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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: III-2 Ss 17/06 - 12/06 II
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 43 Satz 2
StGB § 44 Abs. 1
StGB § 46
StPO § 331 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Anordnung eines Fahrverbotes aufgehoben. Die Nebenstrafe entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden zu einem Drittel der Staatskasse auferlegt; im Übrigen fallen sie dem Rechtsmittelführer zur Last.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Oberhausen hat den Angeklagten durch Urteil vom 5. August 2005 wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b,c StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt, seine Fahrerlaubnis entzogen und seinen Führerschein eingezogen sowie eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten angeordnet. Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer das Urteil des Amtsgerichts dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Nötigung (§ 240 StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten worden ist, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nach Maßgabe des Beschlusstenors einen Teilerfolg.

II.

Soweit der Schuldspruch und die festgesetzte Geldstrafe betroffenen sind, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Anordnung des Fahrverbotes hat hingegen keinen Bestand.

1. Das Landgericht hat zur Begründung der Nebenstrafe ausgeführt, dass bei Berücksichtigung der Gesamtumstände "nach Überzeugung der Kammer eine Geldstrafe nicht ausreichend (war), um auf den Angeklagten einzuwirken". Die Dauer des Fahrverbots ist im Hinblick darauf, dass der Angeklagte seinen Führerschein zur Durchführung seiner beruflichen Tätigkeit benötigte, mit einem Monat bemessen worden. Diese Ausführungen sind nicht rechtsfehlerfrei.

a) Das Fahrverbot ist Nebenstrafe. Zwischen der Höhe der Hauptstrafe (hier: Geldstrafe) und Nebenstrafe besteht eine Wechselwirkung; beide zusammen dürfen die Tatschuld nicht überschreiten. Beiden Sanktionen wohnt ein überwiegend identischer Strafzweck inne, der mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden soll. Als Nebenstrafe soll das Fahrverbot zusammen mit der Hauptstrafe diesem Strafzweck dienen und kommt in aller Regel in Betracht, wenn der mit ihm angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht verwirklicht werden kann und die Verhängung deshalb erforderlich ist. Die Erwägungen des Tatrichters müssen soweit eindeutig und klar erkennen lassen, dass er sich der Zweckrichtung und Wechselwirkung bewusst gewesen ist und der Zweck der an sich verwirkten Nebenstrafe nicht auch schon durch eine empfindliche Erhöhung der Hauptstrafe zu erreichen ist (OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, StV 1993, 310, 311 = NZV 1993, 76, 77 = VerkMitt 1993, Nr. 18 = OLGSt StGB § 44 Nr. 2 = VRS 84, 334, 337).

b) Im Entscheidungsfall lassen die Ausführungen des angefochtenen Urteils besorgen, dass die Strafkammer nur die Alternative gesehen hat, neben der Geldstrafe ein Fahrverbot zu verhängen oder von seiner Anordnung insgesamt abzusehen. Dass sich die Strafkammer des ihr weitergehend eröffneten Ermessensspielraumes eines grundsätzlich möglichen Verzichts auf die Nebenstrafe unter gleichzeitiger Erhöhung der Hauptstrafe bewusst gewesen ist, vermag der Senat aus der Gesamtheit der Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch nicht zu entnehmen.

2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt ausnahmsweise nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und Zurückverweisung, da die gebotene Feststellung neuer zumessungsrelevanter Tatsachen bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe vorliegend ausgeschlossen erscheint.

Hat - wie hier - der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt, ist eine Erhöhung der Geldstrafe als Ausgleich für den Wegfall (oder die Herabsetzung) eines Fahrverbots durch das Berufungsgericht wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 331 StPO) grundsätzlich nicht ausgeschlossen.

a) Die Geldstrafe wird nach Tagessätzen bemessen, deren Anzahl nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen des § 46 StGB festzulegen ist, deren Höhe sich aber nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters richtet (§ 40 Abs. 2 und 3 StGB). Gemäß § 43 Satz 2 StGB entspricht die im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an ihre Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe der Anzahl der Tagessätze. Wird diese Zahl erhöht, erhöht sich zwangsläufig auch die Ersatzfreiheitsstrafe. Daraus folgt, dass auf alleiniges Rechtsmittel des Angeklagten wegen des Verschlechterungsverbots des § 331 Abs. 1 StPO die Zahl der Tagessätze nicht erhöht werden darf. Das gilt auch dann, wenn zugleich ein nach § 44 Abs. 1 StGB angeordnetes Fahrverbot wegfällt, da eine Freiheitsstrafe, und zwar auch eine Ersatzfreiheitsstrafe immer die gegenüber dem Fahrverbot schwerere Strafe darstellt (vgl. BayObLGSt 1979, 127, 129 = VRS 58, 38 ff = MDR 1980, 336, 337 = NJW 1980, 849 = JR 1981, 40, 41; LR-Gössel, StPO, 25. Aufl., § 331 Rdn.103, 104; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 44 Rdn. 23 m.w.Nachw.)

b) Ob die hiernach grundsätzlich zulässige Erhöhung des Tagessatzes der Geldstrafe bei Wegfall des Fahrverbotes eine unzulässige Schlechterstellung des Angeklagten bewirkt, beurteilt sich danach, ob die Gesamtschau der verhängten Rechtsfolgen eine Veränderung zum Nachteil des Rechtsmittelführers erkennen lässt. Welcher Wert hierbei für den Wegfall des Fahrverbots anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere danach, welche wirtschaftlichen Folgen das wegfallende Fahrverbot neben der Erziehungsfunktion für den Angeklagten gehabt hätte.

Die Strafkammer hat zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und der beruflichen Situation des Angeklagten als Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe folgende Feststellungen (UA 3) getroffen:

"Der 38 Jahre alte Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er ist selbstständiger Fliesenleger und verdient monatlich etwa 1.000 € netto. Der monatlich von ihm zu zahlende Bruttomietzins beträgt 520 €. Die Wohnung nutzt er zugleich als Büro für seine selbstständige Tätigkeit. Er besitzt einen VW Transporter, den er ebenfalls für seine berufliche Tätigkeit als Transportmittel für Werkzeuge und Material nutzt. Er ist vorwiegend in O. auf Baustellen tätig."

Bei der Festsetzung des Tagessatzes mit 40 € hat sich die Strafkammer mangels hinreichend konkreter Berechnungsgrundlagen erkennbar an einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise orientiert und ergänzend von der gerichtlichen Schätzungsbefugnis (§ 40 Abs. 3 StGB) Gebrauch gemacht; dies erscheint bei der hier vorliegenden Fallgestaltung vertretbar.

c) Bei einer erneuten Entscheidung über die Voraussetzungen der Verhängung der Nebenstrafe bedürfte es hier vor dem Hintergrund der bisher mitgeteilten wirtschaftlichen und beruflichen Umstände der eingehenden Darlegung der für den Wert des Fahrverbot entscheidenden Zumessungsgesichtspunkte. Angesichts der bereits mitgeteilten Tatsachen ist nicht zu erwarten, dass ergänzende, die Erhöhung des Tagessatzes rechtfertigende Feststellungen noch getroffen werden können.

Zudem erscheint es nach Auffassung des Senats bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe eher fernliegend, dass angesichts des Zeitablaufes im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung zum Zeitpunkt der neuen Tatsachenverhandlung der mit dem Fahrverbot angestrebte spezialpräventive Zweck nicht bereits durch die festgesetzte Hauptstrafe erreicht werden kann.

Der Senat hebt demnach die Anordnung des Fahrverbotes auf und lässt die Nebenstrafe entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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