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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: VI-2 U (Kart) 12/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, UmWG, EnWG 1998, GWB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 197 a.F.
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 n.F.
BGB § 204 Nr. 1
BGB § 286 Abs. 1 S. 2
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 315
BGB § 315 Abs. 3 S. 1
BGB § 315 Abs. 3 S. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
BGB § 852
BGB § 852 S. 2
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 139 Abs. 5
ZPO § 167
ZPO § 254
ZPO § 531 Abs. 2
UmWG § 131 Abs. 1 Nr. 1
UmWG § 133 Abs. 1 S. 1
UmWG § 133 Abs. 3 S. 1
UmWG § 133 Abs. 4
EnWG 1998 § 6 Abs. 1 S. 1
GWB § 19
GWB § 20
EGBGB Art. 229 § 5 S. 2
EGBGB Art. 229 § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. Juni 2007 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes von der D... AG verlangten Netznutzungsentgelte in der Zeit vom 01.01.2002 bis zum 30.05.2002 unbillig waren.

Das Netznutzungsentgelt für diesen Zeitraum wird auf 0,00 Euro festgesetzt.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 78.764,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Februar 2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe:

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D... AG (zukünftig: Insolvenzschuldnerin) Ansprüche auf Rückzahlung angeblich überzahlter Netznutzungsentgelte geltend. Die Insolvenzschuldnerin, die endverbrauchende Kunden im Netzbereich der Beklagten mit Strom beliefern wollte, schloss am 05./06. Dezember 2001 mit dieser einen Rahmenvertrag. Nach § 2 Abs. 2 dieses Vertrages, der einen früheren Vertrag vom 04./31. Oktober 2000 - Anlage K 2, Bl. 10 - 21 GA ablöste, war Vertragspartner hinsichtlich des Netznutzungsverhältnisses bei den in Anlage 2 nicht gekennzeichneten Kunden (Kunden, mit denen die Insolvenzschuldnerin einen Stromlieferungsvertrag inklusive Netznutzung abgeschlossen hatte) die Insolvenzschuldnerin. Nach § 2 Abs. 5 galt bei Fehlen einer gültigen Preisvereinbarung der Preis entsprechend den jeweils gültigen veröffentlichten Preisblättern der Beklagten.

Die Insolvenzschuldnerin zahlte von Januar bis Mai 2002 an die Beklagte Abschlagszahlungen in Höhe von 78.764,29 Euro. Im Mai 2002 kam es zu Zahlungsproblemen der Insolvenzschuldnerin, so dass die Beklagte mit Wirkung zum 28. Mai 2002, 0.00 Uhr die Kunden der Schuldnerin im Rahmen einer Notversorgung mit Strom beliefern musste und den Vertrag fristlos zum 31. Mai 2002 kündigte. Aus der Endabrechnung macht sie 25.367,60 Euro gegen den Kläger geltend, davon hat sie 14.953,60 Euro zur Insolvenztabelle angemeldet.

Die Insolvenzschuldnerin "nahm" (so ihr Vortrag in der Klageschrift) "bereits 2001 an, dass die von der Beklagten ... erhobenen Netznutzungsentgelte nicht der Billigkeit entsprachen, sondern wesentlich überhöht waren". Mit Schreiben vom 23. Juli 2001 (Bl. 441/442 GA) teilte sie der Beklagten mit, sie akzeptiere den Rahmenvertrag unter Vorbehalt "der Netznutzungsentgelte, deren Höhe gerichtlich oder kartellrechtlich überprüft wird".

Der Kläger ist der Auffassung, die von der Beklagten verlangten Netznutzungsentgelte hätten nicht der Billigkeit entsprochen. Mit der am 18. Dezember 2006 und - nach Eingang des Gerichtskostenvorschusses am 29. Dezember 2006 - am 23. Februar 2007 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die von der Beklagten für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes von der D... AG verlangten Netznutzungsentgelte in der Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 30. Mai 2002 unbillig waren und statt dessen das vom Gericht zu ermittelnde billige Netznutzungsentgelt gilt;

die Beklagte nach der von dem Gericht vorzunehmenden Leistungsbestimmung zu verurteilen, die ungerechtfertigt erhaltenen Beträge an ihn in einer noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede gestellt; nicht die Insolvenzschuldner, sondern die endverbrauchenden Kunden seien Vertragspartner der Beklagten hinsichtlich der Netznutzung gewesen. Außerdem sei sie nicht passivlegitimiert, weil der fragliche Bereich auf die R... AG ausgegliedert worden sei. Die von ihr verlangten Entgelte hätten der Billigkeit entsprochen, sie seien anhand der Verbändevereinbarung II plus berechnet worden. Im Übrigen hat sie sich auf Verjährung berufen. Schließlich hat sie mit Gegenansprüchen aufgerechnet.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ansprüche seien verjährt. Der Kläger bzw. die Insolvenzschuldnerin sei nach ihrem eigenen Vorbringen bereits im Jahre 2002 davon ausgegangen, dass die Entgelte unbillig seien. Die Rückforderungsansprüche seien bereits mit der Zahlung entstanden. Dass die Entgeltforderung der Beklagen möglicherweise unbillig gewesen und sie in diesem Falle erst mit einer gerichtlichen Leistungsbestimmung fällig geworden sei, betreffe den Rückzahlungsanspruch nicht. Der Klageantrag zu 1. sei unzulässig, da der Kläger unmittelbar auf Zahlung klagen könne; demgegenüber sei der Klageantrag zu 2. zulässig.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er beruft sich vor allem darauf, dass ein Rückzahlungsanspruch vor einer gerichtlichen Leistungsbestimmung nicht berechnet werden könne, die bis jetzt noch nicht erfolgt sei; erst mit diesem Zeitpunkt beginne die Verjährungsfrist für den Rückzahlungsanspruch. Im Übrigen habe die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2002 noch keine hinreichende tatsächliche Kenntnis von den Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs gehabt; auf Grund der allgemeinen Berichterstattung habe sie lediglich eine vage Vermutung gehabt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte möglicherweise ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt habe (§ 19 GWB) und daher Herausgabeansprüche nach § 852 BGB in Betracht kämen. Der Klageantrag zu 1. sei zulässig, der Kläger habe ein eigenes Interesse an der Leistungsbestimmung. Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

festzustellen, dass die von der Beklagten für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes von der D... AG verlangten Netznutzungsentgelte in der Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 30. Mai 2002 unbillig waren und statt dessen das vom Gericht zu ermittelnde billige Netznutzungsentgelt gilt;

die Beklagte nach der von dem Gericht vorzunehmenden Leistungsbestimmung zu verurteilen, die ungerechtfertigt erhaltenen Beträge an ihn in einer noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Zahlen zur Berechnung des von ihr verlangten Netznutzungsentgelts hat sie trotz Aufforderung des Senats nicht vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

1.

Die Klage ist zulässig.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Klageantrag ist nicht deswegen unzulässig, weil der Kläger Klage auf Zahlung erheben könnte (und dies auch tut, vgl. b)). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage (vgl. Rieble, in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, § 315 Rdnrn. 292, 293) besteht bereits wegen der von der Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche. Ob nicht auch sonst eine Feststellungsklage zulässig ist (vgl. BGH WuW/E DE-R 1730), kann daher offen bleiben.

b) Bei dem Klageantrag zu 2. handelt es sich um einen Zahlungsantrag, nicht etwa um eine Stufenklage. § 254 ZPO lässt eine Stufenklage mit einem Antrag auf gerichtliche Festsetzung des billigen Entgelts als 1. Stufe und einem Antrag auf Zahlung nach Maßgabe der Festsetzung als 2. Stufe nicht zu.

Eine entsprechende Anwendung des § 254 ZPO kommt nicht in Betracht. Nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB erfolgt nämlich die Festsetzung des billigen Entgelts unmittelbar durch das Gericht, welches damit gleichzeitig zur Rückzahlung verurteilen kann. Währenddessen muss der Kläger bei einer Stufenklage nach Erledigung der 1. Stufe erst entscheiden, welche Schlüsse er aus den vorgelegten Unterlagen ziehen will und seinen Antrag zu den weiteren Stufen entsprechend anpassen und konkretisieren.

Für eine entsprechende Anwendung des § 254 ZPO besteht auch kein Anlass. Zwar kann der Kläger seinen Rückzahlungsanspruch - mangels einer gerichtlichen Festsetzung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB - nicht beziffern. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit einer unbezifferten Rückzahlungsklage. Zwar ist im Allgemeinen die Bezifferung des verlangten Geldbetrages zu verlangen (vgl. Greger, in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 253 Rdnr. 14). Als Ausnahme ist jedoch der Fall anerkannt, dass das Gericht den Betrag nach billigem Ermessen festzusetzen hat; dies gilt nicht nur bei Schmerzensgeldansprüchen, sondern - wie sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zur Anwendung der Vorschrift auf Fallgestaltungen des § 315 BGB s. Herget, a.a.O., § 92 Rdnr. 12) - auch bei Zahlungsansprüchen, deren Höhe von einer gerichtlichen Festsetzung nach Ermessensgesichtspunkten abhängt (für die Zulässigkeit unbezifferter Rückzahlungsklagen auch Wollschläger/Telschow, IR 2008, 221, 223). Hinzu kommt, dass eine Gestaltungsklage auf gerichtliche Festsetzung (vgl. Gottwald, in Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 315 Rdnr. 45; Rieble, a.a.O., § 315 Rdnrn. 294 ff) gleichfalls keine Bezifferung enthalten müsste.

2.

Die Klage ist auch begründet.

a) Die Insolvenzschuldnerin, deren Rechte der Kläger als Insolvenzverwalter berechtigterweise (§ 80 InsO) geltend macht, ist aktivlegitimiert.

Der Kläger stützt sich nunmehr auf den Vertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten vom 05./06. Dezember 2001 (Anlage K 7, Bl. 354 - 363 GA). Diesen Vertrag hat er zwar erstmals mit Schriftsatz vom 24. April 2007 - und damit nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 11. April 2007 - vorgelegt. Dennoch ist er damit nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zum Einen hatte ihm das Landgericht u.a. zur Frage der Aktivlegitimation gemäß § 139 Abs. 5 ZPO im Termin eine Schriftsatzfrist bewilligt; zum Anderen ist der Vortrag unstreitig, so dass § 531 Abs. 2 ZPO von vornherein nicht eingreift (BGH NJW 2005, 291).

Aus § 2 Abs. 2 dieses Vertrages ergibt sich, dass Schuldnerin des Netzdurchleitungsentgelts die Insolvenzschuldnerin war und sie damit in jedem Falle Rückzahlung etwaiger Überzahlungen sowie gegebenenfalls Bestimmung des billigen Entgelts durch das Gericht verlangen kann. Die Beklagte stellt in der Berufungsinstanz daher auch nicht mehr die Aktivlegitimation der Insolvenzschuldnerin in Frage.

Es bedarf danach keiner Diskussion, ob nicht die Insolvenzschuldnerin auf Grund des Vertrages vom 04./31. Oktober 2000 (Anlage K 2, Bl. 10 - 21 GA) als Schuldnerin anzusehen wäre (vgl. § 15 Abs. 2).

b) Die Beklagte ist passivlegitimiert.

Der Vertrag ist unstreitig mit der Beklagten geschlossen worden. Letztere beruft sich für einen Übergang des Geschäfts auf die R... AG im Jahre 2002, ohne dazu nähere Ausführungen zu machen. Aus dem im Termin vom 09. April 2008 erörterten Handelsregisterauszug für die Beklagte (HRB ... AG Köln) unter 4. und demjenigen für die R... AG (früher G...R... AG; HRB ... AG Köln unter 3.) ergibt sich, dass auf Grund eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages bestimmte Vermögensgegenstände als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung von der Beklagten auf die jetzige R... AG übergegangen sind. Zwar gehen gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmWG u.a. die Verbindlichkeiten des ausgegliederten Teils über. Selbst wenn die fraglichen Verbindlichkeiten zu diesem Teil gehören sollten, haftete die Beklagte - neben der R... AG - gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG als Gesamtschuldnerin für die Verbindlichkeiten weiter. Die geltend gemachten Ansprüche sind vor Ablauf von 5 Jahren nach Eintragung der Ausgliederung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers, der R... AG, am 05. Juli 2002 fällig (vgl. unter 4.) und geltend gemacht worden, § 133 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 2 UmwG i.V.m. § 204 Nr. 1 BGB.

c) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der unstreitig gezahlten 78.764,29 Euro gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Der von der Beklagten ihrer Berechnung zugrunde gelegte Tarif ist nämlich unbillig und damit unwirksam. Das an seiner Stelle gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vom Gericht festzusetzende Entgelt beträgt 0,00 Euro. Des Weiteren ist die Entgeltfestsetzung der Beklagten kartellrechtswidrig.

aa) Die Vorschrift des § 315 BGB ist anzuwenden. Die Entgeltforderungen der Beklagten richteten sich gemäß § 2 Abs. 5 des Rahmenvertrages nach den jeweils veröffentlichten Preisblättern der Beklagten. Dass eine bezifferte Preisabrede zustande gekommen ist, trägt auch die Beklagte nicht vor. Im Übrigen ergibt sich das Preisbestimmungsrecht der Beklagten aus § 6 Abs. 1 S. 1 EnWG 1998 (BGH NJW 2008, 2175 Rdnrn. 19 ff.. - Stromnetznutzungsentgelt III).

bb) Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit des von ihr verlangten Entgelts trägt die Beklagte. Das ergibt sich zum Einen daraus, dass - wie im Termin vom 09. April 2008 erörtert - die Insolvenzschuldnerin lediglich Abschlagszahlungen (als solche wertet die Zahlungen auch die Beklagte, vgl. SS vom 03.04.2007, Bl. 16 = Bl. 145 GA) auf endgültig abzurechnende Entgeltansprüche der Beklagten geleistet hat (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 812 Rdnr. 104; vgl. auch BGH NJW 2005, 2919). Dies gilt umso mehr, wenn die Zahlungen, wie in § 15 Abs. 1 des Rahmensvertrages vorgesehen war, per Lastschrift von der Beklagten eingezogen wurden. Zum Anderen hat die Insolvenzschuldnerin, wie sich aus ihrem Schreiben vom 23. Juli 2001 ergibt, einen Vorbehalt erklärt (vgl. BGH NJW 2008, 2175 Rdnr. 27).

Die Beklagte hat trotz des Senatsbeschlusses vom 14. Mai 2008, in dem der Senat auch auf die Darlegungs- und Beweislast hingewiesen hat, keine Zahlen vorgelegt und nicht vorgetragen, inwieweit sich die vom Beklagten verlangten Netznutzungsentgelte aus berücksichtigungsfähigen und nicht zu berücksichtigenden Kostenanteilen zusammensetzen (vgl. BGHZ 115, 311 Tz. 40). Dass - was einen Rückzahlungsanspruch wegen Unbilligkeit der Entgeltfestsetzung betrifft - nicht nur eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast besteht - wie die Beklagte meint -, ergibt sich eindeutig aus dem Senatsbeschluss.

Mangels jedweden Sachvortrags ist der Senat nicht in der Lage, ein billiges Entgelt oberhalb von "Null" festzusetzen oder zu schätzen (vgl. § 287 ZPO). Nach den allgemeinen Regeln über die Darlegungs- und Beweislast geht dies zu Lasten der Beklagten (unklar in dieser Hinsicht BGH NJW 2008, 2175; vgl. für den Fall der fehlenden Abrechnung über Vorschüsse BGH NJW 2005, 1499).

Das gilt ungeachtet der von der Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche. Dabei handelt es sich nicht um eine Aufrechnung, sondern um eine Abrechnung. Die Insolvenzschuldnerin hat bisher nur Abschlagszahlungen auf eine - damals - noch abzurechnende Forderung der Beklagten geleistet. Die Gegenforderung ergibt sich aus eben dieser Abrechnung. Der Kläger konnte eine Rückzahlung nur dann und insoweit verlangen, als sich nach ordnungsgemäßer Abrechnung noch ein Überschuss zu seinen Gunsten ergab. Die Einbeziehung der Gegenansprüche führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis, da auch insoweit das billige Entgelt aus den genannten Gründen nur mit "Null" angenommen werden kann.

cc) Darüber hinaus ist die Festsetzung der Beklagten kartellrechtswidrig (vgl. BGH NJW 2006, 684 Rdnrn. 28/29). Die Beklagte war auf dem Markt der Stromdurchleitung in ihrem Netzbereich marktbeherrschend im Sinne der §§ 19/20 GWB. Abzustellen ist dabei nach dem sogenannten Bedarfsmarktprinzip auf diesen Markt. Die Klägerin war zur Versorgung ihrer in diesem Netz ansässigen Endkunden mangels Alternativen auf die Durchleitung durch das Netz der Beklagten angewiesen.

Ihre Marktmacht hat die Beklagte durch ihre Entgeltbemessung missbraucht.

Zwar obliegt insoweit die Darlegungs- und Beweislast nach herrschender Meinung - entsprechend der ausdrücklichen Regelung in Art. 2 S. 1 VO Nr. 1/2003 - in vollem Umfange dem Kläger (vgl. Emmerich, in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 33 Rdnrn. 86/87; Rehbinder, in Loewenheim/Meessen/Riesenkmapff, GWB, § 33 Rdnrn. 56/59). Insofern besteht nach Ansicht des Senats jedoch in einer Situation wie der vorliegenden eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten (vgl. BGH NJW 2003, 1449 für den Fall des Rückzahlungsanspruchs bei möglicherweise unbilliger Entgeltfestsetzung). Die marktbeherrschende Stellung der Beklagten steht fest. Ob die Entgeltfestsetzung missbräuchlich war oder nicht, hing allein von der Kostenstruktur der Beklagten ab, die dem Kläger naturgemäß nicht bekannt ist und die dieser daher auch nicht darlegen kann (vgl. für eine andere Fallgestaltung Lübbig, in Münchener Kommentar, GWB, § 33 Rdnr. 108).

d) Der Anspruch ist nicht verjährt.

Ob ein Fristenvergleich zwischen dem vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden und dem seit dem 01. Januar 2002 grundsätzlich geltenden Recht vorzunehmen ist, kann offen bleiben. Zwar ist grundsätzlich früher geltendes Schuldrecht nicht im Hinblick auf Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB anzuwenden, weil es sich bei Art. 229 § 6 EGBGB um eine "andere" Vorschrift im Sinne der erstgenannten Vorschrift handelt. Jedoch wird erwogen, bei vor dem 01.01.2002 begründeten Dauerschuldverhältnissen in gewissem Umfange das bei Begründung geltende Verjährungsrecht anzuwenden (vgl. BGH NJW 2006, 44 Rdnr. 17). Dies ist für die Entscheidung jedoch unerheblich.

aa) Nach dem früher geltenden Verjährungsrecht wäre eine Verjährung noch nicht eingetreten. Zwar galt für den Rückzahlungsanspruch die Vorschrift des § 197 BGB a.F. (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 197 Rdnr. 4). Der Bundesgerichtshof (NJW-RR 1989, 1013, 1015) hat die Vorschrift auf Rückzahlungsansprüche des Kunden wegen angeblich überhöhter Fernwärmeentgelte angewendet. Dabei hat keine Rolle gespielt, ob die Entgeltvereinbarung anhand des § 315 BGB zu überprüfen war oder nicht. Dass Rückzahlungsansprüche wegen periodisch entrichteter Entgelte § 197 BGB a.F. unterlagen, hat der Bundesgerichtshof auch in seiner späteren Rechtsprechung bestätigt (NJW 2006, 364 Rdnr. 17; NJW 2007, 1584 Rdnr. 17).

Die Verjährungsfrist von vier Jahren, die mit der Zahlung im Jahre 2002 zu laufen begann (s. sogleich unter bb), ist jedoch durch die Einreichung der Klage noch im Jahre 2006 rechtzeitig gehemmt worden. Zwar ist die Klageschrift der Beklagten erst am 23. Februar 2007 zugestellt worden, dies wirkte jedoch nach § 167 ZPO auf den Tag der Einreichung zurück, weil der Kläger alles Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung unternommen hatte.

bb) Auch nach dem seit dem 01. Januar 2002 grundsätzlich geltenden Verjährungsrecht ist der Anspruch noch nicht verjährt.

(1) Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann zwar - vorbehaltlich der noch zu erörternden subjektiven Erfordernisse - mit dem Ablaufe des Jahres 2002. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Rückzahlungsanspruch bereits mit der Zahlung im Jahre 2002 entstanden. Auch und gerade dann, wenn die Bestimmung des Entgelts durch die Beklagte unbillig war, hat - jedenfalls im Umfange der Unbilligkeit - niemals eine Verpflichtung zur Zahlung bestanden. Die Entgeltbestimmung der Beklagten war dann nicht etwa "vorläufig" verbindlich, sondern nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unverbindlich (so auch BGH NJW 2003, 3131; NJW 2005, 2919; Gottwald, a.a.O., § 315 Rdnr. 44; Rieble, a.a.O., Rdnrn. 149 ff.; anders Grüneberg, in Palandt, a.a.O., § 315 Rdnr. 16), so dass die Insol-venzschuldnerin keine Zahlungen zu leisten verpflichtet war (so auch Wollschläger/Telschow, IR 2008, 221, 222). Insoweit unterscheidet sich die Lage des Bereicherungsgläubigers von der umgekehrten Situation; der Entgeltanspruch wird bei unwirksamer Bestimmung erst mit rechtskräftiger Festsetzung durch das Gericht fällig (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 315 Rdnr. 17), so dass der Gläubiger vorher überhaupt keine Zahlung verlangen kann.

(2) Jedoch lagen die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. im Jahre 2002 noch nicht vor.

Ein Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch verfolgt, hat Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung und vom Fehlen des Rechtsgrundes, das heißt, von den Tatsachen, aus denen dessen Fehlen folgt, weiß (BGH NJW 2008, 1729 Rdnr. 26 m.w.N.); dass der Gläubiger hieraus die zutreffenden Schlüsse zieht, ist jedoch grundsätzlich unerheblich (BGH NJW 2008, 2427 Rdnr. 12 m.w.N.).

Die Insolvenzschuldnerin hatte im Jahre 2002 in diesem Sinne keine Kenntnis davon, dass das von der Beklagten verlangte Netznutzungsentgelt unbillig war und ihr daher Rückzahlungsansprüche zustanden. Nach ihrer unwiderlegten Darstellung im Schriftsatz vom 21. April 2008 wusste sie lediglich, dass die Netznutzungsentgelte von den Kartellbehörden "in Frage gestellt" wurden. Die Kostenstruktur der Beklagten kannte sie nicht. Dementsprechend hat sie den Vorbehalt im Schreiben vom 23. Juli 2001 nur ganz allgemein motiviert ("Netznutzungsentgelte, deren Höhe gerichtlich oder kartellrechtlich überprüft wird"). Eine derart allgemeine Vermutung, dass die Höhe der verlangten Netznutzungsentgelte möglicherweise überhöht ist, reicht für eine Kenntnis nicht aus (weitergehend möglicherweise Wollschläger/Telschow, IR 2008, 221, 223). Die Bemerkung des Klägers in der Klageschrift, auf die das Landgericht abgestellt hat, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Sie ließ nicht erkennen, auf welcher Grundlage die dort angesprochene Annahme einer Unbilligkeit der Netznutzungsentgelte beruhte.

Dass die Insolvenzschuldnerin infolge grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis der die Unbilligkeit begründenden Tatsachen geblieben ist, ist nicht erkennbar. Die dafür notwendigen Zahlen zur Kostenstruktur der Beklagen waren für sie nicht ermittelbar.

Auf die Frage, ob ausnahmsweise eine frühere Klage auch deshalb unzumutbar war, weil die mit einer Rückforderung verbundenen Rechtsfragen verwickelt waren (dagegen Wollschläger/Telschow, a.a.O.) und deswegen die Verjährung erst mit Klärung dieser Rechtsfragen begann, kommt es danach nicht an.

cc) Hinzuweisen ist lediglich darauf, ohne dass es noch darauf ankäme, dass auch Ansprüche der Insolvenzschuldnerin aus unerlaubter Handlung - gerichtet auf Herausgabe der Bereicherung - nicht verjährt sind. Zu Recht weist der Kläger insoweit auf § 852 BGB hin; die Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB ist noch nicht abgelaufen. Diese Vorschrift ist auch auf kartellrechtliche Schadensersatzansprüche anzuwenden (vgl. BGH NJW 1995, 2788, 2790 zu Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerb; vgl. allgemein zum Anwendungsbereich des § 852 BGB: Vieweg, in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung, § 852 Rdnr. 7; Wagner, in Münchener Kommentar, a.a.O., § 852 Rdnr. 4).

e) Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 286 Abs. 1 S. 2, § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

III.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2008 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Vortrag des Klägers zum Kenntnisstand der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2002 rechtfertigt eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO nicht. Die Bemerkung des Klägers in der Klageschrift, die das Landgericht als Grundlage für seine Klageabweisung genommen hat, war ersichtlich missverständlich und daher aufklärungsbedürftig.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich. Die umstrittene Frage, welche Auswirkungen eine schwierige Rechtslage auf die Verjährung hat, stellt sich - wie bereits ausgeführt - nicht.

Berufungsstreitwert: 78.764,29 Euro

Ende der Entscheidung

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