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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: II-7 UF 154/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1570
BGB § 1579
BGB § 1581
Die Änderung der BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 15. März 2006, AZ: XII ZR 30/04) zur Eheprägung von nach Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindern führt dazu, dass auch auf außergewöhnlichen Einkommensentwicklungen infolge Karrieresprungs beruhende Einkünfte der Ehegatten die ehelichen Lebensverhältnisse prägen.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen Abschnitt I. 2 (Nachscheidungsunterhalt) des Tenors des Schlussurteils des Amtsgerichts Moers vom 30. März 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Unterhaltsrückstands gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.400 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % der fälligen Beträge abzuwenden, sofern nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit erbringt.

Gründe:

(gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

I. Wegen des Tatbestands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die am ... geborene Klägerin zu 3. - ab Abschnitt II: Klägerin - und der am ... geborene Beklagte hatten am 11.02.1985 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder P., geboren 23.08.1985, (Kläger zu 2.) und die am 08.12.1992 geborene N. (Klägerin zu 1.) hervorgegangen. Die Parteien trennten sich endgültig im Juli 1995 (Bl. 35 BA 44 F 160/96 AG Moers ). Aufgrund des seit dem 25.05.1996 rechtshängigen Scheidungsantrages des Beklagten - und gleichlautenden Scheidungsantrages der Klägerin - wurde die Ehe der Parteien mit Urteil vom 04.02.1998 (rechtskräftig seit dem gleichen Tage) geschieden. Es verblieb bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Parteien über die Kinder. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden zu Lasten des Versorgungskontos des Beklagten auf dem Versicherungskonto der Klägerin monatliche Anwartschaften in Höhe von 428,75 € begründet.

Am 04.02.1998 (Bl. 35 BA) hatten die Parteien einen Scheidungsfolgenvergleich getroffen, in welchem sich der Beklagte unter anderem verpflichtete, der Klägerin Nachscheidungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.426,02 DM zu zahlen.

Mit außergerichtlicher Vereinbarung vom 27.02./14.03.2004 (Bl. 158 GA) änderten die Parteien die Kindesunterhalts- und Nachscheidungsunterhaltsverpflichtung des Beklagten unter anderem dahin ab, dass der Beklagte an die Klägerin Nachscheidungsunterhalt in Höhe von monatlich 770,50 € zu zahlen hatte. Diesen Betrag zahlte der Beklagte bis einschließlich Februar 2005; ab März 2005 reduzierte er den Nachscheidungsunterhalt für die Klägerin zu 3. auf monatlich 281,06 € - diesen Betrag zahlte er (zumindest) bis einschließlich März 2006).

Im Verhandlungstermin vom 22.09.2005 (Bl. 125 GA) erklärten die Parteien übereinstimmend, aus dem Scheidungsfolgenvergleich vom 04.02.1998 keine Rechte mehr herleiten zu wollen.

Nach vorprozessualer Auskunfts- und Unterhaltsaufforderung vom 13.04.2005 (Bl. 11 GA) haben die Kläger zu 1. bis 3. mit am 09.07.2005 beim Amtsgericht eingegangener Klage Kindes- und Nachscheidungsunterhalt geltend gemacht. Nach Hinweis des Amtsgerichts auf die örtliche Unzuständigkeit hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs für den Kläger zu 2. (P.) hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.09.2005 (Bl. 125 f GA) das Verfahren bezüglich des Klägers zu 2. an das Amtsgericht Kempen verwiesen. Das Amtsgericht Kempen hat die Unterhaltsklage von P. (wohl mit Urteil vom 08.03.2006 - Bl. 260 GA - laut Angaben der Klägerin im Verhandlungstermin vom 15.03.2006 - Bl. 288 GA) abgewiesen.

Ihren Unterhaltsanspruch haben die Kläger auf das Einkommen des Beklagten als Kreisdirektor des Kreises W. gestützt. Der Beklagte war am 01.11.1992 (Bl. 328 GA) zum Beigeordneten der Stadt G. berufen worden - Bl. 348 GA: bestellt für 8 Jahre -, und seit dem 01.11.2000 zum ersten Beigeordneten der Stadt G. - Besoldungsgruppe 16 - Urkunde Bl. 349 GA: für 8 Jahre. Seit 01.11.2004 (Bl. 70 GA) wurde der Beklagte zum Kreisdirektor der Kreisverwaltung W. - besoldet nach B 5 - ernannt. Nach seinen Angaben im Senatstermin vom 09.11.2006 ist er seit September 2006 Beigeordneter der Stadt D. (Rechts- und Ordnungsdezernent), Besoldungsgruppe B 7).

Der Beklagte ist seit dem 13.10.1999 wieder verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, und zwar M., geboren am 17.09.1996, J., geboren am 10.03.2000 und K., geboren 28.06.2004.

Die Klägerin zu 3. ist gelernte Krankenschwester und übte diese Tätigkeit bis Februar 1985 aus; bis 04.02.1998 war sie Hausfrau und versuchte sich im Wiedereinstieg in ihre gelernte Tätigkeit. In der Folgezeit und derzeit geht sie Tätigkeiten in Putzstellen in Privathaushalten nach, und bezieht nach ihrer Darstellung Lohneinkünfte in Höhe von allenfalls monatlich 400 €.

Nach der Verweisung der Unterhaltsklage des Sohnes P. haben die Klägerinnen zu 1. und zu 3. zuletzt beantragt, monatlichen Kindes- und Nachscheidungsunterhalt ab Juli 2005 zu zahlen:

Klägerin zu 1. (N.) 447 € Nachscheidungsunterhalt: 800 €, sowie einen Gesamtunterhaltsrückstand für den Zeitraum April bis Juni 2005 in Höhe von 1.931,82 €.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.09.2005 (Bl. 125 R GA) hat der Beklagte den Kindesunterhaltsanspruch für die Klägerin zu 1. (N.) ab Juli 2005 anerkannt, woraufhin unter dem 22.09.2005 (Bl. 142 GA) Teilanerkenntnisurteil erging.

Mit (Schluss-)Urteil vom 30.03.2006 (Bl. 296) hat das Amtsgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, über das Teilanerkenntnisurteil vom 22.09.2005 hinaus an die Klägerin zu 1. (N.) einen Unterhaltsrückstand für den Zeitraum April bis Juni 2005 in Höhe von 171 € zu zahlen, sowie ferner an die Klägerin zu 2. Nachscheidungsunterhalt für den Zeitraum April bis Juni 2005 in Höhe von insgesamt 1.103,25 € sowie ab Juli 2005 monatlichen

Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 800 €, abzüglich in den Monaten Juli 2005 bis März 2006 gezahlter monatlicher 281,06 €.

Dabei hat das Amtsgericht auf der Basis der von ihm bei der Stadt G. eingeholten Auskunft über ein fiktives Einkommen des Beklagten als erster Beigeordneter vom 30.12.2005 (Bl. 221 GA) ein Bruttojahreseinkommen von 79.659,77 € als Einkommen des Beklagten eingestellt, wovon 78.125,93 € steuerpflichtig seien, hierin eingerechnet die Einkünfte aus der Geschäftsführung für den Eigenbetrieb, da ein Verlust dieser Stellung hätte nicht erwartet werden können. Unter Zugrundelegung der Steuerklasse I/4 errechnete das Amtsgericht nach Abzug von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein Nettojahreseinkommen des Beklagten von 53.747,97 €.

Die Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. stelle keinen Karrieresprung dar, hingegen aber der spätere Aufstieg zum Kreisdirektor des Kreises W..

Von diesem Einkommen hat das Amtsgericht abgezogen Krankenversicherungsbeiträge des Beklagten in Höhe von 450,67 € monatlich sowie monatliche (fiktive) Fahrtkosten aus der Wegstrecke zwischen dem Wohnort des Beklagten zur Stadt G. mit 28,9 km täglich. Weiter abgezogen hat das Amtsgericht eine zusätzliche Altersversorgung des Beklagten in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.05.2005 (FamRZ 2005, 1817) mit 4 % des Gesamtbruttoeinkommens mit monatlich 265,53 €.

Nur die Unterhaltsbelastungen gegenüber P. (bis Juni 2005) sowie für die Klägerin zu 2. (N.), ferner für den Sohn M. aus der jetzigen Ehe seien berücksichtigungsfähig; Unterhaltslasten gegenüber den beiden weiteren Kindern seien nicht eheprägend gewesen.

Auf Seiten der Klägerin zu 3. (Nachscheidungsunterhalt) hat das Amtsgericht fiktive Einkünfte aus einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit bei einem Bruttostundenlohn von 8,50 € angesetzt. Die Klägerin zu 3. sei verpflichtet, einer derartigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, sei diese Obliegenheit mangels hinreichender Erwerbsbemühungen aber nicht nachgekommen.

Unterhaltslasten für P. hat es ab Juli 2005 nicht mehr berücksichtigt.

Gegen das Urteil betreffend den Ausspruch zum Nachscheidungsunterhalt wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er - wie erstinstanzlich - Zurückweisung des Nachscheidungsunterhaltsanspruches begehrt:

Die Klägerin zu 3. habe ihren Nachscheidungsunterhaltsanspruch verwirkt, da sie wechselnde und falsche Angaben zu ihren Einkünften aus Putztätigkeit abgegeben habe; seine Einkünfte als Geschäftsführer der Eigenbetriebe der Stadt G. seien nicht berücksichtigungsfähig - wobei er der Annahme des Amtsgerichts, seine Einkünfte aus seiner Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. seien fiktiv fortzuschreiben, nicht entgegentritt; das Amtsgericht habe seine effektiven Krankenversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt; die fiktiven Einkünfte der Klägerin zu 3. seien höher als vom Amtsgericht angenommen anzusetzen; die von ihm bis einschließlich Januar 2006 gezahlten Unterhaltsbeträge für P. seien die Leistungsfähigkeit mindernd zu berücksichtigen; das Amtsgericht hätte die Unterhaltslasten gegenüber seinen Kindern J. und K. zumindest seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigend berücksichtigen müssen.

Die Klägerin beantragt Berufungszurückweisung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen. Der Senat hat die Akte 44 F 160/96 AG Moers zu Informationszwecken beigezogen.

II. 1. Der im Berufungsrechtszug allein noch im Streit befindliche Nachscheidungsunterhaltsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt), da sie wegen der Betreuung der am 08.12.1992 geborenen Tochter N. an der Ausübung einer vollschichtigen ihren Unterhaltsbedarf deckenden Erwerbstätigkeit gehindert ist. Entgegen der Annahme des Beklagten ergibt sich nach dem Alter des Kindes N. keine vollschichtige Erwerbsobliegenheit; nach Ziffer 17.1 der Düsseldorfer Leitlinien 2003 und 2005 setzt eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit erst mit der Vollendung des 16. Lebensjahres des jüngsten Kindes der Parteien ein.

2. Auf der Einkommensseite der Klägerin sind - mit dem Amtsgericht (welches aber den Abzug berufsbedingter Aufwendungen übersehen hat) - fiktive Einkünfte aus einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit mit einem Stundenlohn von 8,50 € - was von ihr hingenommen wird -, zu berücksichtigen. Mit einer - fiktiven - halbschichtigen Erwerbstätigkeit kommt die Klägerin ihrer Erwerbsobliegenheit nach; ein höherer Stundenlohn als 8,50 € kann in die Unterhaltsberechnung nicht eingestellt werden; soweit der Beklagte darauf verweist, dass nach den Angaben der Klägerin für ihre Putztätigkeit höhere Stundenlöhne (9 € netto) gezahlt würden, übersieht er, dass im Privatbereich tätigen Putzhilfen höhere als im "offiziellen" Anstellungsbereich übliche Stundenlöhne gezahlt werden.

Der vom Amtsgericht vorgenommene Einkommensansatz auf Seiten der Klägerin ist daher nicht zu beanstanden.

Entgegen der Annahme des Beklagten kann der Klägerin nicht fiktiv ein Einkommen aus einer halbschichtigen Tätigkeit im einstmals erlernten Beruf als Krankenschwester zugerechnet werden. Es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit 1985 diesen Beruf nicht mehr ausgeübt hat. Bis zum Zeitpunkt des Beginns ihrer halbschichtigen Erwerbsobliegenheit, die angesichts der Betreuung für die Tochter N. und den Sohn P. etwa auf Anfang 2004 zu setzen ist, hat sie nahezu 20 Jahre im erlernten Beruf nicht mehr gearbeitet mit der Folge, dass sie die weitreichende medizintechnische Entwicklung nicht mitbekommen hat, so dass zumindest derzeit mangels entsprechender Ausbildung bzw. Nachschulung Beschäftigungsversuche in diesem Beruf objektiv nicht Erfolg versprechend sind.

3. Zutreffend hat das Amtsgericht für den Unterhaltszeitraum ab Juli 2005 Unterhaltsansprüche des Kindes P. , der Ende Juni 2005 seine allgemeine Schulausbildung beendet hatte, nicht berücksichtigt. Die vom Beklagten - nach seiner Darstellung (ohne Belegvorlage) - gezahlten Unterhaltsbeträge für P. sind als freiwillige Leistungen nicht berücksichtigungsfähig, da P. gegenüber der Klägerin unterhaltsrechtlich nachrangig ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vortrag des Beklagten im vorliegenden Verfahren, dass er vehement jede Unterhaltsverpflichtung gegenüber P. in Abrede gestellt hat.

4. Der Nachscheidungsunterhaltsanspruch der Klägerin ist - entgegen der Vorstellung des Beklagten - nicht verwirkt. Soweit der Beklagte der Klägerin wechselnde und mithin unzureichende Angaben zu ihren effektiven Einkünften vorwirft, und hieraus den Verwirkungseinwand ableitet, ist zu berücksichtigen, dass die auf Seiten der Klägerin anzusetzenden fiktiven Einkünfte die effektiven Einkünfte der Klägerin bei weitem übersteigen, so dass mangels wirtschaftlicher Beeinträchtigung des Beklagten von einer groben Unbilligkeit im Sinne des § 1579 BGB keine Rede sein kann.

5. Auf der Einkommensseite des Beklagten waren die ehelichen Lebensverhältnisse, nach denen sich der Nachscheidungsunterhaltsanspruch der Klägerin richtet, geprägt durch seine Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit, die in jedem Fall bestimmt waren durch die Einkünfte des Beklagten aus seiner Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. . Zutreffend hat das Amtsgericht die Beförderung des Beklagten vom Beigeordneten zum ersten Beigeordneten der Stadt G. nicht als Karrieresprung angesehen, zutreffend hingegen die weitere Beförderung des Beklagten zum Kreisdirektor. Ebenso wurden die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt durch die Nebeneinkünfte des Beklagten aus seiner Geschäftsführung für den Eigenbetrieb der Stadt G.. Insoweit ist sein Vortrag, die gleichzeitige Tätigkeit als erster Beigeordneter sei nicht zwingend mit der Geschäftsführung des Eigenbetriebs verbunden gewesen, widersprüchlich. Nach seinem weiteren Vortrag (Bl. 416 GA) wurde mit dem Ausscheiden des früheren ersten Beigeordneten - dessen Stelle er übernommen hat - gleichzeitig auch die Stelle in der Geschäftsführung des Eigenbetriebes vakant - die im gleichfalls übertragen worden ist. Aus der zeitlichen Koinzidenz des Freiwerdens der an die gleiche Person gebundenen Stelle des ersten Beigeordneten und der Geschäftsführung des Eigenbetriebes mit der nachfolgenden Übernahme beider Tätigkeiten durch ihn ergibt sich, dass beide Positionen miteinander verknüpft waren.

Soweit der Beklagte danach zum Kreisdirektor des Kreises W. und zuletzt zum Beigeordneten der Stadt D. befördert worden ist, handelt es sich, wie zutreffend vom Amtsgericht angenommen, um einen Karrieresprung, denn diese Beförderung(en) beruhten auf einer außergewöhnlichen, nicht in der Ehe angelegten Entwicklung mit erheblichen Abweichungen des Einkommens.

6. Wie der Senat bereits im terminsvorbereitenden Beschluss vom 2. November 2006 (Bl. 490 GA) ausgeführt hat, liegt das Schwergewicht des Rechtsstreits bei der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die Unterhaltslasten des Beklagten gegenüber seinen Kindern aus seiner jetzigen Ehe, von denen M. vor und J. und K. nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe der Parteien geboren wurden, und auch seine spätere Beförderung zum Kreisdirektor des Kreises W. (Besoldungsgruppe B 5) und nunmehr ab September 2006 zum Beigeordneten der Stadt D. (Besoldungsgruppe B 7) die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt haben.

a) In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u. a. FamRZ 1994, 87) wurden nach Rechtkraft der Scheidung der Ehe geborene Kinder nicht in der Bedarfsstufe, sondern ausschließlich auf der Stufe der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten mit der Folge eines Billigkeitsunterhalts gemäß § 1581 BGB berücksichtigt. Hieraus folgend ermittelte sich der Nachscheidungsunterhaltsbedarf der Klägerin nach den bedarfsprägenden Einkünften des Beklagten, wobei - mit dem Amtsgericht - der nach der Trennung erfolgte Aufstieg des Beklagten zum ersten Beigeordneten der Stadt G. nebst Aufnahme seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Eigenbetriebes nicht als Karrieresprung mit der Folge der Nichtberücksichtigung der Bedarfsbemessung behandelt. Da die Einkünfte des Beklagten durch seinen weiteren Aufstieg zum Kreisdirektor des Kreises W. in erheblichem Umfang gestiegen sind, wäre ein Billigkeitsunterhalt nach § 1581 BGB nicht erforderlich, da der Beklagte in der Lage wäre, die Unterhaltsaufwendungen für die nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe der Parteien in zweiter Ehe geborenen Kinder (J. und K.) - nebst diese betreffenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge - aus der Differenz des eheprägenden zum tatsächlichen Einkommen zu zahlen.

b)

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2006 (FamRZ 2006, 683, 686) wirkt sich das Hinzutreten vorrangiger oder gleichrangiger weiterer Unterhaltsberechtigter auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten aus, mithin auch das Hinzutreten der beiden vorbenannten zweitehelichen Kinder des Beklagten die ehelichen Lebensverhältnisse der Klägerin mitbestimmt.

Hiervon ausgehend errechnete sich bei Nichtbeachtung der auf dem Karrieresprung beruhenden Einkommens des Beklagten der Nachscheidungsunterhaltsanspruch der Klägerin wie folgt - wobei mit dem Amtsgericht eine zeitliche Zäsur vorzunehmen ist für den Unterhaltszeitraum bis Juni 2005 sowie ab Juli 2005 (Fortfall der Unterhaltspflicht gegenüber P. sowie Änderung der Düsseldorfer Tabelle):

Jahresnettoeinkommen des Beklagten (wie Amtsgericht) 53.748 € mithin monatlich (: 12 =) 4.479 € abzgl. Krankenversicherungsbeitrag (104) 451 € abzgl. ergänzende Altersvorsorge (wie Amtsgericht 4 % vom Bruttoeinkommen) 266 € abzgl. berufsbedingte Aufwendungen (Höchstbetrag) 150 € 3.612 €.

April bis Juni 2005: Einkommen des Beklagten 3.612 € abzgl. Kindesunterhaltsbeträge nach der Gruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle 2003 P. , Altersstufe 4 465 € N. , Altersstufe 3 404 € M. Altersstufe 2 343 € J. Altersstufe 1 283 € K. Altersstufe 1 283 € 1.834 €

abzgl. Einkünfte der Klägerin (aus fiktiver halbschichtiger Erwerbstätigkeit) wie Amtsgericht 566,01 € abzgl. berufsbedingte Aufwendungen 28,00 € 538 € 1.296 € Quotenunterhalt (x 3/7 =) 555 €

Ab Juli 2005: Fortfall des Kindesunterhalts für P. ; Änderung der Düsseldorfer Tabelle der Kindesunterhalt ist der Gruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle 2005 zu entnehmen

Einkommen des Beklagten 3.612 € abzgl. Kindesunterhalt N., Altersstufe 3 437 € abzgl. Kindesunterhalt M., Altersstufe 2 371 € abzgl. Kindesunterhalt J., Altersstufe 1 306 € abzgl. Kindesunterhalt K., Altersstufe 1 306 € 2.192 € abzgl. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 € 1.654 € Quotenunterhalt (x 3/7 =) 709 €

Ab September 2005: Erhöht sich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (Bl. 324 f.) auf 503 €, womit sich das Einkommen des Beklagten um monatlich 52 € reduziert auf 3.560 €; abzüglich des vorbezeichneten Kindesunterhalts (437 + 371 € + 306 € + 306 € =) 1.420 € verbleiben 2.140 € abzgl. anrechenbares Einkommen der Klägerin 538 € verbleiben 1.602 € der Quotenunterhalt (x 3/7 =) ergibt einen monatlichen Nachscheidungsunterhaltsanspruch in Höhe von 687 €.

Im Unterhaltszeitraum April bis Juni 2005 hatte der Beklagte zu zahlen 3 x 555 € = 1.665,00 € davon gezahlt 3 x 281,06 € = 843,18 € restlicher Unterhaltsanspruch 821,82 €, und mithin weniger als erstinstanzlich mit 1.103,25 € tituliert.

Ab Juli 2005 liegt der der Klägerin zustehende Unterhalt mit 709 € bzw. 687 € niedriger als mit monatlich 800 € tituliert, wovon - mit dem Amtsgericht - im Unterhaltszeitraum Juli 2005 bis März 2006 monatlich 281,06 € vom Beklagten gezahlten Unterhalts in Abzug zu bringen ist. Über Zahlungen ab April 2006 ist nichts mitgeteilt.

c)

Damit wäre die Berufung des Beklagten teilweise erfolgreich. Ob allerdings dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu folgen ist, kann im vorliegenden Fall offen bleiben.

Ohne die Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erwiese sich das amtsgerichtliche Urteil als richtig, wobei es zutreffend die tatsächlichen Kinderfreibeträge beim Beklagten berücksichtig hat, zumal auch die Krankenversicherungsbeiträge für die nach der Scheidung geborenen Kinder in Ansatz gebracht worden sind.

Dieses vom Amtsgericht gefundene Ergebnis hält auch nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - vgl. oben b) - der Überprüfung stand: Der Senat hält es für inkonsequent, dass auf der einen Seite Unterhaltslasten nachehelich geborener Kinder bereits die (früheren) ehelichen Lebensverhältnisse mitgeprägt haben, wodurch der Nachscheidungsunterhalt durch das Hinzutreten nach Scheidung aufgetretener Umstände erheblich geschmälert wird, und auf der anderen Seite dem unterhaltspflichtigen Beklagten auf Grund des Karrieresprunges ungeschmälert die Differenz zwischen seinem effektiven und seinem eheprägenden Einkommen verbleibt.

Wenn nach der vorbezeichneten Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Hinzutreten nachehelicher Belastungen - durch nachgeborene Kinder aus zweiter Ehe - bereits die ehelichen Lebensverhältnisse einer rechtskräftig geschiedenen Ehe mitprägt mit der Folge der Verminderung des Nachscheidungsunterhaltsanspruchs, ergibt sich hieraus eine einseitige Belastung des geschiedenen unterhaltsbedürftigen Ehegatten. Konsequent ist es, zum Ausgleich dieser nachehelich entstandenen Belastungen des geschiedenen Ehegatten vom Rechtsgedanken des "Karrieresprungs" Abstand zu nehmen, denn die unerwartete, während der Ehe nicht angelegte, Einkommensverbesserung des Unterhaltspflichtigen ist ebenso "unerwartet" wie die durch die Geburt nachehelich geborener Kinder sich ergebende weitere Unterhaltslast des Unterhaltspflichtigen.

Mithin hält es der Senat für billig und angemessen, die unterhaltsberechtigte Klägerin nicht nur einseitig durch die Berücksichtigungsfähigkeit des Unterhaltsanspruchs nachehelich geborener Kinder zu belasten, sondern sie im Gegenzug auch davon zu ihren Gunsten partizipieren zu lassen, dass die Einkommensentwicklung des Beklagten eine ebenso wenig in der Ehe angelegte unerwartete positive wirtschaftliche Entwicklung - Beförderung zu Ämtern der Besoldungsgruppe B 5 und nunmehr zur Besoldungsgruppe B 7 - genommen hat.

Unter Berücksichtigung der Beförderung des Beklagten bereits zum Kreisdirektor des Kreises W. (auf die nachfolgende Beförderung zum Beigeordneten der Stadt D. kommt es bereits schon nicht an) errechnet sich ein über dem vom Amtsgericht angenommener Nachscheidungsunterhaltsanspruch der Klägerin, wobei der Senat abweichend vom Amtsgericht nicht die vom Beklagten angesetzten (fiktiven) Fahrtkosten zwischen seinem Wohnort und G. für berücksichtigungsfähig hält, vielmehr ausschließlich pauschale berufsbedingte Aufwendungen nach ihrem Höchstbetrag von 150 €. Soweit die von ihm angesetzten Fahrtkosten die pauschalen berufsbedingten Aufwendungen übersteigen, sind dieser Differenz entgegenzurechnen die steuerlichen Vergünstigungen des Beklagten durch die Absetzung der Fahrtkosten, wobei die ihm aus seiner Tätigkeit als Kreisdirektor zufließenden Steuererstattungen keine Berücksichtigung gefunden haben.

Hiernach ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

aa) Kalenderjahr 2005: Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen des Beklagten im Kalenderjahr 2004 (Bl. 15/16 GA) unter Berücksichtigung einer Jahressonderzahlung von 50 % des Monatsgehalts:

12,5 x (6.820,95 € + 105,28 € + 871,84 €) 97.476 € abzgl. Lohnsteuer (besondere Tabelle III/4) 23.568 € abzgl. Solidaritätszuschlag 823 € abzgl. Kirchensteuer 1.350 € 71.735 € mithin monatlich (: 12 =) 5.978 € abzgl. Kranken- und Pflegeversicherung 451 € abzgl. ergänzende Altersvorsorge (BGH FamRZ 2005, 1817) 4 % vom Bruttoeinkommen 97.476 € 325 € 5.202 € abzgl. berufsbedingte Aufwendungen (Höchstbetrag) 150 € 5.052 €

April bis Juni 2005: Einkommen des Beklagten 5.052 € abzgl. Kindesunterhaltsbeträge - wegen Herabstufung aufgrund höherer Anzahl Unterhaltsberechtigter in Gruppe 10 der Düsseldorfer Tabelle 2003 P., Altersstufe 4 556 € N., Altersstufe 3 483 € M., Altersstufe 2 410 € J., Altersstufe 1 339 € K., Altersstufe 1 339 € 2.925 €.

Da der dem Beklagten aufgrund der Wiederverheiratung zukommende Splittingvorteil (§ 26 EStG) nicht der Klägerin zu Gute kommen darf (BGH FamRZ 2005, 1817) ist für die Bemessung des Nachscheidungsunterhaltsanspruchs der Klägerin vom oben errechneten verbleibenden Einkommen des Beklagten die Differenz der voranstehend ermittelten Steuerbelastungen zu der (fiktiven) Steuerbelastung des Beklagten gemäß Lohnsteuerklasse I/4 in Abzug zu bringen wie folgt:

Bei einem Bruttoeinkommen von 97.476 € errechnet sich die Steuerlast nach Lohnsteuerklasse besondere Tabelle I/4 wie folgt:

Lohnsteuer 31.994 € Solidaritätszuschlag 1.223 € Kirchensteuer 2.001 €

insgesamt 35.218 € abzgl. Steuerlast bei Lohnsteuerklasse III/4: (23.568 € + 823 € + 1.350 € =) 25.741 € 9.477 € mithin monatlich (: 12 =) 790 €

Für den Nachscheidungsunterhaltsanspruch der Klägerin ist auszugehen daher von einem Einkommen des Beklagten nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von 2.925 € abzgl. Steuerdifferenz 790 € 2.135 € abzgl. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 € 1.597 €

Quotenunterhalt (x 3/7 =) 684 €.

Im Unterhaltszeitraum April bis Juni 2005 hatte der Beklagte zu zahlen: 3 x 684 € = 2.052,00 € davon gezahlt: 3 x 281,06 € = 843,18 € restlicher Unterhaltsanspruch 1.209,00 € und mithin mehr als erstinstanzlich mit 1.103,25 € tituliert.

Ab Mai 2005 fällt der Kindesunterhalt für P. weg; die Düsseldorfer Tabelle ändert sich; der Kindesunterhalt ist der 11. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle 2005 - wie auch für N. im Teilanerkenntnisurteil tituliert - zu entnehmen:

Einkommen des Beklagten (für den Kindesunterhalt) - wie zuvor - 5.052,00 € abzgl. Kindesunterhalt N., Altersstufe 3 524,00 € abzgl. Kindesunterhalt M., Altersstufe 2 445,00 € abzgl. Kindesunterhalt J., Altersstufe 1 368,00 € abzgl. Kindesunterhalt K., Altersstufe 1 368,00 € 3.347,00 € abzgl. Differenz der Lohnsteuerbeträge - wie zuvor - 790,00 € 2.557,00 € abzgl. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538,00 € 2.019,00 € errechnet sich ein Quotenunterhalt (x 3/7) in Höhe von 865,00 € und mithin mehr als erstinstanzlich mit 800 € tituliert.

Ab September 2005 zahlt der Beklagte einen höheren Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (Bl. 350 f. GA ) mit monatlich 503 € - statt monatlich 451 € -, so dass für die Unterhaltsbemessung monatlich 52 € weniger zur Verfügung stehen, was ohne Einfluss auf den Kindesunterhalt ist.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin reduziert sich um (3/7 von 52 € =) 22 € auf monatlich 843 € und mithin ebenfalls mehr als erstinstanzlich tituliert.

bb) Im Kalenderjahr 2006 vermindert sich die Sonderzahlung des Beklagten von 0,5 Monatsgehältern auf 0,3 Monatsgehälter, so dass sich - bei ansonsten unverändertem Monatseinkommen -ein Jahresbruttoeinkommen nach Besoldungsgruppe B 5 errechnet in Höhe von 12,3 x (6.820,95 € + 105,28 € + 871,84 €) = 95.916 € abzgl. Lohnsteuer - nach den Steuersätzen für 2005 - (III/4) 22.954 € abzgl. Solidaritätszuschlag 796 € abzgl. Kirchensteuer 1.302 € 70.864 € mithin monatlich (: 12 =) 5.905 € abzgl. ergänzende Altersvorsorge (4 % vom Bruttoeinkommen 95.916 €) 320 € abzgl. Kranken- und Pflegeversicherung 503 € 5.082 € abzgl. berufsbedingte Aufwendungen (Höchstbetrag) 150 € 4.932 € abzgl. Kindesunterhaltsbeträge (wie zuvor) (524 € + 445 € + 368 € + 368 €) 1.705 € verbleiben 3.227 €

Zur Bemessung des Nachscheidungsunterhalts ist wiederum abzuziehen die Differenz zwischen der Versteuerung des Einkommens des Beklagten nach der Steuerklasse III/4 zu einer Versteuerung gemäß Lohnsteuerklasse besondere Tabelle I/4 wie folgt:

Lohnsteuer bei Steuerklasse I/4 bei einem Bruttoeinkommen von 95.916 €: Lohnsteuer 31.339 € Solidaritätszuschlag 1.187 € Kirchensteuer 1.942 € 34.468 €; Lohnsteuer bei Steuerklasse III/4 ( 22.954 € + 796 € + 1.302 € =) 25.052 €; die Differenz beträgt daher monatlich (34.468 € - 25.052 €) : 12 = 785 €.

Hieraus errechnet sich folgender Unterhaltsanspruch der Klägerin: Einkommen des Beklagten nach Abzug des Kindesunterhalts 3.227 € abzgl. Lohnsteuerdifferenz 785 € 2.442 € abzgl. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 € 1.904 €;

der Quotenunterhalt (x 3/7 =) beträgt 816 €, und ebenfalls mehr als erstinstanzlich tituliert.

Für die Zeit ab September 2006 - Beförderung des Beklagten zum Beigeordneten der Stadt D. verbunden mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe B 7 errechnet sich nach voranstehenden Maßgaben in jedem Fall ein über dem im amtsgerichtlichen Urteil titulierter Nachscheidungsunterhalt.

Die Berufung des Beklagten erwiese sich daher auch bei dieser Betrachtung als unbegründet, so dass letztlich offen bleiben kann, ob der BGH-Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit nach Rechtskraft der Scheidung geborener Kinder gefolgt werden kann.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 8, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu im Hinblick darauf, dass er - abweichend vom Bundesgerichtshof - auch die Einkünfte des Beklagten aus seiner nachehelichen Beförderung zum Kreisdirektor als eheprägend angesehen hat.

Ende der Entscheidung

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