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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.03.2008
Aktenzeichen: III-1 Ws 80/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 112 Abs. 1 Satz 1
StPO § 112 Abs. 1 Satz 2
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 116 Abs. 1
StPO § 121 Abs. 1
StPO § 122 Abs. 3
StPO § 122 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Untersuchungshaft aus dem Haftbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2008 (150 Gs 3837/07), der an die Stelle des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 27. Juli 2007 (151 Gs 1944/07) getreten ist, dauert fort.

2. Die weitere Haftprüfung für die Dauer von drei Monaten wird dem Amtsgericht Düsseldorf übertragen.

3. Nächste Haftprüfung durch das Oberlandesgericht:

27. Juni 2008.

Gründe:

Der Beschuldigte befindet sich seit dem 20. September 2007 in dieser Sache in Untersuchungshaft. Die Voraussetzungen für deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen, insbesondere aufgrund der Beweismittel, die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 10. März 2008 angeführt werden, ist der Beschuldigte zumindest der dem Haftbefehl vom 11. Februar 2008 zugrunde liegenden Straftaten dringend verdächtig, § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO, und zwar soll er in der Zeit von Ende 1999 bis Sommer 2006 in 74 Fällen (in zwei Fällen blieb es beim Versuch) gewerbsmäßig Kreditinstitute aufgrund falscher Angaben zum Wert von zu finanzierenden Immobilien, zur Solvenz der Kreditnehmer, zu deren einzusetzendem Eigenkapital oder zur beabsichtigten Eigennutzung der Immobilien veranlasst haben, überhöhte Kredite zu gewähren, die an die Verkäufer der Immobilien, die vom Beschuldigten beherrschten Immobiliengesellschaften, ausgezahlt wurden und von den Käufern, den Kreditnehmern, nicht bedient werden konnten, so dass ein erheblicher Vermögensschaden entstanden ist.

2. Der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO, besteht fort. Der Beschuldigte hat mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen, weil der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten, die ihm zur Last gelegt werden, beträchtlich ist. Schon diese Straferwartung begründet die Gefahr, dass er sich dem Strafverfahren oder der anschließenden Vollstreckung durch Flucht oder Untertauchen entzieht, wenn er auf freien Fuß kommt. Besondere Umstände, die diese Gefahr ausräumen oder als nicht naheliegend erscheinen lassen, sind nicht gegeben.

Die Geschäftsbeziehungen und damit die sozialen Bindungen des Beschuldigten scheinen zerstört. Das u. a. von ihm errichtete Firmengeflecht kann er nicht mehr nutzen. Mit seinem Partner, dem Mitbeschuldigten ........, hat er sich zerstritten. Er hat Schulden gegenüber der Stadtsparkasse .........., der Stadtsparkasse ........, der Commerzbank AG ........... und dem Finanzamt .......... Zusätzlich wird der Beschuldigte nach Kündigung mehrerer Darlehensverträge der GbR, an der er beteiligt ist, von der .............. Bank auf Rückzahlung in Anspruch genommen. Mehrere Kreditinstitute haben die von ihm angebrachten Kreditanträge abgelehnt. Des weiteren ist der Beschuldigte Schadensersatzforderungen der geschädigten Kreditinstitute in erheblicher Höhe ausgesetzt. Er muss zudem mit Schadensersatzforderungen der Kunden rechnen, an die das von ihm beherrschte Firmengeflecht die inzwischen zum Großteil zwangsversteigerten Immobilien veräußert hatte. Ungeklärt ist auch, wo die aus den Betrugstaten erzielten hohen Gewinne, die sich der Beschuldigte mit dem anderweitig verfolgten ...........geteilt hat, verblieben sind. Dies und das gewandte Auftreten des Beschuldigten sprechen dafür, dass er in der Lage ist, sich ins Ausland abzusetzen. Soweit der Beschuldigte bereits seit 2004 wusste, dass gegen ihn ermittelt wurde, und er gleichwohl in Deutschland blieb, spricht das nicht gegen eine Fluchtabsicht im Sommer 2007. Denn der Umstand, dass der Beschuldigte die strafbaren Handlungen bis in das Jahr 2006 fortgesetzt hat, zeigt, dass er das Ermittlungsverfahren nicht ernst genommen hat. Erstmals mit dem Erlass des Haftbefehls im Juli 2007, dem 50 Betrugstaten zugrunde lagen, musste er erkennen, dass sich der Tatverdacht erweitert und verdichtet hatte und ihm eine empfindliche Freiheitsstrafe drohte. Der Beschuldigte verfügt auch nicht über tragfähige persönliche Bindungen in einem solchen Maße, dass diese den Fluchtanreizen in dem erforderlichen Maße entgegenwirken könnten.

3. Die Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe, § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO. Ihr Zweck kann auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.

4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für den Vollzug der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit der Ermittlungen haben ein Urteil vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist nicht zugelassen. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren, in dem bei zahlreichen Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen aufgefundenes Material -schriftliche Unterlagen und Dateien- ausgewertet und zum Teil auf die Echtheit untersucht werden musste; eine Vielzahl von Kunden des Beschuldigten war zu vernehmen; ferner waren zahlreiche Auskünfte bei Banken und Sparkassen einzuholen (vgl. zu allem: Beweismittelliste in der Anklageschrift, dort S. 71 - 122).

5. Die bisherige Behandlung der Sache hat nicht gegen das Gebot der besonderen Beschleunigung in Haftsachen verstoßen. Die Überprüfung der dem Senat vorgelegten Drittakten hat ergeben, dass das vorbereitende Verfahren hinreichend gefördert worden ist. Nach Abschluss der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nunmehr unter dem 10. März 2008 die Anklageschrift gefertigt. Der Auffassung der Verteidigung, die Anklage habe bereits früher erhoben werden können, kann nicht gefolgt werden. Dem ersten Haftbefehl lagen nur 47 Taten zugrunde, während der zweite Haftbefehl bereits 74 Taten und die Anklage nunmehr 84 Taten zum Gegenstand haben, so dass sich "angesichts des Inhalts des Haftbefehls vom 11. 02. 2008 in Bezug auf den ursprünglichen Haftbefehl vom 27. 07. 2007" gerade nicht zeigt, "dass die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft bereits Anfang Februar (richtig wohl: Juli 2007) abgeschlossen waren". Nach Erlass des ersten Haftbefehls sind noch weitere notwendige Ermittlungen angestellt worden. So erfolgten Durchsuchungen bei der .......... Handelsgesellschaft mbH, der ......... Bauträgerbeteiligungs mbH, der ............ ltd, der Magus Vertriebs- und Handelsgesellschaft mbH, der ........ Grundwert GmbH ........., der ............... ltd, der Deutschen Zwangsversteigerungsberatung GmbH, der ........... GmbH, der ............... Immobilien- und Vermögensverwaltung GmbH, der .......... Gesellschaft für .......... mbH, bei .......... und ........... sowie bei weiteren Mitbeschuldigten. Die dabei gefundenen Beweismittel waren auszuwerten. Ferner mussten die Ergebnisse auf Anfragen aus Herbst und Winter 2007/2008 bei der Stadtsparkasse ........, der Westdeutschen Immobilien Bank, der Stadtsparkasse ............., der Stadtsparkasse ............, der ............ AG, der .........., der Dresdner Bank AG .......... und ........., der Degussa Bank AG, der Stadtsparkasse ..........., der Stadtsparkasse ............., der Stadtsparkasse ............., der Credit und Volksbank eG, der Sparkasse ..........., der Sparkasse ........., der Volksbank ................ eG, der Kreissparkasse ........, der Commerzbank AG .................., der Postbank ..........., der Sparkasse ..........., der Allgemeinen Deutschen Direktbank AG, der Deutschen Bank AG ........... und .............., der .............. Bank AG, der .............. GmbH, der ....... Bausparkasse AG, der ........Bausparkasse AG, der ING ...... AG, der ......... Bank GmbH, der Sparkasse ......., der Volksbank .......... eG, der ....... Deutsche Kreditbank AG abgewartet werden. Außerdem wurden noch Zeugen und die Mitbeschuldigten ......., ........, ......., ........., .........., ......., ......, .................., ............, ..........., .........., ............, ..........., .........., ........ und ......... vernommen. Dabei ergab sich in weiteren -nunmehr der Anklage zugrunde liegenden- Fällen erstmalig ein Tatverdacht. Vermeidbare Verfahrensverzögerungen sind damit nicht erkennbar.

6. Auch unter besonderer Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsanspruchs des nicht verurteilten Beschuldigten ergibt die gebotene Abwägung aller maßgeblichen Umstände, dass das Interesse der staatlichen Gemeinschaft an einer wirksamen Strafverfolgung überwiegt und nur durch den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft gesichert werden kann.

7. Die weiter angeordneten Maßnahmen beruhen auf § 122 Abs. 3 und 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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