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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: VI-2 Kart 10/05 OWi
Rechtsgebiete: GWB, OWiG


Vorschriften:

GWB § 35
GWB § 37 a.F.
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 2
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1
GWB § 40 Abs. 2 Satz 2
GWB § 41 Abs. 1 Satz 1
GWB § 81 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 81 Abs. 2 a.F.
OWiG § 30
OWiG § 130
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Betroffene und die Nebenbetroffene werden freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen und der Nebenbetroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Die Hauptverhandlung hat nach der Überzeugung des Senats zu folgenden Feststellungen geführt:

Die Nebenbetroffene ist ein international tätiges Verlagshaus mit Sitz in H.... Sie gehört dem B...-Konzern an. Ihre geschäftliche Tätigkeit konzentriert sich auf die Herausgabe, den Druck und den Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften sowie das Angebot von korrespondierenden Online-Diensten. Die Nebenbetroffene erzielte im Jahr 2003 einen Gesamtumsatz in Höhe von rund ... Mrd. €, davon rund ... Mio. Euro in Deutschland. Die B... AG erzielte im Geschäftsjahr 2003 allein weltweit Umsatzerlöse von rund ... Mrd. Euro und davon in Deutschland rund ... Mrd. Euro.

Der Betroffene, der Wirtschaftswissenschaftler ist, war seit 1985 für die Nebenbetroffene tätig. Bis Ende des Jahres 2003 war er als Vorstandsmitglied der Nebenbetroffenen verantwortlich für das Zeitschriftengeschäft im Inland. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen war er weiterhin als Generalbevollmächtigter für das Gemeinschaftsunternehmen tätig. Später arbeitete er für das Verlagshaus "....". Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet.

Die Nebenbetroffene und die R... GmbH sind Kommanditisten des paritätischen Gemeinschaftsunternehmens G.../R... GmbH & Co. KG mit Sitz in H.... Geschäftsführer der R... GmbH war der Spanier ... A.... Das deutsche Gemeinschaftsunternehmen wurde mit einem zwischen der Nebenbetroffenen und der R... S.A. (ehemals .... S.A.) geschlossenen Joint-Venture-Vertrag vom 31. Mai 1999 gegründet. Zweck des Gemeinschaftsunternehmens waren insbesondere die Herausgabe und der Vertrieb der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "N....", deren englischsprachige Ausgabe in den Vereinigten Staaten von Amerika von der N... (N...) mit Sitz in Washington D.C. herausgegeben wird. Das Gemeinschaftsunternehmen erwarb die Rechte zur Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe mit einem im Frühjahr 1999 abgeschlossenen Lizenzvertrag, der im Jahre 2009 enden sollte. Komplementär-GmbH des Gemeinschaftsunternehmens war die G.../R... Beteiligungsgesellschaft mbH. Die Kommanditisten des Gemeinschaftsunternehmens sind Gesellschafter der Komplementärin. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wurde ausweislich des Gesellschaftsvertrages vom 24. Juli 2002 auf Vorschlag der Nebenbetroffenen durch die Gesellschafter für die Dauer von fünf Jahren bestellt.

Ausweislich des Kommanditgesellschaftsvertrages vom 10. August 2001, der den Joint-Venture-Vertrag vom 31. Mai 1999 ersetzte, verfügte das Gemeinschaftsunternehmen immer schon über einen Beirat. In § 8 des Vertrages hieß es dazu:

8.1 Die Gesellschaft hat einen aus vier Mitgliedern bestehenden Beirat. G... und R... bestellen jeweils zwei Beiratsmitglieder. G... benennt eines der von G... bestellten Beiratsmitglieder zum Vorsitzenden des Beirats.

...

8.3 Jeder Gesellschafter kann ein von ihm bestelltes Beiratsmitglied vor Ablauf der Amtszeit abberufen. Die Abberufung wird nur wirksam, wenn gleichzeitig ein neues Beiratsmitglied von dem Gesellschafter bestellt wird.

....

8.7 Beschlüsse des Beirats werden in der Regel in Sitzungen gefasst....

§ 9 des Kommanditgesellschaftsvertrages regelte die Befugnisse und Aufgaben des Beirats. Unter § 9.2. war geregelt, dass die Genehmigung des Jahresabschlusses sowie des Jahresetats, die Herausgabe neuer, regelmäßig alle zwei Monate oder häufiger erscheinender Verlagsobjekte sowie die Einstellung vorhandener Verlagserzeugnisse und die Genehmigung zusätzlicher Kapitalaufnahmen der vorherigen einstimmigen Zustimmung des Beirats in schriftlicher Form bedurften. Mit einfacher Mehrheit musste der Beirat nach § 9.3 unter anderem folgenden Geschäftsführungsmaßnahmen der Komplementärin zustimmen:

- Grundstücksgeschäften,

- geschäftsführenden Maßnahmen, deren Kosten 500 TDM übersteigen,

- Abschluss von Verträgen über den Druck und das Gesamtanzeigenwesen,

- Errichtung, Erwerb, Aufgabe und Veräußerung von Betrieben, Unternehmen oder Beteiligungen, wenn dadurch eine finanzielle Belastung über 300 TDM entsteht,

- Genehmigung der Berechnung und Zahlungsaufforderung hinsichtlich der an N... zu zahlenden Mindestlizenzgebühren.

Die Nebenbetroffene bestellte den Betroffenen und das Vorstandsmitglied X... ..., verantwortlich für das Ausland, zu Beiratsmitgliedern. Die R... GmbH, die zu dem Zweck gegründet worden war, die Anteile am Gemeinschaftsunternehmen zu halten, entsandte ihren Geschäftsführer, den Spanier ...A..., und dessen Sekretär und Vertrauten J... in den Beirat. ...A... war der Mehrheitsaktionär der R... S.A, eines spanischen Familienunternehmens.

Die Errichtung des Beirats erfolgte ursprünglich zu dem Zweck, die Gesellschafterversammlung von der Kontrolle der durch die Komplementärin ausgeübten Geschäftsführung zu entlasten und Aufgaben zu delegieren. Bis Ende des Jahres 2000 fanden regelmäßig auch Sitzungen des Beirats statt, an denen die vier Beiratsmitglieder teilnahmen. In den Gesellschafterversammlungen ließ die Nebenbetroffene sich durch ihre Vorstandsmitglieder, den Betroffenen und X..., vertreten; die R... GmbH wurde durch ...A... und J... vertreten. Die von der Nebenbetroffenen erhoffte Entlastung der Gesellschaftervertreter trat indes nicht ein. Vom Beginn des Jahres 2001 an wurden sämtliche Entscheidungen, die die Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmen betrafen, von den Gesellschaftern oder den von ihnen in die Gesellschaftsversammlung entsandten Organvertretern in dieser Funktion selbst getroffen. Sitzungen des Beirats fanden im Jahr 2001 und seither nicht mehr statt. Der Beirat trat durch eigene Beschlussfassungen nicht mehr in Erscheinung und wurde funktionslos. Dies war auf den Spanier ...A... zurückzuführen. Als Mehrheitsaktionär eines Familienunternehmens ist ...A... von bestimmender Wesensart und hatte deshalb auch einen Platz im Beirat eingenommen. Er verstand seine eigenen Einschätzungen und Entschließungen durchzusetzen und ließ sich selbst in einfachen Fragen die Entscheidungsgewalt nicht aus der Hand nehmen. Anfang des Jahres 2001 bestand er darauf, dass alle dem Beirat eingeräumten Kompetenzen von der Gesellschafterversammlung wahrgenommen wurden. Derart eingebunden in die Geschäftsführungsbelange des Gemeinschaftsunternehmens reifte im Laufe des Jahres 2001 bei ...A... der Entschluss, die Zusammenarbeit mit der Nebenbetroffenen aufzugeben. Ende des Jahres 2001 ließ er die Vertreter der Nebenbetroffenen wissen, dass er den von der R... gehaltenen Anteil am Gemeinschaftsunternehmen an die Nebenbetroffene veräußern wolle. Die Nebenbetroffene reagierte hinhaltend bis ablehnend auf diesen Vorschlag, da sie an einer Verteilung des wirtschaftlichen Risikos auf zwei Gesellschafter an sich festhalten wollte. In der Folgezeit zogen sich ...A... und J..., der zu ...A... hielt, aus der Gesellschafterversammlung zurück. Aufgrund dessen kam es zu einer Blockade der Gesellschafterversammlung, die Teil der Strategie des ...A... war, die Nebenbetroffene zu einer Übernahme der Anteile am Gemeinschaftsunternehmen zu bewegen. Geschäftsführungsangelegenheiten wurden seither nur noch zwischen dem Betroffenen und dem Vertrauten J... telefonisch besprochen. Mit dem nur spanisch sprechenden ...A... bestanden hingegen auch sonst Kommunikationsprobleme. Die als unbefriedigend empfundene Zusammenarbeit stimmte die Nebenbetroffene - was einen Erwerb der Anteile am Gemeinschaftsunternehmen betraf - schließlich um. Die Nebenbetroffene wollte einen Erwerb nur noch von einer Verlängerung der Laufzeit des Lizenzvertrages mit der N... abhängig machen.

Die Verhandlungen mit R... GmbH über den Anteilserwerb führte der Betroffene im Auftrag des Vorstandes. Diese zogen sich bis ins Jahr 2003 hin, da der Betroffene parallel dazu mit der N... über eine Verlängerung des im Jahre 2009 endenden Lizenzvertrages verhandelte. Mit der N... konnte sich der Betroffene erst nach rund einem Jahr über eine Verlängerung der Lizenzrechte einigen. Eine Einigung über die kaufmännischen Bedingungen des Anteilserwerbs erreichten die Beteiligten etwa Mitte des Jahres 2003.

Im Anschluss daran übergab der Betroffene die Verhandlungsergebnisse der hausinternen Rechtsabteilung. Den Beirat betreffend machte der Betroffene keinerlei Vorgaben. Er ging davon aus, dass der Beirat keine Bedeutung hatte.

Leiter der Rechtsabteilung war der in der Hauptverhandlung anwesende Vertreter der Nebenbetroffenen, Rechtsanwalt K.... Einer seiner Mitarbeiter beauftragte mit der kartellrechtlichen Prüfung die Rechtsanwaltskanzlei S.... mit der die Nebenbetroffene zusammenarbeitete. Die Anmeldung des Fusionsvorhabens wurde von dem der Sozietät angehörenden Rechtsanwalt Dr. R... ausgearbeitet. Rechtsanwalt Dr. L...- ebenfalls aus der Kanzlei S... - war mit den gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen und der Ausarbeitung der Anteilsübertragungsverträge befasst. Rechtsanwalt Dr. L... nahm in den Vertragsentwurf die nachstehend wiedergegebene Klausel § 6.2 auf. Dabei unterließ er es, die Klausel in der Weise unter einem Vorbehalt zu stellen, dass diese den Beirat betreffende Regelung erst nach Freigabe des Zusammenschlussvorhabens durch die Kartellbehörde rechtliche Wirksamkeit erlangen sollte.

Der in englischer Sprache abgefasste und in deutscher Übersetzung vorliegende Vertragsentwurf, der später auch unterzeichnet wurde, enthielt u.a. folgende Regelungen:

§ 1 Verkauf und Übertragung des Gesellschaftsanteils

(1) Der Verkäufer verkauft hiermit, und der Käufer erwirbt hiermit vom Verkäufer, den Gesellschaftsanteil des Verkäufers an der Gesellschaft gegen Zahlung des in § 3 angegebenen Kaufpreises. ...

(2) In Erfüllung des Verkaufs und Erwerbs gemäß § (1) überträgt der Verkäufer hiermit den verkauften Gesellschaftsanteil an den Käufer, und der Käufer nimmt diese Übertragung an. Die Übertragung erfolgt nach Erfüllung folgender aufschiebender Bedingungen:

(a) Das deutsche Bundeskartellamt und das österreichische Kartellgericht haben beide dem Erwerb des verkauften Gesellschaftsanteils durch den Käufer zugestimmt oder haben den Käufer darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine solche Zustimmung nicht erforderlich ist, oder die Frist, nach deren Ablauf die Zustimmung als gegeben angesehen wird, abgelaufen ist.

§ 6 Beirat

1. Der Verkäufer hat die beiden von ihm ernannten Mitglieder des Beirates der Gesellschaft veranlasst, von ihren Ämtern zurückzutreten; Kopien der entsprechenden unterzeichneten Erklärungen sind diesem Vertrag als Anlagen 6 (a) und (b) beigefügt.

(2) Im gegenseitigen Einvernehmen berufen die Parteien hiermit Dr. N... und H... als neue Mitglieder in den Beirat der Gesellschaft, wobei mit Übertragung des verkauften Gesellschaftsanteils das Recht, Mitglieder des Beirates nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft zu berufen oder zu entlassen, ausschließlich beim Käufer liegt.

Rechtsanwalt K... wurde mit dem Vertrag über den Anteilserwerb selbst erst kurz vor der notariellen Beurkundung befasst. Rechtsanwalt Dr. L... unterrichtete ihn über die Aufnahme von § 6 (2) in den Anteilsübertragungsvertrag. Rechtsanwalt K... nahm an, dies sei unproblematisch. Ohne den Vorstand einzubinden, entschied Rechtsanwalt K... damals unter Zeitdruck und gewissermaßen in letzter Minute vor Unterzeichnung des Vertrags, dass H..., ein Mitarbeiter des Vorstandsmitglieds X... der Nebenbetroffenen, und Dr. N..., eine Bedienstete der Rechtsabteilung, zu weiteren Mitgliedern des Beirats des Gemeinschaftsunternehmens ernannt werden sollten. Bei diesen Bediensteten handelte es sich nicht um leitende Angestellte. Beide besaßen keine Vertretungsmacht und waren auch sonst nicht ermächtigt, kaufmännische Entscheidungen für die Nebenbetroffene, erst recht für das Gemeinschaftsunternehmen zu treffen. Die Stellung der Beiratsmitglieder H... und Dr. N... war R... Germany sowie insbesondere ...A... vor Abschluss des notariellen Kauf- und Übertragungsvertrags bekannt. Dies hatte Rechtsanwalt K... mitgeteilt. Aufgrund dessen nahm ...A... an, dass der Beirat keine unternehmenserheblichen Entscheidungen treffen konnte. Rechtsanwalt K... war seinerseits bekannt, dass der Beirat seit dem Jahr 2001 nicht mehr zusammengetreten und ohne Funktion war. Er sah davon ab, den Betroffenen, der Ende des Jahres 2003 ohnehin kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen stand, und den Vorstand über die Bestellung der Beiratsmitglieder zu unterrichten. Rechtsanwalt K... hegte bei seiner Entscheidung auch nicht die Vorstellung, dass durch die Niederlegung der Beiratsmitgliedschaften der R... Germany und die Neubesetzung des Beirats mit zwei aus dem Unternehmen der Nebenbetroffenen stammenden Mitgliedern eine Ausübung der Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen möglich sein konnte.

Am 19. November 2003 unterzeichnete Rechtsanwalt K... als Bevollmächtigter der Nebenbetroffenen vor Notar Dr. W... in B... den Kauf- und Übertragungsvertrag mit der R... Germany GmbH und der G... Beteiligungsgesellschaft mbH. Der Vertrag enthielt den oben wiedergegebenen § 6 (2). Ihm waren als Anlage beigefügt die von ...A... und J... am 12. November 2003 unterzeichneten Erklärungen über ihren Rücktritt aus dem Beirat. Der Beirat bestand von diesem Zeitpunkt an aus dem Vorstandsmitglied X... der Nebenbetroffenen, dem Betroffenen sowie aus den Bediensteten Dr. N... und H.... Der Beirat trat in der Zeit nach der Unterzeichnung des Vertrages nie mehr zusammen und fasste auch keine Beschlüsse mehr.

Auch die Gesellschafterversammlung wurde nicht mehr einberufen. Im April und September 2004 berief die Gesellschafterversammlung nur noch Abschlussprüfer. Im Dezember 2004 entlastete sie die Geschäftsführung für die Geschäftsjahre 2001 bis 2003.

Gleichzeitig wurde festgestellt, dass das Gemeinschaftsunternehmen in der Zeit von 2001 bis 2003 erhebliche Verluste erwirtschaftet hatte.

Den Entwurf einer Anmeldung für das Fusionsvorhaben reichte Rechtsanwalt Dr. R.. unter dem 6. August 2003 beim Bundeskartellamt ein. Der Entwurf der Anmeldung und - nachdem das Zusammenschlussvorhaben untersagt worden war - die Beschwerdebegründung der Zusammenschlussbeteiligten sahen allein in dem Erwerb von (weiteren) 50 % der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen einen Zusammenschlusstatbestand im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

Die Nebenbetroffene, die R... Germany und das Gemeinschaftsunternehmen meldeten das Zusammenschlussvorhaben am 26. April 2004 beim Bundeskartellamt an. Das Bundeskartellamt untersagte das Zusammenschlussvorhaben durch Beschluss vom 3. August 2004, B 6 - 045/04, mit der Begründung, dieses erfülle den Tatbestand des Kontrollerwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Das Beschwerdegericht wies die Beschwerden der Nebenbetroffenen und der R... Germany GmbH mit Beschluss vom 15. Juni 2005, VI-Kart 25/04, zurück. Der Bundesgerichtshof wies die Rechtsbeschwerde der Nebenbetroffenen mit Beschluss vom 16. Januar 2007, KVR 12/06, zurück.

Nach Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Vollzugsverbot Anfang März 2007 und auf Aufforderung des Bundeskartellamts vom 8. April 2005 traten mit Erklärung vom 14. April 2005 sämtliche Mitglieder des Beirats der G.../R... GmbH & Co. KG, darunter auch der Betroffene, zurück. Mit Schreiben vom 4. Mai 2005 übersandte der Verteidiger dem Bundeskartellamt den Entwurf eines neuen Kommanditgesellschaftsvertrages, nach dem der Beirat abgeschafft werden sollte. Seit dem 24. Mai 2005 gilt ein neuer Gesellschaftsvertrag, wonach ein Beirat zur Kontrolle der geschäftsführenden Gesellschafterin nicht mehr vorgesehen ist.

II.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Einlassungen des Betroffenen und des Rechtsanwalts K... als Vertreter der Nebenbetroffenen sowie auf den ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Schriftstücken und Urkunden. Der ebenfalls vernommene Zeuge T... hat zur Aufklärung des Sachverhalts hingegen nichts beitragen können.

III.

Der Senat folgt den Einlassungen des Betroffenen und des Vertreters K... der Nebenbetroffenen zur Bedeutungslosigkeit des Beirats und zur Motivation für die Auswechslung und Neubestellung der Beiratsmitglieder. Beide haben übereinstimmend und detailliert geschildert, dass die Neubesetzung des Beirats in der Sache nicht darauf angelegt war, die Kontrolle über die Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens zu gewinnen. Dies sei eine Idee von Rechtsanwalt Dr. L... gewesen. Die Anwälte seien nicht beauftragt gewesen, der Nebenbetroffenen aufgrund versteckter Vertragsregelungen eine - nach Vertragsabschluss - sofortige Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens zu sichern.

Die Einlassungen des Betroffenen und des Vertreters der Nebenbetroffenen sind glaubhaft. Für die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Betroffenen spricht, dass er freimütig und detailliert zu den Vorgängen Stellung genommen sowie begangene Fehler im Zusammenhang mit der Bestellung der Beiratsmitglieder Dr. N... und H... selbstkritisch eingeräumt hat. Er hat die Vorgänge im Beirat und in der Gesellschafterversammlung, die Schwierigkeiten im Umgang der Gesellschafter untereinander und die Hintergründe der Beiratsumbesetzung nachvollziehbar geschildert.

Auch der Aussage des Vertreters der Nebenbetroffenen, Rechtsanwalt K..., ist zu glauben. Seine Einlassung ist genauso glaubhaft wie die des Betroffenen. Auch er hat den Hergang und die Hintergründe anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Er hat sich schonungslos dazu bekannt, sich nachlässig verhalten zu haben. Bei alledem ergänzen und bestätigen sich die Einlassungen des Betroffenen und von Rechtsanwalt K... gegenseitig. Sie stimmen auch mit der in die Hauptverhandlung eingeführten Urkundenlage überein.

IV.

Der Betroffene ist sowohl vom Vorwurf eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GWB a.F. als auch vom Vorwurf eines Unterlassens von Aufsichtsmaßnahmen nach § 130 OWiG freizusprechen. Die Nebenbetroffene ist vom Vorwurf der Verletzung von Pflichten nach § 30 OWiG freizusprechen.

1.

Nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 (BGBl. I, S. 2546) handelt ordnungswidrig, wer einem Verbot des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB zuwiderhandelt. Dem Betroffenen ist zur Last gelegt worden, gegen das darin normierte Verbot eines vorzeitigen Vollzugs eines Zusammenschlusses verstoßen zu haben. Die Zuwiderhandlung des Betroffenen soll darin liegen, dass der Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB durch die Abberufung der R...-Beiratsmitglieder und die Neuberufung der Mitarbeiter der Nebenbetroffenen zu Beiratsmitgliedern verwirklicht worden ist. § 41 Abs.1 Satz 1 GWB verbietet einen Vollzug des Zusammenschlusses, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben ist, vor Ablauf der Fristen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GWB oder eine Mitwirkung am Vollzug. Tatbestandliche Voraussetzungen sind, dass ein Zusammenschluss nach §§ 35, 37 GWB a.F. vorliegt, der der Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt unterliegt und daher vor einem Vollzug anzumelden und freizugeben ist.

Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 16. Januar 2007, KVR 12/06, WuW/E-DE-R 1925, 1926) den Zusammenschlusstatbestand eines Kontrollerwerbs im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB n.F. mittels eines Anteilserwerbs im Fall des Erwerbsvertrags vom 19. November 2003 für verwirklicht gehalten. Damit ist aber nicht über einen Kontrollerwerb infolge des Rückzugs der Mitglieder von R...-Germany und einer gleichzeitigen Neubestellung der Mitglieder Dr. N... und H... im Beirat des Gemeinschaftsunternehmens entschieden worden.

Der Zusammenschlusstatbestand des Kontrollerwerbs im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB a.F. ist durch die Abberufung und Neubestellung der Beiratsmitglieder nicht erfüllt und auch nicht vor der Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens beim Bundeskartellamt vollzogen worden.

Die Nebenbetroffene hat durch die Neubestellung von Beiratsmitgliedern über das Gemeinschaftsunternehmen keine Kontrolle erworben. Unter einer Kontrolle im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 GWB ist zu verstehen, dass ein bestimmender Einfluss des herrschenden Unternehmens über das Verhalten, die Geschäftspolitik und die Strategie des beherrschten Unternehmens langfristig ausgeübt werden kann (vgl. Bechtold, GWB, 4. Aufl. § 37 Rz. 10). Es genügt die konkrete Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluss auszuüben. Auf eine tatsächliche Beherrschung kommt es nicht an (vgl. BGH WuW/E BGH 2321, 2323). Für die Feststellung der Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluss auf die geschäftliche Tätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben, sind alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu berücksichtigen. Diese sind in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Dabei kommt es nicht darauf an, mit welchen Mitteln eine Kontrolle begründet wird. Ein bestimmender und beherrschender Einfluss auf das zu beherrschende Unternehmen kann auch durch andere Mittel als einen Anteilserwerb, insbesondere durch personelle Verflechtung begründet werden. Im Prinzip kann auch in der Herstellung einer vollständigen oder teilweisen Personenidentität zwischen den Organen (Beirat und Vorstand) des beherrschten und des beherrschenden Unternehmens ein Kontrollerwerb liegen, wenn durch die personelle Besetzung die konkrete Möglichkeit besteht, die Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens maßgeblich und auf Dauer zu beeinflussen. Die Befugnisse des beherrschten Organs müssen so ausgestaltet sein, dass sie einen Einfluss auf das Verhalten und die strategische Ausrichtung des beherrschten Unternehmens zulassen. Allerdings hatte der Beirat nach § 9 des Kommanditgesellschaftsvertrags hier umfassende Entscheidungsbefugnisse, die das wettbewerbliche Verhalten und die strategische Ausrichtung des Gemeinschaftsunternehmens betrafen.

Die Nebenbetroffene hat durch die - nicht unter dem Vorbehalt einer kartellrechtlichen Genehmigung stehende - Abberufung und Neuberufung der Beiratsmitglieder aber nicht die konkrete Möglichkeit erlangt, vom Vertragsschluss an eine auf Dauer angelegte Kontrolle über die Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens auszuüben. Sie erhielt allenfalls eine abstrakte Möglichkeit dazu.

Das Bestehen einer konkreten Möglichkeit zu einer auf Dauer angelegten Kontrolle des Gemeinschaftsunternehmens ist zu verneinen, weil die R... Germany GmbH nach dem Kommanditgesellschaftsvertrag und nach dem Übertragungsvertrag tatsächlich und rechtlich dazu in der Lage war und blieb, die neu bestellten Mitglieder aus dem Beirat zu jeder Zeit abzuberufen und diese durch andere zu ersetzen. Die R... Germany GmbH hatte sich durch den Anteilserwerbsvertrag vom 19. November 2003 nicht ihres nach § 8 des Kommanditgesellschaftsvertrags vom 10. August 2001 bestehenden Rechts begeben, Beiratsmitglieder abzuberufen und andere Mitglieder zu bestellen. Das Recht zur Abberufung (und Neubestellung) sollte gemäß § 6 (2) des Anteilsübernahmevertrages erst mit Übernahme der Anteile auf die Nebenbetroffene übergehen. Die Übernahme der Anteile stand ihrerseits unter dem kartellrechtlichen Genehmigungsvorbehalt nach § 1 (2) des Vertrages.

Nach Überzeugung des Senats hätte - sofern der Beirat sich in Geschäftsführungsbelange des (noch existenten) Gemeinschaftsunternehmens eingemischt und das Unternehmen betreffende Entscheidungen gefällt hätte - die R... Germany GmbH das ihr zustehende Recht zur Abberufung der daran gegebenenfalls mitwirkenden neuen Beiratsmitglieder ausgeübt. Solche Entscheidungen hätten - da das Gemeinschaftsunternehmen seit dem Jahr 2001 mit Verlusten arbeitete - zu einer unmittelbaren Gegenreaktion der R... Germany GmbH geführt, nämlich eine sofortige Abberufung der Beiratsmitglieder Dr. N... und H... zur Folge gehabt. Dafür sprechen die Erfahrungen der Vergangenheit, in der der Beirat keinerlei Funktion ausübte. Die Vorgänge in den Jahren 2001 bis 2003 belegen, dass ...A... als Vertreter der R... Germany GmbH einer Rückübertragung von Kontrollbefugnissen sowie insbesondere einer Delegation von Aufgaben auf den Beirat entgegen trat, da dies nach seiner Auffassung einer Entmachtung der R... Germany GmbH und seiner eigenen Person gleichgekommen wäre. ...A... hätte es aufgrund seiner gesamten Haltung und Strategie im Prozess der Anteilsveräußerung sowie aufgrund der Eigenart seiner Persönlichkeit nicht geduldet, wenn ihm durch eine anderweite Besetzung des Beirats die Möglichkeit zur persönlichen Kontrolle der Geschicke des Gemeinschaftsunternehmens entzogen worden wäre. Ihm war bekannt und er ging davon aus, dass die Beiratsumbesetzung objektiv nicht den Zweck verfolgte und nicht darauf angelegt war, das Gemeinschaftsunternehmen durch eine Wiederbelebung des Beirats unter die Herrschaft der Nebenbetroffenen zu bringen. ...A... wußte von der nachrangigen Stellung der neu bestellten Beiratsmitglieder im Unternehmen der Nebenbetroffenen. Er hätte es nicht hingenommen, wenn in dieser Besetzung des Beirats über seinen Kopf hinweg unternehmensleitende Entscheidungen getroffen worden wären. Eine dahingehende Annahme verbietet sich aus der Wesensart des ...A... heraus, aber auch deswegen, weil er keineswegs sicher angenommen hat, das Bundeskartellamt werde den angemeldeten Zusammenschluss auf die Nebenbetroffene freigeben. Davon ausgehend hätte die R... Germany, repräsentiert durch ...A..., jede bestimmende Einflussnahme des Beirats auf die Belange des Gemeinschaftsunternehmens bis zur bestandskräftigen Entscheidung des Bundeskartellamts über den Zusammenschluss unterbunden.

...A..., respektive die von ihm geleitete R... Germany GmbH, stand in der Gefahr, durch zwischenzeitliche Maßnahmen eines wieder erstarkten Beirats für die Zukunft an dessen Entschließungen gebunden zu werden, und zwar in einer Weise, die ihm - aus welchen Gründen auch immer - missfiel oder in seinen Augen geeignet sein konnte, sich wirtschaftlich nachteilig auf das Gemeinschaftsunternehmen auszuwirken. Das hat er vermeiden wollen, zumal das Gemeinschaftsunternehmen ohnedies Verluste schrieb. ...A... hatte die Weitsicht, diese Gefahr zu erkennen. Weitsicht hatte er auch bei der Umsetzung des Veräußerungsvorhabens bewiesen, bei dem ihm letztlich durch eine beharrlich zunehmende Verweigerungshaltung gelungen war, den Widerstand der Nebenbetroffenen gegen eine Übernahme der Geschäftsanteile am Gemeinschaftsunternehmen aufzuweichen. Nach den vom Betroffenen W... geschilderten Umständen war ...A... auch bewusst, dass das Bundeskartellamt den Zusammenschluss untersagen konnte und sein Engagement im Gemeinschaftsunternehmen auf eine zunächst einmal nicht absehbare Zeit aufrechterhalten bleiben musste. Er hat einer Neubesetzung des Beirats durch Unternehmensangehörige der Nebenbetroffenen nur deswegen zugestimmt, weil die neu berufenen Mitglieder H... und Dr. N... - ihm bekannt - kraft ihrer Stellung nicht zu weit reichenden Unternehmensentscheidungen bevollmächtigt waren, und er sich infolgedessen sicher sein konnte, dass die Nebenbetroffene den Beirat künftig nicht für wichtige, das Gemeinschaftsunternehmen betreffende Entscheidungen instrumentalisieren werde.

2.

Der Betroffene W... hat sich ebenso wenig einer Verletzung der Aufsichtspflicht schuldig gemacht (§ 130 OWiG). Dazu fehlt es an der erforderlichen Anknüpfungstat, nämlich daran, dass von einem Beteiligten, und zwar von K... als Leiter der Rechtsabteilung der Nebenbetroffenen, objektiv gegen das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB verstoßen worden ist. Der Tatbestand eines Kontrollerwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist objektiv nicht verwirklicht worden.

3.

Nach alledem fehlt es auch an einer Grundlage, die Nebenbetroffene gemäß § 30 OWiG mit einem Bußgeld zu belangen. Pflichten, die sie treffen, nämlich eine Beachtung des Vollzugsverbots nach § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB, sind aufgrund der Neubesetzung des Beirats des Gemeinschaftsunternehmens objektiv nicht verletzt worden.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO i.V. mit § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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