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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: II-8 UF 254/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Die Berufung auf eine auf einem offenkundigen redaktionellen Versehen beruhende Protokollierung eines gerichtlichen Vegleichs ist als unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB zu bewerten, die eine Vollstreckungsgegenklage nicht zu begründen vermag, wenn der protokollierten Erklärung erkennbar jeder Rechtsgrund fehlt.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Rheinberg vom 21.09.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 4.462 €.

Gründe:

I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute.

Unter dem 13.11.2003 schlossen die Parteien im Verfahren 16 F 117/03 vor dem Amtsgericht Rheinberg einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:

"1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin ab dem 01.11.2003 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 210 €.

2. Der Beklagte schuldet der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2002 bis zum 31.10.2003 rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 4.462 €. Dieser Betrag wird fällig nach der Veräußerung der gemeinsamen Immobilie der Parteien."

In der Folge begehrte der Kläger in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Rheinberg (16 F 272/04) die Abänderung des Vergleichs vom 13.11.2003 betreffend den laufenden Unterhalt ab dem 01.06.2004. Am 17.11.2005 kam es - "auf Anraten des Gerichts" - zu einem Vergleichsabschluss wie folgt:

"1. Der Kläger zahlt zum Ausgleich sämtlicher streitiger Trennungsunterhaltsforderungen an die Beklagte 670 €, fällig am 01.01.2006.

Die vorstehende Zahlung ist nicht geschuldet, wenn sich herausstellen sollte, dass gemäß der Entgeltabrechnung Februar 2005 an die Beklagte im Rahmen der Unterhaltspfändung ein Betrag von 926,63 € ausgekehrt worden ist.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, aus dem Vergleich über Trennungsunterhalt vom 13.11.2003 in dem Verfahren 16 F 117/03 keine Rechte mehr herzuleiten."

Den Streitwert für den Rechtsstreit und den Vergleich hat das Amtsgericht im genannten Termin auf (210 x 12) 2.520 € festgesetzt.

In der beigezogenen Akte 16 F 272/04 wurde der titulierte Unterhaltsrückstand von 4.462 € für die Zeit von November 2002 bis Oktober 2003 nicht thematisiert.

Der Kläger wurde im Übrigen im ersten Verfahren durch Rechtsanwalt Ha., im zweiten Verfahren durch Rechtsanwalt St. und wird im jetzigen Verfahren durch Rechtsanwalt L. vertreten; auf Seiten der Beklagten war durchgängig Rechtsanwalt Ho. tätig.

Der Verkauf des gemeinsamen Hauses fand im Februar 2006 statt.

Die Beklagte hat am 24.05.2006 einen Vollstreckungsversuch betreffend den rückständigen Trennungsunterhalt von 4.462 € unternommen. Dagegen richtet sich die nunmehr vom Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage.

Das Amtsgericht hat die Klage - durch den Richter, der auch beide vorhergehenden Verfahren bearbeitet hatte - abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 13.11.2003 weiter. Er meint, dass der Vergleich vom 17.11.2005 eindeutig gefasst und einer Auslegung nicht zugänglich sei. Es wäre im Übrigen ein leichtes gewesen, eine gesonderte Regelung zum Trennungsunterhaltsrückstand in den Vergleich vom 17.11.2005 aufzunehmen, wenn dies von den Parteien beabsichtigt gewesen sei. Er könne sich nicht mehr erinnern, was in der Sitzung vom 17.11.2005 Gegenstand der Erörterung gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Ein Anlass, auf den Rückstand zu verzichten, habe für sie nicht bestanden.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Vollstreckungsgegenklage richtet sich nach § 767 ZPO.

Ein Prozessvergleich ist für die Vollstreckung strikt nach dem protokollierten Inhalt auszulegen. Daher tragen Anwälte und Gericht "die Bürde", einen gerichtlichen Vergleich besonders präzise zu formulieren (Münchener Kommentar, 2000, § 794, Rdz. 90, 92). Vollstreckbar ist das, was sich unmittelbar aus dem Titel ergibt; für die Auslegung darf auf andere tatsächliche oder rechtliche Umstände (mit Ausnahme gesetzlicher Vorschriften) nicht zurückgegriffen werden (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 794, Rdnr. 14 a; OLG Koblenz in JurBüro 2002, 551), auch nicht auf die Prozessakten, die zuvor gestellten Anträge und ihre Begründung, da anders als bei einem streitigen Urteil, das einen Tatbestand enthält, bei einem Vergleich außerhalb seines Wortlautes liegende Umstände keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zulassen, welche Ansprüche die Parteien einvernehmlich erledigen wollten (OLG Frankfurt in Versicherungsrecht 1995, 1061; OLG Stuttgart in Rechtspfleger 1997, 446).

Danach erscheint die Sach- und Rechtslage vorliegend zunächst eindeutig: Da in Ziff. 2 des Vergleichs vom 17.11.2005 keine Einschränkung betreffend den Trennungsunterhaltsrückstand erfolgt ist, kann die Klägerin auch hinsichtlich des Rückstandes keine Rechte mehr aus dem Vergleich vom 13.11.2003 herleiten.

Zu beachten ist jedoch, dass es sich vorliegend offenkundig um ein redaktionelles Versehen des Gerichts, auf dessen "Anraten" der Vergleich geschlossen wurde, und der Parteien gehandelt hat. Im Verfahren 16 F 272/04 ging es allein um die Abänderung des laufenden Trennungsunterhalts für die Zeit ab dem 01.06.2004, und der bis zum 31.10.2003 titulierte Unterhaltsrückstand ist in der ganzen Akte nicht mit einem Wort erwähnt, war mithin nicht "streitig" im Sinne von Ziff. 1 des Vergleichs vom 17.11.2005; auch der Streitwert für den Vergleich bezieht sich allein auf die Abänderung zum laufenden Unterhalt, ein Widerspruch des Klägers gegen die Festsetzung ist nicht erfolgt.

Insbesondere ist nicht zu verkennen, dass auf Seiten der Beklagten kein Grund für einen Verzicht auf den Unterhaltsrückstand vorlag und vorliegt; auch der Kläger konnte einen solchen nicht nennen. Dies gilt um so mehr, als der Unterhaltsrückstand im Abänderungsverfahren gar nicht angefochten war und somit bei einer Entscheidung des Gerichts ohnehin nicht hätte abgeändert werden können; warum die Beklagte im Vergleichswege prozessual hätte nachgeben und einen für sie höchst nachteiligen Vergleich hätte abschließen sollen, wenn ihr mit einem Urteil und gar einem Anerkenntnis wirtschaftlich viel mehr verblieben wäre, nämlich der titulierte Rückstand bis Oktober 2003 und der ebenfalls nicht angefochtene laufende Unterhalt von November 2003 bis Mai 2004, ist nicht zu erkennen.

Es kann im Übrigen dahinstehen, ob der Unterhaltsrückstand im Termin vor dem Amtsgericht vom 17.11.2005 ausdrücklich angesprochen worden ist oder nicht. Wurde er thematisiert, so hätte es nahe gelegen, dies im Protokoll festzuhalten und den Vergleich insoweit unmissverständlich zu formulieren sowie den Streitwert, sollte sich der Vergleich auch auf den Unterhaltsrückstand bezogen haben, entsprechend festzusetzen; dass all dies nicht geschehen ist, lässt es für den Senat als zweifelsfrei erscheinen, dass von keinem der Beteiligten im Termin vom 17.11.2005 auch der Unterhaltsrückstand als Regelungsgegenstand des Vergleichs aufgefasst wurde. Sollte der Unterhaltsrückstand im Termin vom 17.11. nicht ausdrücklich erwähnt oder erörtert worden sein sollen, so fehlt, da er zuvor zu keiner Zeit Verfahrensgegenstand war, jeder Ansatzpunkt für seine Einbeziehung in den Vergleich. Für beide möglichen Sachverhaltsgestaltungen hat der Kläger im Übrigen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er aus seiner subjektiven Sicht davon ausging oder ausgehen konnte, dass mit dem Vergleich vom 17.11.2005 auch der zuvor titulierte Unterhaltsrückstand seine Erledigung finden würde.

Danach ist die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage als missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsposition und mithin unzulässige Rechtsausübung durch den Kläger zu bewerten. Es widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass der Kläger eine offenkundig misslungene Vergleichsprotokollierung dazu nutzt, sich ohne sachlichen Grund einer zuvor titulierten Forderung zu entziehen.

Vollstreckungsgegenklage und Berufung sind danach unbegründet.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch ist zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts herbeizuführen.

Ende der Entscheidung

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