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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.05.2009
Aktenzeichen: II-7 UF 149/07
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 20
BGB § 1626 a
BGB § 1666
BGB § 1672
Einem Vater, der nie zuvor sorgeberechtigt war, steht gegen eine Entscheidung, mit der der Mutter das Sorgerecht entzogen wird, keine Beschwerdeberechtigung zu.
Tenor:

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erkelenz vom 01.06.2007 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erkelenz vom 01.06.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerdeführer sind Eltern des am 09.08.2006 geborenen Kindes N. T.. Bei Geburt des Kindes war die Mutter mit Herrn J. T. verheiratet. Mit Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 12.09.2007 (33 F 312/06) wurde festgestellt, dass dieser nicht der Vater des Kindes N. ist. Noch vor Geburt des Kindes hatte der Beschwerdeführer zu 2) durch notarielle Urkunde vom 07.08.2006 mit Zustimmung der Beschwerdeführerin zu 1) die Vaterschaft anerkannt.

Nachdem der Beschwerdeführerin zu 1) in der Vergangenheit bereits die elterliche Sorge für ihre weiteren sieben Kinder entzogen worden war, hatte das Jugendamt der Stadt H. das Kind N. unmittelbar nach der Geburt in Obhut genommen und in einer Bereitschaftspflegfamilie untergebracht. Im Februar 2008 wechselte N. in eine andere Pflegefamilie; dort könnte sie dauerhaft bleiben.

Das Amtsgericht hat mit einstweiliger Anordnung vom 27.10.2006 der Beschwerdeführerin zu 1) und dem damaligen Beteiligten J. T. Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt H. als Pfleger übertragen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob das Kind N. ohne Gefährdung im mütterlichen Haushalt aufwachsen könne, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 01.06.2007 den Eltern die elterliche Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt H. übertragen sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Zur Begründung hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt: Die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter sei persönlichkeitsbedingt drastisch eingeschränkt. Ihre Unfähigkeit könne nicht durch den Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhelferin ausgeglichen werden. Ihr fehle vollständig die Einsicht in ihre eklatanten Defizite. Eine angemessene Erziehung und Versorgung des Kindes wäre nicht zu erwarten. Der Beschwerdeführer zu 2) könne nach erfolgreicher Anfechtung und Abgabe einer Sorgerechtserklärung bzw. Heirat der Kindesmutter die elterliche Sorge für das Kind wahrnehmen. Er zeige jedoch kein Problembewusstsein im Hinblick auf die Erziehung des Kindes durch die Mutter.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindeseltern. Zur Begründung haben sie vorgetragen: Sie hätten erfolgreich Elternkurse besucht und hierdurch belegt, dass sie bemüht seien, ihrer Elternrolle gerecht zu werden und Verantwortung zu übernehmen.

Der Senat hat die Einholung eines weiteren Gutachtens angeordnet zur Frage der Gefährdung des Kindeswohles bei Betreuung und Erziehung durch die Eltern. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 26.08.2008 Bezug genommen.

Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Trotz wiederholter Fristverlängerung haben die Beschwerdeführer diese Möglichkeit nicht wahrgenommen.

II.

Die Beschwerde des Kindesvaters ist unzulässig. Ihm steht kein Beschwerderecht zu. Ein Beschwerderecht ergibt sich nicht aus § 20 FGG. Nach § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, "dessen Recht" durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Damit ist ein unmittelbarer Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht des Beschwerdeführers erforderlich. Dass er ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung haben mag, genügt hingegen nicht (BGH, Beschluss vom 13. 04.2005, XII ZB 54/03). Ebenso wenig genügt es in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller neben der Mutter Träger des Elternrechts gemäß § 6 Abs. 2 GG ist. Da der nicht mit der Mutter verheiratete Vater nicht schon kraft Gesetzes (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge wird und ihm eine Beteiligung am Sorgerecht nach §§ 1626 a, 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB nur mit Zustimmung der Mutter offen steht, mangelt es insoweit auf Seiten des Beschwerdeführers zu 2), der zu keinem Zeitpunkt Inhaber der elterlichen Sorge wurde, an einer Beeinträchtigung seiner materiellen Rechtsstellung (BGH, Beschluss vom 26.11.2008, XII ZB 103/08).

Die zulässige Beschwerde der Mutter hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Entzug der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB liegen vor.

Nach § 1666 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch Versagen eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BGH, Beschluss v. 15.12.2004 XII ZB 166/03). Ziel der Maßnahme nach § 1666 BGB muss die effektive Gefahrenabwehr für das Kind sein. Dabei ist eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann, § 1666 a Abs. 1 S. 1 BGB.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Brand vom 26.08.2008, denen sich der Senat anschließt, fehlen beiden Eltern Sensibilität und Einfühlungsvermögen bezüglich kindlicher Bedürfnisse und Belange. Diese Defizite lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass eine Aufarbeitung der Trennungsreaktion des Kindes nach einer Herausnahme aus der Pflegefamilie von den Eltern nicht aufgearbeitet werden kann. Nachdem N. bereits einmal den Verlust einer Pflegefamilie und damit eine sicheres Bindungsgefüge aufgeben musste, wäre eine nochmalige Herausnahme des Kindes aus der jetzt zweiten Pflegefamilie mit erneuten Auffälligkeiten des Kindes verbunden. Diese aufzufangen übersteigt jedoch die erzieherischen Fähigkeiten der Eltern, so dass eine schwere nachhaltige Schädigung des körperlichen und besonders des seelischen Wohles des Kindes vorhersehbar ist.

Aufgrund des Umstandes, dass N. seit der Geburt nicht das Zusammenleben mit den Eltern erfahren hat, nunmehr seit Februar 2008 in der zweiten Pflegefamilie lebt, hat sie Bindungen zu dieser Familie aufgebaut und sich eine sicheres Bindungsgefüge errichtet, das für die eigenständige Entwicklung und insbesondere auch für die unerlässliche positive Bindungsentwicklung eines Kindes von erheblicher Bedeutung ist. Abbruch oder Trennung einer solch aufgebauten Bindungsbeziehung gefährdet die Entwicklung des Kindes, wie bereits der Wechsel von der Bereitschaftspflegefamilie in eine neue Pflegefamilie gezeigt hat. N. hat hierdurch bereits eine massive Belastungssituation erlebt, die dem Kind nunmehr nicht erneut zugemutet werden kann. N. leidet bereits jetzt unter erheblichen Verlustängsten.

Inwieweit die Eltern diese Belastung ihres Kindes verstehen können und gewillt sind, der von dem Sachverständigeneine aufgezeigten Kindeswohlgefährdung entgegen zu wirken, haben die Eltern trotz mehrfach eingeräumter Frist zur Stellungnahme auf die gutachterlichen Ausführungen nicht erkennen lassen. Unter diesen Umständen kann der mit einem Wechsel in den elterlichen Haushalt verbundenen Kindeswohlgefährdung nur mit einer endgültigen Entziehung der elterlichen Sorge entgegengewirkt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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