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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.09.2004
Aktenzeichen: III-VI 6/03
Rechtsgebiete: StGB, EGGVG, VereinsG, StPO


Vorschriften:

StGB § 68a
StGB § 68b Abs. 1 Nr. 1
StGB § 68f Abs. 1
StGB § 68f Abs. 1 Satz 1
StGB § 68f Abs. 2
EGGVG § 23 Abs. 1
EGGVG § 23 Abs. 3
VereinsG § 20 Abs. 1
StPO § 304 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat bestätigt die von dem Leiter der Führungsaufsichtsstelle getroffene Entscheidung, dem Verurteilten ... die beantragte Erlaubnis, das Gebiet der Stadt ... für eine zweiwöchige Urlaubsreise nach ...in... zu verlassen, zu versagen.

Gründe: I. Der als "..." bekannte Antragsteller wurde durch Urteil des Senats vom 15. November 2000 wegen tateinheitlich begangener zweifacher öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (Tötung eines ...) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seit der vollständigen Verbüßung dieser Freiheitsstrafe unterliegt er gemäß § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB der Führungsaufsicht. Mit Beschluss vom 24. März 2003 hat der Senat entschieden, dass von dieser Maßregel nicht ausnahmsweise gemäß § 68f Abs. 2 StGB abgesehen werden kann, weil nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Zugleich hat der Senat den Verurteilten angewiesen, den Bereich der Stadt ... nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu verlassen (§ 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB). Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 25. August 2004 hat der Verurteilte bei der Führungsaufsichtsstelle beantragt, ihm die Erlaubnis zu erteilen, sich ab Mitte September 2004 nach ... bei .... begeben zu dürfen, um dort mit seiner Familie einen zweiwöchigen Urlaub zu verbringen. Mit Verfügung vom 7. September 2004 hat die Führungsaufsichtsstelle die beantragte Erlaubnis - im Einvernehmen mit dem Senat - abgelehnt. Gegen diese Entscheidung hat der Verurteilte mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 14. September 2004 "Rechtsmittel" eingelegt. II. 1. Der Senat ist als das der Führungsaufsichtsstelle übergeordnete Organ zur Entscheidung über die Eingabe des Verurteilten berufen, bei der es sich der Sache nach nicht um ein "Rechtsmittel", sondern um einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung handelt. Im Rahmen der Vollstreckung der Führungsaufsicht wird dem Gericht durch § 68a StGB eine übergeordnete Stellung zugewiesen. Die Aufsichtsstelle nimmt ihre Überwachungsaufgabe im Einvernehmen mit dem Gericht wahr (Absatz 3). Bei Divergenzen zwischen Aufsichtsstelle und Bewährungshelfer entscheidet das Gericht (Absatz 4). Das Gericht kann der Aufsichtsstelle nicht nur Anweisungen erteilen (Absatz 5), sondern - auch nachträglich - gebotene Entscheidungen selbst treffen; es kann insbesondere die dem Verurteilten erteilten Weisungen ändern oder aufheben (§ 68d StGB). Diese umfassende Regelungsbefugnis erlaubt es dem Gericht nicht nur, von sich aus steuernd auf die Tätigkeit der Aufsichtsstelle einzuwirken. Vielmehr korrespondiert damit ein Anspruch des Verurteilten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf gerichtliche Entscheidung. Dies gilt insbesondere für die im Rahmen eines nach § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB angeordneten Erlaubnisvorbehaltes zu treffende Entscheidung. Versagt die Aufsichtsstelle die Erlaubnis für einen beantragten Aufenthaltswechsel, kann der Verurteilte bei dem mit der Führungsaufsicht befassten Gericht, das die Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB erteilt hat, um gerichtliche Entscheidung nachsuchen (vgl. LK-Hanack, StGB, 11. Aufl., § 68b Rdn. 19; Stree in: Schönke-Schröder, StGB, 26. Aufl., § 68b Rdn. 5). Dies ist im vorliegenden Fall das Oberlandesgericht, das das Urteil im ersten Rechtszug erlassen und über die Ausgestaltung der nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eingetretenen Führungsaufsicht an Stelle der Strafvollstreckungskammer zu entscheiden hat (§§ 463 Abs. 6, 462a Abs. 5 StPO). Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aufsichtsstelle zum Geschäftsbereich der Landesjustizverwaltung gehört (Art. 295 Abs. 1 EGStGB), kommt eine Anfechtung der Erlaubnisversagung nach § 23 Abs. 1 EGGVG nicht in Betracht. Denn aufgrund der Subsidiaritätsregel des § 23 Abs. 3 EGGVG behält es mit der Zuständigkeit des unmittelbar mit der Führungsaufsicht befassten Gerichts sein Bewenden. 2. In der Sache selbst bleibt der Antrag des Verurteilten ohne Erfolg. Die Aufsichtsstelle hat ihre Zustimmung zu der beantragten Reise aus zutreffenden Gründen versagt. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Aufsichtsstelle zur Erteilung der Erlaubnis anzuweisen oder - was ebenfalls seiner Entscheidungskompetenz unterfallen würde - die Erlaubnis selbst zu erteilen. Der gesetzliche Zweck der Führungsaufsicht, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, kann nach der Überzeugung des Senats nur durch dessen planmäßig organisierte Überwachung sichergestellt werden. Insbesondere die hier in Rede stehende Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB, den Bereich der Stadt ... nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu verlassen, dient dem Zweck, der Aufsichtsstelle die planmäßige Überwachung des Verurteilten zu erleichtern. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hält die Aufsichtsstelle fortlaufend telefonischen und persönlichen Kontakt zu dem Verurteilten. So haben die Mitarbeiter der Aufsichtsstelle den Verurteilten bereits mehrfach in dessen Wohnung in .... aufgesucht. Die Überwachung des Verurteilten musste mit Beschluss des Senats vom 2. Juni 2004 durch Verschärfung der Meldeauflagen noch engmaschiger gestaltet werden, nachdem der Verurteilte vom 26. Mai bis 28. Mai 2004 untergetaucht war, um sich jeglicher behördlichen Beaufsichtigung zu entziehen. Die gebotene Überwachung des Verurteilten wird durch das eingespielte Zusammenwirken weiterer Behörden (Ausländerbehörde, Polizei, Verfassungsschutz) sichergestellt. Diese Aufgaben müssten bei einem zweiwöchigen Aufenthalt außerhalb von Nordrhein-Westfalen von anderen - mit dem Sachverhalt nicht vertrauten Dienststellen - wahrgenommen werden. Dadurch würde sich das Risiko von Überwachungslücken erhöhen, die der Verurteilte zur Begehung neuerlicher Straftaten - etwa nach § 20 Abs. 1 VereinsG - ausnutzen könnte. Durch die Versagung der Reiseerlaubnis werden höherwertige Interessen des Verurteilten nicht beeinträchtigt, zumal er die Notwendigkeit eines Erholungsaufenthaltes an der See - trotz vorheriger Nachfrage seitens der Führungsaufsichtsstelle und eines ausdrücklichen Hinweises in der angefochtenen Verfügung - bislang nicht ausreichend medizinisch begründet, geschweige denn durch Vorlage ärztlicher Atteste belegt hat. Die in der Antragsschrift erfolgte Berufung auf eine nicht näher spezifizierte Krebserkrankung, psychische Belastungen und den Wunsch, "sich einmal deutsche Seeluft um die Nase wehen zu lassen", lässt eine unabweisbare medizinische Notwendigkeit nicht erkennen. Gegen die Entscheidung des Senats ist gemäß § 304 Abs. 4 StPO keine Beschwerde zulässig.

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