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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.02.2004
Aktenzeichen: VI-Kart 4/03 (V)
Rechtsgebiete: GWB, VwVfG, EnWG, GKG, ZPO


Vorschriften:

GWB § 19 Abs. 4 Nr. 2
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 2 1. Halbsatz
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4
GWB § 20 Abs. 1
GWB § 32
GWB § 56 Abs. 1
GWB § 78 Satz 1
GWB § 103 a.F.
GWB § 103 Abs. 1 a.F.
GWB § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 a.F.
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
EnWG § 6
GKG § 12 a Abs. 1 Satz 1
GKG § 16 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 9
ZPO § 9 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des B. vom 14. Februar 2003 (B 11 - 40 100 - T - 45/01) aufgehoben.

II. Das B. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die in der Beschwerdeinstanz angefallenen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 113.725.815 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist als Strom-Regionalversorger in T. sowie in kleinen Teilen S. tätig. Sie ist Eigentümerin eines Stromversorgungsnetzes in der Nieder-, Mittel- und Hochspannung. Über dieses Leitungsnetz beliefert sie sowohl Endverbraucher als auch weiterverteilende Stadtwerke mit Strom. Den Weiterverteilern sowie einigen Industriekunden gegenüber weist sie vereinbarungsgemäß den Strompreis und das Durchleitungsentgelt getrennt aus. In allen anderen Fällen erhebt sie einen einheitlichen Preis. Darüber hinaus stellt die Beschwerdeführerin ihr Stromleitungsnetz Drittunternehmen zum Zwecke der Einspeisung und Durchleitung fremden Stroms zur Verfügung. Dafür berechnet sie ein Netznutzungsentgelt. Das Netznutzungsentgelt berechnet die Beschwerdeführerin nach Maßgabe der in Anlage 3 der "Verbändevereinbarung II Plus" (nachfolgend: VV II Plus) niedergelegten Preisfindungskriterien. Das B. hält das von der Beschwerdeführerin verlangte Nutzungsentgelt in mehreren Kalkulationsfaktoren für kartellrechtswidrig. Es hat der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Verfügung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs untersagt,

1. Netznutzungsentgelte (NNE) zu erheben, die jährliche Netzerlöse (zzgl. Umsatzsteuer, Konzessionsabgabe, Mehrbelastungen aus KWK-Gesetz, Erlöse aus Messentgelten, Kosten für die Nutzung des vorgelagerten Netzes) in Höhe von 209.448.000 EUR überschreiten,

2. bei der Berechnung der kalkulatorischen Abschreibungen der "Alt-anlagen" (Anlagen, die bis zum 01.07.1990 angeschafft wurden und deren Werte in der DM-Eröffnungsbilanz eingingen) die Anschaffungswerte dieser Anlagen vor der Indizierung auf Tagesneuwerten mit einem Korrekturfaktor zu beaufschlagen,

3. in der kalkulatorischen Kalkulation der NNE das der Eigenkapitalverzinsung zugrunde liegende betriebsnotwendige Eigenkapital auf der Grundlage von Tagesneuwerten zu bestimmen, soweit dies zu einem höheren betriebsnotwendigen Eigenkapital führt als eine Bewertung zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten,

4. das betriebsnotwendige Eigenkapital real mit einem höheren Prozentsatz zu verzinsen, als es dem Durchschnitt der Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten der letzten abgeschlossenen zehn Kalenderjahre entspricht,

5. die so ermittelte Realverzinsung pauschal durch einen Wagniszuschlag zu erhöhen,

6. kalkulatorische Gewerbeertragssteuern bei der Kalkulation der Netznutzungsentgelte als Kosten in Ansatz zu bringen,

7. sogenannte kalkulatorische "Steuern auf den Scheingewinn" bei der Kalkulation der Netznutzungsentgelte als Kosten in Ansatz zu bringen.

Zur Begründung hat das B. ausgeführt, das von der Antragstellerin berechnete Netznutzungsentgelt sei jedenfalls in den vorgenannten Positionen mißbräuchlich überhöht kalkuliert. Nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB sei ein Entgelt dann kartellrechtlich verboten, wenn es von demjenigen abweiche, das sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde. Folglich orientiere sich die Kostenkontrolle weniger an den tatsächlichen Kosten des Marktbeherrschers als an den Kosten für eine elektrizitätswirtschaftlich rationelle Betriebsführung. Maßstab für diese Kostenkontrolle sei der Bericht der "Arbeitsgruppe Netznutzung Strom" vom April 2001 und die dort niedergelegten Kriterien zur Kalkulation von Netznutzungsentgelten. Diejenigen Kostenansätze in Anlage 3 der VV II Plus, die zu höheren Netzkosten führten als der Kostenansatz nach den Bemessungskriterien der "Arbeitsgruppe Netznutzung Strom" seien missbräuchlich überhöht und folglich nach §§ 32, 19 Abs. 4 Nr. 2 1. Halbsatz GWB, §§ 32, 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und §§ 32, 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB zu untersagen. Aufgrund der beanstandeten Kalkulationsfaktoren seien die jährlichen Erlöse, welche die Beschwerdeführerin aus der Nutzung ihres Stromleitungsnetzes nach der ab dem 1. Januar 2003 gültigen Preisliste erziele, um rund 32 Mio. EUR überhöht. Dies entspreche einer Quote von 13,3 % der verlangten Netznutzungsentgelte.

Seit dem 1. Januar 2004 erhebt die Beschwerdeführerin unter Beibehaltung der dargestellten Berechnungsmethode betragsmäßig geänderte Netznutzungsentgelte. Der Entgeltänderung liegt die Tatsache zugrunde, das die Personalkosten leicht gesunken, andererseits aber der Aufwand für Material und Fremddienstleistungen gestiegen sind und sich ferner kalkulatorische Kostenansätze (z.B. für die Eigenkapitalverzinsung, die Abschreibungen und die Gewerbeertragssteuer) erhöht haben.

Die Beschwerdeführerin hält die gegen sie ergangene Verbotsverfügung für rechtswidrig. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor:

Die Untersagungsverfügung sei bereits formell rechtswidrig.

Das B. habe ihr unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 GWB nicht in der gebotenen Weise rechtliches Gehör gewährt. Die bis zum 13. Januar 2003 gesetze Stellungnahmefrist zu der Abmahnung vom 13. Dezember 2002 sei zu kurz bemessen gewesen. Unter Berücksichtigung der Weihnachtsfeiertage und von Neujahr habe lediglich eine Bearbeitungszeit von 17 Arbeitstagen bestanden. Innerhalb dieses Zeitraums sei es nicht möglich gewesen, die zahlreichen schwierigen Rechtsfragen des Streitfalles umfassend und gründlich zu prüfen. Dementsprechend habe sie sich auch nicht ordnungsgemäß auf die am 15. Januar 2003 durchgeführte mündliche Verhandlung vorbereiten können. Sowohl zu den verfassungs- und kartellrechtlichen Rechtsfragen als auch zu den betriebswirtschaftlichen Streitpunkten des Falles habe sie überdies Sachverständigengutachten beauftragt gehabt, mit deren Vorlage bis Ende Februar 2003 zu rechnen gewesen sei. Ihre Bitte, den Eingang dieser Gutachten abzuwarten, habe das B. ebenso abgelehnt wie eine mündliche Erläuterung des Inhalts dieser gutachtlichen Meinungen.

Zu kurz bemessen gewesen sei außerdem auch die Frist von 4 Arbeitstagen zur Erwiderung auf die Stellungnahme der Beigeladenen zu 3. vom 27. Januar 2003.

Der Untersagungstenor zu Ziffer 1. sei zudem nicht hinreichend bestimmt. Es bleibe unklar, ob ihr nur die Absenkung des gesondert ausgewiesenen Netznutzungsentgelts aufgegeben worden sei oder ob sie nach der angefochtenen Verfügung auch verpflichtet sei, den bloßen Kalkulationsfaktor "Netznutzungsentgelt" zu reduzieren und sie demzufolge ihre Preise auch insoweit herabzusetzen habe, wie dem Kunden gegenüber nur ein einheitlicher - aus Strompreis und Netznutzungsentgelt kalkulierter - Preis in Rechnung gestellt werde. Offen sei ebenso, ob die Preissenkung nur für denjenigen Strom aufgegeben werde, der nach dem Wirksamwerden der Verbotsverfügung eingespeist und durchgeleitet werde, oder ob auch alle noch nicht abgerechneten oder sogar alle noch nicht beglichenen Durchleitungsfälle erfasst seien.

Die Untersagungsverfügung sei darüber hinaus materiell rechtswidrig.

Sie gehe von einer unzutreffenden Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes aus, weil die Dienstleistungen der Messung und Verrechnung des durchgeleiteten Stroms untrennbar mit der Netznutzung verbunden seien und deshalb diese Leistungen zum relevanten Markten zu zählen seien.

Der Verbotsausspruch zu Ziffer 1. laufe - weil er ohne zeitliche Begrenzung und ohne Rücksicht auf einen etwaigen künftigen Kostenanstieg den aus der Überlassung des Stromnetzes zugestandenen Gesamterlös betragsmäßig festlege - auf eine im Kartellgesetz nicht vorgesehene "ex-ante-Preisaufsicht" hinaus. Sie (die Beschwerdeführerin) müsse nämlich dann, wenn zukünftig selbst die vom B. anerkannten Kostenpositionen nicht mehr aus jenem Erlöshöchstbetrag gedeckt werden könnten, zunächst eine Änderung der angefochtenen Verfügung erwirken, bevor eine Anhebung der Netznutzungsentgelte in Betracht komme.

Ferner - so meint die Beschwerdeführerin - sei die Methode des B. zur Ermittlung eines Preismissbrauchs fehlerhaft. Vorrangig komme nicht eine Kostenkontrolle in Betracht, sondern sei nach dem Vergleichsmarktkonzept zu verfahren. Keinesfalls sei es zulässig, die Überprüfung auf einzelne Kalkulationsfaktoren zu beschränken.

Unzutreffend sei auch die Annahme, dass die Preisfindungskriterien der VV II Plus in den beanstandeten Punkten zu missbräuchlich überhöhten Netznutzungsentgelten führten. Der Ansatz sämtlicher in Rede stehenden kalkulatorischen Kostenansätze sei - wozu die Beschwerde unter Vorlage zahlreicher Privatgutachten im einzelnen vorträgt - betriebswirtschaftlich anerkannt und in der Sache berechtigt.

Davon abgesehen scheide der Vorwurf eines Preismissbrauchs selbst dann aus, wenn man die vom B. angenommene Preisüberhöhung von 13,3 % zugrunde lege. Nach der Rechtsprechung liege eine missbräuchliche Preisbildung nur dann vor, wenn das beanstandete Entgelt den Wettbewerbspreis deutlich übersteige. Das sei bei einer Überschreitung von unter 15 % nicht der Fall.

Schließlich - so meint die Beschwerdeführerin - habe das B. sein Eingreif- und Auswahlermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Es habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass das angestrebte Ziel einer Liberalisierung des Strommarktes wesentlich effektiver durch die Untersagung der VV II Plus zu erreichen sei. Zudem sei es nicht zulässig, nur gegen einzelne Netzbetreiber vorzugehen und die in gleicher Weise kalkulierten Netznutzungsentgelte aller anderen Anbieter unbeanstandet zu lassen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

die angefochtene Untersagungsverfügung aufzuheben.

Das B. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es tritt dem Beschwerdevorbringen im einzelnen entgegen und verweist für seinen Standpunkt, dass die beanstandeten Kalkulationsfaktoren betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt seien, auf ein von ihm im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens eingeholtes Gutachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Die angefochtene Untersagungsverfügung ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil sie unter Verletzung verfahrensrechtlicher Grundsätze zustande gekommen ist. Zwar beanstandet die Beschwerdeführerin mit Recht, dass ihr vor Erlass der Untersagungsverfügung nicht in dem gebotenen Umfang rechtliches Gehör gewährt worden ist. Dieser Verfahrensfehler ist indes im Verlauf des Beschwerdeverfahrens geheilt worden. Die Verbotsaussprüche zu Ziffer 1. bis 7. ermangeln aber der hinreichenden Bestimmtheit und können aus diesem Grund keinen Bestand haben. Die Verbotsverfügung des B. ist darüber hinaus materiell-rechtlich fehlerhaft. Der Ausspruch zu Ziffer 1. führt faktisch zu einer im geltenden Kartellrecht nicht vorgesehenen Preisregulierung und findet deshalb in der Ermächtigungsnorm des § 32 GWB keine hinreichende Grundlage. Die Aussprüche zu Ziffer 2. bis 7. sind rechtswidrig, weil sie sich nicht auf die Untersagung eines unter allen Umständen kartellrechtswidrigen Verhaltens beschränken, sondern unzulässigerweise auch Fallkonstellationen erfassen, in denen der Ansatz der beanstandeten Kalkulationsfaktoren letztlich nicht zu einem missbräuchlich überhöhten Nutzungsentgelt führt. Die Untersagungsverfügung ist schließlich mit sämtlichen Anordnungen auch deshalb aufzuheben, weil die für einen Preismissbrauch erforderliche Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten wird.

Im einzelnen:

A. Die angefochtene Untersagungsverfügung unterliegt nicht deshalb der Aufhebung, weil das B. das kartellbehördliche Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat.

1. Allerdings ist der Beschwerdeführerin nicht in ausreichendem Umfang rechtliches Gehör zu dem gegen sie erhobenen Vorwurf des Preismissbrauchs gewährt worden.

a) § 56 Abs. 1 GWB verpflichtet die Kartellbehörde, den am Verwaltungsverfahren Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Vorschrift ist Ausprägung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie gewährleistet den Verfahrensbeteiligten, sich über den Gegenstand des kartellbehördlichen Verfahrens unterrichten und sich zu allen tatsächlich oder rechtlich relevanten Punkten äußern zu können. Soweit dies im Einzelfall zu einer angemessenen Wahrnehmung ihrer Rechte gehört, ist den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens dabei auch Gelegenheit zu geben, eigene Sachverhaltsermittlungen anzustellen sowie Rechtsrat von dritter Seite einzuholen (vgl. KG, WuW/E OLG 3577, 3579 f. - Hussel-Mara; Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Aufl., § 56 Rn. 7; Schultz in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Augl., § 56 Rn. 1 ff.; Bechtold, Kartellgesetz, 3. Aufl., § 56 Rn. 1; Bracher in Frankfurter Kommentar, Loseblattsammlung, § 56 Rn. 15 m.w.N.). An diesen Maßstäben hat sich auch die Länge der Frist zu orientieren, die die Kartellbehörde zur Stellungnahme auf eine Abmahnung gewährt. Die Stellungnahmefrist muss so bemessen sein, dass ihr Adressat umfassend zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf des kartellrechtswidrigen Verhaltens Stellung nehmen und alle von ihm beabsichtigten Verteidigungsmittel vorbringen kann, die der Abmahnung bei verständiger Betrachtung ernsthaft entgegen gehalten werden können.

b) Das B. ist diesen Anforderungen nicht gerecht geworden. Es kann auf sich beruhen, ob - wie die Beschwerde meint - die bis zum 13. Januar 2003 gewährte Frist zur Stellungnahme auf die Abmahnung vom 13. Dezember 2002 bereits wegen der Komplexität und Schwierigkeit des Streitstoffes zu kurz bemessen war. Im Streitfall hat das B. das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör jedenfalls deshalb verletzt, weil es ihr weder die Möglichkeit eingeräumt hat, vor Erlass der angefochtenen Untersagungsverfügung den Inhalt des beauftragten betriebswissenschaftlichen Gutachten mündlich zu erläutern, noch es die Vorlage dieses - zum damaligen Zeitpunkt noch nicht schriftlich abgefassten - Gutachtens abgewartet hat. Wie zwischen den Verfahrensbeteiligten außer Streit steht, hatte die Beschwerdeführerin zum Zwecke ihrer Rechtsverteidigung (u.a.) ein Sachverständigen-Gutachten zu den betriebswirtschaftlichen Streitpunkten des Falles in Auftrag gegeben. Unter Hinweis auf diesen Gutachtenauftrag hatte sie das B. ausdrücklich darum gebeten, vor einer Entscheidung über den Erlass der angekündigten Missbrauchsverfügung den Eingang des Gutachtens abzuwarten, ihr zumindest aber dessen mündliche Erläuterung zu gestatten. Das von der Beschwerdeführerin beauftragte Privatgutachten betraf dabei entscheidungserhebliche Punkte des Streitfalles, nämlich die Frage, ob eine Preiskalkulation mit den in der Abmahnung beanstandeten Kalkulationsfaktoren in der Betriebswirtschaftslehre allgemein anerkannt oder zumindest vertretbar ist oder ob es sich - wie das B. meint - um ungerechtfertigte Kostenansätze handelt, die zur (Netto-) Substanzerhaltung des Eigenkapitals nicht erforderlich sind. Der Beschwerdeführerin war zuzugestehen, sich zur Beurteilung dieses nicht einfach gelagerten Problems sachverständiger Hilfe zu bedienen. Das verdeutlicht nicht zuletzt der Umstand, dass das B. im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zu jenem Fragenkomplex selbst ein Sachverständigengutachten eingeholt hat, um den - auf das zwischenzeitlich eingegangene und im Beschwerdeverfahren vorgelegte Privatgutachten der Beschwerdeführerin gestützten - Einwänden gegen seine Untersagungsverfügung entgegentreten zu können. Das B. hätte bei der geschilderten Sachlage der Beschwerdeführerin zur Gewährleistung einer effektiven Rechtsverteidigung eine hinreichend geräumige Frist bewilligen müssen, um vor dem Erlass einer Untersagungsverfügung unter Vorlage des von ihr beauftragten Gutachtens zum Vorwurf des Preismissbrauchs Stellung nehmen zu können. Zumindest hätte das B. der Beschwerdeführerin aber die Gelegenheit einräumen müssen, den Inhalt des Gutachtens mündlich zu erläutern. Indem das B. hiervon ohne hinreichenden Grund abgesehen hat, hat es den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt. Das B. hat seine Verbotsverfügung damit zugleich auf einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage erlassen, weil es wesentliches Vorbringen der Beschwerdeführerin unberücksichtigt gelassen hat.

Mit einer besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit (vgl. dazu: Karsten Schmidt, a.a.O. Rn. 8; Schultz, a.a.O. Rn. 3) lässt sich die Verfahrensweise des B. nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, dass jedenfalls die mündliche Gutachtenerläuterung schon nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verwaltungsverfahrens geführt hätte, sind auch die wettbewerbsbeeinträchtigenden Auswirkungen, die von den als missbräuchlich überhöht beanstandeten Entgeltanteilen ausgehen, nur geringfügig. Das hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 30. April 2003, mit dem er die aufschiebende Wirkung der Beschwerde wiederhergestellt hat, im einzelnen dargelegt (Umdruck Seite 8 ff.). Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Unter den Umständen des Falles gebührte deshalb dem rechtlichen Gehör der Beschwerdeführerin Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einem möglichst raschen Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens.

2. Die Verkürzung des rechtlichen Gehörs zwingt indes nicht zur Aufhebung der kartellbehördlichen Entscheidung. Denn der Verfahrensfehler ist im Verlauf des Beschwerdeverfahrens geheilt worden.

a) Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG) nachgeholt wird. Erforderlich ist, dass die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werden kann. Die Ergebnisse der nachträglichen Anhörung müssen von der zur Sachentscheidung berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern - nach außen erkennbar (vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 446, 447; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 45 Rn. 84) - auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung kritisch, unvoreingenommen und ergebnisoffen zu überprüfen. Das setzt eine offene, für die Berücksichtigung des Vorbringens auch durch eine Änderung der zunächst verfahrensfehlerhaft getroffenen Entscheidung noch Raum lassende Entscheidungssituation voraus. Für eine Heilung reicht es nicht aus, wenn das Gericht den Beteiligten anhört oder der Beteiligte sich im gerichtlichen Verfahren äußert und die Behörde hiervon Kenntnis erhält (vgl. zu allem: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 45 Rn. 26 f.; Sachs a.a.O. Rn. 75, 84 f.; Schäfer in Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., § 45 Rn. 38 f.).

b) Im Entscheidungsfall hat das B. die im kartellbehördlichen Verfahren versäumte umfassende Anhörung der Beschwerdeführerin nachgeholt. Es hat nicht nur die von der Beschwerdeführerin vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen zu den betriebswirtschaftlichen Fragen des Streitfalles zur Kenntnis genommen, sondern sie zum Anlass genommen, seinerseits ein Sachverständigengutachten zu diesen Fragen einzuholen. Das belegt, dass sich das B. mit den betriebswirtschaftlichen Argumenten der Beschwerdeführerin ernsthaft und ergebnisoffen auseinandergesetzt hat.

B. Die Untersagungsverfügung ist allerdings deshalb formell rechtswidrig, weil sie der hinreichenden Bestimmtheit entbehrt.

1. Zwar bleibt bei verständiger Auslegung der angefochtenen Verfügung nicht im Unklaren, dass die Vorgaben des B. für alle Preise der Beschwerdeführerin gelten, in denen ein Entgelt für die Zurverfügungstellung des Stromleitungsnetzes enthalten ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Beschwerdeführerin dieses Netznutzungsentgelt ihrem Kunden gesondert ausweist oder ob es nur kalkulatorisch in einen Gesamtpreis einfließt. Das ergibt sich bereits aus Ziffer 1. der angefochtenen Verfügung, die den Erlös der Beschwerdeführerin aus der Nutzung ihres Stromleitungsnetzes der Höhe nach begrenzt. In jenem Erlösbetrag sind nicht nur die gesondert ausgewiesenen Netznutzungsentgelte, sondern auch diejenigen Beträge enthalten, die der Beschwerdeführerin aus einem Gesamtpreis anteilig für die Bereitstellung ihres Leitungsnetzes zufließen.

2. Nicht hinreichend bestimmt ist die angefochtene Verfügung aber im Hinblick auf die erfassten Abrechnungsfälle. Weder dem Verbotsausspruch selbst noch seiner Begründung lässt sich zweifelsfrei entnehmen, ob die Vorgaben zum jährlichen Maximalerlös und zum Ansatz der näher bezeichneten Kalkulationsfaktoren nur für die Netznutzung ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verbotsverfügung gelten oder ob die Beschwerdeführerin die getroffene Regelung auch für die Abrechnung oder Einziehung des Netznutzungsentgelts für bereits in der Vergangenheit erfolgte Stromdurchleitungen zu beachten hat (vgl. dazu: BGH, WuW/E BGH 3009, 3012 - Stadtgaspreis Potsdam). Auch die Begründung, die das B. der Anordnung des Sofortvollzugs seiner Untersagungsverfügung beigegeben hat, gibt zu dieser Frage keinen sicheren Aufschluss. Das Argument, dass nur durch eine sofortige deutliche Absenkung der Netznutzungsentgelte für die Beigeladenen und andere Wettbewerber die Möglichkeit eröffnet werde, mit der Beschwerdeführerin in einen Wettbewerb um Stromkunden einzutreten (Seite 41/42 der Verbotsverfügung), deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführerin lediglich für die Zukunft eine bestimmte Preisbildung vorgegeben und die Abrechnung bereits erfolgter Stromdurchleitungen nicht geregelt werden soll. Der wenig später folgende Hinweis, dass einer Verdrängung von Newcomern nur entgegengewirkt werden könne, wenn der Beschwerdeführerin sofort ihre derzeitige missbräuchliche Entgeltgestaltung untersagt werde (Seite 42 der Verbotsverfügung), spricht demgegenüber eher für die Annahme, dass die Vorgaben zur Preisgestaltung auch die Abrechnung schon erfolgter Durchleitungsfälle erfassen sollen.

C. Die Untersagungsverfügung des B. ist darüber hinaus materiellrechtlich zu beanstanden.

1. Der Ausspruch zu Ziffer 1. ist schon deshalb von der Ermächtigungsnorm des § 32 GWB nicht gedeckt, weil er auf eine im nationalen Kartellgesetz nicht vorgesehene präventive Preiskontrolle hinausläuft.

§ 32 GWB ermächtigt die Kartellbehörden, Unternehmen ein nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbotenes Verhalten zu untersagen. Die kartellbehördlichen Befugnisse in der Missbrauchsaufsicht beschränken sich folglich auf die repressive Verhaltenskontrolle. Eine präventive Missbrauchsaufsicht, die den Normadressaten dazu anhält, seine Preise oder sonstigen Vertragsbedingungen vor einer Markteinführung der Kartellbehörde zur Billigung vorzulegen, ist dem geltenden Kartellrecht fremd. Auf eine solche unzulässige Präventivkontrolle läuft indes der Verbotsausspruch zu Ziffer 1. hinaus. Denn er zwingt die Beschwerdeführerin, vor einer zur Überschreitung der vorgegebenen jährlichen Erlösobergrenze von 209.448.000 EUR führenden Anhebung ihrer Netznutzungsentgelte beim B. zunächst darum nachzusuchen, dass der Verbotsausspruch zu Ziffer 1. entweder wegen veränderter Umstände nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG abgeändert wird oder das B. von seinem Widerrufsvorbehalt Gebrauch macht. Betroffen sind davon auch (und vor allem) diejenigen Fälle, in denen die Beschwerdeführerin bei der Kalkulation ihrer Netznutzungsentgelte zwar den Vorgaben des B. zum Ansatz der in Rede stehenden Kalkulationsfaktoren folgt, die angeordnete Erlösobergrenze aufgrund der allgemeinen Preissteigerung oder wegen einer zwischenzeitlichen Ausweitung des Netznutzungsbetriebs aber gleichwohl überschritten würde. Das Verbot, Netznutzungsentgelte von jährlich mehr als 209.448.000 EUR zu erheben, beschneidet damit im Ergebnis die Preisbildungsfreiheit der Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise, indem es die sich aus den Vorgaben zur Kalkulation der Netznutzungsentgelte ergebende Erlössumme des Jahres 2003 ohne jede zeitliche Begrenzung und ohne Rücksicht darauf, dass sich der Gesamterlös bereits durch den allgemeinen Preisanstieg, infolge einer Erweiterung des Stromleitungsnetzes oder einer Steigerung der Nutzung des vorhandenen Leitungsnetzes durch Endverbraucher, Weiterverteiler oder durchleitende Drittunternehmen erhöhen kann, für die Zukunft festschreibt.

2. Der Untersagungsausspruch zu den Ziffern 2. bis 7. ist ebenfalls materiell rechtswidrig.

a) Nach den vom B. herangezogenen Missbrauchstatbeständen der §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 1. Halbsatz, 19 Abs. 4 Nr. 4, 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB ist nicht eine bestimmte Preiskalkulation, sondern das Fordern missbräuchlich überhöhter Entgelte verboten. Für die Missbrauchsaufsicht über die Preisgestaltung der Beschwerdeführerin ist demgemäß alleine entscheidend, ob das von ihr geforderte Netznutzungsentgelt kartellrechtswidrig ist (vgl. BGH, WuW/E BGH 3009, 3014). Ausschließlich der geforderte Preis ist Gegenstand einer kartellbehördlichen Kontrolle und nicht seine Kalkulation als solche oder einzelne Preisbildungsfaktoren. Zwar mag der Ansatz nicht gerechtfertigter Kostenpositionen indiziell dafür sprechen, dass auch der auf dieser Basis kalkulierte Preis missbräuchlich überhöht ist. Zwingend ist dieser Schluss indes nicht. Denn unberechtigte oder überhöhte Kostenansätze können dadurch neutralisiert sein, dass im Rahmen der Preiskalkulation gerechtfertigte Kostenpositionen nicht oder nicht in voller Höhe angesetzt worden sind. Aufgrund dessen darf die Kartellbehörde die Preiskontrolle nicht auf die Überprüfung einzelner preisbildender Faktoren beschränken. Sie muss vielmehr auch und vor allem überprüfen, ob der geforderte Preis missbräuchlich übersetzt ist. In gleicher Weise darf sich eine kartellbehördliche Untersagungsverfügung nicht damit begnügen, einzelne Faktoren der Preisbildung zu verbieten. Untersagt werden kann alleine ein Preismissbrauch, d.h. das Fordern eines als kartellrechtswidrig überhöht festgestellten Preises. Eine darüber hinausgehende Erweiterung des Verbotstenors hat die Rechtsprechung lediglich insoweit zugelassen, als an Stelle des konkret beanstandeten Preises eine Preisobergrenze festgesetzt werden darf, jenseits derer die Preisforderung als missbräuchlich anzusehen ist (BGH, WuW/E BGH 1435, 1436 f. - Vitamin B 12; WuW/E BGH 1445, 1446 - Valium I; Bornkamm in Langen/Bunte, a.a.O. § 32 Rn. 24 m.w.N.). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass andernfalls das kartellbehördliche Verbot des Preismissbrauchs bereits durch eine geringfügige Herabsetzung des geforderten Entgelts umgangen werden könnte.

b) Das B. hat diese Grundsätze nicht beachtet.

aa) Die gebotene Preiskontrolle hat es nicht durchgeführt. Das B. hat sich vielmehr darauf beschränkt, einzelne Preisbildungsfaktoren auf ihre sachliche Rechtfertigung zu überprüfen und die isolierte Auswirkung dieser Kalkulationsfaktoren auf die Höhe des Netznutzungsentgelts der Beschwerdeführerin festzustellen. Eine darüber hinausgehende Untersuchung, ob sich die - unterstellt: unberechtigten - Kostenansätze letztlich auch in einem überhöhten Entgelt niederschlagen oder ob sie nicht (ganz oder teilweise) dadurch aufgezehrt werden, dass die Beschwerdeführerin andere berechtigte Kostenfaktoren nicht oder nicht mit ihrem Maximalbetrag in die Preiskalkulation eingestellt hat, hat das B. nicht durchgeführt. Das hat der Vertreter des B. im Verhandlungstermin des Senats ausdrücklich bestätigt. Er hat erklärt, Ziel der angefochtenen Verfügung sei es, die in den Ziffern 2. bis 7. genannten Kalkulationsfaktoren als solche zu beanstanden, ohne Rücksicht auf eine etwaige Kompensation durch andere nicht oder nicht voll ausgeschöpfte Preisbildungsfaktoren.

bb) Auch der Verbotsausspruch als solcher trägt den Besonderheiten einer Preismissbrauchsaufsicht nicht Rechnung. Das in den Ziffern 2. bis 7. verhängte Verbot, die näher bezeichneten Kalkulationsfaktoren anzusetzen, beschränkt sich nicht darauf, der Beschwerdeführerin das ihr zur Last gelegte kartellrechtswidrige Verhalten, nämlich das Fordern missbräuchlich überhöhter Netznutzungsentgelte, zu verbieten. Das ausgesprochene Verbot untersagt es der Beschwerdeführerin vielmehr generell, die beanstandeten preisbildenden Faktoren in Ansatz zu bringen. Es erfasst damit auch solche Fallkonstellationen, in denen die als kartellrechtswidrig beanstandeten Kalkulationsfaktoren letztlich nicht zu einem missbräuchlich überhöhten Netznutzungsentgelt führen, weil sie dadurch ausgeglichen werden, dass andere berechtigte Kostenpositionen überhaupt nicht oder nicht mit dem höchstmöglichen Betrag angesetzt werden. Der Verbotsausspruch geht damit über die Untersagung eines Preismissbrauchs hinaus und ist auch aus diesem Grunde von der Ermächtigungsnorm des § 32 GWB nicht gedeckt.

3. Die angefochtene Verfügung ist schließlich mit sämtlichen Anordnungen deshalb aufzuheben, weil ein Preismissbrauch nicht vorliegt.

a) Die Kalkulation der Netznutzungsentgelte ist im Ausgangspunkt Sache der Beschwerdeführerin. Das B. ist im Rahmen der Missbrauchsaufsicht nicht befugt, irgendeine Kalkulationsmethode vorzuschreiben. Es darf lediglich die Höhe der Netznutzunsgentgelte daraufhin überprüfen, ob sie missbräuchlich überhöht - d.h. in einem Maße übersetzt sind, dass darin der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung zum Ausdruck kommt. Vor diesem Hintergrund begegnet es schon im Ansatz erheblichen Bedenken, wenn das B. den Vorwurf des Preismissbrauchs mit dem Argument begründet, die Netznutzungsentgelte der Beschwerdeführerin seien nicht nach den Bemessungskriterien der "Arbeitsgruppe Netznutzung Strom" berechnet worden. Die in Anlage 3 der VV II Plus niedergelegten Preisfindungskriterien stellen ein taugliches und betriebswirtschaftlich vertretbares Konzept zur Preiskalkulation dar. Das bestätigen die von der Beschwerdeführerin vorgelegten sachverständigen Stellungnahmen, deren Seriosität auch das B. nicht in Zweifel zieht. Die genannte Kalkulationsmethode ist überdies für die Zeit bis zum 31. Dezember 2003 vom Gesetzgeber in § 6 EnWG ausdrücklich als eine für die Kalkulation von Netznutzungsentgelten im Strombereich geeignete Grundlage anerkannt worden. Denn an die Einhaltung der in Anlage 3 der VV II Plus niedergelegten Preisfindungskriterien - und nicht an die Beachtung der Preisberechnungsmethode der "Arbeitsgruppe Netznutzung Strom" - hat sich kraft Gesetzes die Vermutung der guten fachlichen Praxis geknüpft. Dem widerspricht es, ein Netznutzungsentgelt alleine deshalb als kartellrechtswidrig zu beanstanden, weil es nicht nach den Kriterien der "Arbeitsgruppe Netznutzung Strom", sondern nach dem Preisfindungsmodell der VV II Plus kalkuliert worden ist.

b) Der Vorwurf des Preismissbrauchs scheitert im Entscheidungsfall darüber hinaus an der fehlenden Überschreitung der Erheblichkeitsgrenze.

aa) Nicht jede Preisüberhöhung ist Ausdruck der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Erforderlich ist deshalb ein deutlicher Abstand zwischen dem zur kartellrechtlichen Überprüfung stehenden Preis und dem als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden (wirklichen oder fiktiven) Wettbewerbspreis (BGH, WuW DE-R 375, 379/380 - Flugpreisspaltung; WuW DE-R 412, 417 - Endschaftsbestimmung). Das gilt auch für den Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung. Zwar hat der Bundesgerichtshof unter der Geltung des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB a.F. die Auffassung vertreten, dass der dort normierte Vorwurf, dass ein Energieversorgungsunternehmen ungünstigere Preise als gleichartige Unternehmen verlange, nicht die Überschreitung des Vergleichspreises in einem erheblichem Umfang erfordere (BGH, WuW/E BGH 2967, 2973 - Strompreis Schwäbisch-Hall). Diese Rechtsgrundsätze sind auf den vorliegenden Fall indes nicht übertragbar. Die dargestellte Rechtsprechung trug den seinerzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Energiesektor Rechnung und beruhte auf der durch § 103 Abs. 1 GWB a.F. begründeten und mittels Demarkations- und Leitungsrechten abgesicherten Monopolstellung der Energieversorgungsunternehmen (BGH, WuW DE-R 375, 380 - Flugpreisspaltung; Schultz, a.a.O. § 19 Rn. 104). Sie kann, nachdem § 103 GWB a.F. ersatzlos gestrichen worden ist, nicht mehr herangezogen werden. Die zu § 103 GWB a.F. ergangene Judikatur kann - entgegen der Ansicht des B. - insbesondere nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die Unternehmen der leitungsgebundenen Energieversorgung im Rahmen der Missbrauchskontrolle nach den §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 1. Halbsatz, 19 Abs. 4 Nr. 4, 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB einem strengeren Maßstab zu unterwerfen als andere marktbeherrschende Unternehmen. Das geltende Recht enthält für eine Differenzierung dergestalt, dass ein Monopolunternehmen der Energieversorgung schon bei jedweder Überschreitung des Wettbewerbspreises missbräuchlich handelt, während für den Vorwurf des Preismissbrauchs ansonsten ein deutlicher Preisabstand erforderlich ist, keinen Anhaltspunkt.

bb) Im Entscheidungsfall wird die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten.

(1) Nach den Feststellungen des B. führen die Vorgaben der angefochtenen Verbotsverfügung zu einer Absenkung der Netznutzungsentgelte der Beschwerdeführerin in Höhe von 13,3 %. Damit ist indes der Abstand zum maßgeblichen Vergleichspreis nicht zutreffend wiedergegeben. Entgegen der Ansicht des B. darf die Beschwerdeführerin jedenfalls die Faktoren "Wagniszuschlag" und "Gewerbeertragssteuern" in die Kalkulation ihrer Netznutzungsentgelte einstellen; ob sie darüber hinaus auch die weiteren vom B. untersagten Kalkulationsfaktoren in die Berechnung ihres Netznutzungsentgelts einbeziehen darf, kann für die Entscheidung des Streitfalles dahin stehen.

(a) Wie jede unternehmerische Betätigung ist auch der Betrieb eines Stromleitungsnetzes mit Wagnissen verbunden. Zwar mögen die unternehmerischen Risiken auf dem Sektor der Stromdurchleitung wegen des bestehenden natürlichen Monopols geringer zu veranschlagen sein als sie auf einem wettbewerblich geprägten Markt bestehen. Zu verneinen sind sie indes nicht. Mit Recht weist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf das Auslastungsrisiko infolge von Kundeninsolvenzen, Konjunkturschwankungen oder der Entwicklung und Förderung erneuerbarer Energien hin. Zu berücksichtigen ist ebenso das Risiko, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Stromleitungsmarktes zum Nachteil der Netzbetreiber verändern. Ein Beispiel ist in diesem Zusammenhang der aktuelle Plan des Gesetzgebers, die Netznutzungsentgelte einer staatlichen Preisregulierung zu unterwerfen. Hinzu kommen Risiken, die sich aus der technologischen Weiterentwicklung auf dem Energiesektor ergeben und den Wert oder die Rentabilität eines vorhandenen Stromleitungsnetzes beeinträchtigen können. Beschränkt man - wie es das B. für geboten hält - die Verzinsung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals auf die durchschnittliche Rendite festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten der letzten 10 abgeschlossenen Kalenderjahre, muss der Beschwerdeführerin auf der anderen Seite zugestanden werden, ihr unternehmerisches Risiko bei der Preiskalkulation durch einen angemessenen Wagniszuschlag in Ansatz zu bringen. Andernfalls liefe sie nicht nur Gefahr, im Falle der Realisierung ihres Unternehmensrisikos eine Rendite unterhalb derjenigen festverzinslicher Wertpapiere zu erwirtschaften. Sie wäre überdies in der Möglichkeit beschränkt, Anleger auf dem Kapitalmarkt zu finden. Denn diese werden im Allgemeinen nur dann eine Investition in das Unternehmen der Beschwerdeführerin einer praktisch risikolosen Geldanlage in festverzinsliche Wertpapiere vorziehen, wenn sie zumindest für das vorhandene Unternehmensrisiko einen angemessenen Ausgleich erhalten. Dem darf die Beschwerdeführerin durch den kalkulatorischen Ansatz eines Wagniszuschlags Rechnung tragen.

(b) Nicht zu beanstanden ist ebenso der Ansatz kalkulatorischer Gewerbeertragssteuern. Mit Recht weist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das B. ihr eine Verzinsung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals lediglich in Höhe der Durchschnittsrendite festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zugesteht, bei einer Geldanlage in festverzinsliche Wertpapiere eine Gewerbeertragssteuer indes nicht anfällt. Dann muss der Beschwerdeführerin konsequenterweise aber auch gestattet werden, im Rahmen ihrer Preiskalkulation die Gewerbeertragssteuer, welche sie auf die Erträge aus dem Durchleitungsgeschäft zu entrichten hat, als Kosten anzusetzen. Ansonsten würde ihr nämlich im Ergebnis nur eine Rendite ihres betriebsnotwendigen Eigenkapitals zugestanden, das in Höhe der Gewerbeertragssteuer hinter der Verzinsung festverzinslicher Wertpapiere zurückbleibt.

(2) Bereits die Berücksichtigung der beiden vorgenannten Kalkulationsfaktoren führt zu einer deutlichen Reduzierung des vom B. angenommenen Abstands vom Vergleichspreis.

Der Wagniszuschlag ist in die Kalkulation der überprüften Netznutzungsentgelte mit 1,7 % eingeflossen. Die kalkulatorischen Gewerbeertragssteuern machen mit einem Betrag von 10,5 Mio. EUR knapp ein Drittel der auf rund 32 Mio. EUR bezifferten Überhöhung der jährlichen Netzerlöse aus. Selbst wenn man einen geringeren Wagniszuschlag für gerechtfertigt halten wollte, sinkt der für die Missbrauchskontrolle zugrunde zu legende Preisabstand zum kalkulatorischen Mindestpreis auf unter 10 %. Das reicht für die Feststellung einer erheblichen, auf den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung hindeutenden Preisüberhöhung nicht aus.

Soweit das B. in diesem Zusammenhang auch den Betrag der kalkulatorischen Gewerbeertragssteuern nicht in voller Höhe in Ansatz bringen will, ist dem nicht zu folgen. Das B. zieht die Höhe dieser Kostenposition mit der Überlegung in Zweifel, dass die Beschwerdeführerin als vertikal integriertes Unternehmen nur Gewerbesteuern auf ihren Gesamtertrag zu zahlen habe, weshalb der kalkulatorische Ansatz für den isolierten Ertrag der Netzsparte im Ergebnis übersetzt sein könne. Diese Erwägung mag als solche zutreffend sein; es ist indes nicht zu erkennen, dass sie im Streitfall Auswirkungen hat. Auch das B. hat keinerlei greifbare Anhaltspunkte aufzeigen können, dass die für die Erträge aus der Netznutzung kalkulierten Gewerbeertragssteuern deshalb zu hoch bemessen sind, weil die Beschwerdeführerin auf anderen Geschäftsfeldern mit Verlust arbeitet. Dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Satz 1 GWB.

IV.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 a Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Maßgebend ist danach das wirtschaftliche Interesse, das die beschwerdeführende Partei mit ihrem Rechtsmittel verfolgt. Jenes Interesse beziffert sich im Streitfall auf einen Betrag von insgesamt 113.725.815 EUR.

Die Beschwerdeführerin ist aufgrund der Ziffern 1. bis 6. der angefochtenen Untersagungsverfügung gehalten, ihre Netznutzungserlöse in Höhe eines Betrages von 32.068.000 Mio. EUR jährlich abzusenken. Da das ausgesprochene Verbot zeitlich unbefristet ist, ist für den Gebührenstreitwert das 3,5-fache dieses Betrages, mithin eine Summe von insgesamt 112.238.000 Mio. EUR, in Ansatz zu bringen. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 9 Satz 1 ZPO. Danach wird der Wert des Rechts auf wiederkehrende Leistungen (hier: die der Beschwerdeführerin kartellrechtlich zuzubilligenden Netznutzungsentgelte) nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. § 16 Abs. 1 GKG, der eine Begrenzung auf den Jahresbetrag für den Fall vorsieht, dass das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig ist, findet vorliegend keine Anwendung. Anders als in dem vom B. herangezogenen Verfahren Kart 3/00 (V) geht es in dem zur Entscheidung stehenden Beschwerdeverfahren nämlich nicht um die Verpflichtung der beschwerdeführenden Partei, Zugang zu ihren Infrastruktureinrichtungen (hier: das Stromleitungsnetz der Beschwerdeführerin) zu gewähren. Streitbefangen ist vielmehr die Höhe des Entgelts, welches die Beschwerdeführerin aus kartellrechtlicher Sicht für die Überlassung ihres Stromnetzes fordern darf. Regelungsgegenstand der angefochtenen Verfügung ist somit nicht der Bestand oder die Dauer eines Nutzungsrechts im Sinne von § 16 Abs. 1 GKG, sondern das der Beschwerdeführerin aus der Überlassung ihres Stromnetzes zuzubilligende Entgelt im Sinne von § 9 ZPO.

Für den Untersagungsausspruch gemäß Ziffer 7. der angefochtenen Verfügung ist darüber hinaus ein Betrag von 1.487.815 EUR anzusetzen. Die Beschwerdeführerin hat die Position "Steuern auf den Scheingewinn" auf jährlich 850.180 EUR geschätzt. Zum Zwecke der Streitwertberechnung ist das 3,5-fache dieses Betrages, also insgesamt eine Summe von 2.975.630 EUR, zugrunde zu legen (§ 9 ZPO). Da bei der Beschwerdeführerin derzeit und in naher Zukunft keine "Steuern auf den Scheingewinn" anfallen werden, so dass von dem Untersagungsausspruch zu Ziffer 7. aktuell keine wirtschaftliche Belastung der Beschwerdeführerin ausgeht, ist der genannte Betrag um 50 % auf 1.487.815 EUR zu reduzieren.

Damit errechnet insgesamt ein Beschwerdewert von 113.725.815 EUR (112.238.000 Mio. EUR + 1.487.815 EUR).

Rechtsmittelbelehrung: Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

Ende der Entscheidung

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