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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: VI-2 Kart 1/06 (V)
Rechtsgebiete: GWB, VO (EG) Nr. 1/2003, EG, VwVfG, EnWG, BGB


Vorschriften:

GWB § 1
GWB § 2 n.F.
GWB § 19
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 4
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4
GWB § 20
GWB § 21
GWB § 32
GWB § 32 Abs. 1
GWB § 32 Abs. 2
GWB § 32 Abs. 3
GWB § 32 b
GWB § 33 Abs. 4 S. 1
GWB § 36 Abs. 2
GWB § 56 Abs. 1
GWB § 57 Abs. 1
GWB § 64 Abs. 1
GWB § 64 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
GWB § 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
GWB § 65 Abs. 3 S. 3
GWB § 103
GWB § 103a
VO (EG) Nr. 1/2003 Art. 5
VO (EG) Nr. 1/2003 Art. 5 Satz 2
VO (EG) Nr. 1/2003 Art. 7 Abs. 1 Satz 4 VO Nr. 1/2003
EG Art. 81
EG Art. 81 Abs. 1
EG Art. 82
VwVfG § 28 Abs. 1
EnWG § 6a
BGB § 139
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und zu 7, die aufschiebende Wirkung der Beschwerden gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 13. Januar 2006 (B 8 - 113/03 - 1) anzuordnen, werden abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und zu 7 zugelassen.

Gründe:

A.

Die Betroffene gehört zum E... Konzern; ihre Aktien werden zu 100 % von der E... AG gehalten. Der Konzern ist das größte deutsche und ein führendes europäisches Energieversorgungsunternehmen mit jährlichen Umsätzen von rund 50 Mrd. €.

Die Betroffene und sechs weitere überregionale Ferngasunternehmen bilden die erste Stufe der dreistufig gegliederten Gaswirtschaft in Deutschland. Bei den sechs weiteren überregionalen Ferngasunternehmen handelt es sich um die R.E. AG, D. (R.), die W.... GmbH, K./W. Handelshaus GmbH & Co. KG, B. (zusammengefasst W....), die EM G. Marketing Deutschland GmbH & Co. KG, H. (EM), die V... AG, L. (V...), die S... GmbH & Co. KG, H. (S...) und die E... GmbH, M. (E... M.).

Seit dem Zusammenschluss mit der R... AG im Jahre 2003 ist die Betroffene das in Deutschland führende überregionale Ferngasunternehmen mit einem Jahresumsatz von etwa 12,75 Mrd. € im Jahr 2004. Die Betroffene stellte im Jahre 2003 mit einem inländischen Absatz in Höhe von rund 640 Mrd. Kilowattstunden knapp 65 % des gesamten inländischen Erdgasaufkommens von 992 Mrd. Kilowattstunden bereit. Das Erdgasaufkommen setzt sich zusammen aus der Produktion in Deutschland, den nach Deutschland importierten Mengen abzüglich den exportierten Mengen, den Einspeisemengen in Speicher und dem Eigenverbrauch der Lieferanten.

Die Betroffene verfügt über Bezugsverträge mit den wichtigsten in- und ausländischen Erdgasproduzenten und -exporteuren. Die entsprechenden Verträge sind langfristig gestaltet und enthalten sogenannte Take-or-pay-Verpflichtungen, die sich als Mindestbezugsverpflichtungen auswirken.

Das Versorgungssystem der konzernangehörigen Netzbetreibergesellschaft E...-R... Transport AG & Co. KG besteht aus Erdgasleitungen mit einer Länge von mehr als 11.000 Kilometern Hochdruckleitungen sowie Übernahmestellen zu den wichtigsten Gasförderländern. Es handelt sich um das in Deutschland größte Erdgasleitungsnetz, das sich über die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (mit Ausnahme des westlichen Landesteils), Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland erstreckt.

Eine zweite Gaswirtschaftsstufe wird von acht regionalen Ferngasunternehmen gebildet. Zu diesen Ferngasunternehmen, die keine eigenen Förderquellen oder Beteiligungen daran besitzen und ohne oder ohne einen nachhaltigen Importbezug sind, zählen die G... S... GmbH, S. (GS), die B... GmbH, M. (B...), die G...1 GmbH, F. (G...1), die S... AG, S. (S...), die A... AG, H. (A...), die F... GmbH, N. (F...), die E...5 T. mbH, E. (E...5) und die E...4 Aktiengesellschaft, O. (E...4). Die Betroffene ist durch direkte und mittelbare Beteiligungen mit fünf regionalen Ferngasunternehmen verbunden. Die Beteiligungsunternehmen stellen ihre Infrastrukturressourcen, Verteilnetze, Speicher und Verdichterstationen der Betroffenen zur Verfügung.

Neben den anderen überregionalen Ferngasunternehmen beliefert die Betroffene nicht importierende regionale Ferngasunternehmen und insbesondere regionale und lokale Gasversorgungsunternehmen (diese auf einer dritten Marktstufe), Industriebetriebe sowie Kraftwerke und auch endverbrauchende Abnehmer (private Haushalte, Gewerbe- und Industriebetriebe) mit Erdgas. Hinsichtlich der Größenordnung der Absatzmengen überregionaler und regionaler Ferngasunternehmen an andere Gasversorgungsunternehmen (Ferngasunternehmen, Regional- und Ortsgasunternehmen) wird auf die Tabelle auf Seite 8 der angefochtenen Verfügung Bezug genommen. Regional- und Ortsgasunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland haben ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt bei der Belieferung von privaten Haushalten und Kleingewerbekunden. 2003 hielten sie daran bundesweit einen Anteil von etwa 93 %, während etwa 7 % auf regionale Ferngasunternehmen entfielen.

Von den ca. 690 in Deutschland existierenden Regional- und Ortsgasunternehmen ermittelte das Bundeskartellamt die Lieferverhältnisse von 513 Unternehmen. Rund 75 % der Verträge enthalten Bezugsbindungen von 80 bis zu 100 % des Gasbedarfs. Mehr als 70 % der Lieferverträge der Betroffenen mit Regional- und Ortsgasunternehmen sind über Liefermengen abgeschlossen, die den gesamten tatsächlichen Bedarf des betreffenden Unternehmens erfassen. Weitere 6 % solcher Lieferverträge umfassen Liefermengen von mehr als 80 % des Bedarfs. Alle Verträge haben Laufzeiten von mehr als vier und bis zu 20 Jahren. Mit den in Anlage 1 zum angefochtenen Beschluss aufgeführten Regional- und Ortsgasunternehmen wurden Lieferverträge vor dem 29. April 1998 abgeschlossen. Sie sind zum Teil bis zum Jahre 2013 und darüber hinaus gültig.

Die Betroffene ist an zahlreichen Regional- und Ortsgasunternehmen beteiligt (vgl. angefochtene Verfügung Seite 6). Im Ministererlaubnisverfahren E.../R... verpflichtete sie sich 2003, Regional- und Ortsgasunternehmen ein jährlich auszuübendes Sonderkündigungsrecht im Umfang von 20 % der vereinbarten Gasliefermengen einzuräumen. Hiervon machten nur wenige Unternehmen Gebrauch. Bei der Ausübung des Sonderkündigungsrechts verstand und versteht die Betroffene die Lieferung von Kommunalgas und Gas für andere Zwecke (z.B. Kraftwerksgas und Gas für abnehmereigene Zwecke) als eine wirtschaftliche Einheit. Bei der Kündigung war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten. Auf die Vergabe solchermaßen frei gewordener Mengen bot die Betroffene in der Vergangenheit mit.

Mit Schreiben vom 9. November 2005 unterrichtete die Betroffene das Bundeskartellamt davon, den von ihr belieferten Regional- und Ortsgasunternehmen Sonderkündigungsrechte einzuräumen, mit dem diese jeweils zum 1. Oktober der Jahre 2006 und 2007 verbleibende Bezugsverpflichtungen auf 50 % ihres Gasbedarfs reduzieren könnten. Bezüglich neu abzuschliessender Lieferverträge kündigte die Betroffene an, sich an den vom Bundeskartellamt aufgestellten Grundsätzen zu langfristigen Gaslieferverträgen zu orientieren. Sie erklärte ferner, Abnehmern für Restmengen zeitlich befristete Lieferangebote zu unterbreiten. Dabei behielt sie sich vor, die angekündigte Praxis im Oktober 2008 zu überprüfen. Auf den Inhalt der Anlage Ast 61 wird insoweit Bezug genommen.

Das Bundeskartellamt verfügte durch Beschluss vom 13. Januar 2006:

Die in den in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträgen der Betroffenen enthaltenen Vereinbarungen hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und Grad der tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung verstoßen in ihrer Kombination gegen Art. 81, 82 EG und § 1 GWB.

Die Betroffene wird verpflichtet, die Durchführung solcher Vereinbarungen in den in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträgen bis spätestens zum 30. September 2006 abzustellen.

Der Betroffenen wird ab sofort der Abschluss von Vereinbarungen in Gaslieferverträgen mit den an ihre in Deutschland gelegenen Versorgungsleitungen angeschlossenen Regional- und Ortsgasunternehmen mit einem Gesamtvertriebsbedarf von mehr als 200 GWh pro Jahr insoweit untersagt, als die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarfs des Abnehmers von über 50 % bis einschließlich 80 % vier Jahre überschreitet oder die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarfs des Abnehmers von über 80 % zwei Jahre überschreitet, im Falle der Belieferung des Abnehmers durch mehrere Lieferanten die Bereitschaft der Betroffenen zur Risikoabdeckung, d.h. die auf einem prozentualen Anteil am tatsächlichen Vertriebsbedarf basierende vertragliche Lieferverpflichtung mit einer mengenmäßig und zeitlich schwankenden Nachfrage in Einklang zu bringen, nicht mindestens der Höhe ihres Lieferanteils entspricht, es sei denn ihr Lieferanteil übersteigt nicht 50 %.

Dabei sind mehrere Lieferverträge zwischen Lieferant und Kunde hinsichtlich ihrer Lieferanteile oder Laufzeiten als ein Vertrag anzusehen, Liefermengen von im Sinne der Verbund- und Mehrmütterklausel des § 36 Abs. 2 GWB zusammen zu betrachtenden Unternehmen mit demselben Kunden zu addieren, Lieferverträge, deren Laufzeit sich über einen zunächst festgelegten Zeitraum hinaus stillschweigend verlängern kann, als auf unbestimmte Dauer vereinbart anzusehen.

Die unter Ziffer 3 ausgesprochene Untersagung gilt bis zum Ende des Gaswirtschaftsjahres 2009/2010 (30. September 2010).

Der Widerruf von Ziffer 3 und 4 dieser Verfügung bleibt vorbehalten.

Zur Begründung führte das Amt aus, die Betroffene habe durch eine Kombination von Gesamtbedarfsdeckungs- und "Quasibedarfsdeckungs"-Vereinbarungen (Nahezu-Bedarfsdeckungsabreden) mit langfristigen Laufzeiten in vor dem 29. April 1998 geschlossenen Verträgen (Altverträgen) mit Regional- und Ortsgasunternehmen Vertragsgestaltungen verabredet, die geeignet seien, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt spürbar zu beeinträchtigen und infolgedessen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen § 1 GWB verstießen. Ferner missbrauche die Betroffene eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen im Sinne von Art. 82 EG. Auch ein künftiger Abschluss von Verträgen, die sich in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht überschnitten, verstoße auf Grund der einen Marktzutritt beschränkenden Wirkung der Vertragsgestaltung gegen Art. 81 Abs. 1 EG, § 1 GWB sowie gegen Art. 82 EG, weshalb auch dies zu untersagen und der Betroffenen verwehrt sei, sich auf Rechte hinsichtlich der Laufzeit und Liefermengen zu berufen oder sich solcher Rechte zu berühmen.

Gegen diesen Beschluss haben die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7 Beschwerden eingelegt, mit denen sie eine Aufhebung der Verfügung anstreben.

Einstweilen beantragen die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7,

die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerden gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 13. Januar 2006, Az: B 8 -113/03 - 1, anzuordnen.

Das Bundeskartellamt und die Beigeladenen zu 1 bis 4 beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 5 hat keinen Antrag gestellt.

Das Bundeskartellamt und die Beigeladenen zu 1 bis 5 halten die Anträge teils für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Verfügung nebst deren Anlagen und die Verfahrensakte des Bundeskartellamts verwiesen.

B.

Die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7, den Suspensiveffekt der Beschwerden gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 13. Januar 2006 anzuordnen, sind im Wesentlichen zulässig. Soweit sie zulässig sind, sind sie aber unbegründet.

I. Die auf eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gerichteten Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen sind zulässig, soweit sie sich gegen die Anordnungen zu 1. bis 3. des Entscheidungsausspruchs der Verfügung richten.

1. Die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sind statthaft. Gemäß § 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 3 GWB hat das Beschwerdegericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ganz oder teilweise anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Beschwerde gegen eine - wie hier - nach § 32 GWB i.V.m. Art. 81 Abs. 1, Art. 82 EG i.V.m. Art. 5 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und § 1 GWB erlassene Untersagungsverfügung hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. § 64 Abs. 1 Nr. 1 GWB ordnet an, dass lediglich die Beschwerde gegen eine Verfügung nach § 32 GWB in Verbindung mit den §§ 19 bis 21 GWB einen Suspensiveffekt hat. Dabei nimmt die Vorschrift Verfügungen nach § 32 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 GWB, die die missbräuchliche Ausnutzung einer markbeherrschenden Stellung bei Elektrizitäts- oder Gasversorgungsnetzen betreffen, von der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels aus. Daraus ist umgekehrt zu schliessen, dass die gegen eine Verfügung nach Art. 81, 82 EG und § 1 GWB gerichtete Beschwerde keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Insoweit entspricht die nationale Rechtslage dem europäischen Rechtszustand (vgl. auch BT-Drs. 15/3640, S. 64 zu § 64). Die Nichtigkeitsklage gegen Entscheidungen der Kommission, die sich auf Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gründen, hat gemäß Artikel 242 Satz 1 EG keinen Suspensiveffekt.

Bei den auf Anordnung des Suspensiveffekts gerichteten Anträgen der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 handelt es sich nicht um Anträge auf eine einstweilige Anordnung nach Art. 243 EG. Die nationalen Gerichte können einstweilige Anordnungen nach Art. 243 EG nur bei Zweifeln an der Gültigkeit der Gemeinschaftsverordnung treffen (vgl. EuGH, Urt. v. 21. Februar 1991, Rs. C-143/88 und C-92/89, Slg. 1991-I, 415 = NVwZ 1991, 460). Dies steht der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels durch die nationalen Gerichte aufgrund nationaler Rechtsvorschriften (hier § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB) jedoch nicht entgegen, wenn diese Anordnung aus anderen Gründen in Betracht kommt (vgl. Jannasch, NVwZ 1999, 459, 497). Solche anderen Gründe werden hier geltend gemacht. Die Betroffene sowie die Beigeladenen zu 6 und 7 begehren im Streitfall die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel unter anderem mit der Begründung, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Normen des europäischen Primärrechts (Art. 81, Art. 82 EG) und von § 1 GWB für den Erlass des Verfügung lägen nicht vor.

2. Die auf Anordnung des Suspensiveffektes gerichteten Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sind entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts auch statthaft, soweit sie sich gegen die Entscheidungsaussprüche zu 1. bis 3. richten. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde kommt gegenüber Verwaltungsakten mit feststellendem oder vollziehbarem Charakter in Betracht. Die Aussprüche zu Ziffern 2. und 3. der Verfügung sind vollziehbar. Der Ausspruch zu 1. der Verfügung hat keinen regelnden Gehalt, sondern stellt einen Rechtsverstoß fest. Im Sinn der Beantwortung einer kartellrechtlichen Vorfrage ist darin die Feststellung getroffen worden, dass in den nach Anlage 1 zwischen der Betroffenen und ihren Abnehmern aufgeführten Gaslieferverträgen enthaltene Vereinbarungen den Tatbestand bestimmter Verbotsnormen (Art. 81, Art. 82 EG, § 1 GWB) erfüllen. Eine Anfechtung ist ungeachtet des Umstands statthaft, dass die Verfügung zu 1. nicht die Rechtsfolgen feststellt, die sich aus einem Verstoß gegen europäische oder nationale Kartellrechtsvorschriften ergeben (vgl. Art. 81 Abs. 2 EG, § 139 BGB). Diese bedürfen keiner Feststellung. Eine Anfechtung ist zulässig, da der Entscheidungsausspruch zu 1. geeignet ist, eine Tatbestandswirkung zu entfalten, auch wenn bis zum Eintritt der Bestandskraft der angegriffenen Verfügung für die Zivilgerichte keine Bindungswirkung eintritt (vgl. Bornkamm, ZWER 2003, 73, 81; derselbe in Langen/Bunte, GWB, Bd. I, 10. Aufl., § 32 GWB Rdnr. 40).

Soweit die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sich gegen die Aussprüche zu 4. und 5. richten, sind sie nicht zulässig. Zwar sind Nebenbestimmungen im Prinzip selbständig anfechtbar, sofern sie eine materielle Beschwer entfalten (vgl. auch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO sowie Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rdnr. 21 ff). Die betroffenen Nebenbestimmungen können jedoch nicht isoliert ergehen, weshalb es einer selbständigen Anfechtung nicht bedarf. Hinsichtlich der unter 4. angeordneten Geltungsdauer der Verfügung bis 2010 machen die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7 eine ermessensfehlerhafte Anordnung einer Nebenbestimmung nicht geltend. Die Befristung ist für sie günstig. Durch Ziffer 5. des Entscheidungsausspruches, die einen Widerruf vorsieht, sind sie nicht beschwert. Die Widerrufsmöglichkeit wirkt ausschließlich zu ihren Gunsten.

3. Die Betroffene ist als Adressatin der Verfügung beschwerde- und antragsbefugt. Auch die Beigeladenen zu 6 und 7 sind berechtigt, Beschwerde einzulegen und Anträge nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB zu stellen, soweit die Verfügung zu 2. ihre eigenen Verträge mit der Betroffenen betrifft. Die formelle Beschwer der Beigeladenen zu 6 folgt insoweit daraus, dass sie sich im Verwaltungsverfahren gegen den Erlass der Verfügung gewandt hat. Die Beigeladene zu 7 ist durch die Verfügung möglicherweise zwar nicht formell beschwert. Jedoch ist eine materielle Beschwer gegeben, wenn der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in seinen wirtschaftlichen Interessen nachteilig berührt ist. Die Beigeladenen zu 6 und 7 sind materiell beschwert, da der Betroffenen durch die angegriffene Verfügung (unter 2.) eine Durchführung der (mit ihnen) vor 1998 geschlossenen Liefervereinbarungen sowie (gemäß Ziffer 3. der Verfügung) ein Neuabschluss von langfristigen Verträgen mit Gesamtbedarfsdeckung oder Nahezu-Gesamtbedarfsdeckung untersagt ist. Die mit der Betroffenen unter den genannten Konditionen abgeschlossenen Verträge werden durch das Verbot unter 2. der Verfügung in Zukunft wirtschaftlich wertlos. Durch die Anordnung unter 3. der Verfügung wird außerdem in den unternehmerischen Gestaltungsspielraum der Beigeladenen beim Gasbezug eingegriffen.

II. Die auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gerichteten Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sind unbegründet.

1. Das Bundeskartellamt war zum Erlass der Verfügung zuständig. Die am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln vom 16. Dezember 2002 (Abl. Nr. L v. 4.1.2003, S.1 ff.) räumt den nationalen Kartellbehörden in Art. 5 Satz 1 die Befugnis ein, Verstöße gegen Art. 81 und 82 EG zu verfolgen (vgl. BGH WuW/E DE-R 89, 90 - Selektive Exklusivität).

2. Die von der Betroffenen und den Beigeladenen zu 6 und 7 erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.

Unbegründet ist die Rüge, mit der die Betroffene einen Verstoß des Bundeskartellamts gegen das aus § 57 Abs. 1 GWB folgende Gebot der Amtsermittlung geltend macht. Daraus sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung nicht abzuleiten. Die Amtsermittlungspflicht der Kartellbehörde nach § 57 Abs. 1 GWB ist verletzt, wenn Ermittlungen vollständig unterblieben oder unzutreffend und unvollständig sind, die durchgeführten Ermittlungen sich vom Rechtsstandpunkt des Beschwerdegerichts aus als unverwertbar erweisen oder der Vortrag des Betroffenen gebietet, weitere Ermittlungen durchzuführen (vgl. BGH WuW/E DE-R 1163, 1167 - Lekkerland). Der Untersuchungsgrundsatz hält das Beschwerdegericht jedoch nicht dazu an, unbestrittene Feststellungen der Kartellbehörde amtswegig zu überprüfen (vgl. BGH WuW/E DE-R 1520, 1521 - Arealnetz).

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist nicht anzunehmen, das Bundeskartellamt sei von einer unzutreffenden, unvollständigen oder erst recht unverwertbaren Tatsachengrundlage ausgegangen. Über die erfolgten Ermittlungen zur Vertragssituation der Betroffenen hinaus bedurfte es keiner weiteren Aufklärung des Sachverhalts, da die Tatsachen, auf welche die Verfügung sich stützt, außer Streit stehen. Der Vortrag der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 im Verfahren über den Antrag nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB ist nicht geeignet, die der angefochtenen Verfügung zu Grunde gelegten Tatsachen zu erschüttern oder nicht mehr für hinreichend wahrscheinlich zu halten.

3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung oder an dem ihrem Erlass zu Grunde liegenden Verfahren folgen nicht aus einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen. Die Betroffene beruft sich ohne Erfolg darauf, dass bei einer in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellten Entscheidung eine verfahrensfehlerhaft unterbliebene Anhörung zur Aufhebung des Verwaltungsakts führen kann (vgl. BVerwG NVwZ 1999, 1218, 1219). § 56 Abs. 1 GWB schreibt vor, dass den Beteiligten des Kartellverwaltungsverfahrens, insbesondere dem Betroffenen, vor Erlass eines Verwaltungsakts Gelegenheit zu geben ist, Stellung zu nehmen. § 28 Abs. 1 VwVfG, der im Kartellverwaltungsverfahren entsprechende Anwendung findet (vgl. BGH WuW/E DE-R 1119,1122-Verbundnetz II), sieht vor, dass der Betroffene Gelegenheit erhalten soll, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen, von deren Vorliegen die von der Behörde zu treffende Entscheidung abhängt, zu äußern (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. § 28 Rdnr. 12 und 30 bis 32). Sinn und Zweck der Vorschrift ist, Überraschungsentscheidungen zu verhindern. Dies gebietet auch, dass der Betroffene über die kartellrechtliche Beurteilung der Angelegenheit durch die Behörde nicht im Unklaren gelassen wird.

Die Betroffene hatte im Verwaltungsverfahren ausreichende Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen zu äußern. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 hat das Amt ihr den Entwurf der Verfügung übersandt. Sie hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör ist ebenso wenig dadurch verletzt worden, dass der Entwurf der Verfügung ein Verbot, sich auf Rechte bezüglich Laufzeit und Grad der Bedarfsdeckung gegenüber Vertragspartnern zu berufen oder sich Dritten gegenüber solcher Rechte zu berühmen (vgl. angefochtene Verfügung S. 30), nicht enthielt.

Rechtliches Gehör ist zu den der Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen und zur kartellrechtlichen Beurteilung zu gewähren. Einer Gewährung rechtlichen Gehörs zu den konkreten Maßnahmen, welche die Kartellbehörde für erforderlich und geeignet hält, den beanstandeten Verstoß abzustellen, bedarf es nicht. Zu diesen Maßnahmen zählt das Verbot, sich bestimmter Rechtspositionen gegenüber Vertragspartnern und Dritten zu berühmen. Der Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör ist auch nicht dadurch verletzt worden, dass dem Entscheidungsausspruch das Verbot eines Berufens und Berühmens nicht zu entnehmen war. Von einem Verwaltungsakt ist nicht gefordert, dass der wesentliche Inhalt der Regelung getrennt von seinen übrigen Bestandteilen, vor allem von seiner Begründung, in einem Entscheidungssatz zusammengefasst und vorangestellt ist, der alle geregelten Punkte vollständig und aus sich heraus verständlich wiedergibt (vgl. BVerwG, Buchholz 451.45 § 16 HWO Nr. 8). Das Verbot eines Berufens und Berühmens ist in den Gründen ausdrücklich und zweifelsfrei enthalten.

4. Die Verfahrensrügen der Beigeladenen zu 6 und 7 sind ebenfalls unbegründet. Der Anspruch der Beigeladenen zu 6 und 7 auf rechtliches Gehör ist im Verwaltungsverfahren nicht verletzt worden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs lässt die Verfügung zudem nur rechtswidrig werden, wenn dieser Mangel sich auf die im Ermessen stehende Entscheidung der Kartellbehörde in der Sache ursächlich ausgewirkt hat (vgl. den analog heranzuziehenden § 46 VwVfG; BVerwG, NVwZ 1999, 641; 1219, 1229), weil der Verwaltungsakt bei Gewährung rechtlichen Gehörs nicht oder nicht mit demselben Inhalt ergangen wäre. Das Bundeskartellamt hat die Beigeladenen zu 6 und 7 mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 angehört. Zu diesem Zweck ist auch ihnen der Entwurf der Verfügung übermittelt worden. Die Beigeladene zu 7, die nach Erlass der Verfügung durch Beschluss vom 16. Februar 2006 beigeladen wurde, hat sich dazu nicht geäußert. Die Beigeladene zu 6 hat mit ihrem Beiladungsantrag vom 3. Januar 2006 Stellung genommen und sich für den Fall einer Beiladung weiteren Vortrag vorbehalten. Ihre Beiladung ist mit Beschluss des Bundeskartellamts vom 5. Januar 2006 erfolgt. Über die bereits erfolgte Anhörung hinaus war das Amt zu keiner weiteren Anhörung der Beigeladenen verpflichtet. Die Beigeladene zu 6 hatte Gelegenheit, sich zum Sachverhalt und zur kartellrechtlichen Beurteilung zu äußern. Diese Gelegenheit hat sie genutzt. Letztlich hat sich die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs auf die Entscheidung nicht ausgewirkt. Die Beigeladene zu 6 hat nicht vorgetragen, welche entscheidungserheblichen, nicht schon bekannten Tatsachen, die dazu geführt hätten, dass die Verfügung nicht ergangen wäre, sie in einem solchen Fall vorgetragen hätte.

III. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden ist abzulehnen, da ernstliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung nicht bestehen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung können in tatsächlicher (so bei nicht zureichender Sachaufklärung) oder rechtlicher Hinsicht gegeben sein. Darüber hinaus ist dem Antrag der Betroffenen - und den Anträgen der Beigeladenen zu 6 und 7 - auch nicht deshalb stattzugeben, weil die Vollziehung der Verfügung vom 13. Januar 2006 für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte nicht zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn die Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Im Vordergrund steht in beiden Fällen eine Prüfung der in der Hauptsache bestehenden Erfolgsaussichten.

Das Verfahren nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 und 3 GWB dient der Sicherung eines effektiven Rechtschutzes. Infolge der Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat es nur vorläufigen Charakter und ist der Prüfungsmaßstab summarisch. Dies hat zur Folge, dass die abschliessende Feststellung des Sachverhalts und eine Entscheidung schwieriger Rechtsfragen der im Beschwerdeverfahren zu treffenden Hauptsacheentscheidung vorzubehalten sind. Im Verfahren über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde müssen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung und das Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung von erheblichem Gewicht sein. Es genügt für die Anordnung des Suspensiveffekts wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht, dass die Rechtslage als offen zu bewerten ist (vgl. KG WUW/E OLG 1497, 1498 - AGIP). Dabei obliegt dem Betroffenen (und anderen Antragstellern), diejenigen Tatsachen, die gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung sprechen, darzulegen und im Streitfall glaubhaft zu machen (§ 65 Abs. 4 Satz 2 GWB). Hierzu gehört, dass Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die geeignet sind, die von der Kartellbehörde zu Grunde gelegten Tatsachen zu erschüttern und diese als nicht (mehr) wahrscheinlich anzusehen. Dies ist im Streitfall unterblieben.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Voraussetzungen der Entscheidungsaussprüche zu 1. und 2. der Verfügung, welche die sogenannten Altverträge erfassen, vorliegen. Der Entscheidungsausspruch zu 1. stellt fest, dass die in den in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträgen enthaltenen Vereinbarungen hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und Grad der tatsächlichen Bezugsverpflichtung in ihrer Kombination gegen Art. 81 und Art. 82 EG verstoßen. Durch Ziffer 2. der Verfügung ist die Betroffene verpflichtet worden, die Durchführung von Vereinbarungen hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und tatsächlicher Vertriebsbedarfsdeckung bis zum 30. September 2006 abzustellen.

Nach den vom Bundeskartellamt getroffenen und außer Streit stehenden Feststellungen enthalten mehr als 70 % der von der Betroffenen mit Regional- und Ortsgas- unternehmen geschlossenen Verträge Bezugsverpflichtungen, die den tatsächlichen Gesamtjahresbedarf vollständig abdecken (wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckungsverträge). Bedarfsdeckungsvereinbarungen zwischen 80 und 100 % des tatsächlichen Gesamtjahresbedarfs sind mit weiteren etwa 6 % der Unternehmen geschlossenen worden (vom Bundeskartellamt Quasi-Gesamtbedarfsdeckungsverträge genannt). Ein Liefervertrag betrifft eine Liefermenge von 50 bis 80 % des tatsächlichen Bedarfs. Alle diese Verträge haben eine Laufzeit von mehr als vier Jahren, gleichgültig, ob vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder vom Zeitpunkt der Liberalisierung (29. April 1998) an gerechnet wird.

2. Langfristige Bezugsbindungen in Verbindung mit einer Gesamtbedarfsdeckung oder annähernder Gesamtbedarfsdeckung verstoßen hinreichend wahrscheinlich gegen Art. 81 Abs. 1, Art. 82 EG und § 1 GWB. Art. 81 Abs. 1 EG verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigten geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Für das Vorliegen eines Verstoßes der Betroffenen gegen Art. 81 Abs. 1 EG ist nach Art. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren das Bundeskartellamt darlegungs- und beweisbelastet. Im Verfahren über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde genügt Glaubhaftmachung, es sei denn die tatsächlichen Umstände, auf welche die Verfügung gestützt ist, sind unstreitig.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 EG hinsichtlich der von Ziffern 1. und 2. der Verfügung erfassten Vereinbarungen sind gegeben.

a) Die Betroffene und die in Anlage 1 der angefochtenen Verfügung aufgeführten Regional- und Ortgasunternehmen sind Unternehmen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG. Der Begriff des Unternehmens umfasst im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-2010, 2016 Tz. 21 ff - Höffner; Urt. v. 19.1.1994 - Rs. C- 364/92, Slg. 1994, I-43, 61 Tz. 18 - Eurocontrol; EuGH WuW/E EU-R 801, Tz. 46 - AOK-Bundesverband; WuW/E EU-R 913, 916 Tz. 112 - HFB/Isoplus).

b) Die unter 2. der Verfügung untersagten Abreden hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und Grad der tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung bezwecken und bewirken bei vorläufiger Bewertung eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt, auf dem die Betroffene als Anbieterin und Regional- und Ortsgasunternehmen als Nachfrager von Erdgas zu Zwecken der Belieferung von Endkunden auftreten.

aa) Langfristige Bezugsverträge verpflichten Regional- und Ortsgasunternehmen, ihren gesamten gegenwärtigen und künftigen Erdgasbedarf oder doch einen wesentlichen Anteil von mehr als 80 % bei einem einzigen Lieferanten zu beziehen. Gasbezugsverträge verpflichten den Abnehmer der Sache nach zu einer wirtschaftlichen Gesamtbedarfsdeckung, wenn sie den Gasbedarf vollständig abdecken. Eine wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckung ist anzunehmen, wenn die vereinbarten Vertragsmengen (Jahres- und Stundenhöchstmengen) so hoch festgesetzt sind, dass sie den Gesamtbedarf des Vorjahres und den voraussichtlichen Mehrbedarf der kommenden Vertragsjahre faktisch umfassen (vgl. OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 854, 857 - Stadtwerke Aachen). Derartige Vereinbarungen sind wegen ihrer Wirkungen einer ausdrücklich vereinbarten Gesamtbedarfsdeckung gleich zu erachten. Bezugsverträge, die Bedarfsdeckungen im Umfang von 80 % und darüber hinaus enthalten, erreichen bei wirtschaftlicher Betrachtung annähernd das Niveau einer Gesamtbedarfsdeckung.

Vereinbarungen über hohe Abnahmemengen im zwischen der Betroffenen und den Regional- und Ortsgasunternehmen bestehenden Vertikalverhältnis erhalten durch die zeitliche Dimension, also durch überlange Vertragsdauer, einen kartellrechtlichen Unwertgehalt. Sie sind geeignet, den zwischen der Betroffenen und Regional- und Ortsgasunternehmen aktuell oder potentiell bestehenden Wettbewerb zu beschränken. Trotz vertikaler Lieferbeziehungen sind regionale und lokale Gasversorgungsunternehmen in dem durch das konzerneigene Gasversorgungsnetz abgebildeten räumlichen Versorgungsgebiet zugleich potentielle Wettbewerber der Betroffenen. Sie stehen zu ihr in einem Wettbewerbverhältnis. Wettbewerber im Sinne des Art. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 sind tatsächliche (wie die Beigeladene zu 4 und die Beigeladene zu 7) oder potentielle Anbieter (wie die Beigeladene zu 6) auf demselben Produktmarkt, nämlich auf dem sachlichen Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas. Der (potentielle) Wettbewerb folgt daraus, dass größere (und leistungsfähigere) Regional- und Ortsgasunternehmen gleichartige kleinere Unternehmen beliefern können (vgl. dazu auch den Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit über die energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Auswirkungen der Verbändevereinbarungen vom 7. August 2003, BT-Drs. 15/1510, Monitoring-Bericht der Bundesregierung, S. 34 unter Ziffer 2 a). Sind an sich leistungsfähige und -bereite Regional- und Ortsgasunternehmen durch langfristige Bezugsverträge mit hohem Bedarfsdeckungsgrad jedoch an die Betroffene gebunden, kann insoweit kein Wettbewerb aufkommen. Ein wirksamer Wettbewerb um eine Belieferung kleinerer Ortsgasunternehmen kann bei dieser Sachlage auch durch Lieferungen Dritter nicht entstehen, da dazu erforderliche Freimengen, die eine Belieferung wirtschaftlich sinnvoll werden lassen, auf Jahre hinaus fehlen. Langfristige Bezugsbindungen der mit der angegriffenen Verfügung beanstandeten Art sind geeignet zu verhindern, dass freie Liefermengen in einem für einen unverfälschten Wettbewerb vorauszusetzenden Umfang entstehen.

bb) Als hiervon sachlich und räumlich betroffener (relevanter) Markt ist der Markt für die Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas (zum Zweck einer Versorgung der Endverbraucher) anzusehen. Dieser in der angegriffenen Verfügung vorgenommenen Marktabgrenzung ist zuzustimmen.

Aus Sicht der Erdgas nachfragenden Regional- und Ortsgasunternehmen besteht keine funktionale Austauschbarkeit mit anderen Energieträgern. Die Regional- und Ortsgasunternehmen können - bedingt durch die Nachfrage der Endabnehmer (private Kunden, Gewerbetreibende und Industriekunden), die ihren Bedarf mit zumutbarem Aufwand nicht auf andere Energieträger umstellen können - ebenfalls nicht auf andere Energieträger ausweichen (vgl. OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 854, 857 - Stadtwerke Aachen).

Bei vorläufiger Betrachtung bildet innerhalb der mehrstufigen Gaswirtschaft die Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen einen eigenständigen sachlichen Markt. Dieser Markt ist dem Endkundenmarkt (Haushalte, Gewerbekunden und Industriekunden) vorgelagert und vom Markt der Belieferung von regionalen Ferngasunternehmen abzugrenzen. Auf diesen - nach Abnehmergruppen der Betroffenen wie der anderen überregionalen Ferngasunternehmen differenzierten (vgl. BGH, WuW/E BGH 1502 f - KfZ-Kupplungen; WuW/E-DER 1355, 1356 f. - Staubsaugerbeutel) - sachlichen Märkten herrschen unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen, Preise und auch Absatzstrategien. Die Größenordnungen der von den Regional- und Ortsgasunternehmen nachgefragten Gasmengen sind erheblich geringer als die der regionalen Ferngasunternehmen. Regionale Ferngasunternehmen werden deshalb zu günstigeren Preisen beliefert. Sie agieren - wie der Vertreter der Betroffenen im Termin nicht in Abrede gestellt hat - auf einer anderen Marktstufe und beliefern Haushalts- und Kleingewerbekunden, auf die das Hauptgeschäft der Regional- und Ortsgasunternehmen entfällt, selbst nur zu einem vernachlässigbar geringen Anteil. Die Abgrenzung eines sachlichen Marktes für die Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen wird zudem indiziell durch den Umstand belegt, dass die Betroffene in ihren Kundenlisten selbst nach einer Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen sowie von regionalen Ferngasunternehmen unterscheidet. Dies bestätigt die eidesstattliche Versicherung von Herrn R. (Anlage Ast. 64, unter Ziffer 6.). Vor diesem Hintergrund bestehen an der Richtigkeit der vom Bundeskartellamt vorgenommenen sachlichen Marktabgrenzung keine ernstlichen Zweifel.

Die Belieferung von Industrie- und Kraftwerkskunden ist in den relevanten sachlichen Markt nicht einzubeziehen. Diese sind - wie die Haushalte und Gewerbekunden - Endverbraucher und keine Weiterverteiler. Industrie- und Kraftwerkskunden sind - wie Haushalts- und Kleingewerbekunden - Endverbraucher. Sie beziehen Erdgas zum Eigenbedarf. Absatzstrategien und Preisbildung für das von ihnen nachgefragte Erdgas unterliegen anderen als bei den Regional- und Ortsgasunternehmen vorherrschenden Bedingungen. Die Absatzmöglichkeiten ausländischer Anbieter bei regionalen Ferngasunternehmen (etwa der E...2 bei der G...) sind - entgegen der Auffassung der Betroffenen - für den sachlichen Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen nicht von Bedeutung. Sie betreffen einen anderen sachlichen und räumlichen Markt, über dessen Verhältnisse das Bundeskartellamt nicht aufzuklären hatte.

Der relevante Markt wird in räumlicher Hinsicht vom Gasversorgungsnetz der E...-R... Transport AG & Co. KG abgebildet, über das die Betroffene - wie unstreitig ist - auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum E...-Konzern tatsächlich verfügt. Auf dem in der Weise abgegrenzten Markt für die Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen hat die Betroffene, da ihr das Gasversorgungsnetz der E...-R... Transport AG & Co. KG unmittelbar zugänglich ist, ein natürliches Monopol (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1520, 1523 - Arealnetz; BGHZ 136, 268 - Stromversorgung Aggertal; BGH, WUW/E DE-R 32, 33 - Stadtwerke Garbsen). Die Entflechtung des Gasvertriebs vom Netzbetrieb steht dem nicht entgegen, weil Netzeigentümer und Betreiber demselben Konzern angehören. Das Netzgebiet der E...-R... Transport AG & Co. KG erstreckt sich - wie zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist - auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (mit Ausnahme des westlichen Landesteils), Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Bayern sowie Baden-Württemberg (vgl. auch den Monitoring-Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drs. 15/1510, Seite 34, Schaubild unter III.9: Gasversorgungsnetze in Deutschland).

Entgegen der Auffassung der Betroffenen ist der räumlich relevante Markt nicht bundesweit, sondern nach dem Netzgebiet des konzernangehörigen Netzbetreibers abzugrenzen. Die räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich nach den tatsächlichen räumlichen Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite, hier der Regional- und Ortsgasunternehmen (vgl. BGH WuW/E 2483, 2478 f. - Sonderungsverfahren; Beschl. v. 19.12.1995, KVR 6/95, WUW/E 3037, 3042 - Raiffeisen). Kleinere räumliche Märkte sind immer dann zu bilden, wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus objektiven Gründen regional begrenzt sind. Eine Änderung der durch regional begrenzte Märkte bestimmten Marktverhältnisse (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1206, 1208 - Strom und Telefon I; WuW/E DE-R 1520,1523 - Arealnetz) tritt nicht schon mit der Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein. Maßgebend ist die Entwicklung der tatsächlichen Marktverhältnisse. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. Dezember 2005, KVR 13/05, unter Ziffer III.1c), für den leitungsgebundenen Gasmarkt ausdrücklich bestätigt. Auf Grund des Eigentums der mit der Betroffenen konzernmäßig verbundenen Netzbetreibergesellschaft, der E...-R... Transport AG & Co. KG, verfügt die Betroffene über eine natürliche Monopolstellung. Die im so definierten Versorgungsgebiet der Betroffenen ansässigen Regional- und Ortsgasunternehmen haben tatsächlich keine räumlichen Ausweichmöglichkeiten auf andere Anbieter als die Betroffene, die nach den unwidersprochenen Feststellungen des Bundeskartellamts über dieses Netz verfügt.

Die Überlegungen des Bundesgerichtshofs gelten - nach vorläufiger Prüfung - gegenwärtig auch für die räumlich relevanten regionalen Märkte der leitungsgebundenen Gasversorgung. Die tatsächlichen Marktstrukturen haben sich - nach Abschaffung der Bereichsausnahme gemäß den §§ 103, 103a GWB und Einführung eines Durchleitungsanspruchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und § 6a EnWG - seit 1998 nicht oder nur unwesentlich geändert. Dies belegen das XIV. Hauptgutachten der Monopolkommission aus dem Jahr 2000/2001 und der Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an den Deutschen Bundestag über die energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Wirkungen der Verbändevereinbarungen vom 31. August 2003 (Monitoring-Bericht, BTDrs. 15/1510, S. 34 ff). Wie die Monopolkommission (Hauptgutachten S. 390) ausgeführt hat, funktionierte in den ersten Jahren nach der Liberalisierung die durch die Verbändevereinbarung Gas I angestrebte Praxis der Durchleitung von Erdgas durch fremde Netze bei neuen Anbietern nur unzureichend und blieb auf die etablierten Gasversorger wie R... (die Betroffene), W.... und R. Gas beschränkt (vgl. S. 396, linke Spalte). Das Auftreten neuer europäischer Anbieter im Inland hatte nur geringen Einfluss auf die bisherige Marktstruktur (vgl. Monitoring-Bericht, S. 37), während US-amerikanische Anbieter sich vom deutschen Markt zurückzogen. Den Fortbestand dieser Marktverhältnisse bis zum Beginn des Jahres 2003 hat der Bundesgerichtshof für den Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas zuletzt mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 (KVR 13/05, Umdruck S. 8 f., unter Ziffer III.1.c - Stadtwerke Dachau) angenommen. Auch bis zum Ablauf des Monats August 2003 hat sich nach dem Monitoring-Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit hieran nichts geändert.

Die räumliche Marktabgrenzung des Bundeskartellamts auf das herkömmliche Versorgungsgebiet der Betroffenen ist auch - abgestellt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über die Eilanträge vor dem Senat - nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Betroffenen - und der Beigeladenen zu 6 und 7 - zum Bestehen eines vermeintlich wirksamen Durchleitungssystems (Entry-exit-Systems) bietet keinen greifbaren Anlass anzunehmen, die Feststellungen des Bundeskartellamts, der Monopolkommission und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu einer auf das Versorgungsgebiet der Betroffenen beschränkten räumlichen Marktabgrenzung, auf die sich die Verfügung stützt, hätten ihre sachliche Berechtigung verloren und seien unwahrscheinlich geworden. Das Bestehen eines rechtlich abgesicherten und praktisch handhabbaren Durchleitungssystems, das anderen weiterverteilenden Unternehmen als der Betroffenen die Möglichkeit einräumt, in dem in Rede stehenden Gebiet zu Wettbewerbsbedingungen zu liefern, die der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 13. Dezember 2005 (KVR 13/05, unter Ziffer III.2 - Stadtwerke Dachau) voraussetzt, um künftig von der herkömmlichen nach Versorgungsgebieten erfolgenden Marktabgrenzung abweichen zu können, hat die Betroffene für die Zeit seit dem 31. August 2003 nicht glaubhaft gemacht.

Die Feststellungen der Monopolkommission und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu den Durchleitungsmöglichkeiten bis August 2003 ausländischer und inländischer Anbieter werden durch die eidesstattliche Versicherung des Bereichsleiters Recht und Regulierung der E...-R... Transport AG & Co. KG (Herr R., vgl. Anlage Ast. 64) für die Zeit von Ende August 2003 an nicht in Frage gestellt. Herr R. hat zwar versichert, dass 87 % der deutschen überregionalen Fernleitungsnetzbetreiber (B... Transport GmbH & Co. KG, R. Transportnetz Gas GmbH und W.... Transport GmbH & Co. KG) Netzzugang auf der Grundlage eines Entry-exit-Modells gewähren. Ferner hat er erläutert, dass die für das Netzgeschäft der V... zuständige Netzbetreibergesellschaft ein solches Modell ab dem 1. Februar 2006 einführen werde. V... beliefert - wie dem Senat bekannt ist - in Berlin (ohne West-Berlin), Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg sowie in großen Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts flächendeckend Endverbraucher mit Erdgas. Ferner ist sie an der E...5 T. beteiligt, die in Thüringen sowohl wie in den nicht unmittelbar von V... versorgten Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts Verbraucher mit Gas beliefert. Herr R. bestätigt damit aber nur die Feststellung der Monopolkommission, dass Durchleitungen tatsächlich möglich sind. Von welchen Wettbewerbern der Betroffenen - den etablierten Gasversorgern oder neuen ausländischen und inländischen Anbietern - das bestehende Entry-exit-Modell und in welchem Umfang genutzt wird, bleibt offen. Der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung ist deshalb nicht geeignet, den Befund der Monopolkomission in ernstliche Zweifel zu ziehen, dass das bestehende Durchleitungssystem für Erdgas nur von den mit den Netzversorgungsgesellschaften verbundenen und etablierten Gasversorgungsunternehmen, nicht aber von dritten Unternehmen genutzt wird. Auf diesen Befund durfte das Bundeskartellamt sich ohne weitere Ermittlungen stützen, weil die Tatsachen feststehen. Auch die Europäische Kommission hat in einem "Preliminary Report" vom 16. Februar 2006 (Tz. 113 Anlage 1 zur Antragserwiderung des Bundeskartellamts) festgestellt, dass die Neuanbieter infolge langfristiger Bezugsverträge häufig keinen effektiven Zugang zu den Netzen haben.

cc) Auch die von der Betroffenen behaupteten Kundenverluste an ausländische Wettbewerber rechtfertigen nach vorläufiger Prüfung eine bundesweite räumliche Marktabgrenzung nicht. Das Bundeskartellamt hat sich für den Umfang der von ausländischen Unternehmen abgeworbenen Kunden auf die eigenen Angaben der Betroffenen aus dem Dezember 2004 und eine von der Betroffenen vorgelegte Liste "Kundenwechsel" gestützt. Die Anlage "Kundenwechsel" bezeichnet sowohl Regional- und Ortsgasunternehmen als auch nicht importierende Ferngasunternehmen als "verlorene Kunden". Sie führt bereits in den Jahren 2001 an Wettbewerber verlorene Kunden, wie beispielsweise die Stadtwerke B., in jedem Geschäftsjahr erneut als Kundenverluste auf. Die eidesstattliche Versicherung des für den "Verkauf Grundsatzfragen" zuständigen Direktors D. der Betroffenen (Anlage Ast 19) hat keinen über die vorgelegte Liste hinausgehenden Aussagewert. Sie ist insbesondere nicht geeignet, auf der Grundlage erheblicher Kundenverluste der Betroffenen einen bundesweiten Wettbewerb - vor allem in den Jahren von 2002 an - glaubhaft zu machen. Herr D. hat lediglich von Versuchen der Wettbewerber gesprochen, Kunden der Betroffenen abzuwerben. Der eidesstattlichen Versicherung ist ferner eine Anlage beigefügt, die als "Wettbewerbsangebote" bezeichnet ist. Daraus - aber auch aus der weiteren eidesstattlichen Versicherung von Herrn D. (Anl. Ast 17, dort unter 8.) - ist zu schliessen, dass die Betroffene Abwerbungsversuche von ausländischen und inländischen Wettbewerbern in ihrem Versorgungsgebiet erfolgreich abgewehrt hat. Die Rüge der Betroffenen, das Bundeskartellamt habe es unterlassen, für das Bestehen von Wettbewerb auf dem räumlich relevanten - nach ihrer Auffassung bundesweit abzugrenzenden - Markt den Umfang der von ausländischen Unternehmen ausgehenden Kundenabwerbungen seit dem Jahre 2000 von Amts wegen zu ermitteln, ist nach vorläufiger Prüfung bei dieser Sachlage unbegründet.

Für das Vorliegen von Wettbewerb in ihrem Versorgungsgebiet hat die Betroffene auf das überregionale Ferngasunternehmen W...., das französische Unternehmen G...2 und das italienische Unternehmen E...2 verwiesen. Die Betroffene kann sich zum Nachweis für bundesweit bestehenden Wettbewerb aber nicht mit Erfolg auf das Beispiel des inländischen Wettbewerbers W.... stützen. W.... ist als 1993 gegründetes Gemeinschaftsunternehmen der zur X... -Gruppe gehörenden W. AG und des russischen Y. -Konzerns - wie dem Senat bekannt ist - unmittelbare Wettbewerberin der Betroffenen. Sie tritt auf dem ersten und zweiten sachlichen Weiterverteilermarkt als Anbieterin von Gas auf, das von Y. aus Russland über die im Eigentum eines Tochterunternehmens stehende S2 (S2) transportiert wird. W.... verfügt über drei weitere Erdgasfernleitungen (J..., M... und W3). Dieses Netz, das sich - wie gerichtsbekannt ist - auf die neuen und alten Bundesländer erstreckt, bildet das Versorgungsgebiet der W.... ab und bildet einen eigenständigen räumlichen Versorgungsmarkt. W.... zählt infolgedessen zu den etablierten Ferngasunternehmen und ist kein Neuanbieter im eigentlichen Sinne.

Kein Beleg für existierenden Wettbewerb im Versorgungsgebiet der Betroffenen sind ferner die Hinweise auf die Stadtwerke W. und B.. Wie das Bundeskartellamt unwidersprochen festgestellt hat, sind die Stadtwerke W. und B. bereits 2000 und 2001 von der Betroffenen zur G...2 gewechselt. Die Wechsel sind auf die Gründung der G...2 Deutschland, B., und den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken zurückzuführen. Da es sich um im Zusammenhang mit einer vertikalen Integration stehende Kundenwechsel handelt, sind diese nicht geeignet, einen wirksamen Wettbewerb um Kunden zu belegen. Zur italienischen E...2 ist - wie bereits ausgeführt - die G... (G...) gewechselt, die gemeinsam mit E() die G... kontrolliert (vgl. Bl. 159 GA). Dieser Wechsel belegt bei der hier zu Grunde gelegten räumlichen Marktabgrenzung keinen wirksamen Wettbewerb auf dem durch das Netzgebiet des konzernangehörigen Netzbetreibers abgebildeten regionalen Markt der Versorgung von Regional- und Ortsgasunternehmen. Die G... ist ein regionales, nicht importierendes Ferngasunternehmen, das in ihrem Versorgungsgebiet auf dem zweiten Weiterverteilungsmarkt gegenüber Regional- und Ortsgasunternehmen als Anbieterin auftritt. Wie dem Senat bekannt ist, verfügt sie vor allem in Baden-Württemberg über ein "eigenes" Leitungsnetz und beliefert Regional- und Ortsgasunternehmen, in einigen Fällen auch Industriekunden. Vor dem Wechsel zu E...2 wurde sie von der R... AG und von der W.... GmbH mit Erdgas beliefert. Zwar erstreckt sich das Versorgungsgebiet der Betroffenen auch auf das Bundesland Baden-Württemberg. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, die G... werde im Versorgungsgebiet der Betroffenen tätig. Das Leitungsnetz der G... bildet einen eigenständigen räumlichen Markt. Definiert wird der räumliche Markt - nach der vom Senat zu Grunde gelegten räumlichen Marktabgrenzung - durch die räumliche Ausdehnung des einem Gasversorgungsunternehmen zur Verfügung stehenden Versorgungsnetzes.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung und der ihr zu Grunde liegenden räumlichen Marktabgrenzung werden auch nicht dadurch begründet, dass ein von der Bundesnetzagentur mitgestaltetes Entry-exit-Modell (Durchleitungsmodell) zum kommenden Gaswirtschaftsjahr ab dem 1. Oktober 2006 eingeführt werden wird, welches die E... R... Transport in ihrem Geschäftsbereich bereits eingeführt haben will. Auch wenn eine Durchleitung daraufhin rechtlich abgesichert und praktisch handhabbar sein sollte, werden die augenblicklichen Marktverhältnisse dadurch nicht entscheidend verändert. Außerdem kann ein Wettbewerb auf dem regional relevanten Markt künftig nicht eintreten, wenn gleichzeitig unverändert langfristige Lieferverträge mit Gesamtbedarfsdeckungsverpflichtungen bestehen und weiterhin geschlossen werden. Deshalb bietet auch dies keinen Anlass anzunehmen, dass die objektive Eignung einer mit langlaufenden Verträgen kombinierten Gesamtbedarfsdeckung, Wettbewerb zu verhindern, künftig entfällt.

dd) Wie das Bundeskartellamt zutreffend ausgeführt hat, entstand aus der im Ministererlaubnisverfahren E.../R... AG im Jahre 2003 abgegebenen Zusage der Betroffenen, 20 % des Gasbezugs eines Abnehmers einer jährlichen Sonderkündigung zu öffnen, kein Wettbewerb, der die objektive Eignung der unter Ziffer 2 der Verfügung abzustellenden Vertragsgestaltungen, den Wettbewerb zu behindern, ernsthaft in Frage stellt. Dies ist aus feststehenden Tatsachen zu folgern.

Von der genannten Zusage machten Regional- und Ortsgasunternehmen nur in einem geringen Umfang Gebrauch. Diese Feststellung des Bundeskartellamts hat die Betroffene selbst bestätigt (Bl. 185, 244 GA). Die Zusage erfasste zudem mit einer Höhe von 20 % des Bedarfs nur einen geringen Anteil am tatsächlichen Gesamtbedarf der Regional- und Ortsgasunternehmen. Weitere Gründe für eine geringe Inanspruchnahme des Sonderkündigungsrechts lagen nach den Feststellungen des Bundeskartellamts in einer unklaren Risikoabdeckung für den über fest vereinbarte Liefermengen hinausgehenden Gasbedarf und an einer 6-monatigen Kündigungsfrist. Dies haben insbesondere die Beigeladenen zu 1 und zu 2 im Verlauf des Verfahrens dem Bundeskartellamt gegenüber dargelegt (vgl. Verfahrensakte Bd. III, Bl. 1309, 1312 ff). Die Feststellungen sind nicht erschüttert worden.

Neben der vergleichsweise geringen betroffenen Menge und dem Umstand, dass überhaupt nur wenige Regional- und Ortsgasunternehmen davon Gebrauch gemacht haben, konnte das 2003 eingeräumte Sonderkündigungsrecht aber auch deswegen keinen wettbewerblichen Erfolg haben, weil die Betroffene den Abnehmern über gekündigte Gasmengen preisgünstige Lieferangebote unterbreitete und dadurch wiederum Abschlüsse über die freigewordenen Mengen erreichte. Dies wird auch von den eidesstattlichen Versicherungen des Direktors D. der Betroffenen bestätigt (Anl. Ast 17 unter 8., Ast 19 unter 2.). Attraktive Preisgestaltungen sind der Betroffenen aufgrund des strukturellen Vorteils, den sie als etablierte Lieferantin von Regional- und Ortsgasunternehmen hat, möglich. In welchem Umfang sich solche strukturellen Vorteile auf mögliche Quersubventionierungen, Effizienzgewinne, überteuerte Grundmengen oder darauf gründen, dass wegen eines gesicherten Absatzes der Hauptmengen günstiger kalkuliert werden kann, kann offen bleiben. Die Betroffene verfügt mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls über derartige Vorteile, die bei der Preisbildung einsetzbar sind. Von einem "normalen" Preiswettbewerb - wie die Betroffene meint - kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Dies ist nicht glaubhaft gemacht worden. Die Preisgestaltung der Betroffenen bei gekündigten Teilmengen verhindert, dass durch Sonderkündigungen frei werdende Mengen bei Wettbewerbern bezogen werden. Aufgrund dessen ist auch zu bezweifeln, dass das Sonderkündigungsrecht nennenswerte Freimengen, auf die Wettbewerber Zugriff haben, bei der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen hat entstehen lassen. Durch die pauschale und nicht überprüfbare eidesstattliche Versicherung des Direktors D. der Betroffenen (Anlage Ast 17, Seite 3 f. unter Ziff. 7) ist Gegenteiliges nicht glaubhaft gemacht worden. Die in der eidesstattlichen Versicherung erwähnten Absatzmöglichkeiten von Wettbewerbern in die Netzgebiete von regionalen Ferngasgesellschaften sind für den durch das konzerneigene Gasversorgungsnetz gebildeten räumlichen Markt nicht relevant. Aus diesen Gründen bleibt die insoweit erhobene Rüge der Betroffenen, das Bundeskartellamt habe solche Absatzmöglichkeiten nicht ermittelt, ohne Erfolg.

Es ist ebenso wenig wahrscheinlich, dass die Selbstverpflichtung der Betroffenen vom 17. Oktober 2005 (Anlage Ast 61) weiteren Wettbewerb eintreten lassen wird. Mit dieser Erklärung, die schon im Ansatz ungeeignet ist, die augenblicklichen (und maßgebenden) Marktverhältnisse in Richtung auf einen Wettbewerb hin zu verändern, hat die Betroffene in Aussicht gestellt, vom 1. Oktober 2006 an bestehende Gaslieferungsverträge (Altverträge) nicht länger durchführen (Der zwischen Ihnen und uns bestehende Kaufvertrag/Gaslieferungsvertrag soll zum 01.10.2008 enden.) und Neuverträge über Teilmengen schliessen zu wollen (Bei Neuverträgen werden wir uns an den vom Bundeskartellamt aufgestellten Grundsätzen orientieren). Die Betroffene hat sich aber vorbehalten, den Fortbestand der Selbstverpflichtung im Oktober 2008 zu überprüfen zu wollen (Die vorstehenden Grundsätze werden wir von Zeit zu Zeit, erstmals im Oktober 2008, daraufhin überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund der sich ändernden energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen marktgerecht sind oder einer Anpassung bedürfen). Dieser die Vorläufigkeit der Erklärung kennzeichnende Zusatz entwertet die Eignung der Erklärung, wesentlichen Wettbewerb herzustellen und auf Dauer zu gewährleisten.

Außerdem hat die Betroffene angekündigt, wegen freiwerdender Restmengen Lieferangebote zu unterbreiten (Wir sind jedoch bereit, Ihnen zusätzlich zu den jeweils vereinbarten Liefermenge auch für Restmengen zeitlich befristet wettbewerbsgerechte Lieferangebote zu machen). Solches führt zum Abschluss von zeitlichen und mengenmäßigen Anschlussverträgen mit dem Ergebnis, dass die Betroffene die freigegebenen Mengen wiederum liefert. Nach den nachteiligen Erfahrungen mit dem 2003 eingeräumten Sonderkündigungsrecht ist nicht damit zu rechnen, dass Vertragspartner der Betroffenen das mit der Selbstverpflichtung eingeräumte Sonderkündigungsrecht in nennenswertem Umfang ausüben werden. Sofern sie es ausüben sollten, besteht abermals die Gefahr, dass die frei werdenden Mengen erneut von der Betroffenen bezogen werden. In Anbetracht des mit der Erklärung gemachten Prüfungsvorbehalts ist auch vom Umfang der frei werdenden Mengen, die die Betroffene auf 1/3 ihrer Gesamtliefermenge an Regional- und Ortsgasunternehmen angegeben hat (vgl. eidesstattliche Versicherungen des Direktors D., Ast. 17 und 19), das Entstehen von weiterem Wettbewerb, der eine andere Marktabgrenzung rechtfertigen könnte, nicht überwiegend wahrscheinlich. Es handelt sich dabei um Mutmaßungen der Betroffenen, die an sich nicht zur Sache gehören, weil sie die derzeitigen Marktverhältnisse nicht betreffen.

c) Es sind keine ernstlichen Zweifel daran angebracht, dass der Wettbewerb auf dem durch das Netzgebiet der E...-R... Transport AG & Co. KG gebildeten räumlichen Markt durch die in Rede stehenden Vereinbarungen für inländische und ausländische Gasanbieter spürbar beschränkt ist und diese Vereinbarungen hierzu maßgebend beitragen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urt. v. 28.3.1991- Rs. C-234/98, Slg. 1991, I-935 Tz.27 - Delimitis/Henninger-Bräu) muss hierzu unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände der Verträge der relevante Markt für den Absatz von Erdgas für Mitbewerber, die auf diesem Markt Fuß fassen wollen, schwer zugänglich sein. Dabei ist die Tatsache, dass Vertragsgestaltungen der in der angefochtenen Verfügung beanstandeten Art einem Bündel gleichartiger Verträge auf dem relevanten Markt angehören, die sich kumulativ nachteilig auf den Wettbewerb auswirken, nur einer von mehreren Faktoren, anhand derer zu beurteilen ist, ob der Markt tatsächlich schwer zugänglich ist. Ferner müssen die bemängelte Vertragsgestaltung und ihre Bündelung in erheblichem Maß zu der Abschottungswirkung beitragen. Die Beurteilung hängt auch von der Stellung der Vertragspartner auf dem relevanten Markt und von der Vertragsdauer ab (vgl. auch EuGH, Urt. v. 27.4.1994, Rs. C-393/92, Slg. 1994, I-477, Tz. 39 - Almelo). Eine kumulative Wirkung, die sich aus dem Bestehen gleichartiger Bindungen ergeben kann, ist zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urt. v. 27. 4. 1994, Rs. C-393/92, Slg. 1994, I-1508, 1519 Tz. 37- Almelo).

Inländische und ausländische Anbieter von Erdgas werden vom Markt zur Versorgung von Regional- und Ortsgasunternehmen durch eine Vielzahl von langfristigen Gaslieferverträgen mit Gesamtbezugsverpflichtungen oder annähernd solchen Verpflichtungen und erhebliche, der Nachfrage entzogenen Mengen vom relevanten Markt ferngehalten. Der Markt wird durch ein Bündel gleichartiger Verträge abgeschottet. Auf dem durch das der Betroffenen zur Verfügung stehende Netzgebiet geographisch begrenzten Markt umfassen etwa 75 % der mit Regional- und Ortsgas-unternehmen geschlossenen Gaslieferverträge, die sämtlich eine mehr als vierjährige Laufzeit aufweisen, nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Bundeskartellamts zu mehr als 80 und bis zu 100 % vollständig den Abnehmerbedarf. Jeder einzelne Vertrag, erst recht aber die Gesamtheit der Verträge, trägt zu der Abschottungswirkung bei. Der Inhalt der Verträge wird den Regional- und Ortsgasunternehmen von der Betroffenen vorgegeben. Dadurch werden Gaslieferungen aktueller und potentieller Wettbewerber der Betroffenen, zu denen leistungsfähige (auch vertraglich gebundene) Regional- und Ortsgasunternehmen, aber auch dritte Gaslieferanten zählen, in den relevanten Markt verhindert. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht nur für Vertragsgestaltungen der Betroffenen gilt, die den Gasbedarf der Abnehmer infolge der vereinbarten Abnahmemengen vollständig umfassen, sondern auch für solche, bei denen die Gesamtbedarfsdeckung einen Grad von "nur" bis zu 80 % und mehr erreicht. In diesen Fällen bleiben Konkurrenten auf Lieferungen von Restmengen verwiesen. Von einer Lieferung größerer Mengen sowie davon, in einer Größenordnung der von der Betroffenen gehaltenen Lieferanteile in einen "echten" Wettbewerb einzutreten, sind sie hingegen ausgeschlossen.

Die von der Betroffenen in Gaslieferverträgen gebündelt verwendete langdauernde und mit einer wirtschaftlichen Gesamtbedarfsdeckung, jedenfalls aber mit einer weitreichenden Bedarfsdeckung, gekoppelte Befristung leistet einen erheblichen, ja sogar entscheidenden Beitrag zu der beanstandeten Marktzugangsbeschränkung. Dies wird deutlich, wenn man die Marktstellung der Beteiligten einer näheren Betrachtung unterzieht. Die Betroffene beherrscht den relevanten und in räumlicher Hinsicht durch das konzerneigene Gasleitungsnetz abgegrenzten Markt. Sie nimmt eine überragende Marktstellung ein (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB), da sie über einen unmittelbaren Zugriff auf das Leitungsnetz verfügt und allein deswegen - jedenfalls solange ein rechtlich abgesichertes und praktisch handhabbares Durchleitungssystem nicht besteht - allen Wettbewerbern überlegen ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2005 - KVR 13/05 unter 1.c)). Ein Durchleitungssystem, welches einer unmittelbaren Netzzugangsmöglichkeit gleichwertig ist (sog. Durchleitungsautomatik), wird bislang weder praktiziert noch ist es überhaupt errichtet worden. Neben dem durch das Leitungsnetz gesicherten Zugang zu den Absatzmärkten hat die Betroffene - wie Vereinbarungen mit gasexportierenden Unternehmen und Beteiligungen an gasfördernden Unternehmen belegen - einen unmittelbaren Zugriff auf die Gasbeschaffungsmärkte. Bei dieser Sachlage wundert nicht, dass die Betroffene auf dem einschlägigen Markt vor allen Wettbewerbern auch über den mit Abstand höchsten Marktanteil verfügt. Davon ausgehend, dass nach den von der Betroffenen sowie von den antragstellenden Beigeladenen zu 6 und 7 nicht in Abrede gestellten und in der angefochtenen Verfügung (S. 9 f.) ausgewiesenen Ermittlungsergebnissen des Bundeskartellamts gut 75 % der von der Betroffenen unterhaltenen Absatzverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen faktische Gesamtbedarfsdeckungen (infolge der vereinbarten Abnahmemengen) oder doch sehr weitreichende Bedarfsdeckungen von 80 % und mehr aufweisen (Nahezu-Gesamtbedarfsdeckungsabreden), hat die Betroffene (nach summarischer Prüfung) an den Gaslieferungen in den einschlägigen Markt einen vom Bundeskartellamt angenommenen Marktanteil von gewiss 75 %. Der in dem der Betroffenen zur Verfügung stehenden Netzgebiet ermittelte Anteil von wirtschaftlichen Gesamtdeckungsvereinbarungen oder Nahezu-Gesamtbedarfsdeckungsabreden (gut 75 %) entspricht in etwa dem Ergebnis der bundesweiten Erhebung des Amtes, denn auch hier weisen rund 75 % der Lieferverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen Gesamtbedarfsdeckungen oder nahezu einen derartigen Deckungsumfang auf. Jene bei bundesweit etwa 75 v.H. der Regional- und Ortsgasunternehmen ermittelte Gesamt- oder Nahezu-Gesamtbedarfsdeckung repräsentiert den unbestrittenen Feststellungen des Amtes zufolge mehr als 90 % der an deutsche Regional- und Ortsgasunternehmen abgesetzten Gasmengen. Wenn auf dem relevanten Markt Lieferverträge der Betroffenen mit Regional- und Ortsgasunternehmen zu einem nahezu identischen Prozentsatz den beanstandeten Bedarfsdeckungsgrad aufweisen, darf bei der im Eilverfahren gebotenen vorläufigen Beurteilung der Sachlage daraus geschlossen werden, dass die an jene Unternehmen abgesetzten Gasmengen dem Ergebnis der bundesweiten Erhebung des Amtes entsprechen. Auf die Marktstellung der Betroffenen auf einem bundesweiten Markt für die Gasbelieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen ist hingegen nicht abzustellen. Ob die Betroffene auf einem so abzugrenzenden Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, ist nicht von Belang.

Die von den beanstandeten Vereinbarungen betroffenen Regional- und Ortsgasunternehmen zählen - wie das Bundeskartellamt in der angegriffenen Verfügung (S. 21) unbestritten nachgewiesen hat - zu den größeren Abnehmern der Betroffenen. Auch aus Sicht der Abnehmerseite ist jenen Vertragsgestaltungen folglich eine Eignung, den Marktzutritt zu beschränken, zuzuschreiben. Die marktversperrende Wirkung betrifft namentlich solche Regional- und Ortsgasunternehmen, die nach ihrem Unternehmenszuschnitt in der Lage sind, kleinere örtliche Versorger mit Erdgas zu beliefern und gegenüber der Betroffenen als Wettbewerber aufzutreten. Ein vorhandener Restwettbewerb rechtfertigt nicht, eine Abschottungswirkung auf dem relevanten Markt zu verneinen.

d) Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarungen im Sinne der Ziffern 1 und 2 des Verfügungsausspruchs geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Durch die Vereinbarungen wird der zwischenstaatliche Handel hinreichend wahrscheinlich spürbar beeinträchtigt, weil ausländische Unternehmen - auf Grund der langfristigen Bezugsverpflichtungen - faktisch keine Möglichkeit haben, im Versorgungsgebiet der Betroffenen liegende Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas zu beliefern.

Die spürbare Beeinträchtigung tritt auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ein. Der durch das Netzgebiet des konzernangehörigen Netzbetreibers gebildete räumlich relevante Markt für die Versorgung von Regional- und Ortsgasunternehmen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg ist für andere inländische und ausländische Anbieter weitgehend verschlossen (vgl. EuGH WuW/E EU-R 483, 487 f.).

e) Immanente Schranken des Art. 81 Abs. 1 EG greifen nicht ein. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind vertragliche Vereinbarungen, welche unerlässlich sind, das mit dem Vertrag angestrebte Ziel zu erreichen, nicht als Einschränkungen des Wettbewerbs im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zu bewerten (vgl. EuGH, Slg. 1985-I, 2545, 2571 Tz. 19 a.E. - Remia/Kommission; EuGH, Slg. 1986-I, 353 (381) Tz. 15 - Pronuptia). Dies kann z. B. für vertragliche Wettbewerbsverbote gelten. Die extrem langen Bindungen, denen die Abnehmer auf Grund der hier zu beurteilenden vertraglichen Vereinbarungen ausgesetzt sind, gehen über das zur Erreichung des Vertragszweckes wirtschaftlich Erforderliche und über das Maß des jeweils Unerlässlichen jedoch weit hinaus. Es handelt sich nicht um eine zur Erfüllung des jeweiligen Vertragszwecks notwendige Wettbewerbsbeschränkung, die - wie ein vertragliches Wettbewerbsverbot im Falle eines Unternehmenskaufs - den Verbotstatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag nicht erfüllt. Die Vertragslaufzeiten übersteigen den vom EuGH bei Wettbewerbsverboten für zulässig erachteten zeitlichen Rahmen von zwei Jahren bei Weitem. Ob - wie das Bundeskartellamt meint - diese Rechtsprechung des EuGH sich nur auf vertragliche Nebenabreden beziehen lässt, kann dahinstehen. Da bei einem Wettbewerbsverbot von mehr als fünf Jahren eine Freistellung gemäß Art. 5 lit. a) VO (EG) Nr. 2790/1999 nicht zulässig ist, kann eine Orientierung an diesem Zeitraum nur zu dem Ergebnis führen, dass langfristige Bezugsklauseln mit einem hohen Bedarfsdeckungsgrad jedenfalls dann eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG darstellen, wenn sie fünf Jahre überschreiten. Den Besonderheiten der Gaswirtschaft, z.B. notwendigen Investitionen in das Verteilungsnetz, kann tendenziell durch eine längere Laufzeit, als sie bei Wettbewerbsverboten üblicherweise anzutreffen ist, Rechnung getragen werden. Im Streitfall kann aber auch diese Frage hier offen bleiben, denn seit dem Abschluss der in Rede stehenden Verträge (aber auch seit dem 29. April 1998) sind in jedem Fall fünf Jahre deutlich überschritten.

Take-or-pay-Klauseln in den Gasbezugsverträgen mit Gasförder- und Exportunternehmen vermögen entgegen der Auffassung der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 langfristige Bezugsverpflichtungen auf der Abnehmerseite nicht zu rechtfertigen. Bei solchen Klauseln in den Importverträgen der Betroffenen handelt es sich um Mindestbezugsverpflichtungen. Zwischen den langfristigen Bezugsverpflichtungen und den Take-or-pay-Klauseln besteht zwar eine Beziehung (vgl. zum Verhältnis zu Demarkationsabsprachen BGH WuW/E DE-R 1119, 1124 f - Verbundnetz II). Jedoch können langfristige Mindestbezugsabreden auf der Beschaffungsseite - deren kartellrechtliche Beurteilung nicht Gegenstand dieses Verfahrens und der Verfügung ist - nicht dazu herangezogen werden, langfristige Bezugsverpflichtungen auf der Absatzseite zu rechtfertigen, deren (negative) kartellrechtliche Beurteilung nach Einschätzung des Senats keinen ernsthaften Zweifeln unterliegt.

Außerdem werden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die in Bezugsverträgen eingegangenen Take-or-pay-Verpflichtungen nicht in dem strengen Umfang durchgeführt, in dem sie vereinbart worden sind. Infolgedessen ist die von der Betroffenen behauptete Abhängigkeit zwischen den Take-or-pay-Verpflichtungen und langfristigen Absatzverträgen mit hohem Bedarfsdeckungsanteil nicht glaubhaft. Die eidesstattlichen Versicherungen von Herrn D. P. (Anlagen Ast 8 und Ast 9) sind nicht geeignet, dies anders darzustellen. Die versicherten Angaben entkräften nicht die Ermittlungsergebnisse des Bundeskartellamts, die sich zudem auf Feststellungen der Europäischen Kommission (Preliminary Report der Kommission v. 16.2.2005 Anlage 1 zur Antragserwiderung, dort Tz. 119 ff) sowie auf eine Bestätigung im Schrifttum stützen können (vgl. Bergschneider/Schumacher, emw 2004, 12, 15 f., Anlage 5 zur Antragserwiderung).

f) Langfristige Bezugsverpflichtungen im Sinne der Ziffern 1 und 2 des Ausspruchs der Verfügung sind nicht durch die VO (EG) Nr. 2790/1999 vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (Abl. EG Nr. L 336 v. 29.12.1999, S. 21) vom Kartellverbot freigestellt.

Nach Artikel 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2790/1999 wird Art. 81 Abs. 1 EG auf Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen - unter den in der Verordnung genannten Voraussetzungen - für unanwendbar erklärt, von denen jedes zwecks Durchführung der Vereinbarung auf einer unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufe tätig ist, und welche die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können. Gemäß Artikel 5 lit. a) der Verordnung gilt die Freistellung nach Artikel 2 nicht für die in vertikalen Vereinbarungen enthaltenen Wettbewerbsverbote, welche für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als 5 Jahren vereinbart werden. Wettbewerbsverbote sind gemäß Art. 1 lit. b) der Verordnung alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen des Käufers, mehr als 80 % seiner auf der Grundlage des Einkaufswertes des vorherigen Kalenderjahres berechneten gesamten Einkäufe von Vertragswaren auf dem relevanten Markt vom Lieferanten zu beziehen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2790/1999 gilt die Freistellung nach Art. 2 nur, wenn der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder Dienstleistungen verkauft, 30% nicht überschreitet.

Der Regelungsgehalt dieser Bestimmungen der VO (EG) Nr. 2790/1999 kann zur kartellrechtlichen Beurteilung von im Horizontalverhältnis wettbewerbsbeschränkend wirkenden Vereinbarungen herangezogen werden. Die Betroffene meint zwar, Gaslieferverträge unterschieden sich grundlegend von anderen Lieferbeziehungen. Besonderheiten des Gasliefermarktes (im Gegensatz beispielsweise zum Erdölmarkt) rechtfertigen jedoch keine prinzipiell unterschiedliche Behandlung der Gaslieferverträge. So existieren bei Erdöllieferverträgen keine langfristigen Bezugsbindungen, worauf die Beigeladenen zu 1 bis 5 hingewiesen haben. Langfristige Gesamtbedarfsdeckungsverträge stehen den missbilligten Ausschliesslichkeitsbindungen sehr nahe. Sie unterliegen keiner Freistellungsmöglichkeit, weil die Betroffene in ihrem Versorgungsgebiet über einen Markanteil von mehr als 30% verfügt. Auf den Marktanteil in einem bundesweit abzugrenzenden Markt ist nicht abzustellen, mit der Folge, dass die Einwendungen der Betroffenen, die dahin gehen, das Bundeskartellamt habe die Verhältnisse auf einem in räumlicher Hinsicht bundesweit abzugrenzenden Markt für die Belieferung mit Erdgas nicht zureichend ermittelt, ins Leere gehen.

g) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen zu 1 und 2 des Verfügungstenors auch nicht deshalb, weil langjährige Bezugsverpflichtungen der vorliegenden Art gem. Art. 81 Abs. 3 EG vom Kartellverbot freizustellen sind.

Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind die nationalen Kartellbehörden und -gerichte durch Art. 1 Abs. 2 jener Verordnung verpflichtet, gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßende Vereinbarungen, die nicht die Freistellungsvoraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllen und nicht durch eine ausdrückliche Freistellung vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen sind, darauf zu überprüfen, ob sie gemäß der Legalausnahme in Art. 81 Abs. 3 EG nicht verboten sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2004, KZR 10/03, Umdruck S. 11,12, 35 = WuW/E-DE-R 1135 ff. - Citroën). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verfügungsausspruch zu Ziffer 2 des Bundeskartellamts in die Zukunft gerichtet ist.

Art. 81 Abs. 3 EG verlangt in positiver Hinsicht einen Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder Verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts, wobei eine angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn gewährleistet sein muss. In negativer Hinsicht ist die Unerlässlichkeit der auferlegten Wettbewerbsbeschränkung für die Verwirklichung der genannten Ziele vorauszusetzen. Die Vereinbarung darf nicht dazu führen, dass für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren der Wettbewerb ausgeschaltet werden kann. Die Glaubhaftmachungslast obliegt insoweit der Betroffenen (und den antragstellenden Beigeladenen; vgl. Art. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr 1/2003).

Langfristige Bezugsverpflichtungen sind ungeeignet, dem Verbraucher unmittelbar Vorteile zu erbringen, die die Nachteile überwiegen, die mit einem Kartell zwangsläufig einhergehen. Eine Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn kann auch in einer Senkung der Preise oder in einer Aufrechterhaltung bestehender Preise trotz gestiegener Kosten auf Grund von Effizienzgewinnen bestehen. Unmittelbar entstehen durch langfristige Absatzverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen indes lediglich wirtschaftliche Vorteile für die Betroffene, die dadurch ihren Absatz sichern und Gasbeschaffungskosten ohne nennenswertes unternehmerisches Risiko amortisieren kann. Solche Vorteile haben bei der Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG jedoch außer Betracht zu bleiben, da hieraus allein die Betroffene Vorteile zieht. Auch die aus langfristigen Bezugsverträgen für Regional- und Ortsgasunternehmen erwachsenden Nachteile, ihren Gasbedarf nicht im Wettbewerb decken zu können, werden nicht durch fühlbare Vorteile für die Verbraucher ausgeglichen.

Es ist auch nicht glaubhaft, die Verbraucher würden an wirtschaftlichen Vorteilen, welche die Betroffene durch langfristige Absatzverträge mit hohem Bedarfsdeckungsgrad für die Abnehmer erzielen kann, hinreichend wahrscheinlich in der Form von Preissenkungen oder stabilen Preise beteiligt werden. Insoweit fehlt es schon an einer Darlegung der Betroffenen, die nicht im Wettbewerb entstandenen und auf dem relevanten Markt gültigen Gashandelspreise befänden sich auf niedrigem Niveau und dieses Niveau könne nur durch Abschluss langfristiger Lieferverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen bei hoher Bedarfsdeckung gesichert werden. Die Behauptung, die Verbraucher hätten in der Vergangenheit von niedrigen Einkaufspreisen auf der Bezugsseite profitiert, entbehrt zureichender Grundlagen, weil die Gashandels- und Endverbraucherpreise keine durch Wettbewerb am Markt erzielten Preise darstellen.

Langfristige Absatzverträge, die in hohem Umfang den Abnehmerbedarf decken, tragen ebenso wenig zu einer Verbesserung der Warengewinnung oder -verteilung oder zum wirtschaftlichen Fortschritt bei, etwa deswegen, weil allein sie geeignet oder sogar unerlässlich wären, die Erdgasversorgung zu sichern. Die Ziele des die Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie 2003/55/EG umsetzenden Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz), nämlich die Gewährleistung einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltfreundlichen leitungsgebundenen Gasversorgung unter Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs (vgl. § 1 Abs. 1, 2 EuWG) stehen gleichberechtigt nebeneinander. Der Gesetzgeber erwartet, dass es durch die Liberalisierung der Energiemärkte zu Preissenkungen für die Verbraucher kommen wird (vgl. dazu auch BGH, WuW/E DE-R 1520,1525 - Arealnetz).

Die Betroffene beruft sich erfolglos auf eine Unerlässlichkeit langfristiger Absatzverpflichtungen, soweit sie einwendet, die Versorgungssicherheit der Verbraucher erfordere spiegelbildlich zu einer langfristigen Bindung auf der Bezugsseite eine langfristige Bindung der Abnehmer, hier der Regional- und Ortsgasunternehmen. Der Betroffenen ist es unbenommen, weiterhin langfristige Bezugsverträge zu schliessen. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Versorgungssicherheit der Verbraucher beim Abschluss kürzerfristiger Lieferverträge zwischen der Betroffenen und Regional- und Ortsgasunternehmen gefährdet wird. Andere Wettbewerber können die Versorgung der Verbraucher übernehmen oder zu diesem Zweck auch neben der Betroffenen tätig werden. Die dazu notwendigen Gasmengen sind entweder bei der Betroffenen oder bei Gasförder- oder Gasexportunternehmen beziehbar. Bei einem funktionierenden Wettbewerb werden hinreichend wahrscheinlich auf dem relevanten Markt Wettbewerber präsent sein, die den Bedarf der Verbraucher decken können.

Von langfristigen Bezugsverpflichtungen der Abnehmer sind auch unter dem Gesichtspunkt notwendiger Investitionen eine Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder technische und/oder wirtschaftliche Fortschritte nicht zu erwarten. Spezifische Investitionsvorhaben sind von der Betroffenen nicht vorgetragen worden. Die Freistellungsfähigkeit der in Rede stehenden Vertragsgestaltungen kann hieran schlechterdings nicht gemessen werden. Hiervon abgesehen ist unwahrscheinlich, dass die Investitionsfähigkeit der Betroffenen im Allgemeinen durch kurzfristige Absatzverträge entscheidend beeinträchtigt wird.

Das Interesse der Betroffenen, an einer langfristigen Sicherung des Absatzes des importierten Erdgases in ihrem Versorgungsgebiet, ist im Übrigen schon im Ansatz nach Art. 81 Abs. 3 EG nicht schutzwürdig. Es hat im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG außer Betracht zu bleiben. Absatzrisiken sind in einem funktionierenden Wettbewerb jeder unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich immanent. Es ist keinesfalls gerechtfertigt, den im Streitfall zu beurteilenden Teilbereich der Gaswirtschaft - wie bisher faktisch der Fall ist - einen Wettbewerb nahezu vollständig zu entziehen (indem die Freistellungsvoraussetzungen nach Art. 81 Abs. 3 EG bejaht werden), nur um die Betroffene von Absatzrisiken freizustellen. Bei ihrer diesbezüglichen Argumentation übersehen die Betroffene und die antragstellenden Beigeladenen, dass es nicht um unkalkulierbare Absatzrisiken geht. Der Betroffenen verbleiben auch unter Zugrundelegung der angefochtenen Verfügung hohe Absatzraten bei Regional- und Ortsgas- unternehmen, die ihr im Wettbewerb mit Konkurrenten einen bedeutenden Vorsprung sichern. Darüber hinaus sind für die Zukunft beim Gasbedarf weitere Steigerungen zu prognostizieren, was - auch der Betroffenen - zusätzliche Absatzmöglichkeiten eröffnet. Erstmals von der Betroffenen zu übernehmende Absatzrisiken werden zudem dadurch gemindert, dass sie als Gasimporteur auf dem Markt aufretende Gashändler beliefern kann. Aus unternehmerischer Sicht der Betroffenen spricht - sofern ein funktionierender Wettbewerb angestrebt ist - ebenso wenig etwas dagegen, im Wege vorstoßenden Wettbewerbs bei einer Belieferung von Endverbrauchern mit Gas tätig zu werden. Dass Take-or-pay-Verpflichtungen in den Gasimportverträgen aus sich selbst heraus wahrscheinlich zu keiner Verschärfung der Risikolage führen werden, ist im vorstehenden Zusammenhang bereits nachgewiesen worden.

h) Es ist nicht zweifelhaft, dass in Gaslieferverträgen enthaltene langfristige und hochgradige Bezugsverbindungen (im Sinne der Ziffern 1 und 2 des Verfügungstenors) nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG zugelassen sind. Nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EG gelten für Unternehmen, die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, Art. 81 und 82 EG nur insoweit, als durch die Anwendung dieser Vorschriften die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe nicht rechtlich oder tatsächlich verhindert wird. Jedoch darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwider läuft. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 1 Satz 1 EG liegen im Streitfall nicht vor.

Die Erdgasversorgung eines bedeutenden Teils der Bundesrepublik Deutschland - wie sie die Betroffene durchführt - kann zwar eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sein. Ferngasunternehmen wie die Betroffene (sowie im Übrigen auch Regional- und Ortsgasunternehmen wie die Beigeladenen zu 6 und 7) sind im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG aber mit keinen Versorgungsaufgaben betraut (vgl. EuGH, Urt. v. 27.4.1994, Rs. C- 393/92, Slg. 1994, I-1477, Tz.47 - Almelo; Bundeskartellamt, WuW/E, BKartA 2648, 2654; Markert, EuZW 2000, 433; a.A.: Bunte, Langfristige Gaslieferverträge nach nationalem und europäischem Kartellrecht, 2003, S. 76). Die Betroffene und die genannten Beigeladenen verfügen bei der Belieferung von Verbrauchern mit Gas über keinerlei Beleihung, Konzession oder sonstige Aufgabenzuweisung. Insbesondere ist den Regelungen des EnWG im Rechtssinn keine Betrauung verbunden.

3. Soweit das Bundeskartellamt die Entscheidungsaussprüche zu Ziffern 1 und 2 auch auf § 1 GWB n.F. gestützt hat, liegen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung vor. Die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen verstoßen hinreichend wahrscheinlich seit dem 1. Juli 2005 gegen § 1 GWB in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (BGBl. I, S. 1954 ff). Sie sind nicht nach § 2 GWB n.F. von der Anwendung des Kartellverbots freigestellt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechen jeweils denen des Art. 81 Abs. 1 und 3 EG, sodass auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann.

4. Es ist ebenso wenig ernstlich zu bezweifeln, dass die Betroffene ihre marktbeherrschende Stellung durch die beanstandete Kombination von Gesamt- oder hoher Bedarfsdeckung und langjähriger Vertragsdauer i.S.v. Art. 82 EG missbraucht. Nach Art. 82 EG ist einem Unternehmen verboten, eine beherrschende Stellung auf dem gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben missbräuchlich auszunutzen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Langfristigen Bezugsverpflichtungen in Verbindung mit einem hohen Bedarfsdeckungsgrad beeinträchtigen die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt der Gasbelieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund.

Die Betroffene ist Normadressatin des Art. 82 S. 1 EG, weil sie als konzernangehöriges Unternehmen über das konzerneigene Gasnetz verfügen kann. Räumlich begrenzt auf das Netzgebiet ist die Betroffene auf dem Markt für die Gasbelieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen deshalb marktbeherrschend. Eine bundesweite Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes scheidet aus den bereits dargestellten Gründen aus, weshalb keine Zweifel bestehen, dass die Betroffene auf diesem Markt über eine beherrschende Stellung verfügt. Mit einem Marktanteil von ungefähr 75 % hält sie auf dem räumlich relevanten und sachlichen Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen eine überragende Marktstellung. Was den vom Senat (übereinstimmend mit dem Bundeskartellamt) als relevant erachteten Markt anbelangt, ist dieser auch von der Betroffenen nicht in Abrede gestellt worden. Das Bestreiten der Betroffenen bezieht sich lediglich auf eine vom Amt auch bei einer bundesweiten Marktabgrenzung angenommene marktbeherrschende Stellung. Hierauf kommt es jedoch nicht an.

Der objektive Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur des relevanten Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger behindern (EuGH, WuW/E EWG/MUV 447, 458 = NJW 1979, 2460, 2461 - Hoffmann-La Roche). Die Verwendung von langfristigen Bezugsverpflichtungen in Kombination mit hoher Bedarfsdeckung durch die Betroffene ist - was nach der Rechtsprechung des EuGH völlig genügt - objektiv geeignet, die Wettbewerbsmöglichkeiten dritter Unternehmen zu beeinträchtigen. Die Betroffene missbraucht die auf Grund ihrer Verfügungsbefugnis über das Gasversorgungsnetz des netzbetreibenden konzernangehörigen Unternehmens erlangte überlegene Marktstellung dadurch, dass sie ihre auf das Leitungsnetz zur Belieferung mit Erdgas angewiesenen Abnehmer (Regional- und Ortsgasunternehmen) an die zu beanstandenden Verträge bindet, und damit für ausländische und inländische Unternehmen auf dem Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen eine Marktzutrittsschranke errichtet. Der Nachweis eines tatsächlich eintretenden Abschottungseffekts ist dazu nicht erforderlich. Darauf, ob die Abnehmer eine Bindung an die Betroffene (ausdrücklich) wünschen, kommt es für die kartellrechtliche Beurteilung im Übrigen nicht an.

Für die Weigerung der Betroffenen, Regional- und Ortsgasunternehmen aus den vereinbarten langfristigen, den Gesamtbedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben deckenden Bezugsbindungen zu entlassen, ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand kein sachlich gerechtfertigter Grund anzuerkennen. Das wirtschaftliche Interesse der Betroffenen, in ihrem Versorgungsgebiet überwiegend eigenes Erdgas abzusetzen, reicht dafür fraglos nicht aus. Bereits das Beharren der Betroffenen auf langfristige Bezugsbindungen in Kombination mit einer vollständigen oder beträchtlichen Bedarfsdeckung der Abnehmer, läuft der Zielsetzung von Art. 82 EG, wirksamen Wettbewerb und vor allem Marktzugang zu gewähren, zuwider (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.2005, KVR 13/05; Umdruck S. 8 f., unter Ziff. III.3 - Stadtwerke Dachau). Hinsichtlich der sonstigen Interessen der Betroffenen, das eigene Absatzrisiko zu verringern, Take-or-pay-Verpflichtungen einhalten zu können sowie Investitionen zu amortisieren, ist auf die oben stehenden Ausführungen zu verweisen.

IV. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung zu Ziffern 1 und 2 sowie zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b), soweit es die weiteren sachlichen Voraussetzungen für den Erlass von Anordnungen nach § 32 GWB i.V.m. Art. 81, 82 EG und § 1 GWB betrifft. Verstößt die Durchführung von Vereinbarungen gegen Art. 81, 82 EG und § 1 GWB, so ist weitere Voraussetzung für den Erlass von Verbots- oder Gebotsverfügungen und feststellenden Verfügungen nach § 32 Abs. 1 und 3 GWB das Bestehen einer Wiederholungsgefahr. Für die Wiederholungsgefahr genügt in der Regel eine in der Vergangenheit liegende Verletzungshandlung des Betroffenen. Diese lagen vor.

1. Zum Entscheidungsausspruch nach Ziffer 1 der Verfügung (Feststellungsausspruch):

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Ziffer 1. der Verfügung. Rechtsgrundlage für den Feststellungsausspruch ist § 32 Abs. 3 GWB i.V.m. Art. 5, 7 Abs. 1 Satz 4 VO Nr. 1/2003. Absatz 3 von § 32 GWB eröffnet der Kartellbehörde - trotz des auf eine beendigte Zuwiderhandlung abstellenden Wortlauts - die Möglichkeit, sowohl eine gegenwärtige als auch in der Vergangenheit liegende Zuwiderhandlung festzustellen, wenn eine Klarstellung der Rechtslage wegen Wiederholungsgefahr sachgerecht erscheint (vgl. BT-Drs. 15/3460, S.51). Eine solche ist - wie sogleich auszuführen ist - bezüglich des von Ziffer 1 der Verfügung erfassten Verhaltens gegeben. Die Feststellung ist darüber hinaus wegen der in § 33 Abs. 4 S. 1 GWB normierten Bindungswirkung gerechtfertigt.

2. Zum Entscheidungsausspruch nach Ziffer 2 der Verfügung (sogenannte Altverträge):

Eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des durch Ziffer 2 der Verfügung erfassten Verhaltens der Betroffenen liegt vor. Ziffer 2 besagt, dass die weitere Durchführung langjähriger Bezugsverpflichtungen in Verbindung mit einem hohen Grad der tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung in Gaslieferverträgen mit den in Anlage 1 aufgeführten Regional- und Ortsgasunternehmen von der Betroffenen bis spätestens zum 30. September 2006 abzustellen ist (sogenannte Altverträge betreffend). Die Betroffene bezeichnet die mit Abnehmern nach Ausübung des Sonderkündigungsrechts geschlossenen Verträge ausdrücklich als "Interimsvereinbarungen" und hat sich eine Rückkehr zu den Altverträgen ausdrücklich vorbehalten. In diesen Vereinbarungen berühmt die Betroffene sich ausdrücklich ihrer Rechte aus den Altverträgen, indem sie darauf verweist, dass zwischen ihr und dem Bundeskartellamt Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der langfristigen Bezugsverpflichtungen bestehen (vgl. Verfahrensakte 113/03-1, Bl. 1542 ff. - Interimsvereinbarung II; Bl. 1551 ff - Interimsvereinbarung III). Infolgedessen hat sie sich eine Fortsetzung der Verträge vorbehalten. Dies ist nicht nur zu Zwecken einer Rechtsverteidigung geschehen.

3. Zum Entscheidungsausspruch nach Ziffer 3. Satz 1 lit. b) (sogenannte Risikoverteilung):

Bezüglich des Verbots zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) des Verfügungsausspruchs ist die Berechtigung zu einer Untersagung des Verhaltens unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr daraus abzuleiten, dass die Betroffene sich bei der Ausübung von Sonderkündigungsrechten vorbehalten hat, ihre Verpflichtung, für die Lieferung eines Mehrbedarfs an den Abnehmer einzustehen, überproportional, also über den von ihr gehaltenen Lieferanteil hinaus, zu reduzieren, und infolgedessen Zweitlieferanten - selbst wenn ihr Lieferanteil lediglich 20 % betragen sollte - gehalten wären, das Risiko einer Belieferung bei unerwarteten Nachfragesteigerungen zu übernehmen. Sofern Zweitlieferanten zu einer solchen Risikoübernahme faktisch und wirtschaftlich überhaupt in der Lage sind, schwächt dies jedenfalls ihre Möglichkeiten, eine Belieferung mit Erdgas zu Preisen, die mit jenen der Betroffenen konkurrieren können, anzubieten. Mit Recht ist auch dies vom Bundeskartellamt beanstandet worden. Derartige Risikoverteilungen sind geeignet, die Regional- und Ortsgasunternehmen sowie dritte leistungsbereite Unternehmen von einer Lieferung von Teilmengen abzuhalten (vgl. Verfahrensakte Bd. III, Bl. 1309, 1312 ff).

Die Ansicht der Betroffenen, die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des von der Anordnung zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) erfassten Verhaltens sei während des Verwaltungsverfahrens entfallen, trifft nicht zu. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Bundeskartellamt ist insoweit zwar nicht erforderlich (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, 9. Aufl., § 32 Rdnr. 219). Zu verlangen ist aber eine ernsthafte, rechtlich bindende Erklärung. Eine solche Verlautbarung liegt von Seiten der Betroffenen nicht vor. Die anlässlich eines Gesprächs mit Vertretern des Amtes am 8. Dezember 2004 abgegebene Erklärung, mit der Arbeitsgemeinschaft der R...-Weiterverteiler über eine ausgewogene (proportionale) Risikoverteilung zu verhandeln, beschreibt nur einen beabsichtigten Vorgang, dessen Ergebnis offen ist. Dagegen hat die Betroffene ausweislich des in der Verfahrensakte des Bundeskartellamts enthaltenen Protokolls vom 8. Dezember 2004 (Bl. 1155 ff) ferner eingeräumt, erst einen einzigen Vertrag geschlossen zu haben, in dem eine proportionale Risikoverteilung Berücksichtigung gefunden habe. Dies genügt nicht, die Wiederholungsgefahr abzustellen, zumal die Betroffene nicht vorgetragen hat, eine proportionale Risikoverteilung in alle in Betracht kommenden Verträge aufgenommen zu haben. Sofern dies in "Interimsverträgen" geschehen sein sollte, ist darauf zu verweisen, dass solche Vereinbarungen nach der Intention, welche die Betroffene selbst damit verbindet, einen nur vorläufigen Charakter haben.

V. Nach gegenwärtigen Sach- und Streitstand liegen die Untersagungsvoraussetzungen hinsichtlich des der Betroffenen zu Ziffer 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Satz 2. lit. a) der Verfügung untersagten Verhaltens, nach Bezugsmengen und Zeit gestaffelte Bezugsverträge zu schliessen (sogenannte Stapelverträge), mittels derer die gesetzten mengenmäßigen und zeitlichen Grenzen überschnitten werden, vor. Die Kartellbehörde kann nach § 32 GWB auch ein künftig drohendes Verhalten untersagen (vorbeugende Untersagungsanordnung), das die Tatbestandsmerkmale eines gesetzlichen Verbots erfüllt (vgl. BGH, WuW/E BGH 1474,1478 - Architektenkammer; BGH WuW/E BGH 2313, 2314 - Baumarktstatistik).

Von Ziffer 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Ziffer 3 Satz 2 lit. a) des Ausspruchs und der Begründung der Verfügung sind solche Verträge umfasst, die in zeitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wertungsmäßig einen Vertrag bilden. Die Untersagungsanordnung erstreckt sich auf Verträge, die aneinander unmittelbar anschliessende Vertragslaufzeiten aufweisen (z.B. mehrere, zeitlich hintereinander geschaltete Verträge über einen Bedarf von je 80 % mit einer Laufzeit von jeweils 2 Jahren - Kettenverträge) oder auf solche in zeitlicher Hinsicht identischen oder sich überschneidenden Verträge, deren Mengen in Teillose (von 20 %, 30 %, 50 % und 80 %) aufgespalten sind, wobei die Einzelverträge auch mit unterschiedlichen Konzernunternehmen geschlossen worden sein können (vgl. Ziffer 3 Satz 2 Buchstabe b).

1. Nach den Umständen verstößt ein nach Bezugsmengen und Zeit gestaffelter Abschluss von Gasbezugsverträgen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und § 1 GWB.

Eine Staffelung von Verträgen in der dargestellten Art, die nach Ziffer 3 Satz 2 a) des Entscheidungsausspruchs rechtlich als ein Vertrag anzusehen sein sollen, steht bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in den Wirkungen der Vereinbarung einer Gesamtbedarfsdeckung mit langer Laufzeit gleich. Sie stellen eine (naheliegende) Umgehungsmöglichkeit dar und gehören ausgeschlossen. Solche Verträge verstoßen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und sind nicht freistellungsfähig nach Art. 81 Abs. 3 EG. Anschlussverträge sind durch die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 nicht freigestellt und nicht freistellungsfähig. Sie unterliegen ebenso wenig Art. 86 Abs. 2 EG. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in Abschnitt III. unter f) bis h) wird verwiesen.

2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung unter Ziffern 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Ziffer 3 Satz 2 lit. a) sind nicht gegeben. Nach Lage der Dinge ist ein Abschluss sogenannter Stapelverträge unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Erstbegehungsgefahr zu untersagen, denn es ist zu besorgen, dass die Betroffene ohne eine entsprechende Klarstellung zu dieser Umgehungsmöglichkeit greift (vgl. zur Besorgnis einer Zuwiderhandlung: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Aufl., Kap. 10 Rdnr. 9). Die Betroffene hat sich in der Selbstverpflichtungserklärung vom 17. Oktober 2003 (unter Ziffer 3. "Neuverträge") eines Anspruchs darauf berühmt (vgl. Anlage Ast 64), hinsichtlich solcher Restmengen, die durch Sonderkündigung frei werden, zeitlich befristete (wettbewerbsgerechte) Lieferangebote abzugeben. Sie hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren über den Antrag nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB erklärt, sich lediglich zu Zwecken der Rechtsverteidigung auf einen solchen Anspruch berufen zu haben.

VI. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit, soweit der Betroffenen untersagt ist, sich im Rahmen der Verfügung zu 2., wonach die weitere Durchführung von Gaslieferverträgen mit langer Laufzeit und hohem Bedarfsdeckungsgrad abzustellen ist, gegenüber Abnehmern oder Dritten (zu Wettbewerbszwecken) auf einen Anspruch zu solchen Vertragsgestaltungen zu berufen oder sich eines derartigen Anspruchs zu berühmen (vgl. S. 30 der angefochtenen Verfügung).

Diese Verbote sind von den Ermächtigungsgrundlagen im Art. 5 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und § 32 Abs. 1 GWB gedeckt, soweit es um ein außergerichtliches Berufen und Berühmen der Betroffenen gegenüber Vertragspartnern (und Dritten zu Wettbewerbszwecken) geht. Auch in Zivilprozessen ist der Betroffenen ein Berühmen verwehrt. Um eine möglichst umfassende Wirkung des Gebots, die beanstandeten Vertragsgestaltungen abzustellen, abgesichert zu sehen, ist gegen die Untersagung nichts einzuwenden. Es wird dadurch nur die gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 GWB ohnedies bestehende Bindungswirkung der Verfügung konkretisiert. Die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen sind infolgedessen nicht eingeschränkt. Die Betroffene kann sich gegen die ergangene Verfügung verteidigen und hat durch Beschwerdeeinlegung und Anbringung eines Antrags nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB dagegen auch den Rechtsweg beschritten.

VII. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung. Allerdings muss die von der Kartellbehörde getroffene Regelung für den Adressaten so vollständig klar und unzweideutig sein, dass er sein Verhalten danach richten kann (BVerwGE 31, 15, 18). Jedenfalls muss die Auslegung der Verfügung zu einer für die Vollziehbarkeit ausreichenden Eindeutigkeit führen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.7.1982, 7 B 122.81, Buchholz 316 § 37 VwVfG § 37 Nr. 1 Satz 1).

1. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 2 (Altverträge):

Der Einwand der Betroffenen, sie könne nicht erkennen, auf welche Weise Rechtsverstöße abzustellen sind und mit welchen Bezugsquoten und Laufzeiten Altverträge fortgesetzt werden dürfen, ist unbegründet. Der Ausspruch zu Ziffer 2 der Verfügung hat den Charakter eines Gebots, die als kartellrechtswidrig beanstandeten Vertragsbestimmungen abzustellen. Die Rechtsgrundlagen befinden sich in § 32 Abs. 2 GWB n.F und Art. 5 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. Ein "Abstellen" gebietet in einem weit zu verstehenden Sinn dasjenige Handeln und/oder Unterlassen, das nach den Umständen erforderlich ist, den Kartellrechtsverstoß zu beenden (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, 10. Aufl., § 32 Rdnr. 24). Eine Konkretisierung namentlich der zur Abstellung erforderlichen Handlungen verbietet sich, da der Betroffenen verschiedene Handlungsmöglichkeiten offen stehen, unter denen - im Sinn einer möglichst effektiven Umsetzung der Verfügung - auszuwählen ihrer Entscheidungsfreiheit unterliegt.

2. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. a) (Neuverträge):

Der Begriff des "tatsächlichen Vertriebsbedarfs" ist hinreichend bestimmt. Der tatsächliche Gaslieferbedarf ist für die Betroffene im Voraus bestimmbar, wenn der Vorjahresbedarf und die Bedarfsentwicklung zur Schätzung herangezogen werden, wie dies bei den meisten Gaslieferverträgen auch praktiziert wird. Die Betroffene verfügt über langjährige Erfahrungen, den Bedarf der in ihrem Versorgungsgebiet ansässigen Regional- und Ortsgasunternehmen zu prognostizieren. Vor diesem Hintergrund droht bei einer verhältnismäßig ausgewogenen Verteilung von Lieferquoten auf mehrere Gaslieferanten keine Überschreitung der in der Verfügung festgesetzten Belieferungsgrenzen. Dasselbe gilt bei einem unvorhergesehenen Mehrbedarf des Abnehmers. Ist in einem solchen Fall von der Betroffenen zum Beispiel die 80 %-Schwelle zu beachten, verschiebt sich bei einem Mehrbedarf die einem Liefervolumen von 80 % entsprechende Gasmenge automatisch nach oben. Notfalls muss die Betroffene Gaslieferungen an den Abnehmer einstellen und diesen veranlassen, zusätzliche Mengen bei seinem weiteren Lieferanten zu beziehen.

3. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) (Risikoverteilung):

Die Bestimmtheit der Maßnahme zu Ziffer 3. Satz 1 lit. b) der Verfügung ist nicht zweifelhaft. Soweit die Bereitschaft zur Risikoabdeckung in Abhängigkeit gestellt worden ist zum Lieferanteil der Betroffenen am tatsächlichen Vertriebsbedarf der Abnehmer, ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

4. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 2 lit. a):

Die Betroffene bemängelt zu Unrecht Unklarheit der Bestimmung, der (sinnwidrig) auch mehrere mit zeitlicher Unterbrechung geschlossene Lieferverträge unterfielen. Nach dem Zweck der Regelung sollen mengenmäßig und zeitlich ergänzende Lieferverträge verhindert werden. Davon werden nur unmittelbar aufeinander folgende Lieferverträge und solche erfasst, die sich ganz oder teilweise decken. Eine zeitliche Zäsur führt aus dem Anwendungsbereich des Verbots heraus.

VIII. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist die angegriffene Verfügung ermessensfehlerfrei ergangen. Gemäß Art. 5 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und § 32 Abs. 1 GWB steht der Kartellbehörde ein Ermessen zu. Ob, gegen wen und mit welchen Maßnahmen die Kartellbehörde einschreitet, steht nach dem Wortlaut ("ist befugt", "kann") in ihrem Ermessen. Die Überprüfung der Entscheidung des Bundeskartellamts ist darauf beschränkt, ob das Verfahren der Ermessensbetätigung eingehalten und vom Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht, insbesondere von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, die Grenzen des Ermessens eingehalten oder sachfremde und willkürliche Erwägungen angestellt worden sind.

1. Das Bundeskartellamt ist ermessensfehlerfrei gegen überlange Befristungen in Energielieferverträgen, die mit einer hohen Bedarfsdeckung kombiniert sind, eingeschritten. Die 1998 kraft Gesetzes angeordnete Liberalisierung der Energiemärkte hat nicht dazu geführt, dass die im Gasbereich vorhandenen monopolartigen Strukturen aufgebrochen worden sind. Neben einem bislang nicht vorhandenen Durchleitungsautomatismus tragen dazu auf dem relevanten Markt vor allem vertraglich vereinbarte langfristige Bezugsbindungen der Regional- und Ortsgasunternehmen an die Betroffene, die diese mit einem hohen Bedarfsdeckungsgrad verbunden hat, bei. Beides behindert einen Wettbewerb zwischen der Betroffenen und nicht etablierten Wettbewerbern und ist - so die Einschätzung des Bundeskartellamts, die auf keinen sachfremden Erwägungen beruht - voneinander unabhängig durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen. Die Implementierung eines rechtlich abgesicherten und praktisch handhabbaren Durchleitungssystems sowie eine Genehmigung der Durchleitungsentgelte durch die Bundesnetzagentur kann das vom Gesetzgeber durch eine Novellierung des EnWG im Jahr 2005 angestrebte Ziel, die Gasmärkte effektiv zu öffnen und einen unverfälschten Wettbewerb voraussichtlich allein nicht herbeiführen, wenn weiterhin langfristige Bezugsbindungen, die den Gasbedarf der Abnehmer weitgehend abdecken, bestehen bleiben. Dies findet sich im Primary Report der Europäischen Kommission vom 16. Februar 2006 bestätigt (vgl. Anlage 1 der Antragserwiderung S. 4 f "Vertical Foreclosure" und S. 38 Tz. 108, 109), der vor allem das Bestehen langfristiger Bezugsbindungen in Lieferverträgen für das Fehlen von wirksamen Wettbewerb auf den Gasversorgungsmärkten verantwortlich macht. Die damit übereinstimmende Einschätzung des Bundeskartellamts beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage.

2. Aus dem Umstand, dass das Amt bislang nur die Betroffene, nicht aber auch andere überregionale Ferngasunternehmen mit einer gleichgerichteten Verfügung belangt hat, sind Einwendungen gegen den angefochtenen Beschluss nicht abzuleiten. Zwar verpflichtet der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit die Verwaltung, die Grundrechtsträger bei der Anwendung von Gesetzen gleich zu behandeln, das heißt gesetzliche Normen auf alle erfassten Fälle in der gleichen Weise anzuwenden. Dieser Grundsatz hindert das Bundeskartellamt jedoch nicht daran, gegen Praktiken der Betroffenen, die den Gegenstand der angefochtenen Verfügung bilden, nunmehr vorzugehen, auch wenn diese seit der rechtlichen Liberalisierung der Energiemärkte im Jahr 1998 bisher unbeanstandet geblieben sind. Von der Aufgabe einer bislang geübten Verwaltungspraxis kann insoweit nicht gesprochen werden, da das Amt zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, die Praxis langjähriger Bezugsbindungen der Abnehmerseite, verbunden mit einer Gesamtbedarfsdeckung oder einer Bedarfsdeckung, die dem rechtlich gleich zu erachten ist, gutzuheißen. Gasversorgungsunternehmen wie die Betroffene mussten sich im Übrigen spätestens durch das in der Branche bekannt gewordene Urteil des Kartellsenats des OLG Düsseldorf vom 7. November 2001 gewarnt sehen, dass langfristige Bezugsbindungen, die rechtlich oder wirtschaftlich mit einer Gesamtbedarfsdeckung verknüpft sind oder den Bedarf des Abnehmers in einem sehr weitgehenden Umfang tatsächlich decken, kartellrechtlich problematisch sind. Eine Ungleichbehandlung liegt ferner nicht darin, dass andere überregionale Ferngasunternehmen vom Bundeskartellamt bislang durch keine - gleich geartete - Verfügung in Anspruch genommen worden sind. Zwar gebietet der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, dass die Behörde ein Ermessen in parallel gelagerten Fällen gleich zu handhaben hat. Dies bedeutet aber nicht, das Amt habe gegen alle Unternehmen, die in gleicher oder ähnlicher Weise wie die Betroffene gegen Art. 81 Abs. 1, Art. 82 EG und § 1 GWB verstoßen, gleichzeitig vorgehen muss. Es hat ggf. nur gegen jene Unternehmen, die sich kartellrechtswidrig verhalten, gleichermaßen einschreiten. Ordnungswidrige Zustände müssen von der zuständigen Behörde indes nicht zeitgleich und flächendeckend (bundesweit) angegangen werden, wenn ein sachlicher Grund für ein gestaffeltes Vorgehen vorliegt (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1992, 360). Dies ist hier der Fall. Das Bundeskartellamt hat gegen andere überregionale Ferngasunternehmen Verfahren eingeleitet, diese mit Rücksicht auf die vorliegende Sache jedoch ausgesetzt, soweit sich Unternehmen zu einer Beachtung der vom Amt über die Behandlung langfristiger Gaslieferverträge aufgestellten Grundsätze nicht verstanden haben. Zudem rechtfertigt die von den Verfahrensbeteiligten der vorliegenden Sache übereinstimmend zugrunde gelegte Funktion, ein "Musterverfahren" zu sein, gleichgelagerte Fälle erst dann zum Gegenstand einer Verfügung nach § 32 GWB zu machen, wenn sich die Rechtsauffassung der Behörde aufgrund einer gerichtlichen - wenn auch nur vorläufigen - Entscheidung als tragfähig erwiesen hat (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1992, 360). Dies lässt das bisherige Unterbleiben von Verfügungen gegen andere Ferngasunternehmen sachlich gerechtfertigt erscheinen.

3. Zugunsten der Betroffenen begründet die Tatsache, dass das Amt in der Zeit bis zum Jahr 2003 Untersagungsverfahren gegen Praktiken der hier zu beurteilenden Art nicht eingeleitet hat, keinen Vertrauenstatbestand. Vor 2003 waren aber mindestens zwei Zivilprozesse anhängig, (vgl. OLG Stuttgart, ZNER 2002, 232 - Stadtwerke Schwäbisch Hall ./. GVS; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 854, 857 - Stadtwerke Aachen ./. Thyssengas), in denen die Frage der Kartellrechtmäßigkeit langfristiger Bezugsverpflichtungen mit Gesamtbedarfsdeckungscharakter eine zentrale Rolle spielte. Diese Verfahren waren - alles andere wäre lebensfremd - den deutschen Ferngasunternehmen bekannt. Den betroffenen Ferngasunternehmen ist genauso wenig die Zielrichtung kartellrechtlicher Einwendungen verborgen geblieben. Diese waren schon weitaus früher als 2001 bekannt.

Eine uneinheitliche Behandlung langfristiger Gaslieferverträge durch die Europäische Kommission, auf die die Betroffene sich beruft, begründet kein Vertrauen, das Bundeskartellamt werde sich derartiger Sachverhalte nicht annehmen.

4. Soweit das Bundeskartellamt die Verfügung nicht auch auf einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1, 4 Nr. 1 GWB gestützt hat, fällt ihm bei der Auswahl der Verbotsnormen kein Verstoß gegen das Verfahrensrecht der Betroffenen auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zur Last. Ein Rechtsschutz ist mit der vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, einen Antrag nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB anzubringen, hinreichend gegeben.

5. Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, die angefochtene Verfügung bediene sich einer unzulässigen Marktsteuerung, die zudem in Eigentumsrechte eingreife, haben weder die Beschwerden Aussicht auf Erfolg, noch ist den Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben. § 32 Abs. 2 GWB und Art. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ermächtigen das Bundeskartellamt, neben verhaltensorientierten auch strukturelle Maßnahmen zu erlassen. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung erlaubt wortlautgemäß unter den in Satz 3 bestimmten Voraussetzungen zwar nur der Europäischen Kommission strukturelle Maßnahmen. Art. 5 S. 1 der Verordnung überlässt den Mitgliedstaaten, nationale Kartellbehörden zu Eingriffen struktureller Art zu ermächtigen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Durch die 7. GWB- Novelle sollen die Befugnisse der Kartellbehörden erweitert und den Befugnissen der Kommission angepasst werden (vgl. BT-Drs. 15/3640, S. 51). Hiervon abgesehen sind mit Verfügungen der Kartellbehörden ggf. unvermeidbar strukturelle Einflussnahmen auf Marktverhältnisse verknüpft. Allein unter diesem rechtlichen Aspekt ist die angegriffene Verfügung nicht zu beanstanden.

Unter den Begriff einer Abhilfemaßnahme struktureller Art im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 fallen Eingriffe in die Unternehmenssubstanz des Verfügungsadressaten. Dabei darf in nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrechte grundsätzlich eingegriffen werden (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, § 32 GWB, Bd. I, 10. Aufl., Rdnr. 25; Sura in Langen/Bunte, GWB, Bd. II, 10. Aufl., VO Nr. 1/2003, Art. 7. Rdnr. 4). Ziffer 2 der Verfügung verpflichtet die Betroffene, die Durchführung der in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen bis spätestens zum 30. September 2006 abzustellen. Dies stellt eine Abhilfemaßnahme struktureller Art im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung dar, denn es werden dadurch (schuldrechtliche) Rechtsansprüche der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 für die Zukunft wirtschaftlich wertlos, die möglicherweise einem Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen. Demgegenüber stellen die Anordnungen zu Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung ihrem Inhalt nach verhaltensorientierte Maßnahmen dar. Ihr Ziel ist, strukturelle Verhältnisse des relevanten Gasmarkts durch Einflussnahme auf das Vertragsverhalten des marktbeherrschenden Gaslieferanten (der Betroffenen) in der Weise zu verändern, dass unverfälschter Wettbewerb entstehen kann. Dagegen zielen die Anordnungen unter Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung nicht auf eine Änderung von Unternehmensstrukturen ab. Sie greifen daher nicht in Eigentumspositionen der Betroffenen ein.

Entgegen den dagegen vorgebrachten Einwendungen sind die strukturell und verhaltensorientierten Anordnungen des Bundeskartellamts erforderlich und verhältnismäßig im Sinne des § 32 Abs. 2 GWB. Der Begriff der Erforderlichkeit verlangt unter anderen eine Prüfung der objektiven Eignung des eingesetzten Mittels. Der Begriff der Verhältnismäßigkeit gebietet zu prüfen, ob nicht mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks genügen. Das bedeutet, die Belastungen, die dem betroffenen Unternehmen auferlegt werden, dürfen die Grenze dessen nicht überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Ziels angemessen und erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 6.4.1995, Slg. 1995, I-743 Tz. 90 - RTE und JTP/ Kommission). Gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 3 dürfen Abhilfemaßnahmen struktureller Art von der Europäischen Kommission nur in Ermangelung einer verhaltensorientierten Abhilfemaßnahme von gleicher Wirksamkeit festgelegt werden, oder wenn letztere im Vergleich zu Abhilfemaßnahmen struktureller Art mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmen verbunden wären. Diese Bedingungen haben auch für Eingriffe der nationalen Kartellbehörden zu gelten. Die Bedingungen des Art. 7 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 für strukturelle Maßnahmen sind ebenfalls erfüllt.

a) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 2 und zu Ziffern 2 und 3 in ihrer Kombination:

Das Bundeskartellamt hat bei der Maßnahme zu Ziffer 2 der Verfügung die aus Art. 7 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und § 32 Abs. 2 GWB folgenden Voraussetzungen beachtet. Einen gleichermaßen wirksamen verhaltensorientierten Eingriff hat auch die Betroffene nicht aufgezeigt. Sie ist ebenso wenig ersichtlich. Eine überproportionale Belastung im Sinne des § 32 Abs. 2 GWB wird der Betroffenen durch den Eingriff in ihre - unter Verstoß gegen Art. 81, 82 EG erworbenen und unter Verstoß gegen § 1 GWB aufrechterhaltenen - Eigentumsrechte nicht auferlegt. Nur wenn die weitere Durchführung der beanstandeten Vertragsgestaltungen bis zum 30. September 2006 abgestellt wird, kann sich unverfälschter Wettbewerb entwickeln. Selbstverpflichtungserklärungen der Betroffenen und etwaige hierauf gestützte Verpflichtungszusagen im Sinne des § 32 b GWB hat das Bundeskartellamt ermessensfehlerfrei dafür als ungeeignet gewertet.

Die Kombination der strukturellen und verhaltensorientierten Maßnahmen nach Ziffern 2 und 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Ziffer 3 Satz 2 lit. a) ist nicht als ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig im Sinne des § 32 Abs. 2 GWB zu beanstanden. Das Bundeskartellamt hat die Maßnahmen zu Ziffer 3 Satz 1 und 3 Satz 2 als notwendige Bestandteile eines Gesamtkonzepts, welche die Anordnung zu Ziffer 2 durchsetzen helfen, bezeichnet. Dies ist vertretbar. Mildere und gleichermaßen geeignete Mittel, um unmittelbar, zeitnah und effektiv Wettbewerb im Versorgungsgebiet der Betroffenen aufkommen zu lassen, stehen nicht zur Verfügung.

b) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. a) (Neuverträge):

Die Anordnung ist nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Unter Ziffer 3 Satz 1 lit. a) des Entscheidungsausspruchs ist angeordnet, dass die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarfs des Abnehmers zwischen 50 und 80 % vier Jahre und die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarfs von mehr als 80 % zwei Jahre nicht überschreiten darf. Diese Festlegungen des Bundeskartellamts orientieren sich an den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Art. 5 lit. a) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung stellt Wettbewerbsverbote in Vertikalvereinbarungen, welche für eine Dauer von mehr als fünf Jahren verabredet sind, vom Kartellverbot nur frei, wenn der Marktanteil des Lieferanten 30 % nicht übersteigt. Art. 1 lit. b) der Verordnung qualifiziert u.a. Verpflichtungen des Käufers, mehr als 80 % der Vertragswaren von einem bestimmten Lieferanten zu beziehen, als Wettbewerbsverbote. Bei seiner an diese Wertungen angelehnten Beurteilung hat das Bundeskartellamt berücksichtigt, dass der Marktanteil der Betroffenen auf dem einschlägigen Markt die 30 %-Schwelle um mehr als das Doppelte übersteigt. Die daraus abgeleitete Folgerung des Amtes, wonach bei dieser Sachlage eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren nicht mehr gutgeheißen werden kann, ist sachlich vertretbar. Dasselbe hat für die Festlegung der vom hinzunehmenden Zeitmaß der Lieferverträge abhängigen Belieferungsquoten zu gelten. Das Bundeskartellamt hat sich bei dieser Entscheidung von den Wertungen der Verordnung leiten lassen und ist - bezogen auf den relevanten Markt für die Belieferung mit Erdgas - zu einer vertretbaren Abgrenzung und Unterscheidung gekommen, die - gemessen am Überprüfungsmaßstab im Verfahren über Anträge gemäß § 65 Abs. 3 S. 3 GWB - hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit keinen ernsthaften Zweifeln unterliegt. Die in der Verordnung (EG) nicht berücksichtigten Besonderheiten der Gaswirtschaftsmärkte erfordern keine abweichende rechtliche Beurteilung. Dazu kann auf die der Sache nach auch im vorliegenden Zusammenhang anzubringenden Überlegungen im Rahmen einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG verwiesen werden (vgl. III. 2. g)). Namentlich vertragsspezifische Investitionen sind von der Betroffenen nicht geltend gemacht worden.

c) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) (Risikoverteilung):

Die Betroffene behauptet insoweit keinen Ermessensfehler oder Unverhältnismäßigkeit, sondern bezweifelt die Durchführbarkeit der Anordnung. Die Anordnung, die eine den Lieferanteilen entsprechende Risikoabdeckung bei unerwartetem Mehrbedarf anstrebt, ist angemessen und durchführbar.

d) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 2 lit. a) (Stapelverträge):

Die Verfügung ist nach Lage der Dinge nicht als unverhältnismäßig zu beanstanden. Ein von der Betroffenen im Sinn einer Hauptzielrichtung ihres Angriffs gegen die Verfügung ins Spiel gebrachter Abschluss mengenmäßig gestaffelter und sich zeitlich deckender Lieferverträge (Stapelverträge) würde das Gebot, dass Bezugsverträge mit wirtschaftlicher Gesamtbedarfsdeckung oder weitgehender Bedarfsdeckung abzustellen sind, konterkarieren und entwerten, da den Beteiligten dadurch eine Umgehungsmöglichkeit eröffnet wäre (vgl. angefochtene Verfügung S. 31 f.). Das aus der Verfügung folgende begrenzte, an die Betroffene gerichtete Verbot, sich am Wettbewerb um eine Lieferung frei werdender Teilmengen zu beteiligen, ist deshalb gerechtfertigt. Die Betroffene ist infolgedessen nicht schlechter, sondern immer noch bedeutend besser gestellt als andere Bieter/Lieferanten. Sie stellt nämlich weiterhin die Hauptmengen, und zwar - abhängig von der Vertragsdauer - bis zu 80 % oder mehr als 80 % der Gaslieferungen. Der dagegen gerichtete Einwand der Beigeladenen zu 6 und 7, unter Umständen tatsächlich gezwungen zu sein, Gas zu Teilmengen von einem teureren Lieferanten zu beziehen, verfehlt die kartellrechtliche Problemstellung. Denn ein (angeblich preisgünstigerer) Gasbezug von der Betroffenen (mittels "gestapelter" Verträge) perpetuiert eine kartellrechtlich zu missbilligende Gesamtbedarfsdeckung oder eine Nahezu-Bedarfsdeckung und aufgrund dessen auch die Marktzugangsschranken.

IX. 1. Nach derzeitiger Auffassung des Senats greift die angefochtene Verfügung nicht rechtswidrig in grundrechtlich geschützte Positionen der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 ein (Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)).

Soweit nationale Behörden auf der Grundlage sekundären Gemeinschaftsrechtes (hier: Art. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 der VO Nr. 1/2003) Rechtsakte erlassen oder vollziehen, ist der Eingriff (vgl. EuGHE 1989, 2609, 2639 f.) an Gemeinschaftsgrundrechten zu messen. Die nationalen Behörden sind an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden. Auch insoweit ist ein Rechtsverstoß zu verneinen.

Die angefochtene Verfügung greift nicht rechtswidrig in Eigentumspositionen oder in Eigentumsrechte der Betroffenen oder der Beigeladenen zu 6 und 7 ein. Als juristische Personen des privaten Rechts sind sie allerdings Träger von Grundrechten (Art. 19 Abs. 3 GG). Auch schützt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die gesetzliche Zuordnung vermögenswerter Positionen. Die Eigentumsgarantie umfasst nicht nur dingliche, gegenüber jedermann absolut wirkende Rechte, sondern auch schuldrechtliche Forderungen (vgl. BVerfGE 112, 93, 107; 92, 262, 271; 83, 201, 208; 68, 193, 222; 45, 142, 179; 42, 263, 293). Die angefochtene Verfügung greift jedoch nicht in schutzwürdige schuldrechtliche Positionen der Betroffenen und ihrer Abnehmer, nämlich in den Bestand der Gasbezugsverträge sowie daraus folgende gegenseitige Ansprüche, ein. Die dadurch hervorgebrachten Positionen unterliegen nicht dem Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Eigentumsrecht schützt nur solche Rechtspositionen vor ungerechtfertigten Eingriffen, die nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen, mithin im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung erworben worden sind (vgl. BVerfGE 84, 290, 300; BVerwGE 92, 196, 205) und das hiervon gebilligte Ergebnis einer eigenen Leistung darstellen (vgl. EuGH EuZW 1992, 155, 156). Wirtschaftlich vorteilhaften Positionen, die weder aus dem Vermögen noch aus der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen stammen, unterliegen auch nicht dem Schutz durch die Gemeinschaftsgrundrechte (vgl. EuGH Slg. 1991, I-5119, 5156 Tz. 27 - von Deetzen II; Slg. 1994, I-966, 984 Tz. 19 - Bostock). Gemäß dem Grundsatz, dass die Rechtswirksamkeit eines Vertrags sich nach dem im Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Recht richtet (vgl. BGH WuW/E DE-R 261, 262 f - Coverdisk; WuW/E DE-R 259 - Markant), war der Abschluss von Verträgen mit langfristiger Bezugsverpflichtung bis zur Aufhebung der §§ 103, 103 a GWB durch das Energiewirtschaftsgesetz von der Anwendung des Kartellverbots nach § 1 GWB a.F. zwar ausgenommen. Die Verträge unterlagen erst vom 29. April 1998 an dem nationalen Kartellverbot. Die vor 1998 geschlossenen Verträge unterfielen aber bereits bei ihrem Abschluss dem gemeinschaftsrechtlichen Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG. Bei einem Konflikt zwischen nationalen Rechtsnormen ohne Verfassungsrang (§§ 103, 103 a GWB) und Normen des europäischen Primärrechts gilt der Geltungs- und Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (vgl. zu Art. 85, 86 EGV: EuGH, Urt. v. 27.1. 1987, Rs. C-45/85, Slg. 1987-I, 405 Tz. 12-15 - Feuerversicherung; BVerfGE 22, 293, 295; 31, 145, 174; 73, 339, 399; Hirsch, NJW 2000, 1817, 1818). Dies hatte zur Folge, dass die in den §§ 103, 103a GWB geregelte Freistellung auf die Vertragsabschlüsse nicht anzuwenden war (vgl. BVerfGE 31, 145, 174). Die nationale Bereichsausnahme entfaltete mithin keine rechtliche Wirkung. Infolgedessen verstieß schon der Abschluss langfristiger Gaslieferverträge mit hohem Bedarfsdeckungsgrad oder Gesamtbedarfsdeckung gegen Art. 81 Abs. 1 EG (vormals Art. 85 Abs. 1 EGV; vgl. dazu auch das von der Betroffenen vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. v D., Anl. 76, S. 41). Die genannten schuldrechtlichen Positionen der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 genießen demnach weder nach nationalem noch nach europäischem Recht einen Eigentumsschutz.

Unabhängig davon ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts auf Grund des öffentlichen Interesses und des dem Gemeinwohl dienenden Ziels gerechtfertigt, auf dem relevanten und in einer monopolartigen Struktur verhafteten Gaswirtschaftsmarkt Voraussetzungen zu schaffen, unter denen ein Wettbewerb entstehen kann.

Durch die Verfügung wird die Betroffene gegenüber ausländischen Wettbewerbern (z.B. der italienischen E...2 oder der französischen G2) nicht unter Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgebot ungleich behandelt. Das Bundeskartellamt hat unmittelbar geltendes Europäisches Kartellrecht ungeachtet dessen anzuwenden, ob und in welchem Ausmaß dieses in anderen Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangt.

Die angefochtene Verfügung verletzt nicht die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die die Freiheit umfasst, sich im wirtschaftlichen Verkehr zu betätigen, sind durch oder auf Grund eines Gesetzes zulässig (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Die §§ 1, 32 GWB stellen als Rechtsgrundlage für die Verfügung solche nachkonstitutionellen Gesetze dar. Die auf § 32 GWB i.V.m. § 1 GWB gestützte Verfügung greift für die Zukunft in die Freiheit der Berufsausübung, insbesondere in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Betroffenen und der Beigeladenen ein. Die gesetzlichen Regelungen haben aber ihre Rechtfertigung im institutionellen Schutz des Wettbewerbs durch die staatliche Wirtschaftsordnung, der indiziert, dass den Gefahren, die aus Verstößen gegen das Kartellverbot für den Wettbewerb erwachsen, wirksam entgegengetreten wird. Dem dient die angegriffene Verfügung. Die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7 können sich ebenso wenig mit Erfolg auf eine (mittelbare) Einschränkung der Freiheit, ihre gewerbliche Tätigkeit eigenverantwortlich zu gestalten, berufen (Art. 2 Abs. 1 GG). Die allgemeine Handlungsfreiheit wird gemäß Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt. Das Grundrecht der Handlungsfreiheit steht infolgedessen unter einem Gesetzesvorbehalt. Zur Rechtsordnung, welche die Ausübung des Grundrechts beschränkt, zählen auch die genannten kartellrechtlichen Normen.

2. Das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes, das sowohl im europäischen Recht als auch im nationalen Verfassungsrecht verankert ist, ist durch die angegriffene Verfügung nicht verletzt.

Im nationalen Recht war in Bezug auf langfristige Energiebezugsverträge mit Gesamtbedarfsdeckungscharakter seit dem 29. April 1998 ein Vertrauenstatbestand nicht mehr gegeben. Durch das Gesetz zur Neureglung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 wurde für die Bereiche der Strom- und Gasversorgung an diesem Tag § 103 a GWB a.F. ohne Übergangsregelung (vgl. § 131 Abs. 2 bis 8 GWB a.F.) aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass die vor dem 29. April 1998 geschlossenen langlaufenden Bezugsverträge ex nunc unwirksam wurden (vgl. BGH WuW/E DE-R 1119, 1122 - Verbundnetz II). Einem Vertrauensschutz der Betroffenen in die Wirksamkeit der noch unter Geltung von § 103 a GWB a.F. getroffenen Vereinbarungen kann bei Verträgen, die nachträglich in den Anwendungsbereich des nationalen Kartellverbots gerieten, in entsprechender Anwendung des § 139 BGB durch eine geltungserhaltende Reduktion für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren Rechnung zu getragen werden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1305, 1306 -"Restkaufpreis": zu einem im Juni 1998 geschlossenen Stromliefervertrag mit einer Laufzeit von 3 Jahren und 4 Monaten).

Unter Zugrundelegung europäischen Kartellrechts (Art. 81 EG, früher Art. 85 EGV) hatte die Betroffene jedoch keinen Vertrauensschutz zu beanspruchen. In Ansehung einer nach europarechtlichen Normen zu beurteilenden Rechtslage ist - in der Sache nicht anders als nach nationalem Recht - eine Berufung auf Vertrauensschutz nur zugelassen, sofern die Gemeinschaft zuvor eine Rechtslage geschaffen hat, die ein berechtigtes Vertrauen, aufrecht erhalten zu werden, erzeugt (vgl. EuGH, EuZW 1992, 155 Tz. 14). Ein derartiger Befund liegt im Streitfall nicht vor. Das europarechtliche Kartellverbot in der damaligen Fassung von Art. 85 Abs. 1 EGV (nunmehr Art. 81 Abs. 1 EG) gilt seit dem Inkrafttreten des EG-Vertrages in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1958 (vgl. BGBl. 1958 II, S. 1). Vereinbarungen der in Art. 85 Abs. 1 des Vertrages bezeichneten Art - im Streitfall sog. Neukartelle in Gestalt langfristiger Gasbezugsverträge mit rechtlicher oder wirtschaftlicher Gesamtbedarfsdeckung oder einer weitgehenden Bedarfsdeckung der Abnehmer - waren gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 17/62 (Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages) zum Zweck einer Freistellung vom Kartellverbot gemäß Art. 85 Abs. 3 EGV (nunmehr Art. 81 Abs. 3 EG) bei der Europäischen Kommission anzumelden. Die genannten Vereinbarungen sind von den Beteiligten, insbesondere von der Rechtsvorgängerin der Betroffenen, - wie außer Streit steht -tatsächlich aber nicht angemeldet worden. Sie waren überdies in der Sache nicht freistellungsfähig, da sie - wie vorstehend ausgeführt worden ist - die Wirkung einer den Wettbewerb auf dem relevanten Markt beschränkenden Marktsperre aufweisen. Aufgrund dessen waren die mit der angefochtenen Verfügung beanstandeten Vertragsgestaltungen schon im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung verboten. Sie sind von Anfang an nichtig (Art. 85 Abs. 1, 2 EGV, nunmehr Art. 81 Abs. 1, 2 EG). Nationale Bereichsausnahmen haben im EG-Kartellrecht keine Geltungskraft. Ist - wie der Senat annimmt - im Streitfall Art. 81 EG (vormals Art. 85 EGV) anzuwenden, bestand keine Grundlage, auf eine Rechtswirksamkeit der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen zu vertrauen. Ein Vertrauen der Beteiligten auf den Bestand nichtiger Vertragsabreden ist rechtlich nicht schutzwürdig.

X. Die gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 GWB vorzunehmende Interessenabwägung rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen, nicht durch überwiegende Interessen gebotenen Härte nicht die Anordnung des Suspensiveffekts. Eine Härte in diesem Sinn ist anzunehmen, wenn dem Adressaten der Verfügung durch den Volllzug schwere, nicht wieder gutzumachende Nachteile drohen und seine Belange das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen. § 64 Abs. 1 GWB, der einer Beschwerde gegen Verfügungen nach § 32 GWB in Verbindung mit Art. 81, 82 EG und § 1 GWB keine aufschiebende Wirkung gewährt, lässt erkennen, dass der sofortigen Vollziehbarkeit von Verfügungen der Kartellbehörden in den angesprochenen Bereichen im Rahmen der anzustellenden Abwägung ein hoher Rang zuzusprechen ist. Das Gewicht dieses Interesses kann es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (vgl. BVerfGE 35, 382, 401). Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben einer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände gehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall ausnahmsweise von der gesetzgeberischen Grundentscheidung abgewichen werden kann (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 93, 94 r. Sp.). In den Fällen, in denen der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat, bedarf es deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Der Betroffene hat die Wertung des Gesetzgebers durch einen Vortrag der Besonderheiten seiner Situation zu entkräften und Wege aufzuzeigen, wie den öffentlichen Belangen gleichwohl Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 93, 94 r. Sp., 3. Absatz Mitte). Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass durch den Vollzug der Verfügung beim Betroffenen ohnehin eintretende Nachteile gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an einer Herstellung unverfälschten Wettbewerbs zurücktreten (vgl. KG, Beschl. v. 7.6.1974, WuW/E OLG 1497, 1498 - AGIP).

Im Streitfall überwiegt das Interesse der Betroffenen an einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht das öffentliche Interesse am Vollzug der angefochtenen Verfügung. Das durch den Vollzug der Verfügung für die Betroffene eintretende Absatzrisiko ist - wie bereits bei der Prüfung von Art. 81 Abs. 3 EG ausgeführt wurde - jeder unternehmerischen Tätigkeit immanent. Dabei ist nicht wahrscheinlich, dass die Betroffene durch den Vollzug der Verfügung unvermittelt einen erheblichen Teil ihres Gasabsatzes an Wettbewerber verlieren wird. Die Betroffene wird dies mindestens teilweise auch durch eine Belieferung von Wettbewerbern abwenden können. Die Erdgasversorgung der Verbraucher muss im Übrigen nicht zwingend durch die Betroffene erfolgen. Darüber hinaus ist die Betroffene auf die Regional- und Ortsgasunternehmen als Absatzmittler nicht angewiesen. Bezüglich des Amortisierungsinteresses und des Interesses der Betroffenen an einer Einhaltung von Take-or-pay-Regelungen ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen (oben unter III. 2. g)). Zeitliche Verzögerungen, mit denen bei einem Erlass von Verfügungen gegen andere Ferngasgesellschaften zu rechnen ist, führen beim Sofortvollzug für die Betroffene nur zu einem begrenzten Nachteil.

Die Beigeladenen zu 6 und 7 haben sich nicht auf für sie eintretende Härten von Belang berufen. Ihr Interesse geht in Wahrheit dahin, sich durch einen Abschluss von langfristigen, den Gesamtbedarf erfassenden Gaslieferverträgen vor einem Wettbewerb durch Ferngasunternehmen wie die Betroffene auf dem (nachgelagerten) Endkundenmarkt in ihrem lokalen Versorgungsgebiet zu schützen (vgl. BGH, WuW/E BGH 3145= RdE 1997,197 - Erdgasdurchgangsleitung). Da die kartellrechtlichen Vorschriften keinen Schutz gegen Wettbewerb gewährleisten sollen, hat dieses Interesse zurückzutreten.

XI. Es ist untunlich, die vorliegende Sache zur Klärung, wie Art. 81 Abs. 1, 3 EG auszulegen ist, gemäß Art. 234 Satz 2 EG dem EuGH vorzulegen. Eine Vorlage an den EuGH ist in Eilverfahren zwar zulässig (vgl. EuGH, Urt. v. 24. 5. 1977, Rs C-107-76, Slg. 1977, 957 Tz. 5, 6 - Hoffmann-La Roche = NJW 1979, 2460). Jedoch besteht in Eilverfahren, zu denen auch das Verfahren über den Antrag nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB zählt, europarechtlich keine Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH, da der Zielsetzung des Art. 234 EG, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen, in eilbedürftigen Verfahren dadurch entsprochen werden kann, dass im Verfahren zur Hauptsache eine erneute Prüfung der im Eilverfahren nur vorläufig entschiedenen Rechtsfrage stattfindet und dann auch über die Vorlage befunden werden kann (vgl. EuGH NJW 1977, 1585; 1983, 2751).

XII. Für die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7 wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, da im Verfahren grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen gestellt sind, bei deren Beantwortung eine einheitliche Rechtsprechung erforderlich ist (§ 74 Abs. 2 GWB).

XIII. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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