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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: II 2 Ss 91/03 - 44/03 II
Rechtsgebiete: WaffG, StGB, StPO


Vorschriften:

WaffG § 1 Abs. 1 a.F.
WaffG § 4 Abs. 4 a.F.
WaffG § 35 Abs. 1 a.F.
WaffG § 35 Abs. 1 Satz 1 a.F.
WaffG § 35 Abs. 1 Satz 2 a.F.
WaffG § 35 Abs. 4 Nr. 2c a. F.
WaffG § 53 Abs. 3 Nr. 1b
WaffG § 56 Abs. 2 a.F.
StGB § 123
StPO § 260 Abs. 5
StPO § 264 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,-- EUR verurteilt. Zudem hat es die beschlagnahmte Pistole 9,00 Para SI G 210-4, Herst.-Nr. 0 4690 sowie die beschlagnahmte Waffenbesitzkarte vom 23.11.1998 (008787/03) eingezogen.

Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht durch das angefochtene Urteil. Gegen die Entscheidung hat der Angeklagte Revision eingelegt, die mit der Sachrüge Erfolg hat.

II.

1. Nach den Feststellungen der Strafkammer ist der Angeklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Hauses U. 140 b in V. In diesem Haus wohnt der Schwiegervater des Angeklagten; die Dachgeschosswohnung war bis zum 31. Januar 2002 an C.F. vermietet. Am Abend des 31. Januar 2002 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Schwiegervater des Angeklagten und dem Mieter F.. Aus diesem Grund wurde der Angeklagte von seiner Ehefrau, die bei ihrem Vater zu Besuch war, gebeten, zu kommen. Der Angeklagte, der sich Sorgen um seine Ehefrau und seinen Schwiegervater machte, steckte daraufhin eine Pistole 9 mm Parabollum, Herstellernummer D 4690, in die Brusttasche seiner Latzhose und fuhr zum Haus U. 140 b. Das Magazin der Pistole hatte er zuvor ca. 10 bis 15 mm herausgezogen. Der Angeklagte besitzt zwar eine Waffenbesitzkarte jedoch keinen Waffenschein. In der U. angekommen, ging der Angeklagte die Treppe zur Wohnung des Mieters F. hoch und klopfte dort an die Wohnungstür. Nachdem dieser geöffnet hatte, gab es vor der Wohnungstür eine verbale Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Angeklagten. In deren Verlauf zog der Angeklagte die Pistole aus der Latzhose, hielt sie F. entgegen und sagte: "Achtung, ich bin in diesem meinem Haus nicht schutzlos." Als F. fragte, ob er ihn erschießen wollte, antwortete der Angeklagte, er wolle ihn nur warnen. Daraufhin ging er mit der Pistole in der Hand wieder die Treppe hinunter.

2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 1b i.V.m. 35 Abs. 1 WaffG a.F. im Haus Ummerstraße 140 b nicht.

Bei der mitgeführten Pistole 9,00 PARA handelt es sich um eine Schusswaffe im Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. Indes bedurfte der Angeklagte zum Mitführen der Waffe in seinem Haus keines Waffenscheins gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG a.F. Der Angeklagte hat die Waffe nicht im waffenrechtlichen Sinne geführt.

Nach § 4 Abs. 4 WaffG a.F. führt eine Waffe, wer die tatsächliche Gewalt darüber außerhalb seiner Wohnung, Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums ausübt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Angeklagte hat die Waffe in seinem eigenen befriedeten Besitztum geführt. Insoweit kann dahinstehen, ob auch der Ausnahmetatbestand nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 b WaffG vorliegt und der Angeklagte die Waffe mit Zustimmung seines Schwiegervaters in dessen befriedetem Besitztum geführt hat.

Zwar handelt es sich bei dem Haus U. 140 b nicht um die Wohnung des Angeklagten. Denn das Haus dient dem Angeklagten weder zum ständigen noch zum vorübergehenden Aufenthalt, vielmehr hat er die Wohnräume in dem Haus U. 140 b an andere Personen zwecks Aufenthalt und Nutzung vermietet. Bei dem Hausflur, in dem der Angeklagte die Pistole geführt hat, handelt es sich aber um eigenes befriedetes Besitztum. Hinsichtlich des Begriffs des befriedeten Besitztums lehnt sich das Waffengesetz an § 123 StGB an (Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. IV, Waffengesetz § 4 Rn. 19). Besitztum ist dann befriedet, wenn es von seinem berechtigten Inhaber in äußerlich erkennbarer Weise mittels zusammenhängender Schutzwehren gegen das willkürliche Betreten durch andere gesichert (RGSt 11, 293, 294; Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 26. Aufl., § 123 Rn. 6; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl.,§ 123 Rn. 8). Geschütztes Rechtsgut des § 123 StGB ist das Hausrecht (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 1; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 123 Rn. 2). Berechtigter Inhaber des befriedeten Besitztums ist insofern der Inhaber des Hausrechts (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 16).

Hinsichtlich des Treppenhauses steht dem Angeklagten das Hausrecht gemeinsam mit seinen Mietern zu. Bei vermieteten Wohnungen ist Berechtigter grundsätzlich allein der Mieter (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 17, Tröndle/Fischer, a.a.O., § 123 Rn. 3). Unter den Begriff der Wohnung i.S. des § 123 StGB sind auch die sogenannten Nebenräume, wie Treppen, Flure, Keller etc. zu fassen (RGSt 1, 121; Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 17). Indes stellen diese Räumlichkeiten für den einzelnen Mieter keinen vor jedem Dritten abschirmbaren Privatraum dar und sind somit nicht Bestandteil einer räumlich abgegrenzten Privat- und Geheimsphäre. Sind Gemeinschaftseinrichtungen nicht mehr als Wohnungsbestandteile, sondern lediglich als befriedetes Besitztum anzusehen, so gibt der Vermieter regelmäßig sein Hausrecht bei der Vermietung nicht vollständig auf, sondern behält sich zumindest eine Mitberechtigung vor (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 17). Denn er bleibt für diese Gemeinschaftseinrichtungen in aller Regel verkehrssicherungspflichtig und zumeist auch für Schönheitsreparaturen zuständig. Zudem ist er auch für den Gesamthausfrieden verantwortlich und muss schon deshalb eine Berechtigung zum Betreten der Gemeinschaftseinrichtungen besitzen.

III.

Der vorgenannte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Das Landgericht wird zu prüfen haben, ob eine Verurteilung des Angeklagten gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 1b, § 35 Abs. 1 Satz 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 4 WaffG a.F. hinsichtlich des Transports der Waffe von seiner Wohnung in das Haus U. 140 b in Betracht kommt. Bei diesem Vorgang handelt es sich um dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Es spricht viel dafür, dass insoweit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Waffenscheinpflicht nicht vorlagen. Zwar unterfällt der Waffentransport von einem zum anderen erlaubnisfreien Ort aufgrund des Erlaubnistatbestandes des § 35 Abs. 4 Nr. 2c WaffG a. F. nicht der Waffenscheinpflicht. Anders verhält es sich aber, wenn die Waffe dabei schuss- oder zugriffsbereit gehalten wird. Zugriffsbereitschaft ist bereits dann zu bejahen, wenn die Waffe mit schnellen Handgriffen in Anschlag gebracht werden kann (OLG Braunschweig, GA 1978, 245, 246 m.w.N.; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, a.a.O., § 35 Rn. 11).

Sollte die Strafkammer erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz gelangen, wird eine in diesem Zusammenhang gegebenenfalls getroffene Einziehungsentscheidung zu begründen sein. Gemäß § 56 Abs. 2 WaffG a.F. ist die Einziehung der Waffe nicht zwingende Folge, sondern in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass sich das Gericht der fakultativen Möglichkeiten bewusst war. Darüber hinaus ist die Ermessensentscheidung unter Abwägung der Gründe, die für oder gegen die jeweilige Möglichkeit gesprochen haben, im Einzelnen zu begründen (zu vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juli 1990, VRS 80, 23, 24).

Gegebenenfalls wird auch die Liste der angewendeten Vorschriften in Entsprechung des § 260 Abs. 5 StPO durch Angabe der Absätze, Nummer und Buchstaben zu ergänzen sein.



Ende der Entscheidung

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