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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: II-5 Wf 201/05
Rechtsgebiete: VV zum RVG, RVG, ZPO, GKG, BerHG


Vorschriften:

VV zum RVG § 2 Abs. 2 Satz 1 Anlage 1 Nr. 2200
RVG § 48 Abs. 4
RVG § 48 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 119 Abs. 1
ZPO § 119 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1
GKG § 5
BerHG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die als Beschwerde bezeichnete sofortige Beschwerde des Klägers vom 20. Juli 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mönchengladbach-Rheydt vom 27. Juni 2005, Az.: 17 F 45/05, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 9. März 2005 dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und mit dem angefochtenen Beschluss den ergänzenden Antrag des Klägers vom 28. April und 30. Juni 2005 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels - § 2 Abs. 2 Satz 1 Anlage 1 Nr. 2200 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG - zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 23. März 2005 Bezug genommen, in der ausgeführt wird, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels erst möglich sei, wenn feststehe, ob überhaupt eine anfechtbare Entscheidung ergehe. Zudem müsse das erstinstanzliche Gericht, um schon zu Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe für eine Rechtsmittelprüfung bewilligen zu können, im Rahmen der erforderlichen Prüfung der Erfolgsaussicht, unterstellen, dass ein Rechtsmittel gegen seine künftige eigene Entscheidung Aussicht auf Erfolg haben werde.

Dagegen richtet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sei schon bei Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe auch für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels nach Nr. 2200 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zu gewähren. Zur Begründung trägt er vor:

Da ein anwaltlicher Vergütungsanspruch nach Nr. 2200 VV erst entstehe, wenn der Rechtsanwalt tatsächlich die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels prüfe, komme es nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung der Erlass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung bereits absehbar sei. Die bedürftige Partei habe unabhängig vom Ergebnis der anwaltlichen Überprüfung Anspruch darauf, dass der ihr für das Verfahren beigeordnete Rechtsanwalt auch die Entscheidung des Gerichts im Rahmen der Prozesskostenhilfe überprüfe, so dass es auf die vom Gericht zu beurteilende Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels gar nicht ankomme.

Für den Rechtsanwalt verbleibe nach Instanzende nur die kurze Zeit von einem Monat, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gegen die ergangene Entscheidung zu beantragen. Dies bewirke eine Ungleichbehandlung zu Lasten der bedürftigen Partei.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gehöre nicht zu den außergerichtlichen Tätigkeiten, weil Absatz 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses RVG eine Terminsgebühr auch im außergerichtlichen Bereich zulasse, wenn der Rechtsanwalt außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens mit dem Gegner Besprechungen zur Vermeidung desselben führe.

Die frühzeitige Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht füge sich zwanglos in die Regelung des § 48 Abs. 4 RVG als andere Angelegenheit, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhänge, ein. Wegen der vorgesehenen Anrechnung auf die Verfahrensgebühr bei Durchführung des Rechtsmittelverfahrens trete eine Belastung der Staatskasse nur ein, wenn der erstinstanzliche Anwalt von der Einlegung eines Rechtsmittels abrate und die Partei diesem Rat folge oder wenn ein neuer Rechtsanwalt mit der Einlegung des Rechtsmittels betraut werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die ausführliche Darstellung des Klägervertreters im Schriftsatz vom 20. Juli 2005 (Bl. 34 ff.) nebst Anlage Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Amtsgericht die ergänzende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines etwaigen Rechtsmittels versagt.

1. Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für den jeweiligen Rechtszug.

Dabei ist der Begriff des Rechtszuges kostenrechtlich zu verstehen (vgl. § 35 GKG; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rdnr. 1 m. w. N.). Der Rechtszug beginnt mit der Einreichung einer Klage, einer Rechtsmittelschrift oder eines gebührenpflichtigen Antrages und endet mit einer die Instanz abschließenden Entscheidung oder einer sonstigen verfahrensbeendenden Prozesshandlung, wie Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels, Erledigungserklärung oder Vergleich etc. (Zöller/Philippi, aaO, § 117 Rdnr. 2b; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 35 GKG Rdnr. 5; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr. 483).

Die sachliche Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und die entsprechende Beratung gehören daher nicht mehr zum Rechtszug im Sinne des § 119 Abs. 1 ZPO. Diese Prüfung unterfällt daher auch nicht mehr der Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten des ersten Rechtszuges (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG), sondern kann nur auf die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren angerechnet werden (Nr. 2200 VV).

2. Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels kann auch nicht mit den anderen Angelegenheiten gemäß § 48 Abs. 4 RVG, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen, gleichgesetzt werden.

Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG erhält der für das Hauptverfahren beigeordnete Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe eine Vergütung aus der Staatskasse auch für andere mit dem Hauptverfahren zusammenhängende Angelegenheiten, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet worden ist.

Die in dieser Vorschrift beispielhaft aufgeführten anderen Angelegenheiten sind das Zwangsvollstreckungsverfahren, der Verwaltungszwang (Nr. 1), Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Nr. 2), das selbständige Beweisverfahren (Nr. 3) und das zivilgerichtliche Verfahren über die Widerklage (Nr. 4). Andere als die im Gesetz genannten Angelegenheiten sind insbesondere solche, in denen Geschäftsgebühren nach Nr. 2400 W entstehen, z. B. das Erinnerungsverfahren gegen den Kostenansatz nach § 5 GKG und das Verfahren vor der Hinterlegungsstelle (vgl. Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, 9. Aufl., § 48 Rdnr. 38).

Alle diese Verfahren hängen mit der Vorbereitung, der Durchführung oder der Abwicklung eines Hauptverfahrens innerhalb einer Instanz zusammen, so dass bei schon absehbarer Notwendigkeit die ausdrückliche Beiordnung des Rechtsanwalts auch für diese Angelegenheiten möglich ist. Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht zwischen dem Hauptverfahren und der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gegen die im Hauptverfahren ergangene Schlussentscheidung mit dem möglichen Ziel der Einleitung einer weiteren Instanz nicht.

3. Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gehört vielmehr zur außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts, für welche die bedürftige Partei Beratungshilfe gemäß § 1 BerHG in Anspruch nehmen kann.

Zwar lässt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Absatz 3 seiner Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses eine Terminsgebühr auch entstehen, wenn der Rechtsanwalt an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, also außergerichtlich tätig wird. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für Besprechungen nur mit dem Auftraggeber des Rechtsanwalts.

Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels kann es aber nur zu einer solchen von Absatz 3 ausdrücklich ausgenommenen Besprechung kommen, weil der Rechtsanwalt nur seinem Auftraggeber mitteilt, ob ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung im ersten Rechtszug erfolgversprechend erscheint oder nicht. Für diese Beratungstätigkeit kann der Prozessbevollmächtigte die Gebühr nach Nr. 2200 W beanspruchen, die im Falle seiner sich anschließenden Beauftragung zur Einlegung des Rechtsmittels dann auf die Verfahrensgebühr in der Rechtsmittelinstanz anzurechnen ist.

Diese außergerichtliche Klärung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels zwischen den Instanzen unterfällt als Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 1 BerHG der Beratungs- und nicht der Prozesskostenhilfe (vgl. Beschluss des Senats vom 9. September 2005 - II - 5 WF 185/05 -; OLG Frankfurt, RVGreport 2005, 280; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, aaO, Rdnr. 921; Madert, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2004, S. 830, Rdnr. 23). Durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Beratungshilfe ist die Chancengleichheit zwischen bedürftiger und nichtbedürftiger Partei gewahrt.

Da die zu entscheidende Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehende und somit grundsätzliche Bedeutung hat, war die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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