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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.03.2009
Aktenzeichen: III-5 Ss 7/09 - 21/09 I
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 154 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2 Satz 1
StGB § 54
StGB § 64
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2007

a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des Hausfriedensbruchs in 35 Fällen schuldig ist,

b) im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den geständigen Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs in 36 Fällen zu neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen hat er sich in der Zeit vom 7. August 2006 bis zum 8. Februar 2007 immer wieder ohne Reiseabsicht im hiesigen Hauptbahnhof aufgehalten, obwohl er seit dem 1. August 2006 dort Hausverbot hatte. Die (Sprung-)Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; insoweit ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Feststellungen beruhen auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Protokoll der Hauptverhandlung belegt, dass der Amtsrichter mit dem Angeklagten (im Protokoll irrtümlich: "dem Zeugen") die einzelnen Taten durchgegangen ist und das Verfahren in unklaren oder bestrittenen Fällen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Demnach war der Angeklagte trotz der Vielzahl der Fälle durchaus imstande, sich zu den einzelnen Vorwürfen konkret zu äußern und glaubhaft die Taten zu gestehen, deretwegen er verurteilt worden ist.

2. Die Entscheidungsformel des amtsgerichtlichen Urteils enthält einen Zählfehler, den der Senat ohne weiteres berichtigen kann, weil er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und darum auch nicht der entfernte Verdacht aufkommen kann, dass die Korrektur das Urteil inhaltlich ändert (vgl. BGH NStZ 2000, 386; NStZ-RR 2005, 79; BGH [B] NStZ-RR 2004, 35 Nr. 11; NStZ-RR 2005, 259 Nr. 10; st. Rspr.; zuletzt BGH, 2 StR 557/06 vom 7. Februar 2007 <bundesgerichtshof.de>). Das Verfahren ist wegen 23 von 58 angeklagten Taten eingestellt worden, denn für den 1. September 2006 (insoweit eingestellt) waren zwei Taten (10.20 Uhr und 22.55 Uhr) angeklagt. Folgerichtig sind in den Gründen des Urteil auch nur 35 Taten aufgeführt.

3. Der Rechtsfolgenausspruch kann nicht bestehen bleiben. Eine Gesamtstrafe, die die Einsatzstrafe (hier: ein Monat) dreifach oder mehr (hier: neunfach) erhöht, überschreitet in aller Regel den Strafrahmen, den § 54 StGB dem Tatrichter zur Verfügung stellt (vgl. BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8, 10, 12; BGH NStZ-RR 2003, 9; NStZ-RR 2005, 374, 375 aE; 4 StR 203/02 vom 25. Juni 2002; 2 StR 266/05 vom 21. September 2005; 5 StR 439/05 vom 15. Dezember 2005; 4 StR 21/06 vom 21. März 2006; 1 StR 61/06 vom selben Tag; 2 StR 346/06 vom 20. Oktober 2006; 3 StR 33/08 vom 4. März 2008, Rdnr. 3; 3 StR 93/08 vom 1. April 2008, Rdnr. 2; 4 StR 118/08 vom 17. April 2008, Rdnr. 5 aE; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. [2008], Rdnr. 663 f mwN). Dass - und warum - es hier anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Taten haben keinen materiellen Schaden angerichtet und waren auch sonst eher lästig als schädlich. Die Feststellungen zur Person der Angeklagten und zu seinem Vorleben rechtfertigen zwar kurze Freiheitsstrafen (§ 47 StGB) als Einzelstrafen und als Gesamtstrafe, aber schon angesichts des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Taten keine derart massive Erhöhung.

4. Wegen dieses Mangels ist das angefochtene Urteil nach §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

5. Der neue Tatrichter wird prüfen und erörtern müssen, ob der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Zwar ist § 64 StGB seit Mitte 2007 von einer Muss- in eine Sollvorschrift umgestaltet. Das macht die Prüfung der Unterbringung durch den Tatrichter aber nicht entbehrlich. Dieser muss vielmehr das Ermessen tatsächlich ausüben und die Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (BGH, 2 StR 344/07 vom 10. August 2007; 2 StR 37/08 vom 20. Februar 2008; 3 StR 51/08 vom 3. März 2008; 3 StR 140/08 vom 14. Mai 2008). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht, wenn der Beschwerdeführer - wie hier - die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat (zuletzt BGH, 3 StR 140/08 vom 14. Mai 2008).

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