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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: II-8 UF 117/06
Rechtsgebiete: BGB, SGB VI


Vorschriften:

BGB § 1573 Abs. 5
BGB § 1577 Abs. 3
BGB § 1578 Abs. 1 Satz 2
SGB VI § 46 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts Wesel vom 4. April 2006 hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts teilweise abgeändert und insoweit unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt neu gefasst:

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 31. Dezember 2007 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 687 EUR monatlich und ab dem 1. Januar 2008 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 238 EUR monatlich zu zahlen.

Der weitergehende Unterhaltsantrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in 1. Instanz bleiben gegeneinander aufgehoben; die Kosten des Verfahrens 2. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die zulässige Berufung des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umgang Erfolg (§§ 1569 ff. BGB).

Gründe:

1.

Der Antragsteller bezieht eine monatliche Rente von netto 1.399,09 EUR; diesem Betrag sind im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragene 5,67 EUR monatlich und Netto-Zinseinnahmen von 250 EUR hinzuzurechnen, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.654,76 EUR bzw. rund 1.655 EUR ergibt.

2.a.

Die Antragsgegnerin bezieht eine monatliche Rente von netto 58,86 EUR; von diesem Betrag sind die o.a. im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen 5,67 EUR monatlich abzuziehen, so dass 53,19 EUR verbleiben.

b.

Die Parteien haben nunmehr im Senatstermin vom 27.09.2006 unstreitig gestellt, dass die Antragsgegnerin zur Abgeltung ihres Wohnrechts vom Antragsteller einen Betrag in Höhe von 16.000 EUR erhalten hat. Der Berufungseinwand des Antragstellers, dieser Betrag von 16.000 EUR sei mit 360 EUR monatlich auf 4,75 Jahre bzw. bis August 2009 zu strecken, in diesem Zeitraum sei der Wohnbedarf der Antragsgegnerin nicht in Ansatz zu bringen und ihr der Ertrag aus dem verbleibenden Kapital als laufendes Einkommen zuzurechnen, folgt der Senat aus mehreren Gründen nicht. Es ist bereits nicht hinreichend erkennbar, dass der Betrag in Höhe von 16.000 EUR vom Antragsteller - wenngleich zur Abgeltung eines Wohnrechts der Antragsgegnerin - zielgerichtet zur Deckung des zukünftigen Wohnbedarfs der Antragsgegnerin geleistet worden ist. Vielmehr hat die Antragsgegnerin ihr Recht offensichtlich im Interesse des Antragstellers aufgegeben. Der Antragsgegnerin dieses Entgegenkommen im Nachhinein unterhaltsrechtlich nachteilig anzulasten, hält der Senat hier - wie bereits im Senatstermin erörtert - nicht für gerechtfertigt. Zudem erscheint es im Hinblick auf die beiderseitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien auch unter Berücksichtigung von § 1577 Abs. 3 BGB (vgl. Palandt-Brudermüller, § 1577 BGB, Rn 33/34 mwN) nicht als gerechtfertigt, von der Antragsgegnerin die Verwertung ihres Vermögensstammes im Wege gestreckter Anrechnung der Zahlung von 16.000 EUR zu verlangen, zumal auch dem Antragsteller sein Vermögensstamm (soweit noch verblieben) belassen wird. Anzurechnen sind der Antragsgegnerin dementsprechend nur Zinsen in Höhe von 3 % p.A. aus dem ihr verbliebenen Restkapital, wobei es im Hinblick auf die im u.a. Umfang beschränkte Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht darauf ankommt, in welchem konkreten Umfang ein Kapitalverbrauch unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist.

3.

Der Einwand des Antragstellers, der Bedarf der Antragsgegnerin betrage nach ihren eigenen Angaben zu den angeblich spärlichen ehelichen Lebensverhältnissen maximal bis zu 300 EUR, ist unberechtigt, da sich der eheliche Lebensbedarf der Antragsgegnerin ersichtlich nicht nur aus etwaigen Barzahlungen des Antragstellers an die Antragsgegnerin ableitet, wie sich bereits aus den eigenen erstinstanzlichen Behauptungen des Antragstellers zu den finanziellen Umständen der ehelichen Lebensverhältnisse (vgl. insbesondere 95 ff. GA) ergibt.

4.

Soweit der Antragsteller einwendet, sein Selbstbehalt müsse mit 995 EUR berücksichtigt werden, ist die Berechnung seiner Leistungsfähigkeit durch das Amtsgericht in mehrfacher Hinsicht bereits rechnerisch nicht nachvollziehbar und fehlerhaft. Ein Selbstbehalt in Höhe von 995 EUR steht dem Antragsteller mangels Erwerbstätigkeit nicht zu, vielmehr nur - entsprechend der neueren Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2006, 683) - ein angemessener "mittlerer" Selbstbehalt von 935 EUR zu, nämlich 770 EUR + (1.100 EUR ./. 770 EUR x 1/2 = 165 EUR).

5.

Dementsprechend ergibt sich folgende Berechnung der Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin, die durch die Leistungsfähigkeit des Antragstellers beschränkt sind:

Einkommen des Antragstellers insgesamt rund 1.655 EUR

Einkommen der Antragsgegnerin

 Altersrente 58,86 EUR
abz. im VA zu übertragender 5,67 EUR
verbleiben 53,19 EUR
zzgl. 3 % Zinsen aus max. 16.000 EUR 40,00 EUR
insgesamt rund 93 EUR
Differenz 1.562 EUR
x 1/2 781 EUR
jedenfalls begrenzt durch die Leistungsfähigkeit des Antragstellers auf (1.655 EUR ./. 935 EUR) 720 EUR
somit mehr als vom Amtsgericht zuerkannte 687 EUR

6.

Der Einwand des Antragstellers, jedenfalls sei der Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt zu befristen, hat gemäß §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Maßgabe Erfolg, dass ein den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechender, durch die Leistungsfähigkeit des Antragstellers beschränkter nachehelicher Unterhaltsanspruch im Hinblick auf die kurze Dauer der Ehe (die eheliche Lebensgemeinschaft dauerte rund 3,5 Jahre; nach rund 6 Jahren wurde die Ehe rechtskräftig geschieden; vgl. Palandt-Brudermüller, § 1573 BGB, Rn 33 mwN) bis Dezember 2007 zu befristen ist. Ab Januar 2008 ist der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin auf den Ausgleich des ehebedingten Nachteils, d.h. die Höhe der durch die erneute Wiederheirat endgültig entfallene Witwenrente in Höhe von zuletzt 466,22 DM bzw. rund 238 EUR monatlich (vgl. Rentenbescheid ab 11/1996: 166 ff. GA; letzter Auszahlungsbeleg vom 27.04.2000 vor der Wiederheirat am 12.05.2000: 223 GA), zu beschränken.

Soweit der Antragsteller behauptet, der Umstand des Erlöschens der Witwenrente der Antragsgegnerin aus ihrer ersten Ehe sei ihm vor der Heirat nicht bekannt gewesen und insbesondere habe er sich danach auch nicht erkundigt, kommt es auf diesen - streitigen - subjektiven Umstand nicht in erheblicher Weise an. Der Wegfall der Witwenrente in Höhe von 450,37 EUR bzw. rund 230 EUR monatlich stellt sich objektiv - entgegen dem Berufungsvorbringen des Antragstellers - als ehebedingter Nachteil dar, auch wenn sich die Witwenrente ohne eine eigene Leistung der Antragsgegnerin aus den damaligen Rentenanwartschaften/-rechten ihres ersten verstorbenen Ehemannes ableitet. Im Hinblick auf das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 20.12.2005 (91 GA) ist belegt, dass eine Witwenrente gemäß § 46 Abs. 3 SGB VI nur im Falle e i n e r weiteren (zweiten) Ehe wiederauflebt. Dementsprechend war die Schließung der (dritten) Ehe mit dem Antragsteller für den endgültigen Wegfall der Witwenrente der Antragsgegnerin ursächlich und stellt sich als vom Antragsteller im Wege einer insoweit beschränkten, aber unbefristeten nachehelichen Unterhaltspflicht auszugleichender ehebedingter Nachteil der Antragsgegnerin dar.

Der weitere Einwand des Antragstellers, im Hinblick auf die während der Ehe erfolgte Verringerung seines Vermögens könne die vom Amtsgericht vertretene Abhängigkeit/Verflechtung allenfalls bis zum Zeitpunkt des endgültigen Verbrauchs seines Kapitalvermögens bestehen, greift insoweit nicht, als das Amtsgericht dem Antragsteller nur die Zinsen aus dem verbliebenen Kapital mit 250 EUR monatlich zugerechnet hat, somit eine Verwertung des Vermögensstammes vom Antragsteller nicht gefordert wird und er für die ab Januar 2008 reduzierte Unterhaltsrente von 230 EUR monatlich auch ohne Berücksichtigung von Zinseinkünften aus etwaig noch vorhandenem Vermögen hinreichend leistungsfähig ist.

II

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 93 a, 97 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.244 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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