Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: VI-2 U (Kart) 8/06
Rechtsgebiete: GWB, BGB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 19
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 2 S. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 20
GWB § 20 Abs. 1
GWB § 33 Abs. 1
GWB § 33 Abs. 3 S. 1
GWB § 33 Abs. 3 S. 5
BGB § 252
BGB § 288 Abs. 1 S. 2
BGB § 291
BGB § 315
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. September 2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen, ihren Fernwärmekunden Preiserhöhungen in Aussicht zu stellen, wenn diese anstelle einer gleichzeitigen Abnahme von Fernwärme, Strom und/oder Gas die Klägerin mit der Lieferung von Strom oder Gas beauftragen wollen.

2.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, 75.793 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2007 an die Klägerin zu zahlen.

Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Die Beklagte darf die Vollstreckung des Zahlungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I. Die Klägerin beliefert Endkunden mit Gas und Elektrizität. Wie die beklagten Stadtwerke erbringt sie daneben Dienstleistungen auf dem Energiesektor. Die Beklagte versorgt mittels eigener Leitungsnetze insbesondere das Stadtgebiet von Düsseldorf mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser. In Düsseldorf beliefert sie nahezu alle an das Netz angeschlossenen Gaskunden. Bei Fernwärme ist sie in Düsseldorf alleiniger Lieferant. Die Beklagte belieferte auch die mit Hauptsitz in Düsseldorf ansässige V... AG (im Folgenden: V...) mit Strom, Gas und Fernwärme. Die V... benötigt Erdgas und Fernwärme insbesondere zu Heizzwecken.

Mitte des Jahres 2005 verhandelte die V... mit möglichen Lieferanten über die Belieferung ihrer Gebäude mit Elektrizität, Erdgas und Fernwärme im Zeitraum von Januar 2006 bis Ende des Jahres 2007 (Gas bis zum 30.9. oder 1.10.2007, Strom und Fernwärme bis zum 31.12.2007). Die Belieferung war nach Energieträgern getrennt ausgeschrieben worden. Es sollten Festpreise angegeben werden. Die Parteien beteiligten sich an den Verhandlungen, wobei die Klägerin bei Erdgas das preisgünstigste Angebot abgab, das um knapp 33.000 Euro billiger war als das Angebot der Beklagten. Bei Strom und Fernwärme war hingegen das Angebot der Beklagten das annehmbarste und sollte den Zuschlag erhalten. Die Mitteilung der V..., die Klägerin mit der Gasbelieferung zu beauftragen, beantwortete die Beklagte im Juli 2005 dahin (vgl. Anlage K 1 = GA 23: schriftliche Bestätigung einer vorangegangenen mündlichen Erklärung):

Sobald eine bestehende Verbundlieferung aufgelöst wird, müssen wir eine vorgegebene Wirtschaftlichkeit mit den verbleibenden Energiearten erfüllen. Dies bedeutet konkret, dass der von uns genannte Festpreis für die Energieform Fernwärme im beschriebenen Fall nicht gehalten werden könnte.

Hätte die V... von der Beklagten nur Strom und Fernwärme, Gas hingegen von der Klägerin bezogen, hätten sich die Energielieferungen um insgesamt mehr als 50.000 Euro verteuert. Allein der Preis für die Fernwärmebelieferung wäre von der Beklagten im Wege nachträglicher Änderung ihres Angebots um rund 12 % angehoben worden. Durch Nachverhandlungen, dies freilich unter der Voraussetzung einer Verbundlieferung durch die Beklagte, ließ sich der Mehraufwand auf etwa 20.000 Euro reduzieren. Ende Juli 2005 beauftragte V... die Beklagte, sie in den genannten Zeiträumen mit Elektrizität, Gas und Fernwärme zu beliefern (schriftlicher Auftrag vom 29.7.2005, GA 61).

Mit Schreiben vom 18.8. und 14.9.2005 (Anlagen K 3 = GA 25 und K 4 = GA 26) beanstandete die Klägerin das bei den Verhandlungen an den Tag gelegte Verhalten der Beklagten und forderte sie wegen des verloren gegangenen Gaslieferungsauftrags zum Ersatz entgangenen Gewinns im Betrag von 75.793 Euro auf (Schadensberechnung Anlage K 2 = GA 24). Sie hat Klage auf Unterlassung und Schadensersatz erhoben.

Die Klägerin hat das Inaussichtstellen einer Preiserhöhung bei der Fernwärmebelieferung (und - wie sie behauptet - außerdem bei Strom) als Missbrauch einer der Beklagten zukommenden marktbeherrschenden Stellung auf den relevanten Märkten bewertet. Die Beklagte habe den Absatz der getrennt ausgeschriebenen Energieträger kartellrechtlich unzulässig verkoppelt, um ihren, der Klägerin, Zugang auf den Markt für den Absatz von Erdgas zu verhindern. Die Klägerin hat die Beklagte deswegen für unterlassungs- und schadensersatzpflichtig gehalten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren Fernwärmekunden ohne sachliche Rechtfertigung Preiserhöhungen in Aussicht zu stellen, wenn diese anstelle der gleichzeitigen Abnahme ein Drittunternehmen mit der Lieferung von Strom oder Gas beauftragen,

hilfsweise, ihren Fernwärmekunden Preiserhöhungen in Aussicht zu stellen, wenn diese anstelle der gleichzeitigen Abnahme ein Drittunternehmen mit der Lieferung von Strom oder Gas beauftragen,

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, 75.793 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.9.2005 an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich für eine Substituierbarkeit der Energieträger und die bundesweite Abgrenzung eines einheitlichen Wärmemarkts ausgesprochen. Aufgrund dessen hat sie eine Marktbeherrschung in Abrede gestellt. Ihrer Meinung zufolge ist auch die Absatzkoppelung nicht zu beanstanden. Sie habe sich dabei allein von kaufmännischen Überlegungen leiten lassen, was nicht zu beanstanden sei. Für den Fall insbesondere der Fernwärmelieferung durch ein Drittunternehmen wären der V... lediglich Standardpreise berechnet worden. Ferner hat die Beklagte die Lieferfähigkeit der Klägerin und den geltend gemachten Schaden in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Den Klageantrag zu 1 hat es wegen Unbestimmtheit verworfen, den Hilfsantrag hat es für unbegründet erachtet. Dabei hat es offengelassen, ob die von der Beklagten vertretene Wärmemarktthese zutrifft, bei Unterstellung einer Beherrschung der relevanten Märkte durch die Beklagte aber die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verneint und dies damit begründet, die Beklagte habe der V... für den Fall, dass Erdgas von einem andern Lieferanten bezogen werde, aufgrund zulässiger kaufmännischer Erwägungen eine Erhöhung des Bezugspreises für Fernwärme (sowie für Strom) angekündigt. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie verfolgt das Klageziel weiter und trägt im Wesentlichen vor:

Die Annahme eines einheitlichen Wärmemarkts sei ungerechtfertigt. Außerdem bestreitet die Klägerin eine Berechnung von Standardpreisen gegenüber der V... und die von der Beklagten geltend gemachten sowie vom Landgericht angenommenen Synergie- und Einsparungseffekte im Fall einer Verbundlieferung. Ihrer Ansicht zufolge hat die Beklagte solche Effekte nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren Fernwärmekunden Preiserhöhungen in Aussicht zu stellen, wenn diese anstelle einer gleichzeitigen Abnahme von Fernwärme, Strom und/oder Gas ein Drittunternehmen mit der Lieferung von Strom oder Gas beauftragen wollen,

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, 75.793 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.9.2005 an sie zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die von ihr vertretene Marktabgrenzung, wonach sämtliche denkbaren Energieträger einem einheitlichen Wärmemarkt zuzuordnen sind, auf dem sie über keine marktbeherrschende Stellung verfüge. Sie macht geltend, die V... hätte im Fall eines getrennten Gasbezugs von der Klägerin nur die vergleichbaren Fernwärmekunden berechneten Preise zu zahlen gehabt. Umgekehrt, nämlich bei einem Bezug aller Energieträger von ihr, der Beklagten, aber auch nur dann, hätten unter kaufmännischen Gesichtspunkten Mengen- und Synergieeffekte preislich an die V... weitergegeben werden können. Mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 15.1. und 3.3.2008 hat die Beklagte zur Sache weiter vorgetragen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle (GA 364 f., 382 ff.) Bezug genommen.

Der Senat hat durch Vernehmung der Zeugen W... und K... Beweis erhoben (Beweisbeschluss GA 368 f.). Auf die Vernehmungsniederschriften wird verwiesen (GA 383 ff.).

II. Die Berufung hat im Wesentlichen Erfolg. Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme eines Teils der beanspruchten Zinsen begründet.

Die vom Landgericht angenommenen Bedenken an der Bestimmtheit der Klage bestehen nicht mehr, nachdem die Klägerin das mit dem Hilfsantrag angebrachte Begehren im Berufungsrechtszug zum Gegenstand des Hauptantrags gemacht hat.

In der Sache hat die Klägerin nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 20 Abs. 1 GWB in der Fassung der Änderung des GWB vom 7.7.2005 (BGBl. I 2546) gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass diese Geschäftspraktiken der in Rede stehenden Art künftig unterlässt. Gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1 GWB steht der Klägerin ferner der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.

1. Der Unterlassungsanspruch ist gerechtfertigt, da die Beklagte den Umstand, dass sie den relevanten Markt für den Absatz von Fernwärme beherrscht, dazu missbraucht hat (§ 19 Abs. 1, 4 Nr. 1 GWB), die Klägerin vom einschlägigen Gasabsatzmarkt fernzuhalten, und sie diese dadurch zugleich in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unbillig behindert hat (§ 20 Abs. 1 GWB). Das Verhalten der Beklagten auf dem Fernwärmemarkt hat sich auf dem von ihr beherrschten Gasmarkt im Sinn einer Behinderung für die Klägerin ausgewirkt.

a) Nach § 19 Abs. 1 GWB ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein Unternehmen verboten. Gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB liegt ein Missbrauch insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt. Dabei muss die Beeinträchtigung nicht auf dem beherrschten Markt (hier dem Fernwärmeabsatzmarkt), sondern kann auch auf einem anderen Markt eintreten (im Streitfall auf dem relevanten Gasmarkt), sofern nur ein Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem zu missbilligenden Verhalten oder der den Wettbewerb beeinträchtigenden Auswirkung zu bejahen ist (BGH, Urteil vom 4.11.2003 - KZR 16/02, GRUR 2004, 255, 256, Strom und Telefon I m.w.N.).

aa) Die Beklagte ist Normadressatin des Missbrauchsverbots. Sie beherrscht den einschlägigen Fernwärmeabsatzmarkt genauso wie den in den Blick zu nehmenden Gasmarkt. Die dafür maßgebende sachliche und räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich nach den tatsächlichen Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite (Bedarfsmarktkonzept; vgl. BGH GRUR 2004, 255, 256, Strom und Telefon I; BGH GRUR 1989, 142 = WuW/E BGH 2483, 2487 f., Sonderungsverfahren; BGH WuW/E BGH 3037, 3042, Raiffeisen). Dabei können Teilmärkte zu bilden sein, sofern rechtliche, wirtschaftliche, technische oder sonstige tatsächliche Schranken, mithin objektive Gründe, die funktionale Austauschbarkeit der Lieferung oder Leistung beeinträchtigen. Auch die tatsächlichen Abnehmergewohnheiten sind zu berücksichtigen.

(1.) In sachlicher Hinsicht kann bei Fernwärme wegen eines gegenüber Haushalts- und Kleingewerbekunden unterschiedlichen Abnahmeverhaltens, insbesondere einer höheren Preissensibilität, auf einen Markt für die Belieferung von größeren bis großen Gewerbekunden mit Fernwärme abgestellt werden. Von streitentscheidender Bedeutung ist dies aber nicht, da Abnehmer, und zwar auch größere gewerbliche Abnehmer wie die V..., die sich dafür entschieden haben, mit Fernwärme zu heizen, und die in ihren Gebäuden die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen in der Vergangenheit geschaffen haben, keine reale Möglichkeit haben, auf andere Anbieter von Wärmeenergie auszuweichen. Sie müssten dazu ihr Heizungssystem mit hohem finanziellen Aufwand umstellen (im Ergebnis ebenso OLG Naumburg, Urteil vom 11.5.2005 - 1 U 6/05 (Kart) unter II.1.). Beim Bezug von Erdgas sind in sachlicher Hinsicht auf den unterschiedlichen Versorgungsstufen Märkte für die Belieferung von regionalen und örtlichen Weiterverteilern sowie die Endkundenmärkte für die Versorgung von Haushalts- und Kleingewerbekunden einerseits sowie von größeren Gewerbekunden wie der V... andererseits voneinander abzugrenzen. Eine Unterscheidung nach einer Belieferung mit sog. H-Gas (high caloric gas) oder L-Gas (low caloric gas) kann unterbleiben (siehe dazu auch die Aussage des Zeugen W... GA 384: In Düsseldorf wird ausschließlich L-Gas geliefert). Auch auf dem Endkundenmarkt für die Belieferung mit Gas verfügen Nachfrager wegen der in die Heizungsanlagen getätigten hohen Investitionen über keine echte Alternative, zu einem anderen Energieträger (Elektrizität, Fernwärme, Heizöl oder Kohle) zu wechseln.

In beiden Fällen, beim Bezug von Erdgas oder Fernwärme, aber auch jeden anderen Energieträgers zu Beheizungszwecken, haben Nachfrager vorher nämlich die Entscheidung für ein bestimmtes Heizsystem getroffen und darin mehr (Gas- oder Ölbeheizung) oder weniger (Strom oder Fernwärme) aufwändig investiert. Dies hält sie, so sich die vorgenommenen Investitionen nicht als nutzlos erweisen und darüber hinaus bei einer Umstellung nicht noch weitere Aufwendungen getätigt werden sollen, über lange Jahre an den mit der Systementscheidung ausgewählten Wärmeträger gebunden (so auch die Monopolkommission, Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung, Sondergutachten 49, Tz. 416, 443). Bei einer solchen Sachlage ist im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung darauf abzustellen, welche Alternativen den Nachfragern, die in der Vergangenheit bereits ein bestimmtes Heizungssystem installiert haben, beim Bezug von Wärmeenergie tatsächlich zur Verfügung stehen. Wegen der getätigten Investitionen bildet indes die Belieferung mit einem Energieträger, der zumindest kostenintensive Änderungen am bestehenden System, wenn nicht sogar die Installation eines im Prinzip anderen Heizsystems erfordert, für solche Nachfrager keine wirkliche Bezugsalternative und sind die verschiedenen Formen der Wärmeenergie daher in der Regel nicht gegeneinander austauschbar (so BGH NJW 2002, 3779, 3781, Fernwärme für Börnsen, sowie zuletzt, wenn auch für einen anderen Markt [Markt für die Befüllung von Kohlesäurezylindern zur Verwendung in Besprudelungsgeräten], BGH, Beschluss vom 4.3.2008 - KVR 21/07, Soda Club II, zitiert nach der dem Senat bislang ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung Nr. 41/2008 vom 4.3.2008; OLG Dresden, Urteil vom, 11.12.2006 - U 1426/06 Kart, RdE 2007, 58; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.6.2006 - 7 U 194/04, UA Rn. 8, NJOZ 2006, 2833). Bleiben Nachfrager kraft der Entscheidung für ein bestimmtes Heizungssystem aber tatsächlich langfristig auf einen Bezug des entsprechenden Wärmeenergieträgers angewiesen, ist in sachlicher Hinsicht ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie nicht anzunehmen (anders der erste Kartellsenat des OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.2.2005 - U (Kart) 19/04, RdE 2005, 169; OLG München, Urteil vom 19.10.2006 - U (K) 3090/06, RdE 2007, 133 = ZNER 2006, 352).

Das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13.6.2007 (VIII ZR 36/06, NJW 2007, 2540) gibt entgegen der Meinung der Beklagten nichts für die Annahme eines einheitlichen, in sachlicher Hinsicht bundesweit abzugrenzenden Wärmemarkts her (so auch Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419, 427 f.), da die Urteilsgründe (siehe dazu auch die Anmerkung von Markert, RdE 2007, 263, 266) nicht in einem dahingehenden Sinn zu verstehen sind (anders: OLG Celle, Beschluss vom 10.1.2008 - 13 VA 1/07 (Kart), Tz. 30 ff.; OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 19.2.2008 - 11 U 12/07 (Kart) und 11 U 13/07 (Kart)). Die Entscheidung spricht sich nicht für eine Änderung der sachlichen Marktabgrenzung beim Bezug von Wärmeenergie aus. Vielmehr hat der VIII. Zivilsenat die Frage eines auf dem Wärmemarkt (genauer: auf dem Markt für Heizsysteme) bestehenden Substitutionswettbewerbs ausschließlich im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anwendung der in § 315 BGB normierten Billigkeitskontrolle auf einen vereinbarten Gastarif erörtert, wozu zum Teil auch die Monopolstellung des Versorgungsunternehmens herangezogen wird (vgl. BGH a.a.O. 2543). Dies betrifft aber nicht die sachliche Marktabgrenzung, sondern bezieht sich auf die an dieser Stelle noch nicht zu untersuchende Marktbeherrschung nach § 19 Abs. 2 S. 1 GWB, bei der die Wettbewerbskräfte gegenüberzustellen sind, denen das betreffende Unternehmen (hier als Anbieter von Waren und gewerblichen Leistungen) auf dem Markt unterliegt und die bei einem funktionierenden Substitutionswettbewerb die Nachfragerseite allerdings dazu veranlassen können, sich bei der Neuinstallation eines Heizungssystems für einen bestimmten Wärmeenergieträger zu entscheiden oder bei schon vorhandenen Heizungsanlagen eine Systemumstellung auf eine andere Wärmeenergieart vorzunehmen (im Ergebnis ebenso: Becker/ Zapfe, a.a.O. 428). Was die tatsächliche Marktabgrenzung anbelangt, ist im Übrigen auf die Bemerkung im Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu verweisen, der Wechsel zu einer anderen Energieart bilde wegen der damit verbundenen Kosten für Nachfrager unter Umständen keine echte Alternative (BGH a.a.O., 2543 Rn. 34 a.E.).

(2.) Geographisch betrachtet sind die Absatzmärkte sowohl bei Fernwärme als auch bei Gas auf die jeweiligen Verteilnetzgebiete der Beklagten begrenzt. Die Fernwärmeversorgung erfolgt in Deutschland in der Regel innerhalb geschlossener Systeme, in denen Durchleitungen praktisch nicht vorkommen. Die Beklagte ist Eigentümerin der lokalen Fernwärmeversorgungsleitungen. Eine Verbindung zu anderen Netzen besteht unstreitig nicht. Infolgedessen haben Nachfrager keine reale Möglichkeit, auf andere Anbieter von Fernwärme auszuweichen (siehe insoweit auch die Aussage des Zeugen W... GA 383). Davon abgesehen: Ein Fernwärmebezug von überörtlichen Verteilern scheidet praktisch überdies wegen des auf größeren Transportstrecken unvermeidbaren Wärmeverlusts in den meisten Fällen aus (ebenso OLG Naumburg, Urteil vom 11.5.2005 - 1 U 6/05 (Kart) unter II.1.). Auch beim Gasbezug durch größere und große Gewerbekunden wie der V... ist die räumliche Marktabgrenzung netzbezogen vorzunehmen. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 13.12.2005 - KVR 13/05, WuW/E DE-R 1726 = NVwZ 2006, 962, Stadtwerke Dachau; Senat, Beschluss vom 20.6.2006 - VI-2 Kart 1/06 (V), WuW/E DE-R 1757, E.ON-Ruhrgas; Beschluss vom 23.11.2005 - VI-2 Kart 14/04 (V), WuW/E DE-R 1639, Mainova/Aschaffenburger Versorgungs GmbH) sowie auch der Auffassung des Bundeskartellamts (Beschluss vom 13.1.2006 - B 8-113/03, WuW/E DE-V, E.ON-Ruhrgas; Beschluss vom 22.7.2004 - B 8-27/04, WuW/E DE-V 983, Mainova/Aschaffenburger Versorgungs GmbH; Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419, 423, 427) und der Monopolkommission. Diese Marktabgrenzung erscheint weiterhin sachgerecht (vgl. Monopolkommission, Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung, Sondergutachten 49, Tz. 441, 442). Da nämlich kein rechtlich abgesichertes und praktisch handhabbares Durchleitungssystem besteht, das anderen Weiterverteilern die Möglichkeit einräumt, Nachfrager in dem in Rede stehenden Gebiet zu Wettbewerbsbedingungen zu beliefern, werden und wurden die Marktverhältnisse sowohl gegenwärtig als auch im maßgebenden Jahr 2005 noch davon bestimmt, dass die Gasversorgungsunternehmen in ihren herkömmlichen Versorgungsgebieten über ein natürliches Monopol an der Netzstruktur verfügten und verfügen (BGH, Beschluss vom 13.12.2005 - KVR 13/05, NVwZ 2006, 962, Stadtwerke Dachau). Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für einen - gewissermaßen - Durchleitungsautomatismus sind bekanntlich noch nicht geschaffen worden (vgl. auch Monopolkommission, Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung, Sondergutachten 49, Tz. 445, 446 m.w.N.; Becker/Zapfe, a.a.O. 429 f.). Infolgedessen haben sich die Marktstrukturen nicht verändert.

bb) Die Beklagte ist und war auf den Märkten für die Belieferung von größeren und großen Gewerbekunden mit Fernwärme (siehe auch die Aussage des Zeugen W... GA 383: Fernwärme konnte nur von der Beklagten bezogen werden) und Ergas marktbeherrschend im Sinne des § 19 Abs. 2 S. 1 GWB. Für Nachfrager von Fernwärme ist sie im Stadtgebiet von Düsseldorf ohne Wettbewerber und unangefochten der einzige Lieferant. Auf dem lokalen Markt, auf dem Gewerbekunden Erdgas nachfragen, genießt die Beklagte aufgrund ihres natürlichen Monopols an der Verteilnetzstruktur und des Umstands, dass es bislang an einem massentauglichen Durchleitungssystem fehlt, jedenfalls eine überragende Marktstellung.

Zwar bestehen generell Substitutionsbeziehungen zwischen den verschiedenen Wärmeenergieträgern (Erdgas, Elektrizität, Fernwärme und Öl). Davon ist auch der Gesetzgeber bei der Öffnung der Energiemärkte durch die Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Jahr 1998 ausgegangen (siehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23.3.1997, BT-Drucksache 13/7274, S. 9, 16). Es wäre indes ein Irrtum anzunehmen, allein diese Konkurrenz der Energieträger führe bereits zu einem hinreichenden Wettbewerbsdruck auf die bisher marktbeherrschenden Versorgungsunternehmen, der ihre marktbeherrschende Stellung ernsthaft in Frage stellen kann. Eine Änderung der Marktverhältnisse, und mithin auch der Beherrschungsstrukturen, tritt nicht bereits mit einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen und erst recht nicht durch bloße Erwartungen hinsichtlich einer künftigen Marktentwicklung ein, sondern erst durch eine tatsächliche Veränderung der Marktverhältnisse (vgl. BGH a.a.O., Stadtwerke Dachau). Auf den relevanten Märkten haben sich ernstzunehmende Veränderungen tatsächlich aber noch nicht eingestellt (so auch Becker/Zapfe, a.a.O. 428 ff.; Monopolkommission, a.a.O. Tz. 416). Diese Feststellung widerspricht nicht den Ausführungen des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 13.6.2007 (VIII ZR 36/06, NJW 2007, 25,40, 2543). Der Senat hat lediglich im Hinblick auf den in einem Einzelfall erhobenen Gaspreis Aussagen zur Substituierbarkeit der Heizenergieträger getroffen. Dagegen hat er nicht über die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage geurteilt, ob die auf den relevanten Märkten tatsächlich anzutreffenden Kräfte die Annahme einer Marktbeherrschung der angestammten Versorger nicht mehr gebieten. Insoweit ist für den Streitfall festzustellen, dass ungeachtet theoretisch bestehender Austauschmöglichkeiten in den Fernwärme- und Gasverteilnetzen der Beklagten tatsächlich kein nennenswerter Substitutionswettbewerb stattfand, da die Nachfrager überregionale Angebote faktisch nicht wahrnahmen oder solche aufgrund vorhandener Wettbewerbsschranken nicht wahrnehmen konnten.

cc) Die Beklagte hat die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer, auf dem Gasmarkt tätiger Unternehmen in einer für den Wettbewerb erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt und dadurch ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Anders als dies von der Rechtsprechung noch im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 GWB gesehen wird (vgl. BGH WuW/E BGH 2483, 2489 f., Sonderungsverfahren), ist der Missbrauchstatbestand nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB gegeben, wenn das einen Markt beherrschende Unternehmen unter Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem von ihm nicht beherrschten Markt in einer für den Wettbewerb erheblichen Weise beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem Drittmarkt eintreten, sofern nur ein Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem missbilligten Verhalten oder seiner wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung anzunehmen ist (BGH GRUR 2004, 255, 256, Strom und Telefon I m.w.N.). Kann es den Missbrauchstatbestand erfüllen, wenn das wettbewerbliche Handeln des Marktbeherrschers kartellrechtlich relevante Ausstrahlung auf einen nicht beherrschten Drittmarkt entfaltet, ist der Anwendungsbereich der Norm ebenfalls dann eröffnet, wenn der Marktbeherrscher auch über eine den Drittmarkt beherrschende Stellung verfügt.

Im Streitfall hat die Beklagte die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf dem von ihr beherrschten Markt für den Absatz von Gas an größere Gewerbekunden erheblich beeinträchtigt, indem sie (in der Zeit nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle) auf dem von ihr ebenfalls beherrschten Fernwärmeabsatzmarkt den Bezugspreis abweichend vom ursprünglichen Angebot um rund 12 % angehoben hat und eine Belieferung mit Elektrizität, Erdgas und Fernwärme in der Weise aneinander gekoppelt hat, dass sie nur für den Fall einer Verbundlieferung bereit gewesen ist, den Bezugspreis zu ermäßigen. Die Koppelung eines Bezugs aller drei Energieträger verbunden mit einer Preisreduzierung für den Nachfrager ist, wie auch das Landgericht mit Recht angenommen hat, im Wettbewerb allerdings nicht ungewöhnlich, da sie nach wirtschaftlicher Erfahrung oftmals Rationalisierungs- und Synergieeffekte mit sich bringt, die vom Anbieter (gegebenenfalls teilweise) als Preisvorteil an den Nachfrager weitergegeben werden können. Insoweit ist auch einem marktbeherrschenden Unternehmen ein unternehmerischer Gestaltungsspielraum einzuräumen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen und zu entscheiden, mit welchen Angeboten es am Markt auftreten will (vgl. BGH GRUR 2004, 255, 258, Strom und Telefon I). Die Angebotskoppelung ist demnach als solche nicht zu beanstanden. Isoliert betrachtet handelt sich dabei um kein Verhalten, das der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderläuft. Der Widerspruch zur Zielsetzung des Gesetzes kann sich aber aus den Auswirkungen des vom Marktbeherrscher an den Tag gelegten wetttbewerblichen Verhaltens ergeben. Dies ist der Fall, wenn dadurch auf dem Drittmarkt Marktzutrittsschranken für Wettbewerber errichtet (so BGH GRUR 2004, 255, 258 f., Strom und Telefon I) oder solche, sollten sie auf jenem Markt bereits bestehen, aufrechterhalten, verfestigt oder sogar vertieft werden (vgl. BGH NVwZ 2006, 962, 963, Stadtwerke Dachau). Das Ziel der Missbrauchsaufsicht und genauso des seit der 6. GWB-Novelle bei missbräuchlichem Wettbewerbsverhalten eröffneten (beschränkten) Individualrechtsschutzes ist die Offenhaltung des Marktzugangs und zugleich die Öffnung solcher Märkte, zu denen Wettbewerber aufgrund wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger tatsächlicher Schranken bislang nur einen erschwerten Zugang haben (vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 880, 883 f., Strom & Fon).

Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte bestrebt gezeigt, einen größeren Endabnehmer durch eine Preiserhöhung auf dem von ihr beherrschten Fernwärmeabsatzmarkt und das Angebot eines Preisvorteils bei einem gekoppelten Bezug von Elektrizität, Erdgas und Fernwärme weiter an sich zu binden. Die aufgrund der Marktbeherrschung der Beklagten ohne weiteres durchsetzbare Preiserhöhung beim Fernwärmebezug und die anschließende Koppelung mit einem Bezug von Gas strahlen auf den Markt für den Absatz von Erdgas aus und führen dazu, dass die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf jenem Markt erheblich beeinträchtigt und Wettbewerber vom einschlägigen Absatzmarkt für Erdgas ferngehalten werden. Das darauf abzielende Verhalten ist der Beklagten aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung auf dem Fernwärmemarkt möglich. Das Verhalten der Beklagten ist sachlich nicht gerechtfertigt; ein schutzwürdiges Interesse daran ist abzulehnen. Es werden dadurch zwar keine neuen Schranken auf dem Gasabsatzmarkt errichtet, aber schon bislang bestehende Marktzugangserschwernisse aufrechterhalten und verfestigt. Dies widerspricht der erklärten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die gerade auf den Gasversorgungsstufen bestehenden Monopole aufzubrechen und namentlich zu verhindern, dass Endkunden trotz der Liberalisierung der Energiemärkte faktisch weiterhin an einen Bezug vom bisherigen Versorger gebunden bleiben (vgl. BGH NVwZ 2006, 962, 963, Stadtwerke Dachau). Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, ihre Angebotsstellung lediglich an kaufmännischen Überlegungen, so an den bei einer Verbundlieferung zu erwartenden Einsparungs- und Synergieeffekten, ausgerichtet zu haben, um sich gegenüber der Klägerin im Wettbewerb durchzusetzen. Das insoweit bestehende und im Prinzip nicht anstößige Interesse eines Marktbeherrschers findet dort seine Grenzen, wo es der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zuwiderläuft und sich insbesondere gegen die Offenheit des Marktzugangs richtet (vgl. BGH a.a.O., Stadtwerke Dachau). Marktbeherrschende Unternehmen stehen aufgrund ihrer Position in einer besonderen Verantwortung, es durch ihr Verhalten zu keinen anhaltenden Beeinträchtigungen der Marktzugänge und damit der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen kommen zu lassen.

b) Das beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt außerdem gegen das Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB. Danach dürfen marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern. Die Beklagte ist, wie vorhin begründet worden ist, auf dem räumlich auf ihr Verteilnetzgebiet begrenzten Markt für den Absatz von Erdgas an größere und große Endkunden marktbeherrschend. Sie hat die Klägerin durch ihr Verhalten auf dem Fernwärmeabsatzmarkt im Geschäftsverkehr auf dem Markt für den Absatz von Erdgas, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, mittelbar behindert. Die behindernde Wirkung ihres Verhaltens ist auf dem Gasabsatzmarkt eingetreten. Auf diesem Markt sind sowohl die Klägerin als auch die Beklagte geschäftlich tätig. Der Sachverhalt ist infolgedessen vom Anwendungsbereich der Norm umfasst (vgl. BGH WuW/E BGH 2483, 2489 f., Sonderungsverfahren). Die Behinderung der Klägerin ist als unbillig zu qualifizieren. Dies folgt aus der hier gebotenen Interessenabwägung, die im Lichte der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzunehmen ist. Gegenüber dem gesetzlichen Ziel einer Öffnung und Offenhaltung der Märkte als einer unerlässlichen Voraussetzung für einen wirksamen und unverfälschten Leistungswettbewerb können sich die privatwirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht durchsetzen.

c) Als Folge der festzustellenden und die Klägerin als Mitbewerber beeinträchtigenden Rechtsverstöße gegen die §§ 19 und 20 GWB ist die Beklagte nach § 33 Abs. 1 S. 1 GWB einem Unterlassungsanspruch der Klägerin ausgesetzt. In Bezug auf eine Belieferung von Kunden der Beklagten durch die Klägerin mit Erdgas besteht Wiederholungsgefahr, die sich aus den in der Vergangenheit begangenen Rechtsverstößen ergibt. Daraus, aus der Sachnähe und aus dem Umstand, dass die Beklagte ihr Verhalten sowohl vorgerichtlich (siehe Schreiben vom 31.8.2005, Anlage K 5 = GA 27 f.) als auch im Prozess verteidigt hat, folgt zugleich eine Begehungsgefahr für solche Fallgestaltungen, in denen Kunden der Beklagten die Klägerin auch mit einer Belieferung von Strom beauftragen wollen.

2. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 GWB in Verbindung mit Absatz 1 der Vorschrift und § 252 BGB begründet. Die §§ 19 und 20 GWB, gegen die die Beklagte verstoßen hat, sind drittschützender Natur. Die Beklagte hat vorsätzlich, mindestens aber fahrlässig gehandelt. Auf die Verpflichtung zum Schadensersatz wirkt sich ein unterschiedlicher Verschuldensgrad im Übrigen nicht aus.

a) Der Schadensersatzanspruch umfasst den Gewinn, der der Klägerin aus dem wegen der Intervention der Beklagten mit der V... nicht zustandegekommenen Gaslieferungsgeschäft im Fall eines Abschlusses nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich zugeflossen wäre. Dabei unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass die V..., wäre die Beklagte nicht eingeschritten, für den Zeitraum vom 1.1.2006 bis zum 1.10.2007 die Klägerin und nicht die Beklagte mit der Gaslieferung beauftragt hätte, auch wenn zum damaligen Zeitpunkt lediglich ein Angebot der Klägerin über eine solche Belieferung vorgelegen hat. Dazu musste entgegen der Meinung der Beklagten nicht schon ein schriftlicher Vertrag mit der Klägerin entworfen worden sein. Der dazu vom Senat vernommene Zeuge W..., der als Leiter des Gebäudemanagements der V... maßgebend mit der Ausschreibung und der Entscheidung über die Vertragsschlüsse befasst war, hat mit deutlichen Worten erklärt, dass so, wie die Ausschreibung angelegt war und die wirtschaftlichen Interessen der V... gelagert waren, mit einer Vergabe der Gasbelieferung an die Klägerin zu rechnen war. Die Belieferung mit Elektrizität, Erdgas und Fernwärme war vom Zeugen getrennt ausgeschrieben worden, und da er dies späterhin unwidersprochen gerade auf Befragen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nochmals deutlich gemacht hat (GA 384), kann dies als außer Streit stehend gelten. Wenn es nach dem Willen des Zeugen gegangen wäre, hätte er bei den ausgeschriebenen Energiearten das jeweils preisgünstigste Angebot bezuschlagt. Das sprach beim Bezug von Ergas für einen Zuschlag auf das Angebot der Klägerin. Ein Vertragsschluss hätte sich mit dem durch die Ausschreibung ausgewiesenen wirtschaftlichen Interesse der V... gedeckt. Dies alles hat der Zeuge W... überaus nachvollziehbar geschildert, nicht ohne - was seine Glaubwürdigkeit bestärkt - bei der Vernehmung seine Verärgerung darüber zum Ausdruck gebracht zu haben, dass die Beklagte durch nachträgliche Preisanhebung und Herstellen eines Belieferungsverbunds den nicht nur von ihm bezweckten, sondern auch objektiv zu erwartenden wirtschaftlichen Effekt der Ausschreibung zu durchkreuzen verstanden hatte. Dass die Klägerin die V... in der angenommenen Menge von 50 bis 55.000 mW/h mit Erdgas hätte versorgen können, ist der Aussage des Zeugen K... zufolge (damals zuständiger Gastransportmanager bei der Klägerin) nicht zu bezweifeln. Der Zeuge hat glaubhaft davon berichtet, die Klägerin habe im Jahr 2005 auch andere Abnehmer in der genannten Größenordnung beliefert (GA 385). Mit ihren Beweiseinreden nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Beklagte ebenso wenig mehr auf ihr diesbezügliches früheres Bestreiten zurückgekommen (vgl. GA 44, 426 ff.).

b) Der Höhe nach beträgt der der Klägerin entgangene Gewinn (ohne Umsatzsteuer) 75.793 Euro. Er entspricht einem Aufschlag von etwa fünf Prozent auf die Belieferungskosten, was nach dem glaubhaften Bekunden des Zeugen K... mit demjenigen gleichzusetzen ist, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit als Gewinn erwartet werden konnte. Was den Gewinnaufschlag als solchen anbelangt, sind im Übrigen weder die Aussage des Zeugen K... (GA 385) noch die Schadensberechnung der Klägerin (Anlage K 2 = GA 24) von der Beklagten substantiiert, insbesondere unter Hinweis auf eine abweichende Branchenüblichkeit oder die eigene Kalkulation angegriffen worden (GA 44, 165 f., 426 ff.). Die Beklagte hat lediglich in Abrede gestellt, dass die Belieferungskosten von der Klägerin auskömmlich angesetzt worden sind, mit der Folge, dass sich die Gewinnmarge schmälern kann. Indes ist durch die Aussage des Zeugen K... hinlänglich erwiesen, dass die Belieferungskosten korrekt kalkuliert worden sind. Der Zeuge, der die Kalkulation seinerzeit durchgeführt hat, hat seine Vorgehensweise so erläutert, über einen Internetzugang zu Brokerangeboten die im Jahr 2005 geltenden Preise auf den Gashandelsplätzen der BEB (DE) und der TTF (NL) ermittelt und aufgrund der angegebenen Preise eine Mischkalkulation angestellt zu haben (GA 385, 386). Für die Dauer einer Belieferung der V... wäre Gas zu einem Festpreis eingekauft worden (GA 385). Die Beklagte sieht beim kalkulierten Bezugspreis von 2,2 ct/kWh deshalb zu Unrecht einen Widerspruch zu den durch die Anlage K 6 der Klägerin (GA 131) auf dem niederländischen Handelsplatz von TTF dokumentierten Preisen für H-Gas. Als Preis für H-Gas sind in der Übersicht für das Jahr 2005 21 Euro/MWh ausgewiesen (d.h. 2,1 ct/kWh). Auf den Preis für das Jahr 2007 kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten wegen des vom Zeugen K... unbestritten dargestellten Vorhabens - und der Möglichkeit - einer Festpreisvereinbarung für den Lieferzeitraum nicht an. Unabhängig davon hat die Beklagte ebenso wenig vorgetragen, L-Gas sei auf den in Frage kommenden Handelsplätzen nur zu höheren Preisen zu erstehen als H-Gas, wovon wegen des geringeren Heizwerts von L-Gas im Allgemeinen auch nicht ausgegangen werden kann. Die in der Kalkulation angesetzten Transportentgelte sind vom Zeugen K... nachvollziehbar erklärt worden. Gleiches gilt für die Bilanzierungskosten (vgl. GA 385). Die diesbezüglichen Beweiseinreden der Beklagten (GA 427) enthalten in tatsächlicher Hinsicht keine greifbaren Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der vom Zeugen K... bestätigten Kalkulation geben.

c) Ein Zinsanspruch ist der Klägerin erst seit dem 2.10.2007 zuzuerkennen. Er besteht als Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen nach den §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB, 33 Abs. 3 S. 5 GWB. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des ihr im Fall einer Beauftragung durch die V... entgangenen künftigen Gewinns erhoben. Der Anspruch wegen künftigen Gewinnentgangs ist auch bei früherer Rechtshängigkeit der Klage erst von dem Zeitpunkt an zu verzinsen, in dem der Gewinn vom Gläubiger erzielt worden wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 291 BGB Rn. 3 m.w.N.). Da die Klägerin insoweit, insbesondere hinsichtlich der Zahlungen der V... und etwaiger, in den Ausschreibungsbedingungen festgelegter Zeitpunkte nichts vorgetragen hat, kann als frühestmöglicher Zeitpunkt, in dem ihr ein Gewinn entgangen ist, der von ihr in der Schadensberechnung (Anlage K 2 = GA 24) selbst vorgetragene Tag nach Ablauf des Vertragsverhältnisses angesetzt werden. Zahlungsaufforderung, Fristsetzung und Mahnung vom 18.8. und 14.9.2005 (Anlagen K 3 und K 4 = GA 25, 26) sind hingegen ohne eine rechtliche Bedeutung, da die Schadensersatzhauptforderung der Klägerin seinerzeit nicht feststellbar fällig war.

Aus den Gründen des § 543 Abs. 2 ZPO wird die Revision für die Beklagte zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Beklagten: 125.793 Euro

Ende der Entscheidung

Zurück