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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.05.2005
Aktenzeichen: III-3 Ws 129/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 111h Abs. 2
StPO § 111g Abs. 2 Satz 3
StPO § 111g Abs. 2 Satz 4
StPO § 111b
StPO § 111d
StPO § 111i
1. Wird im Rahmen der Rückgewinnungshilfe der dingliche Arrest in andere Vermögensgegenstände als Grundstücke vollzogen, so können Geschädigte der Vermögensstraftat entsprechend der Vorschrift des § 111 h Abs. 2 StPO Rangänderung beantragen.

2. Der Antrag auf Rangänderung entsprechend § 111 h Abs. 2 StPO muss spätestens bis zu dem Zeitpunkt gestellt werden, bis zu dem der dingliche Arrest höchstens hätte aufrechterhalten werden dürfen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

III - 3 Ws 129/05

In der Strafsache

wegen Untreue u.a.

hat der 3. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., die Richterin am Oberlandesgericht Dr. R. und den Richter am Landgericht K. am 18. Mai 2005 auf die sofortige Beschwerde der Adhäsionsklägerin gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 23. Februar 2005 (26 Kls 211 Js 370/99 - 14/02 VI) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.

Gründe:

I.

Dem Angeklagten wird Bestechung, die Begehung mehrfacher Untreuehandlungen sowie mehrfache Anstiftung zur Untreue unter anderem zum Nachteil der Adhäsionsklägerin G. W. mbH in W. (G.) zur Last gelegt. Im Ermittlungsverfahren ordnete das Amtsgericht Wuppertal durch Beschluss vom 31. Mai 2001 (22 Gs 82/01) zur Sicherung von Ansprüchen Geschädigter (sog. Rückgewinnungshilfe) gem. §§ 111 b Abs. 2 und 5, 111 d StPO i.V.m. §§ 73 Abs. 1 Satz 2, 73 a StPO einen dinglichen Arrest in Höhe von 2.500.000, - DM in das Vermögen des Angeklagten an. Aufgrund dieser Arrestanordnung wurden daraufhin Kontokorrentforderungen des Angeklagten gegen verschiedene Kreditinstitute sowie Ansprüche des Angeklagten auf Auszahlung hinterlegten Geldes gegen die Hinterlegungsstellen der Amtsgerichte Neuss und Wuppertal gepfändet. Durch Urteil vom 17. Dezember 2003 verhängte die 6. große Strafkammer des Landgerichts Wuppertal gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen tateinheitlich begangener Untreue in besonders schwerem Fall in zwei Fällen, wegen Bestechung in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Anstiftung zur Untreue in besonders schwerem Fall in vier Fällen. Ferner wurde der Angeklagte - vorläufig vollstreckbar - verurteilt, an die Adhäsionsklägerin 2.789.608,50 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2003 zu zahlen. Von der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes sah die Strafkammer gem. §§ 73 a, 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aufgrund der festgestellten Schadensersatzansprüche der Adhäsionsklägerin ab. Über die Revision des Angeklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2005 beantragte die Adhäsionsklägerin gem. § 111 h Abs. 2 StPO analog, dass die durch den Vollzug der Arrestanordnung begründeten Pfändungspfandrechte gegenüber ihren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der im Adhäsionsurteil titulierten Zahlungsforderung im Rang zurücktreten, hilfsweise gem. § 111 g Abs. 2 StPO die Zwangsvollstreckung in die gepfändeten Forderungen des Angeklagten zuzulassen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer die Anträge der Adhäsionsklägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Adhäsionsklägerin mit ihrer als "Beschwerde" bezeichneten Eingabe vom 08. März 2005.

II.

Das gem. §§ 111 g Abs. 2 Satz 2, 111 h Abs. 2 Satz 2 StPO als sofortige Beschwerde auszulegende - fristgerechte - Rechtsmittel der Adhäsionsklägerin (§ 300 StPO) ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1.

Der Hauptantrag der Adhäsionsklägerin auf Zulassung des Rangrücktritts gem. § 111 h Abs. 2 StPO analog ist unbegründet.

a)

Bei der Vollstreckung in bewegliche Gegenstände oder - wie im vorliegenden Fall - in Forderungen, die aufgrund eines dinglichen Arrestes gesichert wurden, stellt das Rangrücktrittsbegehren analog § 111 h Abs. 2 StPO den richtigen Antrag dar (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 25. September 2002 - 3 Ws 311-312/02).

aa)

Die wohl herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bejaht in diesen Fällen die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 111 g Abs. 2 StPO und/oder des § 111h Abs. 2 StPO (vgl. nur OLG Stuttgart ZIP 2001, 484; OLG Hamm wistra 2002, 398; LG Kempen ZIP 2003, 548; Müller-Wüsten in ZIP 2003, 689; Schmid/Winter in NStZ 2002, 8, 11; Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, S. 148f). Für die Vollstreckung in bewegliche Gegenstände und Forderungen, die aufgrund eines dinglichen Arrestes gesichert wurden, fehle es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Aber auch in diesen Fällen müsse durch ein gerichtliches Verfahren geklärt werden, ob es sich um einen privilegierten Vollstreckungsgläubiger handele, der zum Kreis derer gehöre, für den die staatliche Sicherungsmaßnahmen erfolgt seien. Es bedürfe einer mit der Wirkung der §§ 111g Abs. 2, 111 h Abs. 2 StPO ausgestatteten gerichtlichen Entscheidung, da ansonsten das vorrangige staatliche Pfändungspfandrecht dem Zweck der Rückgewinnungshilfe völlig widersprechen und die Vollstreckung des Geschädigten in das durch den Staat gesicherte Vermögen verhindern würde (Schmid/Winter, a.a.O.; Podolsky/Brenner, a.a.O.).

bb)

Ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur vertreten jedoch die Auffassung, dass aufgrund des eindeutigen Wortlautes der genannten Vorschriften mangels planwidriger Regelungslücke deren analoge Anwendung ausscheide (so OLG Köln NJW 2003, 2546; Hellerbrand in wistra 2003, 201; Peglau in wistra 2002, 376; zweifelnd LR-Schäfer, StPO, 25. Auflage, § 111 h Rn. 1). Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Dr 7/550, S. 295) ergebe sich, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen nur die Aufhebung des Arrestes in Betracht gezogen habe (OLG Köln a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 111 h Rn. 4). Ferner sei die Differenzierung zwischen der Beschlagnahme einerseits und dem Arrest andererseits nicht von vorneherein sachfremd, da die Beschlagnahme des Erlangten im Sinne des § 73 StGB lediglich Vermögenswerte (bzw. deren Surrogate) erfasse, die direkt aus der Tat resultieren, während der Verfall des Wertersatzes gem. § 73 a StGB - und damit auch der Arrest nach § 111 d StPO - das gesamte, auch legal erworbene Vermögen des Täters betreffe. Es erscheine sachgerecht, den Verletzten ausschließlich im erstgenannten Fall gegenüber anderen Gläubiger zu privilegieren (OLG Köln a.a.O.).

cc)

Der Senat ist der Auffassung, dass auch bei der Vollstreckung in bewegliche Gegenstände und Forderungen, die aufgrund eines dinglichen Arrestes gesichert wurden, der Verletzte der Privilegierung bedarf, wobei die Überprüfung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach dem in den §§ 111 h Abs. 2 Satz 2, 111 g Abs. 2 Satz 3 und 4 vorgesehenen Verfahren zu erfolgen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2002 - 3 Ws 311-312/02).

Da der dingliche Arrest gerade auch zur Sicherung des Anspruchs des Verletzten angeordnet werden darf, bedarf es konsequenterweise auch eines entsprechenden gerichtlichen Verfahrens, welches die Vollstreckung des Verletzten in das durch den Staat (für den Verletzten !) gesicherte Vermögen des Täters ermöglicht. Ansonsten liefe die vom Gesetzgeber ersichtlich gewollte Besserstellung der Ansprüche des Verletzten für die genannten Fälle ins Leere. Ohne ein solches gerichtliches Verfahren blieben die durch dingliche Arrestanordnung im Sinne von § 111 d StPO gesicherten beweglichen Gegenstände und Forderungen mit dem Pfändungspfandrecht des Staates belastet. Dieses ginge den nach der staatlichen Verstrickung aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Verletzten begründeten Pfändungspfandrechten im Rang vor (§ 804 ZPO).

Das in den §§ 111 h Abs. 2 Satz 2, 111 g Abs. 2 Satz 3 und 4 StPO für die Arrestvollstreckung in Grundstücke vorgesehene Verfahren gewährleistet die notwendige Privilegierung des Verletzten am besten. Denn die genannten Gegenstände und Forderungen sind gerade nicht nach § 111 c StPO beschlagnahmt, sondern aufgrund eines dinglichen Arrestes gesichert (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2002 - 3 Ws 311 - 312/02).

Eine bloße Aufhebung des Arrestes vermag eine den Verletzten in ausreichendem Maß privilegierende Wirkung nicht zu erreichen. Zwar stünde nach Aufhebung des Arrestes Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Verletzten ein Pfändungspfandrecht des Staates nicht mehr entgegen, jedoch wäre der Verletzte nicht gegenüber anderen Gläubigern privilegiert. Der Verletzte ginge bei einer ihm im Rang vorgehenden Pfändung durch einen anderen Gläubiger leer aus, da die Aufhebung des Arrestes nur allgemein und nicht zu Gunsten einer bestimmten Person erfolgen kann (LG Kempen, a.a.O.).

Soweit weiter von der unter Ziffer II.1.a.bb. dargestellten Auffassung darauf abgestellt wird, dass für den Fall des Arrestes nach § 111 d StPO - im Gegensatz zur Beschlagnahme - eine derartig weitgehende, den Verletzten auch gegenüber anderen Gläubigern privilegierende Wirkung wenig sachgerecht sei (OLG Köln a.a.O.) überzeugt dies nicht. Denn dann ist nicht nachzuvollziehen, warum der Verletzte durch die Regelung des § 111 h StPO - nach der genannten Auffassung ausnahmsweise - gerade bei der Arrestvollstreckung in Grundstücke des Angeklagten gegenüber anderen Gläubigern doch privilegiert würde. Dass das bürgerliche Recht einen Rangtausch mit dinglicher Wirkung (§ 880 BGB) nur bei Grundstücken kennt, vermag diesen Widerspruch nicht zu erklären.

b)

Die Zulassung der mit dem Hauptantrag begehrten Rangänderung kam vorliegend jedoch nicht in Betracht. Die Voraussetzungen der §§ 111 h Abs. 2 Satz 2, 111 g Abs. 2 Satz 3 und 4 StPO liegen nicht (mehr) vor.

aa)

Zwar ist der Arrestbeschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 31. Mai 2001 mangels Aufhebung durch die Strafkammer noch wirksam, und die Adhäsionsklägerin hat durch die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Adhäsionsurteils hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie als "Verletzte" wegen eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs vollstrecken will. Dem Rangrücktrittsbegehren steht jedoch vorliegend entgegen, dass eine Privilegierung der Adhäsionsklägerin im Zugriff auf die hier gesicherten Forderungen und die damit einhergehende Schlechterstellung anderer Gläubiger und des Angeklagten zum Zeitpunkt der Antragstellung - nach der insoweit eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn der Antrag auf Zulassung des Rangrücktritts ist durch die Adhäsionsklägerin erst nach dem Zeitpunkt gestellt worden, bis zu dem die Beschlagnahme oder der dingliche Arrest höchstens hätten aufrechterhalten werden dürfen. Wird wegen §§ 73 a, 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in der tatrichterlichen Entscheidung nicht auf Verfall oder Verfall des Wertersatzes erkannt, ist der Tatrichter gehalten, die der vorläufigen Sicherung dienende Maßnahme des Arrestes unverzüglich aufzuheben, da der ihr entsprechende Rechtsfolgenausspruch nicht in Betracht kommt (OLG Stuttgart Die Justiz 2002, 65; Schmid/Winter in NStZ 2002, 11; Peglau in wistra 2002, 376, LR-Schäfer, StPO, 25. Auflage, § 111 i Rn. 3ff). Ausnahmsweise gestattet die - für den Fall des dinglichen Arrestes entsprechend anwendbare (vgl. hierzu OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Hamm StV 2003, 548; Schmid/Winter a.a.O.; 11; Peglau a.a.O.; LR-Schäfer, a.a.O., § 111 i Rn. 2). Vorschrift des § 111 i StPO über diesen Zeitpunkt hinaus ein weiteres Aufrechterhalten der Sicherungsmaßnahme für höchstens drei Monate dann, wenn die "sofortige" Aufhebung der Maßnahme gegenüber dem Verletzten unbillig wäre. Eine zeitlich längere Privilegierung des Verletzten ist gesetzlich nicht vorgesehen; eine weitere Verlängerung der Frist ist unzulässig (Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 111 i Rn. 3).

Unabhängig davon, dass die Strafkammer hier eine - allerdings nachholbare (LR-Schäfer, a.a.O. § 111 i Rn. 5) - Entscheidung nach § 111 i StPO nicht getroffen hat, war zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Adhäsionsklägerin diese - auf den Erlass des tatrichterlichen Urteils bezogene - Frist in jedem Fall abgelaufen. Der Antrag der Adhäsionsklägerin vom 25. Januar 2005 ist mehr als ein Jahr nach dem tatrichterlichen Urteil der Strafkammer vom 17. Dezember 2003 gestellt worden.

bb)

Die bloße Tatsache, dass eine Privilegierung der Adhäsionsklägerin bei Antragstellung durch Zulassung des begehrten Rangrücktritts tatsächlich überhaupt noch möglich war (und derzeit noch wäre), weil der Arrest und die entsprechenden Forderungspfändungen zu diesem Zeitpunkt noch wirksam waren (und derzeit noch sind), kann nicht zum Erfolg des Antrags führen. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, die Adhäsionsklägerin als Verletzte über den in Ziffer II.1.b.aa. genannten (Höchst-) Zeitpunkt hinaus gegenüber anderen Gläubigern nur deshalb besser zu stellen, weil die Strafkammer die gebotene Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat.

2.

Der Hilfsantrag der Adhäsionsklägerin, gem. § 111 g Abs. 2 StPO die Zwangsvollstreckung in die gepfändeten Forderungen des Angeklagten zuzulassen, hat bereits aufgrund der unter Ziffer II.1.a.cc. dargestellten Auffassung des Senats keinen Erfolg. Im übrigen wäre der Hilfsantrag auch aus den unter Ziffer 11.1.b. dargestellten Erwägungen unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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