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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: II-8 WF 150/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Im Rahmen einer Bewertung nach § 91 ZPO darf der Rechtsmittelbeklagte einen Rechtsanwalt zur Vertretung im Rechtsmittelverfahren beauftragen, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist; dies gilt ebenfalls für eine zuvor vor dem Hintergrund einer angekündigten Rechtsmitteleinlegung erfolgte Beauftragung jedenfalls dann, wenn das Rechtsmittel in der Folge tatsächlich eingelegt wird.
Tenor:

wird der Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 21. Juli 2008 auf die Beschwerde der Antragsgegnerin aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Beschlussfassung über den Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2008 an das Amtsgericht zurückverwiesen, das bei seiner Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats im vorliegenden Beschluss zu beachten hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Beschwerdewert: 466,24 €.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde durch Urteil des Amtsgerichts Mülheim/Ruhr vom 27.09.2007 zur monatlichen Zahlung von Nachscheidungsunterhalt verurteilt. Mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2007 kündigte er dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin Berufungseinlegung zum OLG Hamm an. Die Berufung wurde sodann fristgerecht beim - örtlich unzuständigen - OLG Hamm eingelegt. Dieses wies beide Parteien unter dem 30.10.2007 auf seine Unzuständigkeit hin, woraufhin der Antragsteller die dortige Berufung am 02.11.2007 zurücknahm. Die Rücknahme der Berufung wurde der Antragsgegnerin am 06.11.2007 zugestellt. Unter dem 13.11.2007 verfügte das OLG Hamm die Zustellung der Berufungsschrift an die Antragsgegnerin, die am 16.11.2007 erfolgte. Durch Beschluss vom 04.12.2007 sprach das OLG Hamm die Kostenpflicht des Antragstellers gemäß § 516 Abs. 3 ZPO aus.

Am 30.10.2007 legte der Antragsteller - ebenfalls noch fristgerecht - beim örtlich zuständigen OLG Düsseldorf Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Diese wurde nach einer außergerichtlichen Einigung der Parteien durch Schriftsatz vom 27.12.2007 zurückgenommen.

Am 25.01.2008 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht die Kostenfestsetzung aus dem Beschluss des OLG Hamm vom 04.12.2007. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat rechtzeitig Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde hat im erkannten Sinne Erfolg.

1) Der Senat folgt der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung, dass der Rechtsmittelbeklagte einen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz beauftragen darf, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 91, Rz 13, Stichwort "Berufung"; OLG Nürnberg in MDR 2000, 415). Diese Auffassung wird gestützt durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 756 f), wonach die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen kann, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist, und dass der Rechtsmittelgegner in einer als risikobehaftet empfundenen Situation die Einholung anwaltlichen Rats und demgemäß die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten darf; dabei hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem der Anwalt des Rechtsmittelführers ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass das Rechtsmittel nur zur Fristwahrung eingelegt werde, was vorliegend nicht der Fall ist.

Die Antragsgegnerin hat durch Vorlage des Schreibens ihres Bevollmächtigten vom 18.10.2007 und ihrer eigenen schriftlichen Erklärung ohne Datum - mit Schriftsatz vom 06.05.2008 eingereicht - hinreichend dargetan, dass sie ihren Verfahrensbevollmächtigten zur Vertretung in der Berufungsinstanz vor dem OLG Hamm beauftragt hat, nachdem ihr mit Schreiben der Antragstellervertreter vom 16.10.2007 die Einlegung dieses Rechtsmittels angekündigt worden war, die sodann auch unter dem 25.10.2007 erfolgte. Dass die Antragsgegnerin ihren Verfahrensbevollmächtigten bereits vor der Einlegung der Berufung beauftragt hat, ist im Sinne der oben genannten Rechtsauffassung unbeachtlich, denn zum einen konnte die Antragsgegnerin aufgrund der Information des Antragstellers vom 16.10.2007 mit hinreichender Sicherheit von einer Berufungseinlegung ausgehen, wie es sich durch die tatsächliche Berufungseinlegung auch manifestiert hat, und jedenfalls hat die vorherige Mandatierung auch im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung und darüber hinaus ihre Wirksamkeit entfaltet, ohne dass es einer erneuten gesonderten ausdrücklichen Bevollmächtigung bedurfte.

2) Dem Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin steht auch keine verbindliche Vereinbarung der Parteien entgegen.

Mit außergerichtlichem Schriftsatz vom 17.12.2007 erklärte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Zustimmung zu einem zuvor von der Gegenseite gemachten Vergleichsvorschlag und schloss wie folgt: "Im Anschluss kann die Berufung von Ihnen zurückgenommen werden." Mit Schreiben vom 18.12.2007 bestätigten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Einigung der Parteien und führten unter anderem aus: "Zur Vermeidung eines Berufungsverfahrens wurde folgende Einigung erzielt: 1.... . 2. Etwaige Gerichtskosten für das Berufungsverfahren trägt ebenfalls unser Mandant. Im Übrigen tragen beide Mandanten ihre eigenen außergerichtlichen/Anwaltskosten selbst. Sie stellen keinen Kostenerstattungsanspruch wegen Berufungsrücknahme."

Die geschilderte Korrespondenz bezieht sich erkennbar auf das noch laufende Berufungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf. Zudem ist von einem Berufungsverfahren - in der Einzahl - die Rede. Beide Umstände sprechen dafür, dass sich die Einigung der Parteien lediglich auf das eine - noch laufende - Berufungsverfahren bezog, auch hinsichtlich der Kostenfolge. Das vorherige Berufungsverfahren vor dem OLG Hamm war zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Parteien bereits abgeschlossen. Bei dieser Sachlage hätte es nahegelegen, die Verpflichtung der Antragsgegnerin, keinen Kostenerstattungsanspruch wegen Berufungsrücknahme zu stellen, gerade auch ausdrücklich auf das bereits abgeschlossene Berufungsverfahren vor dem OLG Hamm, für das ein Kostentitel bereits vorlag, zu erstrecken; dass dies nicht geschehen ist, spricht im Rahmen einer Erklärungsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB für die Annahme, dass sich auch die gesamte Kostenregelung nur auf das noch laufende Berufungsverfahren und nicht auch auf das bereits abgeschlossene vor dem OLG Hamm beziehen sollte. Demgemäß müsste der Antragsteller darlegen und beweisen, dass sich die Vereinbarung vom 17./18.12.2007 auch auf die Kosten des bereits abgeschlossenen Berufungsverfahrens vor dem OLG Hamm beziehen sollte; daran fehlt es jedoch.

Das Amtsgericht wird somit erneut über den Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner vom 25.01.2008 - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - zu befinden haben.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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