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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: II-8 UF 30/05
Rechtsgebiete: ZPO, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 1
ZPO § 87 Abs. 1
ZPO § 172 Abs. 1
ZPO § 339 Abs. 1
ZPO § 341 Abs. 1 Satz 2
BRAO § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Einspruch des Antragstellers gegen das Versäumnisurteil vom 25.05.2005 wird als unzulässig verworfen.

Die weiteren Kosten der Berufungsinstanz trägt der Antragsteller.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.000 € abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil vom 23. Dezember 2004 die Ehe der Parteien geschieden - insoweit rechtskräftig seit dem 05.04.2005 - und den Antragsteller u.a. verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.067 € monatlich zu zahlen.

Mit seiner - zulässigen - Berufung erstrebt der Antragsteller die Abweisung der Klage auf Zahlung des nachehelichen Unterhalts.

Der Antragsteller war im Berufungsverfahren zunächst durch die Rechtsanwälte A. vertreten; diese haben die Berufung eingelegt und auch begründet. Durch Schriftsatz vom 23.05.2005, bei Gericht per Fax am 24.05.2005 eingegangen, bestellte sich Rechtsanwalt G. für den Antragsteller. Rechtsanwälte A. legten durch Schriftsatz vom 25.05.2005 - an diesem Tage auch bei Gericht eingegangen - das Mandat für den Antragsteller nieder.

Im Verhandlungstermin vor dem Senat am 25.05.2005 erschien der Antragsteller persönlich mit Rechtsanwalt G. Es wurde zunächst festgestellt, dass Rechtsanwalt A. das Mandat für den Antragsteller niedergelegt hatte, er jedoch zum Termin gemäß Empfangsbekenntnis vom 11.03.2005 ordnungsgemäß geladen war. Sodann erklärte Rechtsanwalt G., dass er nicht bei einem Oberlandesgericht zugelassen sei und deswegen nicht verhandeln könne. Auf Antrag der Antragsgegnerin erging danach ein Versäumnisurteil gegen den Antragsteller, mit dem seine Berufung zurückgewiesen wurde. Im Rubrum des Versäumnisurteils wurde Rechtsanwalt G. als Prozessbevollmächtigter genannt.

Das Versäumnisurteil wurde den Rechtsanwälten A. am 01.06.2005 zugestellt. Am 06.06.2005 wurde durch die Geschäftsstelle eine Zustellung des Versäumnisurteils an Rechtsanwalt G. veranlasst, die dieser ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 11.06.2005 erhalten hat.

Am 27.06.2005 - einem Montag - ging eine Einspruchsschrift von Rechtsanwalt G. - per Telefax - ein. Durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 04.07.2005 wurde Rechtsanwalt G. gebeten, seine Zulassung beim Oberlandesgericht Hamm bis zum 29.07.2005 zu belegen. Mit Schriftsatz vom 07.07.2005 überreichte Rechtsanwalt G., auf die Anfrage des Gerichtes" eine Mitteilung des OLG Hamm betreffend seine dort am 24.06.2005 erfolgte Eintragung der Zulassung in die dortige Anwaltsliste.

Auf Anfrage des Senats teilten die Rechtsanwälte A. mit Schriftsatz vom 07.10.2005 mit, dass sie den Antragsteller nach Erhalt der Zustellung des Versäumnisurteils vom 25.05.2005 angeschrieben und auf den Erlass des Versäumnisurteils und die Gründe dafür hingewiesen hätten; außerdem hätten sie ihm mitgeteilt, dass die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil am 15.06.2005 ablaufe und nur ein beim Oberlandesgericht zugelassener Anwalt diesen Einspruch einlegen könne. Im Senatstermin vom 26.10.2005 dazu befragt erklärte der Antragsteller, dass er sich heute nicht mehr daran erinnern könne, ob und ggf. wann er von den Rechtsanwälten A. eine Mitteilung über den dortigen Eingang des Versäumnisurteils mit einer entsprechenden Belehrung erhalten habe.

Nunmehr stellt die Antragsgegnerin den Antrag,

den Einspruch des Antragstellers als unzulässig zu verwerfen.

Der Antragsteller beantragt,

den Einspruch als zulässig zu behandeln.

Entscheidungsgründe:

Der Einspruch des Antragstellers gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 25.05.2005 ist verspätet und daher gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß § 339 Abs. 1 ZPO beträgt die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil zwei Wochen und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils. Das Versäumnisurteil ist dem früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 01.06.2005 zugestellt worden. Diese Zustellung ist als wirksam anzusehen und hat die Einspruchsfrist in Gang gesetzt, so dass diese mit dem 15.06.2005 ablief. Gemäß § 87 Abs. 1 ZPO endet die Vollmacht im Anwaltsprozess - mithin auch im vorliegenden Verfahren - erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts; demgemäß hat die Mandatsniederlegung durch die früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 25.05.2005 für die tatsächliche Beendigung des prozessrechtlichen Vertretungsverhältnisses keine maßgebliche Bedeutung.

Durch den Bestellungsschriftsatz des Rechtsanwalts G. vom 23. Mai 2005 und dessen Auftreten im Senatstermin vom 25. Mai 2005 ist keine wirksame Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts im Sinne des § 87 Abs. 1 ZPO erfolgt, denn Rechtsanwalt G. war zu dieser Zeit nicht bei einem Oberlandesgericht als Rechtsanwalt zugelassen. Ihm fehlte daher die Postulationsfähigkeit im Sinne des § 78 Abs. 1 ZPO. Demgemäß war die Zustellung des Versäumnisurteils vom 25.05.2005 gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an die früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorzunehmen, da deren Vollmacht, wie ausgeführt, noch nicht erloschen und zur ordnungsgemäßen Vertretung des Antragstellers im Anwaltsprozess auch erforderlich war (Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 172, Rdnr. 11). Mit dieser Rechtsauffassung folgt der Senat dem BGH (NJW 2005, 3773 f; NJW 1992, 2706; NJW 1990, 1305; MDR 1985, 30), wonach die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts bei einem Gericht Prozesshandlungsvoraussetzung ist und zum Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein muss (Zöller, a.a.O., Rdnr. 4; Wenzel in Münchener Kommentar, § 172 ZPO, Rdnr. 4).

Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Prozesshandlung des neuen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers war seine Bestellung, durch die - bei Wirksamkeit - das Vertretungsverhältnis der früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beendet worden wäre. Wie ausgeführt, war die Bestellung wegen fehlender Postulationsfähigkeit jedoch unwirksam, so dass das Vertretungsverhältnis der früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers fortdauerte und zur wirksamen Zustellung an diese am 01.06.2005 führte, so dass die Einspruchsfrist mit dem Ablauf des 15.06.2005 endete.

Mithin ist der Einspruch vom 27.06.2005 verspätet eingelegt worden.

Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat trotz gerichtlicher Aufforderung vom 04.07.2005 auch nicht dargetan, vor dem 24.06.2005 beim Oberlandesgericht Hamm zugelassen worden zu sein. Für die Zulassung kommt es im Übrigen gemäß § 12 Abs. 2 BRAO auf die Aushändigung der Urkunde an. Anhaltspunkte dafür, dass dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die Urkunde betreffend seine Zulassung beim Oberlandesgericht Hamm bereits am 01.06.2005 ausgehändigt worden war, bestehen nicht, so dass jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt das Vertretungsverhältnis der früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers für diesen nicht beendet und die Zustellung des Versäumnisurteils mithin an diese vorzunehmen war.

Dass der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im Rubrum des Versäumnisurteils vom 25.05.2005 aufgeführt ist, und dass das Versäumnisurteil - auch - an diesen (am 11.06.2005) zugestellt wurde, ändert nichts daran, dass die Zustellung des Versäumnisurteils an die früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 01.06.2005 für die Bemessung der Einspruchsfrist maßgeblich ist. Dem Antragsteller und seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten war infolge des Senatstermins und durch das Versäumnisurteil vom 25.05.2005 bewusst, dass der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers diesen bis zu seiner Zulassung bei einem OLG nicht wirksam vertreten konnte. Zudem haben die früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers diesen nach Erhalt des Versäumnisurteils angeschrieben und ausdrücklich auf den Ablauf der Einspruchsfrist am 15.06.2005 hingewiesen. Damit konnte weder beim Antragsteller noch bei seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten ein plausibler Grund für die Annahme entstehen, für die Bemessung der Einspruchsfrist komme es nicht auf die Zustellung an die früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers an.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision gegen das vorliegende Urteil zu, § 543 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 ZPO. Die Frage, ob für die Wirksamkeit der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten dessen Postulationsfähigkeit gegeben sein muss, ist in Rechtsprechung und Literatur durchaus auch verneint oder offen gelassen worden (Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 172, Rdnr. 8; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 172, Rdnr. 3; OLG Düsseldorf in NJW RR 1986, 799 f; KG in NJW 1994, 3111 f). Dem Antragsteller ist daher Gelegenheit zu geben, die Entscheidung des Senats der Überprüfung durch die Revision zu unterziehen.

Ende der Entscheidung

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