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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.03.2008
Aktenzeichen: IV-5 Ss (Owi) 44/07 - (OWi) 25/08 IV
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, StVG, BKatV


Vorschriften:

OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 4
StPO § 341 Abs. 1
StVG § 24
StVG § 25
BKatV § 1 Abs. 2
BKatV § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h zu einer Geldbuße von 240,- € verurteilt, jedoch von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.

II.

Die gemäß §§ 79 Abs. 3 u. 4 OWiG, § 341 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

2.

Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gemäß §§ 25, 24 StVG, 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.7. des Anhangs der Tabelle 1 zu § 1 Abs. 2 BKatV regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots.

a) Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und dem gemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist .

Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (OLG Düsseldorf - 3. Senat - Beschluss vom 13.03.2004 - 2a Ss (OWi) 67/00- (OWi) 24/00 III). Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist dabei eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen; eine unkritische Übernahme der Einlassung des Betroffenen ist insoweit nicht ausreichend (vgl. OLG Hamm NZV 1996, 118). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf dabei der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen. Grundsätzlich hat jeder Betroffene berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des Fahrverbots durch Maßnahmen wie z.B. die teilweise Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen, die Heranziehung eines Angestellten oder Verwandten als Fahrer, die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers, insbesondere durch eine Kombination dieser Maßnahmen, auszugleichen. Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 312; OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; BayObLG NZV 2002, 143). Derartige Belastungen durch einen Kredit, der in kleineren für den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann, und der sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer eines Fahrverbots von einem Monat in überschaubaren Grenzen bewegt, sind grundsätzlich hinzunehmen. Speziell eine Kombination von Maßnahmen der vorgenannten Art ist in der Regel als zumutbar anzusehen.

b) Der Tatrichter hat folgendes ausgeführt:

"Der Betroffene hat den Verstoß eingeräumt. Er wisse um die Bedeutung der Regeln über die zulässige Höchstgeschwindigkeit und werde sich in Zukunft auch strikt daran halten. Er bitte jedoch darum, ausnahmsweise von der Anordnung eines Fahrverbotes abzusehen. Als selbständiger Gewerbetreibender sei er dringend auf seinen Führerschein angewiesen; er sei ledig und ihn könne niemand fahren; Längeren Urlaub habe er schon seit drei Jahren nicht mehr genommen. Für seine selbständige Tätigkeit sei er auf den Einsatz seines Wagens angewiesen. Er sei in seiner Existenz bedroht, wenn er einen Monat den Wagen nicht nutzen könne."

Weiter heißt es:

"Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 25 StVG liegen nicht vor. Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass entsprechend dem Bußgeldkatalog bei der hier vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung im Regelfall ein Fahrverbot zu verhängen ist. Ein solcher Regelfall liegt hier aber nicht vor. Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Betroffene in der Hauptverhandlung hinterlassen hat, kann nicht angenommen werden, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung auf mangelnder Rechtstreue beruhte. Dem Betroffenen tat seine Pflichtverletzung ersichtlich leid. Er sieht das Unrecht seines Handelns ein und weiß um die Wichtigkeit der Einhaltung der Geschwindigkeitsvorschriften im Hinblick auf die Verkehrssicherheit. Das Gericht ist aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Betroffene in der Hauptverhandlung hinterlassen hat, davon überzeugt, dass er sich in Zukunft auch hieran halten wird.

Gegen die Verhängung eines Fahrverbotes spricht vorliegend entscheidend, dass der Betroffene durch ein Fahrverbot in seiner beruflichen Situation unverhältnismäßig hart getroffen würde. Als selbständiger Gewerbetreibender ist die Mobilität bei ihm von besonderer Bedeutung. Der höchstpersönliche Einsatz des Betroffenen kann nicht ersetzt werden. Insoweit kommt auch der Einsatz öffentlicher Verkehrsmittel nicht in Betracht. Da er ledig ist, sind auch keine Familienangehörigen vorhanden, die ihn fahren könnten.' Der Einsatz des Wagens ist daher notwendig. Dem Betroffenen ist es auch nicht möglich, das Fahrverbot während seines Urlaubs abzuleisten, da er keinen so lange zusammenhängenden Urlaub nehmen kann. Die Vollstreckung eines einmonatigen Fahrverbotes würde damit zu einer außergewöhnlichen Härte für den Betroffenen führen, die letztlich auf die drohende Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz hinauslaufen könnte."

c) Diese Ausführungen lassen vermissen, ob sich das Amtsgericht eine eigene Überzeugung von den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen gebildet oder dessen Einlassung lediglich übernommen hat, ohne sie einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe liegt letzteres zumindest nicht fern.

Auf Grund dieses sachlich-rechtlichen Mangels fehlt für das Absehen vom Fahrverbot daher eine hinreichende Grundlage.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch.

Da weitere Feststellungen zur Frage der außergewöhnlichen Härte wahrscheinlich erscheinen, kommt eine Entscheidung durch den Senat nicht in Betracht.

IV.

Es besteht keine Veranlassung, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kempen zurückverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG.

Ende der Entscheidung

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