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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: II-3 UF 21/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1602
BGB § 1606 Abs. 3 S. 2
BGB § 1613 Abs. 1
BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1687 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Geldern vom 20.12.2004 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.167 EUR zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen, soweit sie nicht durch den Teilvergleich vom 8.11.2004 erledigt ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien sind getrenntlebende Ehegatten. Sie haben zwei Söhne, L. (*10.9.1990) und N. (*31.7.1992). Es besteht die gemeinsame elterliche Sorge. Nachdem die Parteien sich vor dem Amtsgericht durch Teilvergleich über laufenden und rückständigen Kindesunterhalt sowie Trennungsunterhalt geeinigt haben, streiten sie in der Berufungsinstanz nur noch darüber, ob der Beklagte zwei weitere Positionen des Kindesunterhalts zu übernehmen verpflichtet ist, namentlich - die hälftigen Kosten eines Zeltlagers für beide Söhne - Nachhilfekosten für den jüngeren Sohn N. (Juli 2004 bis einschließlich Juli 2005). Das Amtsgericht hat die Klage mit einer Begründung von einem Satz (Kommentarzitat) abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie - nach eingeschränkter Prozeßkostenhilfe-Bewilligung durch den Senat - nurmehr noch die Zahlung von 1.401 EUR beantragt. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Streitpunkte sind zwischen den Parteien: - hinsichtlich des Zeltlagers: Die hälftige Beteiligung ist hier vereinbart worden, der Beklagte hat allerdings die Aufrechnung ("Verrechnung") mit einer Gegenforderung gegen die Klägerin erklärt. - hinsichtlich der Nachhilfekosten: Der Beklagte ist mit den Nachhilfekosten von mtl. 132 EUR für eine professionelle Nachhilfe in Englisch nicht einverstanden. Er meint, seine heutige Lebensgefährtin oder er selbst hätten dies aufgrund entsprechender Vorbildung ebenso gut und kostenlos erledigen können. Er sei vor der Entscheidung nicht gefragt worden. II. Die Berufung ist nach eingeschränkter Prozeßkostenhilfe-Bewilligung überwiegend begründet. Allerdings ist gegenüber dem PKH-Beschluss des Senats noch ein Rechenfehler zu korrigieren, der zu einem geringeren Anspruch führt. Der Beklagte schuldet die anteiligen Kosten des Zeltlagers wie auch (ebenfalls anteilig) weiteren Unterhalt wegen des durch den Nachhilfeunterricht entstandenen Mehrbedarfs gemäß §§ 1601, 1602 BGB. 1. Die Beteiligung des Beklagten an den Kosten des Zeltlagers haben die Parteien unstreitig vereinbart. Der Vortrag des Beklagten, seiner Erklärung habe der Rechtsbindungswille gefehlt, ist nicht recht nachzuvollziehen. Eine Aufrechnung scheitert schon an der fehlenden Gegenseitigkeit der Forderungen. 2. Bei den Kosten der Nachhilfe handelt es sich um angemessenen Kindesunterhalt, der vom Beklagten zwar nicht als Sonderbedarf, aber als regelmäßiger Mehrbedarf mitzutragen ist. a) Entgegen der Auffassung des Beklagten konnte die Klägerin auch ohne sein Einverständnis N. zur Nachhilfe beim Nachhilfezentrum G. anmelden (vgl. § 1612 Abs.2 S.3 BGB). Bei der Nachhilfe handelt es sich um eine Angelegenheit des täglichen Lebens, über die der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, nach § 1687 Abs.1 S.2 BGB auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge allein entscheiden kann (vgl. etwa Schwab, FamRZ 1998, 457, 469; Anwaltkommentar/Peschel-Gutzeit, § 1687 Rdnr.14; Bamberger/Roth/Veit, § 1687 Rdnr.12). b) Auch wenn die Kosten von monatlich 132 EUR nicht unerheblich sind, stehen sie nicht außer Verhältnis zum Nutzen der Maßnahme. Das gilt erst recht, weil der Beklagte bei der gegebenen Sachlage nicht für die gesamten Kosten aufzukommen hat, sondern ein Teil dem regelmäßigen Kindesunterhalt zu entnehmen ist und ein weiterer Teil von der Klägerin zu tragen ist. Dadurch, dass die Klägerin nicht auf die vom Beklagten angebotene Hilfe zurückgegriffen hat, hat sie nicht ohne weiteres sachwidrig gehandelt, schon weil die professionelle Nachhilfe erfahrungsgemäß effektiver ist. c) Für die Zeit von März 2004 bis einschließlich Juni 2004 scheidet eine Beteiligung des Beklagten schon wegen der mangelnden Möglichkeit rückwirkender Geltendmachung nach § 1613 Abs.1 BGB aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nämlich bei den Kosten der Nachhilfe im vorliegenden Fall nicht um Sonderbedarf, sondern um regelmäßigen Mehrbedarf (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 770; OLG Hamm FamRZ 1991, 857), der nur unter den Voraussetzungen des § 1613 Abs.1 BGB für die Vergangenheit geltend gemacht werden kann. Sonderbedarf ist nach § 1613 Abs.2 Nr.1 BGB lediglich ein unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf. Zumal von der Klägerin zunächst Nachhilfekosten von März 2004 bis Juli 2005, also für insgesamt siebzehn Monate geltend gemacht worden sind, kann von einem unregelmäßigen Bedarf nicht mehr gesprochen werden. Ob die Nachhilfe im nächsten Schuljahr entbehrlich sein wird, ist zudem noch unklar. Es kommt hinzu, dass der Nachhilfebedarf schon frühzeitig, namentlich in der gymnasialen Unterstufe aufgetreten ist. Schließlich handelte es sich auch nicht ohne weiteres um einen unvorhergesehenen Bedarf. Denn ein "blauer Brief" kommt bekanntlich - gerade in einem Hauptfach mit regelmäßigen Klausuren - nicht ohne Vorwarnung. Da die Klägerin die Nachhilfekosten erstmals im Schriftsatz vom 29.6.2004 (Bl.10 GA) geltend gemacht hat, können Zahlungen auf den Mehrbedarf erst ab 7/04 verlangt werden. d) Mehrbedarf ist nur geschuldet, soweit die Kosten nicht aus dem regelmäßigen Kindesunterhalt gedeckt werden können. Das ist bei Nachhilfekosten in den unteren Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zwar grundsätzlich nicht möglich (OLG Köln NJW 1999, 295). Im vorliegenden Fall haben die Parteien indessen einen Kindesunterhalt nach Gruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle (142% des Regelbetrags) vereinbart. Geht man davon aus, dass bei einem Unterhalt nach Einkommensgruppe 6 monatlich etwa 20 EUR für weitere Bedarfspositionen abgezweigt oder angespart werden können und zusätzlich je Einkommensgruppe die Hälfte des Differenzbetrages zum Betrag nach der 6. Einkommensgruppe (vgl. Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 3.Aufl. Rdnr.3042), hier also 10 EUR, so sind monatlich 30 EUR vorab aus dem Kindesunterhalt zu decken. e) Am verbleibenden Bedarf von mtl. 102 EUR hat sich neben dem Beklagten auch die Klägerin zu beteiligen. Dass sie den Sohn N. betreut, befreit sie nach § 1606 Abs.3 S.2 BGB nur von einer Barunterhaltspflicht hinsichtlich des Elementarbedarfs, nicht hinsichtlich des Mehrbedarfs. Das wird hier auch daran deutlich, dass der Klägerin durch die Nachhilfe in gewissem Umfang eigene Betreuungsaufgaben sogar abgenommen werden. Bei ausreichendem Einkommen muss sich der betreuende Elternteil am Mehrbedarf beteiligen (vgl. Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 6.Aufl., § 2 Rdnr.136). Hier ist die Haftungsquote des Beklagten nach dem unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen sich ergebenden Einkommen beider Parteien zu bemessen. Nach der Grundlage der im Teilvergleich durchgeführten Unterhaltsbemessung hat der Beklagte (ab 7/04) ein Einkommen von 1.499,82 EUR (= 1.875,81 EUR ./. 375,99 EUR Trennungsunterhalt), während die Klägerin über ein Einkommen von 1.356,47 EUR (= 980,48 EUR + 375,99 EUR Trennungsunterhalt) verfügt. Nach jeweiligem Abzug des angemessenen Selbstbehalts von 1.000 EUR ergibt sich für den Beklagten eine Quote von rund 58% (= 499,82 : 856,29 x 100). Daraus ergibt sich sein Haftungsanteil von monatlich gerundet 59 EUR (die Berechnung im PKH-Beschluss ist hier versehentlich von dem nicht um den Kindesunterhaltsanteil bereinigten Betrag ausgegangen). Für die Zeit von Juli 2004 bis Juli 2005 errechnet sich eine Gesamtsumme von 767 EUR (= 13 x 59 EUR), insgesamt beträgt die Forderung 1.167 EUR (767 EUR + 400 EUR). 3. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 516 Abs.3, 708, 713 ZPO. Streitwert für das Berufungsverfahren: - bis einschließlich der Erörterung im Senatstermin vom 24.6.2005: 2.578 EUR - danach: 1.401 EUR.

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