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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.03.2002
Aktenzeichen: VI 8/97
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 68f
StGB § 145a
StGB § 57 Abs. 1
StGB § 56f Abs. 1
StGB § 68a Abs. 1
StGB § 68b Abs. 2
StGB § 68f Abs. 2
StGB § 57 Abs. 3 Satz 1
StGB § 68f Abs. 1 Satz 1
StGB § 68c Abs. 3 Satz 2
StGB § 68b Abs. 1 Nr. 8
StGB § 68b Abs. 1 Nr. 7
StPO § 463 Abs. 6
StPO § 304 Abs. 4 Satz 2
StPO § 462a Abs. 5 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

VI 8/97

In der Strafvollstreckungssache

wegen unerlaubter Einfuhr und Bearbeitung von vollautomatischen Selbstladewaffen

hat der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B. sowie die Richter am Oberlandesgericht K. und F.

am 25. März 2002

nach Anhörung des Generalbundesanwalts, des Verurteilten und der Vollzugsanstalt

beschlossen:

Tenor:

1.

Mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug am 9. April 2002 tritt Führungsaufsicht ein.

2.

Der Verurteilte untersteht der Aufsichtsstelle bei dem Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen, Albertstraße 4, 01097 Dresden.

3.

Die Höchstdauer der Führungsaufsicht wird auf drei Jahre abgekürzt.

4.

Für die Dauer der Führungsaufsicht wird dem Verurteilten Frau K. K., c/o Sozialer Dienst der Justiz beim Landgericht L., K.-Str. 14, L., als Bewährungshelferin bestellt.

5.

Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht angewiesen,

a) jeden Wechsel des Wohnsitzes oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle schriftlich zu melden,

b) sich einmal monatlich bei der Dienststelle der Bewährungshelferin zu den von dieser bestimmten Zeiten zu melden,

c) sich einmal monatlich zur Sprechstunde der Bewährungshelferin einzufinden und ihren weiteren Vorladungen Folge zu leisten.

Gründe:

I.

Der Verurteilte wurde durch Urteil des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Juni 1997 wegen unerlaubter Einfuhr und Bearbeitung von vollautomatischen Selbstladewaffen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Von dieser Strafe hatte er vom 28. Juli 1995 bis zu seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 5. Mai 1997 mehr als zwei Drittel verbüßt. Der Senat hat die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe mit Beschluss vom 10. Dezember 1997 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2001 hat der Senat die Aussetzung des Strafrestes widerrufen, weil der Verurteilte in der Bewährungszeit Straftaten begangen und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Der Strafrest wird - in Unterbrechung der Untersuchungshaft in anderer Sache - seit dem 18. Juni 2001 vollstreckt; die Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten wird am 9. April 2002 vollständig verbüßt sein.

In der anderen Sache ist der Verurteilte durch das Amtsgericht Leipzig (54 Ls 306 Js 68746/00) am 8. Oktober 2001 wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat der Verurteilte Berufung eingelegt. Die Berufungshauptverhandlung ist nunmehr auf den 30. Mai 2002 terminiert. Im Anschluss an das Ende der Strafhaft in der vorliegenden Sache wird der in der anderen Sache erlassene Haftbefehl voraussichtlich weiter vollzogen werden.

Der Verurteilte hat mit Schreiben vom 8. März 2002 auf eine mündliche Anhörung verzichtet und zugleich mitgeteilt, dass er der Führungsaufsicht zustimmt.

II.

Der - gemäß den §§ 463 Abs. 6, 462a Abs. 5 Satz 1 StPO zur Entscheidung berufene - Senat hält die mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug nach § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht für erforderlich und sieht davon ab, gemäß § 68f Abs. 2 StGB anzuordnen, dass die Maßregel entfällt.

1.

Dem Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes steht nicht entgegen, dass die wegen einer vorsätzlichen Straftat verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten erst vollständig vollstreckt worden ist, nachdem die zunächst gemäß § 57 Abs. 1 StGB gewährte Aussetzung des Strafrestes widerrufen worden war. Es kommt nicht darauf an, ob der Verurteilte die Freiheitsstrafe ohne Unterbrechung verbüßt hat; maßgebend ist vielmehr, ob die Freiheitsstrafe vollständig vollstreckt worden ist (vgl. OLG Köln OLGSt [1981] S. 14 zu § 68f StGB; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 68f Rdn. 5; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 68f Rdn. 4; Horn in SK, StGB, 7. Aufl., § 68f Rdn. 3; a.A. obiter dictum: OLG Hamm NStZ-RR 1996, 31). Die Überschrift zu § 68f StGB ("Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes") ist nach Auffassung des Senats missverständlich und wird dem kriminalpolitischen Zweck der Vorschrift bei einem auf den Wortlaut eingeengten Verständnis nicht hinreichend gerecht. Die Notwendigkeit einer Wiedereingliederungshilfe besteht nämlich bei einem Täter, der nach Aussetzung des Strafrestes durch eine erneute Straftat bzw. den gröblichen oder beharrlichen Verstoß gegen Weisungen oder Auflagen die in ihn gesetzte Erwartung enttäuscht und damit Anlass zu einem Widerruf nach § 57 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 56f Abs. 1 StGB gegeben hat, zumindest gleichermaßen wie bei einem Verurteilten, dem eine Aussetzung des Strafrestes mangels günstiger Sozialprognose oder mangels Einwilligung versagt wurde, im erstgenannten Fall tritt als Voraussetzung der Voltverbüßung und damit der Führungsaufsicht sogar ein Rückfall oder schwerwiegende Unzuverlässigkeit als bestimmte nachteilige Tatsache hinzu, während im zweitgenannten Fall schon das Fehlen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB zur Vollverbüßung mit der Folge der Führungsaufsicht führt.

2.

Der Senat teilt die nahezu einhellige Auffassung, dass die nach § 68f Abs. 2 StGB zu treffende Entscheidung im Falle einer Anschlussvollstreckung zurückzustellen ist, bis die endgültige tatsächliche Entlassung in die Freiheit ansteht (vgl. statt vieler: OLG Bremen MDR 1980, 512; OLG Düsseldorf [1. Strafsenat] VRS 88, 187; OLG München NStZ-RR 1998, 125; Tröndle/Fischer a.a.O. § 68f Rdn. 5 m.w.N.). Die Führungsaufsicht ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung ohne Freiheitsentzug, die sinnvollerweise nur vollzogen werden kann, wenn sich der Verurteilte in Freiheit befindet. Abgesehen davon kann sich die Sozialprognose bis zum Zeitpunkt der Entlassung noch ändern.

Wird der Verurteilte jedoch - wie hier - im Anschluss an die Vollverbüßung in Untersuchungshaft überführt, ist der Strafvollzug (jedenfalls zunächst) beendet und die Führungsaufsicht tritt gemäß § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB kraft Gesetzes mit der Entlassung aus dem Strafvollzug ein. Die Untersuchungshaft wird dann nach § 68c Abs. 3 Satz 2 StGB lediglich nicht in die Dauer der Führungsaufsicht eingerechnet. Bei dieser Sachlage besteht kein Raum für ein Zurückstellen der nach § 68f Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung, zumal der Verurteilte bei Aufhebung oder Außervollzugsetzung des in anderer Sache erlassenen Haftbefehls zu einem für das erkennende Gericht nicht vorhersehbaren Zeitpunkt in die Freiheit gelangen kann.

3.

In der Sache selbst hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, gemäß § 68f Abs. 2 StGB ein Entfallen der Führungsaufsicht anzuordnen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird.

Bei dieser Beurteilung misst der Senat dem Umstand, dass sich der Verurteilte nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt bisher nicht hinreichend mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese nach wie vor bestreitet, nur untergeordnete Bedeutung zu. Dass der Verurteilte erneut in eine politisch-islamistisch motivierte Waffenbeschaffung verwickelt werden könnte, ist unwahrscheinlich. Er hat nach seiner Haftentlassung am 5. Mai 1997 ca. vier Jahre auf freiem Fuß gelebt, ohne dass irgendwelche Kontakte oder Aktivitäten mit politisch-islamistischem Bezug bekannt geworden wären.

Dagegen hat sich der Verurteilte in seinen bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen anfällig für allgemeinkriminelle Vermögensdelikte gezeigt. Er ist keiner geregelten Arbeit nachgegangen, hat mehrfach ohne rechtzeitige Anmeldung die Wohnung gewechselt und ist nach den Berichten seiner Bewährungshelferin zunehmend verwahrlost, nachdem sich seine ihm Halt vermittelnde Lebensgefährtin von ihm getrennt hatte. Über feste soziale Bindungen verfügt der Verurteilte nicht. Zudem haben die Bewährungshelferin wie auch die Justizvollzugsanstalt von psychischen Auffälligkeiten berichtet. Unter diesen Umständen sieht der Senat die Indizwirkung des § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB nicht als entkräftet an. Eine günstige Sozialprognose kann dem Verurteilten derzeit nicht gestellt werden.

4.

Von einer mündlichen Anhörung des Verurteilten (§§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 1 Satz 3 StPO) konnte abgesehen werden, da er hierauf mit Schreiben vom 8. März 2002 verzichtet hat. In seiner schriftlichen Stellungnahme hat er sich mit der Führungsaufsicht ausdrücklich einverstanden erklärt.

5.

Der Senat hat dem Verurteilten gemäß § 68a Abs. 1 StGB eine Bewährungshelferin bestellt. Es handelt sich dabei um die erfahrene Bewährungshelferin, die den Verurteilten nach der Aussetzung des Strafrestes bereits mehrere Jahre betreut hat.

Die dem Verurteilten erteilten Weisungen zu Nr. 5 a) u. b) beruhen auf § 68b Abs. 1 Nr. 7 bzw. Nr. 8 StGB. Im Hinblick darauf, dass der Verurteilte während der Bewährungszeit zwei Wohnsitzwechsel erst mit mehrmonatiger Verspätung angezeigt hat, hält der Senat einen engmaschigen monatlichen Meldeturnus für erforderlich. Da sich die zentrale Aufsichtsstelle des Freistaates Sachsen beim Generalstaatsanwalt in Dresden befindet, der Verurteilte jedoch seinen Lebensmittelpunkt in L. hat, soll die monatliche Meldung bei der Dienststelle der Bewährungshelferin in L. erfolgen. Eine derartige Gestaltung der strafbewehrten Meldepflicht ist im Rahmen des § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB möglich (vgl. OLG Stuttgart NStZ 1990, 279).

Davon ist die zu Nr. 5 c) nach § 68b Abs. 2 StGB ohne Strafbewehrung erteilte Weisung zu unterscheiden, sich einmal monatlich zur Sprechstunde der Bewährungshelferin einzufinden und deren weiteren Vorladungen Folge zu leisten. Auch insoweit hält der Senat eine ausdrückliche Weisung für erforderlich, da der Verurteilte den Kontakt zur Bewährungshelferin in der Bewährungszeit nur unregelmäßig und unzuverlässig gehalten hat. Die monatliche Meldung bei der Dienststelle der Bewährungshelferin kann dabei zeitlich mit dem monatlichen Besprechungstermin verbunden werden.

Die erteilten Weisungen können erst zum Tragen kommen, wenn der Verurteilte nach der Untersuchungshaft oder einer in der anderen Sache ggf. noch zu verbüßenden Strafhaft in die Freiheit gelangen wird.

Die Höchstdauer der Führungsaufsicht hat der Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts auf drei Jahre abgekürzt (§ 68c Abs. 1 StGB).

6.

Dieser Beschluss ist gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO unanfechtbar.

III.

Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung und Dauer der Führungsaufsicht sowie über die Möglichkeit einer Bestrafung nach § 145a StGB wird hiermit durch Anordnung des Vorsitzenden der Justizvollzugsanstalt Torgau übertragen (§§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 4 Satz 1 u. 2, 453a Abs. 1, 268 a Abs. 3 StPO).

Ende der Entscheidung

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