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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.02.2008
Aktenzeichen: IV-2 Ss (OWi) 156/07 - (OWi) 77/07 III
Rechtsgebiete: LHundG NRW


Vorschriften:

LHundG NRW § 11 Abs. 6
LHundG NRW § 20 Abs. 1 Nr. 18
Einen Hund führt, wer die tatsächliche Herrschaft über den Hund ausübt, indem er nach eigenem Willen auf den Hund einwirkt oder einwirken kann. Führen zwei Personen einen gemeinsam gehaltenen oder beaufsichtigten Hund aus, sind beide als Hundeführer dafür mitverantwortlich, dass die Anleinpflicht beachtet wird.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

IV-2 Ss (OWi) 156/07 - (OWi) 77/07 III

In der Bußgeldsache

wegen Ordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., den Richter am Oberlandesgericht F. und den Richter am Oberlandesgericht R. am

5. Februar 2008

1. Auf den Antrag der Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 13. Juni 2007 zuzulassen, durch Entscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters,

2. auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das vorgenannte Urteil nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger Verletzung der Anleinpflicht (§§ 11 Abs. 6, 20 Abs. 1 Nr. 18 LHundG NRW) zu einer Geldbuße von 50 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich der mit der Sachrüge begründete Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde war durch Entscheidung des Einzelrichters zuzulassen, weil es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Die Sache gibt Gelegenheit, die Hundeführereigenschaft zu definieren und Leitsätze dazu aufzustellen, wer für das unangeleinte Führen verantwortlich ist, wenn zwei Personen einen gemeinsam gehaltenen oder beaufsichtigten Hund ausführen.

Die Sache war nach § 80a Abs. 3 OWiG dem mit drei Richtern besetzten Senat für Bußgeldsachen zu übertragen. Nach § 80a Abs. 3 OWiG überträgt in den Fällen des § 80 a Abs. 1 OWiG der mit einem Richter besetzte Bußgeldsenat die Sache an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern, wenn es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen.

Eine Pflicht des Einzelrichters zur Übertragung besteht daher immer dann, wenn die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassen worden ist, da sich Zulassungs- und Übertragungsgrund in diesen Fällen stets decken (vgl. OLG Düsseldorf VRS 105, 27).

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil weist keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil der Betroffenen auf.

Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 LHundG NRW sind große Hunde außerhalb eines befriedeten Besitztums innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen angeleint zu führen. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 18 LHundG NRW handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 11 Abs. 6 LHundG NRW einen großen Hund unangeleint führt.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

"Am 03.04.2007 um ca. 10.30 Uhr vormittags führte die Betroffene gemeinsam mit ihrem Ehemann zwei Hunde der Familie aus. Als sie in der G. Straße den schmalen Bürgersteig benutzten, gingen beide versetzt hintereinander, wobei der Ehemann einen Hund an der Leine führte, während der zweite Hund, ein Collie, unangeleint vor der Betroffenen ging. Zu diesem Zeitpunkt kamen die Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes der Stadt W., die Zeuginnen W. und R., in ihrem Fahrzeug an den Eheleuten vorbei, wobei sie aufgrund der versetzten Position nicht davon ausgingen, dass beide zusammengehörten. Sie sprachen daher nur die Betroffene an und fragten sie, wieso ihr Hund nicht an der Leine sei. Die Betroffene antwortete, sie habe es vergessen. Sie nahm nun die von ihr mitgeführte Leine und legte sie dem Hund an."

In den weiteren Urteilsgründen wird der Hund dahin näher beschrieben, dass es sich um einen ausgewachsenen Collie handelte, dessen Widerristhöhe bzw. Gewicht deutlich über den in § 11 Abs. 1 LHundG NRW zur Definition großer Hunde bestimmten Grenzwerten von 40 cm bzw. 20 kg lag. Zu den Örtlichkeiten wird noch näher ausgeführt, dass der Hund innerhalb eines Wohngebietes in einem nicht als Hundeauslaufzone ausgewiesenen Bereich unangeleint geführt wurde.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch.

Auch unter Würdigung des Verteidigungsvorbringens der Betroffenen, wonach nicht sie, sondern allein ihr Ehemann zum Tatzeitpunkt Führer des Hundes gewesen sei, weil sie davon ausgegangen sei, dass ihr Ehemann den Collie wie den zweiten Hund an der Doppelleine geführt habe, hat das Amtsgericht die Betroffene ohne Rechtsfehler als Führer des unangeleinten Hundes und damit als Normadressat angesehen.

Einen Hund "führt", wer die tatsächliche Herrschaft über den Hund ausübt, indem er nach eigenem Willen auf den Hund einwirkt oder einwirken kann. Das Führen eines Hundes beschränkt sich nicht auf das Führen an der Leine, was sich schon daraus ergibt, dass gerade das unangeleinte Führen eines Hundes die sanktionierte Handlung darstellt. Vielmehr umfasst das Führen eines Hundes auch dessen Kontrolle ohne unmittelbare physische Einwirkungsmöglichkeit (vgl. Haurand, LHundG NRW, 4. Aufl., § 5 Anm. 5). Der Führer eines Hundes kann kraft seiner Autorität etwa durch Kommandos oder Gesten auf den Hund einwirken, schon die Vorgabe einer Bewegungsrichtung durch eigene Bewegung wie beim unangeleinten Laufenlassen bei Fuß stellt ein Führen des Hundes dar.

Führen zwei Personen einen gemeinsam gehaltenen oder beaufsichtigten Hund aus, sind beide als Hundeführer dafür mitverantwortlich, dass die Anleinpflicht beachtet wird. Die Hundeführereigenschaft richtet sich nicht danach, welche der beiden Personen gerade die Leine (mit oder ohne Hund) in der Hand hält oder, wenn eine Leine nicht mitgeführt wird, sich gerade näher bei dem frei laufenden Hund befindet. Nicht eine solche auf wechselhafte äußerliche Merkmale abstellende Sichtweise ist maßgeblich, sondern die fortwährende, aus der Eigenschaft als Halter oder Aufsichtsperson resultierende Einwirkungsmöglichkeit und Mitverantwortung. Beide Personen können - sei es mit oder ohne Leine - nach eigenem Willen auf den Hund einwirken. Keiner der beiden kann sich seiner Hundeführereigenschaft und damit seiner Mitverantwortung für die Beachtung der Anleinpflicht dadurch entledigen, dass er einfach davon ausgeht, der jeweils andere habe den Hund angeleint und sei deshalb der alleinige Hundeführer. Ein solches wechselseitiges Zuschieben der Hundeführereigenschaft, das zu dem unhaltbaren Ergebnis führen könnte, dass zwei Personen den gemeinsam gehaltenen oder beaufsichtigten Hund unangeleint ausführen, ohne dass ein verantwortlicher Hundeführer vorhanden wäre, kommt nach dem dargelegten Normverständnis nicht in Betracht.

Im vorliegenden Fall wurde die Einwirkungsmöglichkeit der Betroffenen noch dadurch verstärkt, dass sie selbst eine Leine mitführte. Dies ist aber nicht entscheidend. Unabhängig hiervon war sie bei dem gemeinsamen Spaziergang wie ihr Ehemann Führer des unangeleinten Familienhundes und damit Normadressat. Der Fahrlässigkeitsvorwurf gegen die Betroffene ist darin begründet, dass sie sich nicht davon überzeugt hat, dass auch der zweite Hund an der Doppelleine des Ehemannes angeleint war.

Das auf einen Tatbestandsirrtum abzielende Verteidigungsvorbringen der Betroffenen, ihr Ehemann sei der alleinige Hundeführer gewesen und ihr habe das Bewusstsein gefehlt, den unangeleinten Hund zu "führen", steht der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns nicht entgegen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Abgesehen davon hat das Amtsgericht einen solchen Tatbestandsirrtum unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Betroffene selbst eine Leine mitführte und den Hund nach dem Eingreifen der Ordnungskräfte mit dem Bemerken, sie habe es vergessen, angeleint hat, rechtsfehlerfrei verneint.

Die Bemessung der Geldbuße auf 50 Euro weist keinen Rechtsfehler auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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