigungsgebühr nach RVG VV-Nr. 1000 angefallen. Die Gebühr entsteht nach der amtlichen Anmerkung zu RVG VV-Nr. 1000 I Satz 1 1. Halbsatz "für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird". Dies ist hier nach den unstreitigen Ausführungen im angefochtenen Beschluss erfolgt. Es bestanden Unklarheiten in Bezug auf die jeweils in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anwartschaften, namentlich Unsicherheiten, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin in den Niederlanden Anwartschaften erworben hatte und ob diese als ausländische Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzustellen waren, ferner über die rechtliche Qualität, die Dauer und die Höhe der eventuell einzustellenden Anwartschaften des Antragsgegners. Mit Rücksicht auf eben diese Unsicherheiten und im Hinblick auf die relativ kurze Ehedauer haben sich die Parteien darauf geeinigt, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abzusehen. Für eine Einigung im Sinne der RVG VV-NR. 1000 reicht es aus, dass beide Seiten vertragsmäßig etwas anerkennen oder auf etwas verzichten, was sie gefordert haben oder fordern könnten (vgl. Gerold/Schmidt-von Eicken, RVG, Aufl., VV 1000 Rn. 28). Dementsprechend kann die Einigungsgebühr entstehen, wenn beide Parteien auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichten, beispielsweise bei einem wechselseitigen Verzicht auf Unterhaltsansprüche (vgl. OLG Koblenz, NJW 2006, 850f); entsprechendes gilt, wenn bei einem Vergleich der Schuldner den Ausgleich eines Teils der geltend gemachten Forderung zusagt und der Gläubiger den weitergehenden Anspruch fallen lässt, mithin eine wechselseitige Kombination aus Verzicht und Anerkenntnis vorliegt (vgl. BGH BB 2006, 2779f).

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht aus der amtlichen Anmerkung zu RVG VV-Nr. 1000 I Satz 1 2. Halbsatz, wonach keine Einigungsgebühr entsteht, wenn sich der Vertrag "ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht" beschränkt. Unter Verzicht in diesem Sinne ist der Fall zu verstehen, dass der von den Beteiligten geschlossene Vertrag ausschließlich den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch zum Inhalt hat (vgl. BGH BB 2006, 2779f). Teilweise wird in der Rechtssprechung die Auffassung vertreten, die Erklärung der Parteien, auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten zu wollen, beschränke sich inhaltlich darauf, dass letztlich nur eine der Prozessparteien vollständig auf den ihr allein zustehen Ausgleichsanspruch verzichte (vgl. § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB); da der Versorgungsausgleich nur einem der Ehepartner zustehen könne, sei ein gleichzeitig erklärter Verzicht der anderen Partei von vornherein inhaltsleer (vgl. OLG Stuttgart, JurBüro 2006, 639; OLG Karlsruhe, MDR 2007, 409f).

Diese Auffassung reduziert den beiderseits erklärten Verzicht auf einen Verzicht des letztlich ausgleichspflichtigen Ehepartners. Dies wird den Fällen nicht gerecht, in denen - wie hier - im Zeitpunkt des Verzichts noch Unklarheiten darüber bestehen, welcher Ehegatte letztlich durch den Ausgleich begünstigt sein wird. Zwar ist das Versorgungsausgleichsverfahren von Amts wegen durchzuführen. Ausgleichpflichtig ist letztlich der Ehegatte mit den werthöheren Anwartschaften oder Aussichten auf eine auszugleichende Versorgung; dem berechtigten Ehegatten steht als Ausgleich die Hälfte des Wertunterschieds zu, § 1587 a Abs. 1 BGB. Wer letztlich Ausgleichspflichtiger und wer Ausgleichsberechtigter ist, wird sich aber regelmäßig erst nach Ermittlung des Wertunterschieds ergeben. § 1587 o BGB räumt den Parteien das Recht ein, auch im Wege des gerichtlich protokollierten Vergleichs eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich zu treffen. Dieses kann schon vor Ermittlung des Wertunterschieds erfolgen und beinhaltet das Recht der Parteien, auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu verzichten. Wenn - wie hier - mangels weiterer Ermittlungen zum Wert der jeweils erworbenen Anrechte noch nicht einmal die Person des Ausgleichsberechtigten feststeht, kann der durch beide Parteien erklärte Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass jede Partei für den Fall, dass sich ein Ausgleichsanspruch zu Ihren Gunsten ergeben würde, auf einen Ausgleich verzichte. Die Annahme eines bloß einseitigen Verzichts des letztlich Ausgleichsberechtigten trägt den tatsächlichen Umständen nicht hinreichend Rechnung.

Der hier vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit von den Fällen, in denen im Zeitpunkt der beiderseitigen Verzichtserklärungen etwa aufgrund eingeholter Auskünfte bereits feststeht, wem und in welcher Höhe ein Ausgleichsanspruch zusteht (wie z.B. im vom OLG Stuttgart aaO entschiedenen Fall). In diesen Fällen wird eine Einigungsgebühr schon deshalb nicht anfallen, weil im Zeitpunkt der beiderseitigen Verzichtserklärung weder Streit noch Ungewissheit über Ausgleichsberechtigung und -höhe bestanden hat (vgl. OLG Hamm, OLGR 2007, 230).

Wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen die Person des Ausgleichsberechtigten feststeht, nicht dagegen die Höhe des Ausgleichs - etwa weil die Höhe einzelner in die Ermittlung einzustellender Anrechte unklar ist oder weil ein Ausschluss des Ausgleichs wegen grober Unbilligkeit in Betracht kommt (vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 2007, 24) - bedarf hier keiner Entscheidung und wird ausdrücklich offen gelassen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2, 3 RVG.

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