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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: II-8 WF 58/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 167
ZPO § 654
Es ist als "nachlässiges Verhalten" im Rahmen des § 167 ZPO zu bewerten, wenn der Kläger einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO es trotz gebotener Zweifel unterlässt, sich rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist über die zutreffende Anschrift des beklagten Kindes zu vergewissern, und es dadurch zu einem verspäteten Eintritt der Rechtshängigkeit kommt.
Tenor:

wird die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 15. Januar 2008 zurückgewiesen.

I. Durch Urteil des Amtsgerichts Husum vom 31.08.2007 wurde die Vaterschaft des Klägers zum beklagten Kind (geb. 10.01.2000) festgestellt; ebenso wurde der Kläger verurteilt, der Beklagten vom Tag der Geburt an Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages abzüglich anteiligen Kindergeldes zu zahlen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.09.2007 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 05.11.2007 - der 04.11.2007 war ein Sonntag - erhob der Kläger Abänderungsklage gemäß § 654 ZPO, mit der er eine Reduzierung der durch das Urteil des Amtsgerichts Husum festgelegten Unterhaltsbeträge erstrebt. Die Klageschrift ging am 05.11.2007 um 22.45 Uhr per Fax beim Amtsgericht Husum ein.

Die Klageschrift richtete sich gegen das Kind S. B. in Husum, vertreten durch die Mutter, Frau A. B., in Oberhausen; als Prozessbevollmächtigter wurde der Kreis Nordfriesland in Husum angegeben. Dieser meldete sich durch Schriftsatz vom 28.11.2007 und teilte mit, dass das beklagte Kind zusammen mit seiner Mutter im Juni 2007 nach Oberhausen verzogen sei, eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Husum mithin nicht gegeben sei. Nach entsprechender Anfrage des Amtsgerichts Husum, ob im Hinblick auf § 642 ZPO die Abgabe des Verfahrens beantragt werde, beantragte der Kläger Verweisung an das Amtsgericht Oberhausen, woraufhin sich das Amtsgericht Husum durch Beschluss vom 27.12.2007 für unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Oberhausen abgab.

Das Amtsgericht Oberhausen bewilligte dem Kläger durch Beschluss vom 15.01.2008 die nachgesuchte Prozesskostenhilfe, soweit er eine Abänderung des Urteils ab Rechtshängigkeit - die sodann am 26.02.2008 eintrat - begehrt, und wies das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch zurück. Gegen die letztere Entscheidung richtet sich die - zulässige - Beschwerde des Klägers.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet, denn für die Zeit vor Eintritt der Rechtshängigkeit fehlt der Klage die gemäß § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht.

Die am 26.02.2008 erfolgte Zustellung der Klageschrift vom 05.11.2007 ist im Hinblick auf den Ablauf der Klagefrist gemäß § 654 Abs. 2 ZPO am 05.11.2007 nicht als "demnächst erfolgt" im Sinne des § 167 ZPO zu bewerten. Der Kläger - bzw. sein Prozessbevollmächtigter, dessen Verhalten dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist - hat die zeitliche Verzögerung durch nachlässiges Verhalten herbeigeführt, indem er nicht alles ihm zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage unternommen hat (vgl. BGH in FamRZ 1988, 1154, 1155). Die Abänderungsklage ist beim Amtsgericht Husum als gem. § 642 ZPO unzuständigem Gericht eingereicht worden, wodurch die Rechtsfolgen des § 167 ZPO nicht ausgelöst werden (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 167, Rn 7; OLG Naumburg in NJW RR 2003, 1662, 1663).

Die Klageeinreichung beim örtlich unzuständigen Amtsgericht Husum wäre nur dann nicht als nachlässig zu bewerten, wenn der Kläger zuvor keine konkreten Anhaltspunkte für einen Wohnungswechsel des beklagten Kindes hatte (BGH in NJW 1993, 2614, 2615). Solche konkreten Anhaltspunkte lagen hier jedoch vor. In der Klageschrift des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens vom 22.02.2007 wurde ausgeführt, dass das Kind im Haushalt der Kindesmutter - der gesetzlichen Vertreterin - lebe und von dieser betreut werde. In § 11 BGB ist zudem gesetzlich festgelegt, dass ein minderjähriges Kind den Wohnsitz der Eltern teilt, vorliegend mithin den der Mutter, da dem Kläger als nichtehelichem Vater kein Sorgerecht zustand bzw. zusteht. Der Anschriftswechsel der Mutter ist dem Klägervertreter im Vaterschaftsfeststellungsverfahren unter Angabe der neuen Anschrift durch Verfügung vom 06.06.2007 mitgeteilt worden. In der Folgezeit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers verschiedene Empfangsbekenntnisse unterzeichnet, auf denen jeweils die Oberhausener Anschrift der Mutter des beklagten Kindes vermerkt war (04.07.2007, 09.07.2007, 04.09.2007). Konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Annahme, dass sich das Kind nach dem Umzug der Mutter nach Oberhausen nicht mehr in ihrem Haushalt befinden bzw. nicht mehr von ihr gesetzlich vertreten werden würde, waren und sind schon im Hinblick auf das Alter des Kindes nicht ersichtlich. Der Kläger, der spätestens ab Kenntnis eindeutigen positiven Ergebnisses des Sachverständigengutachtens im Vorverfahren Ende Juni 2007 davon ausgehen konnte, dass er auch zur Zahlung des mit der Vaterschaftsfeststellung eingeklagten Regelunterhalts verurteilt werden würde, hatte mithin keine Veranlassung, darauf zu vertrauen, dass die im Vaterschaftsfeststellungsurteil angegebene Anschrift des Kindes in Husum, gesetzlich vertreten durch die Mutter in Oberhausen, zutreffend war. Jedenfalls bestand konkrete Veranlassung, Schritte zur Aufklärung des offenkundigen Widerspruchs in der Anschriftenangabe vorzunehmen, wozu - bis zum Ablauf der Klagefrist am 05.11.2007 - hinreichend Gelegenheit bestand; das Unterlassen solcher Aufklärung ist als nachlässig zu bewerten.

Mithin ist vorliegend keine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.

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