Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: VI-Kart 17/06 (V)
Rechtsgebiete: GWB, GBW, VwVfG


Vorschriften:

GWB § 61
GWB § 63 Abs. 1
GWB § 74 Abs. 2
GWB § 74 Abs. 4
GWB § 78 Satz 1
GWB § 78 Satz 2
GBW § 54 Abs. 2 Nr. 3
GBW § 56
VwVfG § 45
VwVfG § 45 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 6. September 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 2. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen, die dem Bundeskartellamt und den Beigeladenen entstanden sind.

III. Der Beschwerdewert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2. wendet sich gegen einen Beiladungsbeschluss des Bundeskartellamtes vom 6. September 2006. In dem Verfahren begehren die Beigeladenen einen Zugang zum Hafen P., um mit zwei eigenen (noch nicht gebauten) Schiffen einen Fährbetrieb zu dem d. Hafen R. einzurichten.

Die Hafenanlagen in P. gehören der Beteiligten zu 1., der Muttergesellschaft der Beteiligten zu 2.. Diese betreibt bisher die Fährlinie nach R., die sogenannte "Vogelfluglinie", konkurrenzlos.

Zuletzt forderten die Beigeladenen mit Schreiben vom 3. Februar 2006 die Beteiligte zu 2. auf, ihnen see- und landseitigen Zugang zum Hafen von P. zu gewähren. Mit Schreiben vom 23. Februar 2006 lehnte die Beteiligte zu 2. dies ab und verwies auf ein kartellrechtliches Verfahren aus dem Jahr 2003. Seinerzeit hatte das Bundeskartellamt die Beteiligte zu 2. verpflichtet, der Firma E. L. A/S, einer damaligen Tochter der Beigeladenen, Zugang zum Hafen P. zu gewähren. Nachdem die E. L. A/S insolvent geworden war, wurde das Verfahren eingestellt. Die ebenfalls an dem Verfahren beteiligte Beigeladene zu 1. widersprach der Einstellung nicht, nachdem ihr der Senat die Unzulässigkeit eines solchen Widerspruchs signalisiert hatte.

Die Beigeladenen nehmen das seinerzeitige Begehren nun wieder auf und haben am 09.03.2006 beim Bundeskartellamt beantragt, ihnen den Zugang zum Hafen von P. sicher zu stellen.

Am 17.03.2006 haben sie des weiteren beantragt, in einem etwaigen Verfahren beigeladen zu werden.

Am 21.03.2006 hat das Bundeskartellamt die Beteiligte zu 2. über den Antrag vom 17.03.2006 unterrichtet und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, welche dann unter dem 27.03.2006 abgegeben wurde.

Am 13.07.2006 hat das Bundeskartellamt die Beteiligte zu 2. über die Einleitung eines Verfahrens gegen sie wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (gemäß Art. 82 EG und § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB) wegen der Verweigerung der Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens P. informiert und Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag auf Beiladung gegeben.

Am 28.08.2006 haben sich die Beschwerdeführer gegen eine etwaige Beiladung gewandt.

Mit Beschluss vom 06.09.2006 hat das Bundeskartellamt die Beigeladenen beigeladen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2. mit ihrer Beschwerde vom 06.10.2006.

Sie meint, die Interessen der Beigeladenen würden durch die angestrebte kartellbehördliche Entscheidung in dem Missbrauchsverfahren nicht erheblich beeinträchtigt. Die Beigeladenen beteiligten sich an dem Verfahren nämlich nur, da die Gesellschafter der Beteiligten zu 1., die D. B. AG und das Verkehrsministerium von D., derzeit den Verkauf der Beteiligten zu 1. betrieben und um diese Verkaufsverhandlungen zu stören. Die Beigeladenen seien gar nicht (mehr) an dem Betrieb einer eigenen Fährlinie auf der Strecke P. - R. interessiert, was sich auch daraus ergebe, dass sie seit der Einstellung des Verfahrens im Jahr 2003 den Wunsch nach einem Zugang zum Fährhafen nicht weiter betrieben hätten und die notwendigen Fähren noch nicht gebaut seien.

Da sich das Bundeskartellamt in der angefochtenen Entscheidung mit diesem Missbrauchsvorwurf nicht auseinandergesetzt habe, sei der Beschluss zudem schon wegen fehlerhafter Begründung rechtswidrig.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

den Beschluss des Bundeskartellamts vom 6. September, Az. B 9 - 188/05, zugestellt am 8. September 2006, aufzuheben und den Beiladungsantrag der Beigeladenen zu 1. und 2. zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und die Beigeladenen zu 1. und 2. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie treten den Ausführungen der Beteiligten zu 2. entgegen. Insbesondere sei das Interesse der Beigeladenen an der Aufnahme der Fährlinie P. - R. nachhaltig und ernsthaft. Das Begehren sei auch nach der Einstellung des Verfahrens 2003 weiterverfolgt worden. Die erforderlichen Spezialfähren würden erst gebaut, wenn der Zugang zum Hafen sicher gestellt sei, da sie nirgendwo anders eingesetzt werden könnten.

Jedenfalls könne eine Behinderung des Verkaufs der Beteiligten nicht festgestellt werden, da die aktuellen Gebote mit rund 1,5 Mrd. € um ein Vielfaches über den Geboten anlässlich eines Verkaufsversuchs von vor ca. fünf Jahren lägen.

II.

Die gemäß § 63 Abs. 1 GWB statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Das Bundeskartellamt hat die Beiladung im Rahmen des ihm zustehende Ermessens zu Recht beschlossen.

a)

Das Bundeskartellamt ist gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GBW berechtigt, auf Antrag Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden, in einem Verfahren beizuladen.

Hierbei ist jedes wirtschaftliche Interesse ausreichend, soweit es erheblich ist, mithin einen wettbewerbsrechtlichen Bezug hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. zuletzt: WuW/E DE-R 1545-1550 - pressegrosso - m.w.N.; Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 54, RdNr. 26ff.).

Die Beigeladenen beabsichtigen die Errichtung einer Fährlinie von P. nach R., eine Strecke, auf der die Beteiligte zu 2. bisher konkurrenzlos tätig ist. Sie hat potentiellen Konkurrenten bisher den Zugang zum Hafen in P. verweigert, was ihr möglich war, da der Beteiligten zu 1., ihrer Mutter, die Hafenanlage gehört.

Die Beigeladenen begehren mit dem Verfahren einen Zugang zu dem Hafen zu bekommen. Sie beabsichtigen, hierfür zwei Fähren sonderanfertigen zu lassen, wofür Kosten von 40 - 60 Mio. € anfallen. Der Ausgang des Verfahrens ist demnach für die wirtschaftliche Betätigung der Beigeladenen (auf dieser Strecke) essentiell und angesichts des beabsichtigten Investitionsumfangs für ihre wirtschaftlichen Interessen erheblich. Die in dem kartellbehördlichen Missbrauchsverfahren begehrte Entscheidung würde sich unmittelbar auf die Wettbewerbslage der Beigeladenen zu der Beteiligten zu 2. auswirken.

b)

Durch das Vorliegen eines erheblichen Interesses wurde für das Bundeskartellamt ein Ermessen in der Entscheidung über die Beiladung eröffnet, dass es fehlerfrei ausgeübt hat.

Es ist vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen, hat die Grenzen des Ermessens nicht überschritten und die Interessen der Beteiligten angemessen berücksichtigt.

Insbesondere ist das Bundeskartellamt zu Recht nicht davon ausgegangen, dass die Beigeladenen das Verfahren nur beantragt hätten und sich an ihm als Beigeladene beteiligen wollen, um die Verkaufsverhandlungen der Eigentümer der Beteiligten zu 1. zu stören. Ein derartiger Missbrauch des Beiladungsrechts lässt sich nicht feststellen. An den ernsthaften Absichten der Beigeladenen bestehen keine Zweifel. Das zeigen ihre seit 1997 erfolgten Bemühungen, einen Zugang zum P. Fährhafen zu erlangen. Auch nach der Einstellung des vorherigen Verfahrens nach der Insolvenz der damaligen Antragstellerin im Jahr 2003 hat die Beigeladene zu 1. weitere Aktivitäten entfaltet, um ihr Ziel erreichen zu können. Sie hat in mehrfachen Schreiben an den damaligen Geschäftsführer der Beteiligten zu 2. noch im Jahr 2003 um Verhandlungen über einen Hafenzugang gebeten, bis das Ansinnen im November 2003 abgelehnt wurde. Dass die Beigeladenen sich nach dieser Ablehnung nicht abermals an die Beteiligte zu 2. gewandt und um einen Zugang zu dem Hafen ersucht hat, vermag entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2. einen Missbrauch des Beiladungsrechts nicht zu begründen. Es bestanden keine Anhaltspunkte, dass sich die Beigeladenen zu 2. auf erneute Anfrage anders einlassen würde, wie auch ihre aktuelle Weigerung zeigt.

Im Juli 2004 hat sich die Beigeladene zu 1. daraufhin mit dem Zugangsbegehren erneut an die EU-Kommission gewandt, die die Sache im April 2005 an das Amt verwiesen hat. Das Bundeskartellamt hat dann bereits im Dezember 2005 mit der Beigeladenen zu 1. Gespräche geführt und das Verfahren nach der formalen Antragstellung vom 09.03.2006 eröffnet.

Auch der Umstand, dass die Beigeladenen die erforderlichen Fähren noch nicht gebaut haben, vermag die Behauptung der Antragsteller, die Beigeladenen handele rechtsmissbräuchlich, nicht zu stützen. Angesichts der hohen Investitionen und der eingeschränkten Nutzbarkeit der (sonderangefertigten) Fähren für andere Routen ist es wirtschaftlich nahe liegend, dass die Fähren erst gebaut werden, wenn die übrigen Voraussetzungen für den Fährbetrieb vorliegen.

In diesem Zusammenhang spricht gerade für die ernsthaften Absichten der Beigeladenen, dass diese durchgehend auch den Zugang zum Hafen von R. angestrebt haben und sich hier inzwischen vor der Hafenbeschwerdestelle gegen die d. Schwester der Beteiligten zu 2. durchsetzen konnten.

Schließlich ist auch aus dem Umstand, dass das kartellbehördliche Verfahren und insbesondere die Beiladungsentscheidung selbst sich auf die Kosten der Verkaufsverhandlungen der Beteiligten zu 1. und den Verkaufspreis selbst auswirken mögen, nicht indiziell dafür, dass die Beigeladenen den Beiladungsantrag allein aus diesem Grund gestellt hätten. Daher kommt es auf eine konkrete Ermittlung der Kosten und Auswirkungen der Beiladung auf die Verkaufsaktivitäten der Beteiligten zu 1. nicht an.

c)

Unschädlich ist dabei, dass das Bundeskartellamt diese Erwägungen nicht schon in dem angefochtenen Beschluss getroffen hat. Die Behörde hat den Vorwurf der Beteiligten zu 2. erkennbar nicht übersehen, sondern ihn bei der Darstellung der Argumentationen genannt. Die Abwägung in der Sache hat das Bundeskartellamt dann jedenfalls in der Beschwerdeerwiderung vom 11.12.2006 gem. § 45 VwVfG nachgeholt. § 45 VwVfG ist mangels abschließender Regelung in § 61 GWB auf Beschlüsse einer Verwaltungsbehörde entsprechend anwendbar. Nach § 45 Abs. 2 VwVfG kann auch die Begründung eines Verwaltungsaktes noch bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 10. Aufl., § 71 RdNr. 21 f.). Das Nachholen der Auseinandersetzung mit dem Missbrauchsvorwurf durch das Bundeskartellamt war danach auch vorliegend zulässig, zumal der Beschluss dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird.

d)

Davon, dass Betriebsgeheimnisse der Beteiligten zu 2. durch "Pannen" bei der Akteneinsicht (Fehler bei Schwärzungen oder Entnahmen von geheimen Firmendokumenten) gefährdet werden, ist nicht auszugehen. Das Bundeskartellamt hat diesen Aspekt zu Recht nicht in seine Ermessensabwägung einbezogen. Die (grundsätzlich immer vorhandene) Möglichkeit fehlerhaften Handelns der verantwortlichen Personen kann nämlich für sich das Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung eines Anspruchs nicht entfallen lassen. Die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes geht grundsätzlich von ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren aus. Anhaltspunkte, dass das Bundeskartellamt dies vorliegend nicht sicher stellen kann oder will, bestehen nicht.

2.

Von der Beiladung musste das Amt nicht absehen, weil es die erforderliche Sachkenntnis möglicherweise auch ohne die Beiladung der Antragsteller erlangen könnte. Zwar dient die Beiladung in erster Linie der Förderung des kartellbehördlichen Verfahrens und nicht der Geltendmachung der individuellen Interessen der Beizuladenden (BGH v. 07.11.2006 - pepcom, Az. KVR 37/05). Daraus kann aber umgekehrt nicht gefolgert werden, dass die Möglichkeit, über Anhörungen gemäß § 56 GBW an die für das Verfahren erforderlichen Informationen zu gelangen, eine Beiladung hindert.

3.

Schließlich kann auch eine Voreingenommenheit des Bundeskartellamtes zu dem in Rede stehenden Beiladungsantrag nicht festgestellt werden. Das Bundeskartellamt musste sich im Rahmen der Entscheidung über die Eröffnung eines Verfahrens zwangsläufig auch mit den Interessen der Beigeladenen beschäftigten, da diese wegen der Konkurrentenstellung zu der Beteiligten zu 2. auch einen großen Teil der Prüfung in der Sache selbst ausmachen werden. Das Bundeskartellamt ist dabei nicht gehalten, Fragen, die sich nach der Eröffnung des Verfahrens stellen, wie die einer Beiladung, auszublenden, nur weil insoweit noch nicht alle Interessen der Beteiligten festgestellt werden konnten. Es gehört vielmehr zu einer gewissenhaften Entscheidungsfindung, zu einem möglichst frühen Stadium alle möglichen Interessen zu bedenken und vorherzusehen - auch wenn diese mangels Stellungnahmen noch nicht vollständig bekannt oder ausdrücklich benannt sind.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 78 Satz 1 und 2 GWB.

Die Beteiligte zu 2. hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen. Darüber hinaus hat sie aus Gründen der Billigkeit dem obsiegenden Bundeskartellamt und den beiden Beigeladenen die in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Insbesondere sind die Kosten nicht - auch nicht teilweise - dem Bundeskartellamt aufzuerlegen, weil es den Beschluss fehlerhaft begründet hätte, wie die Beteiligte zu 2. meint. In dem Beschluss ist erkennbar, dass die Beklagte den Missbrauchsvorwurf gesehen hat, und aus der Entscheidung als solcher wird klar, dass sie ihn nicht als durchgreifend erachtet hat.

IV.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass. Insbesondere ist die Frage der Beiladung und ihrer Voraussetzungen bereits höchstrichterlich geklärt (BGH vom 07.11.2006 - pepcom, Az. KVR 37/05).

Ende der Entscheidung

Zurück