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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: IV - 2 Ss (OWi) 124/06 - (OWi) 67/06 III
Rechtsgebiete: OWiG, FPersG


Vorschriften:

OWiG § 9 Abs. 2 Nr. 2
FPersG § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b
FPersV § 22 Abs. 1 Nr. 2
Zur Verantwortlichkeit eines "Fuhrparkleiters" für die Einhaltung von Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

IV - 2 Ss (OWi) 124/06 - (OWi) 67/06 III

In der Bußgeldsache

wegen Ordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B, den Richter am Oberlandesgericht F. und den Richter am Landgericht S. am 12. Dezember 2006 auf die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 7. März 2006 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Wuppertal hat den Betroffenen wegen "fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 FPersG, 22 Abs. 1 FPersV" zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2006 hat der Einzelrichter die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen zugelassen, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, und hat die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Das angefochtene Urteil ist materiell-rechtlich fehlerhaft, da sich die tatrichterlichen Feststellungen als lückenhaft erweisen und den Schuldspruch nicht tragen.

Das Amtsgericht hat zum Tatvorwurf folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene ist Angestellter der Speditionsfirma M.J. GmbH, die ihr Betriebsgelände ebenso wie die Firma W.G. Handelsgesellschaft mbH auf dem Gelände W. 351 in W. hat und mit dieser Gesellschaft auch personell verflochten ist. Bis zum 31.07.2005 war die Stelle "Fuhrparkleiter" bei der Fa. W.G. nicht besetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt übernahm der Betroffene aushilfsweise die Beaufsichtigung der Ladung der Fahrzeuge und die Zusammenstellung der Touren. So auch bei einer Fahrt des Fahrers K.R. am 05./06.06.2005. Dieser wurde am 06.06.2005 um 20.45 Uhr von dem Zeugen PK B. kontrolliert. Anhand der sichergestellten Schaublätter aus dem EG-Kontrollgerät stellte der Zeuge fest, dass der Fahrer vom 05.06.2005 (einem Sonntag) um 20.30 Uhr bis zum 06.06.2005 um 20.30 Uhr gefahren war. Die tägliche Lenkzeit betrug 11 Stunden und 40 Minuten. Die tägliche Ruhezeit betrug 0.00 Stunden."

Diese Feststellungen rechtfertigen den Schuldspruch nicht. Eine Verantwortlichkeit des Betroffenen für die Nichteinhaltung der Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten kommt hier nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Verhängung einer Geldbuße gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen das Fahrpersonalgesetz, durch das der Unternehmer verpflichtet wird, nur dann möglich, wenn der Betroffene vom Inhaber des Betriebes oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt worden ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen.

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend entnehmen. Das Amtsgericht hat schon nicht festgestellt, wer dem Betroffenen den Auftrag zur Leitung des Fuhrparks erteilt hat. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kann eine wirksame Beauftragung nur durch den Inhaber des Betriebes oder einen sonst dazu Befugten erfolgen (vgl. BayObLG NZV 1994, 82). Dass der Betroffene kein Arbeitnehmer der Fahrzeughalterin, der Firma W.G. Handelsgesellschaft mbH, sondern der auf demselben Betriebsgelände ansässigen Schwesterfirma war, steht zwar der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nicht entgegen, da sich die Möglichkeit einer Beauftragung nicht auf Betriebsangehörige beschränkt (vgl. KK-Rogall, OWiG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 81). Jedoch geht aus der unzureichenden Feststellung, dass es der Betroffene während der Vakanz der Fuhrparkleiterstelle bei der Firma W.G. Handelsgesellschaft mbH aushilfsweise übernahm, die Ladung der Fahrzeuge zu überwachen und die Touren zu disponieren, nicht hervor, welche übergeordnete Person ihn damit beauftragt hat.

Der Begriff "Fuhrparkleiter" wie auch die genannte Aufgabenbeschreibung besagen im übrigen nichts darüber, ob dem Betroffenen vom Inhaber des Betriebes oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich der Auftrag erteilt worden ist, in eigener Verantwortung die dem Unternehmer obliegenden Verpflichtungen aus dem Fahrpersonalgesetz wahrzunehmen (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 25. Juni 1992, 3 Ss OWi 59/92, Quelle: juris). Die bloße tatsächliche Wahrnehmung der dem Inhaber des Betriebes aus dem Fahrpersonalgesetz erwachsenen Pflichten durch den Betroffenen würde für eine Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nicht ausreichen. Erforderlich wäre vielmehr ein Auftrag, der ausdrücklich und unter Hinweis auf die Verantwortlichkeit für die Pflichten, die dem Betriebsinhaber bei der Überwachung des Fahrpersonals obliegen, erteilt worden wäre. Dabei hätte der Betroffene damit beauftragt werden müssen, diese Pflichten in eigener Verantwortung zu erfüllen, d.h. mit entsprechenden Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit (vgl. OLG Hamm a.a.O., OLG Schleswig VRS 58, 384, 386). Der Betroffene hätte in der Lage sein müssen, von sich aus ohne Weisung des Betriebsinhabers die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung der Pflichten aus dem Fahrpersonalgesetz notwendig waren (vgl. OLG Düsseldorf VRS 63, 135, 137; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 9 Rdn. 30 f.; KK-Rogall a.a.O. § 9 Rdn. 80).

Da sich hierzu - insbesondere durch die bisher unterbliebene Vernehmung des Betriebsinhabers - möglicherweise weitere Feststellungen werden treffen lassen, hat der Senat die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Amtsgericht zurückverwiesen.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Der Tenor des angefochtenen Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, das die Tat auch in Bußgeldsachen in der Urteilsformel - sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind - mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen ist. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90).

2. Das benutzte Fahrzeug ist in den Feststellungen so genau zu beschreiben, dass geprüft werden kann, ob dessen Fahrer die Lenk- und Ruhezeiten der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 bzw. des AETR einzuhalten hat (vgl. BayObLG NStZ-RR 1987, 20, 21). Zwar lässt sich den - auch insoweit lückenhaften - Feststellungen entnehmen, dass das Ladung transportierende Fahrzeug mit einem EG-Kontrollgerät ausgerüstet war. Die auf dieser Grundlage nahe liegende Schlussfolgerung, dass es sich um ein der Güterbeförderung dienendes Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 to handelte, macht indes eine konkrete Beschreibung des Fahrzeugs nicht entbehrlich.

3. Es werden auch Feststellungen zu der Fahrtstrecke zu treffen sein, auf der am 5./6. Juni 2005 die vorgeschriebenen Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten nicht eingehalten wurden. Ohne Angaben zur Fahrtstrecke bleibt offen, ob die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 oder das AETR zugrunde zu legen ist (vgl. BayObLG NZV 1996, 465; OLG Koblenz VRS 102, 291, 293). Zwar sind die Bestimmungen über Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten in beiden Regelwerken seit der Neufassung des AETR vom 18. August 1997 (BGBI. II, 1550) kongruent, jedoch werden Zuwiderhandlungen in der Fahrpersonalverordnung von unterschiedlichen Vorschriften erfasst (§§ 22, 25 FPersV n.F. bzw. §§ 9, 11 FPersV a.F.).

4. Nach der maßgeblichen Übergangsvorschrift (BGBl. I 2004, 956) ist vorliegend nicht § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b FPersG, sondern § 8 Abs. 1 Nr. 2 FPersG in der bis zum 19. Mai 2004 geltenden Fassung (weiter) anzuwenden. Zur Tatzeit im Juni 2005 waren nämlich die §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 FPersV in der seit dem 2. Juli 2005 geltenden Fassung - erst dort wird jeweils auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b FPersG mit erhöhter Bußgeldandrohung verwiesen - noch nicht in Kraft getreten. Die Fahrpersonalverordnung ist gemäß § 4 Abs. 3 OWiG in der bis zum 1. Juli 2005 geltenden Fassung anzuwenden, wobei hier im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 die Regelung des § 9 Nr. 3 lit. b FPersV a.F. (BGBl. I 1997, 2078) und im Falle einer Zuwiderhandlung gegen das AETR die Regelung des § 11 Nr. 2 lit. b FPersV a.F. (BGBl. I 1997, 2079) einschlägig ist.

5. Es werden - sofern die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG erfüllt sind - ferner Feststellungen dazu erforderlich sein, ob und inwieweit der Betroffene das Fahrpersonal in regelmäßigen zeitlichen Abständen auf die maßgeblichen Lenk- und Ruhezeiten hingewiesen, die Schaublätter der EG-Kontrollgeräte überprüft und im übrigen die Fahrten so disponiert hat, dass den Fahrern unter Berücksichtigung des Bestimmungsortes, der Streckenführung und der Zeiten für An- und Abfahrt sowie für Be- und Entladung die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten möglich war (vgl. Schulz in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Abschnitt F 30d, Rdn. 11 zu § 8 FPersV a.F, m.w.N.). Bei Vernachlässigung dieser Pflichten wird ferner zu prüfen sein, ob die am 5./6. Juni 2005 festgestellten Lenkzeitüberschreitungen ursächlich auf die fehlende oder unzulängliche Belehrung und Überwachung zurückzuführen sind (vgl. OLG Koblenz VRS 102, 291, 294). Dies wird ggf. durch die Vernehmung des betreffenden Fahrers aufzuklären sein.

Ende der Entscheidung

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