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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: IV-5 Ss (OWi) 5/08 - (OWi) 9/08 IV
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, StVG, BKatV


Vorschriften:

OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 4
StPO § 341 Abs. 1
StPO § 344
StPO § 345
StVG § 24
StVG § 25
BKatV § 1 Abs. 2
BKatV § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 20. August 2007 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung) zu einer Geldbuße von 220,-- € verurteilt, jedoch von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Krefeld, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 3 und 4 OWiG, §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist in ausreichender Weise zu entnehmen, dass die Geschwindigkeitsmessung außerhalb geschlossener Ortschaft vorgenommen ist. Die Urteilsgründe enthalten auch Angaben zur festgestellten Geschwindigkeit unter Abzug der Messtoleranz und des verwandten Messverfahrens. Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler sind in dem Urteil nicht festgestellt worden.

2.

Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gemäß §§ 25, 24 StVG, 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.7. des Anhangs der Tabelle 1 zu § 1 Abs. 2 BKatV regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist.

Nach diesen Maßstäben stellen die vom Amtsgericht angeführten Umstände weder für sich allein noch in der Gesamtschau Gründe dar, die das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in der Weise abweichend erscheinen lassen, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes angemessen wäre. Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (OLG Düsseldorf - 3. Senat - Beschluss vom 13.03.2004 - 2a Ss (OWi) 67/00 - (OWi) 24/00 III). Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist dabei eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen; eine unkritische Übernahme der Einlassung des Betroffenen ist insoweit nicht ausreichend (vgl. OLG Hamm NZV 1996, 118). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf dabei der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen. Grundsätzlich hat jeder Betroffene berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des Fahrverbots durch Maßnahmen wie z.B. die teilweise Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen, die Heranziehung eines Angestellten oder Verwandten als Fahrer, die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers, insbesondere durch eine Kombination dieser Maßnahmen, auszugleichen. Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 312; OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; BayObLG NZV 2002, 143). Derartige Belastungen durch einen Kredit, der in kleineren für den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann, und der sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer eines Fahrverbots von 1 Monat in überschaubaren Grenzen bewegt, sind grundsätzlich hinzunehmen. Speziell eine Kombination von Maßnahmen der vorgenannten Art ist in der Regel als zumutbar anzusehen.

Der Tatrichter hat festgestellt, dass der Betroffene vorliegend durch die Verhängung eines Fahrverbots in seiner beruflichen Situation unverhältnismäßig hart getroffen würde. Die Mobilität sei in seiner Situation als selbständiger Kaufmann von besonderer Bedeutung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel käme nicht in Betracht. Auch könne der höchstpersönliche Einsatz des Betroffenen nicht ersetzt werden. Der persönliche Kontakt zu seinen Kunden vor Ort sei entscheidend. Dem Betroffenen sei es auch nicht möglich, das Fahrverbot während seines Urlaubs abzuleisten, da er längstens für eine Woche zusammenhängenden Urlaub nehmen könne. Die Vollstreckung des Fahrverbots könne bei dem Betroffenen letztlich auf eine drohende Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz hinauslaufen. Beweiserhebungen, dass dem Betroffenen bei einer Kombination möglicher Ausgleichsmaßnahmen ein Ausgleich der Härten nicht möglich oder zumutbar wäre, sind indes nicht getroffen worden. Auch ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass allein die Einlassung des Betroffenen maßgeblich für die Entscheidung war, vom Regelfahrverbot abzusehen. Die Übernahme der ungeprüften Angaben des Betroffenen reicht indes nicht aus.

Überdies hat das Amtsgericht sich nicht hinreichend damit auseinander gesetzt, warum trotz der verkehrsrechtlichen Vorbelastung von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden konnte.

Da weitere Feststellungen zur Frage der außergewöhnlichen Härte wahrscheinlich erscheinen, kommt eine Entscheidung durch den Senat nicht in Betracht.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch.

IV.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kempen zurückverwiesen.

Ende der Entscheidung

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